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Die Abrechnung ambulanter Notfallbehandlungen im Krankenhaus weicht stark von der stationären Krankenhausabrechnung ab. Das Buch bietet hier einen Überblick über die vielfältigen Abrechnungskonstellationen, z. B. im Hinblick auf PKV, Unfallversicherung, Sozialhilfe und ausländische Patienten. Der zweite Teil des Buches richtet sich an Praktiker und umfasst Erläuterungen und Tipps zur Abrechnung, auch mit Bezügen zur Abrechnung stationärer Leistungen, die in der Notaufnahme erbracht wurden. Umfangreiche Fallbeispiele stellen alltägliche Abrechnungssituationen aus der Notaufnahme dar und vermitteln Handlungsempfehlungen und Tipps.
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Die Autorinnen und Autoren
Dr. jur. Stephan Porten, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, Institut für moderne Versorgung – InMove.
Dr. med. Katharina Schmid, Ärztliche Leitung DRK Landesschule Bildungseinrichtung Pfalzgrafenweiler, zuvor viele Jahre leitende Ärztin einer ZNA, CRM-Instruktorin und Autorin zahlreicher Fachtexte im Bereich ZNA.
Claudia Schubert, Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivfachpflege, mehrjährige Leitungserfahrung auf Intensivstationen, Geschäftsbereichsleiterin Medizincontrolling Alb Fils Kliniken Göppingen und Dozentin an der Akademie Reutlingen.
Rolf Dubb B.Sc. M.A., Fachkrankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie, Intensive Care Practitioner und Fachbereichsleitung Weiterbildungen an der Akademie der Kreiskliniken Reutlingen GmbH.
Jürgen Müller, Diplom-Verwaltungswirt, Albstadt.
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1. Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-033116-7
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-033117-4
epub: ISBN 978-3-17-033118-1
mobi: ISBN 978-3-17-033119-8
Vorwort
1 Grundlagen der Notfallabrechnung
Stephan Porten
1.1 Der ambulante Versorgungsauftrag
1.2 Umfang und Grenze der Notfallbehandlung
1.2.1 Der »echte« Notfall
1.2.2 Notfallbehandlung zur Abklärung von Notfällen
1.2.3 Versorgung bis zur Weiterbehandlung
1.3 Behandlungsniveau und Qualität der Notfallbehandlung
1.3.1 Qualität der Notfallbehandlung und gestufte Notfallversorgung
1.3.2 Behandlungsniveau der Notfallbehandlung
1.4 Ambulante und stationäre Notfälle
2 Abrechnungssystem der Notfallbehandlung
Stephan Porten
2.1 Unterschiedliche Kostenträger
2.2 Abrechnungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung
2.2.1 Der Kostenträger – die Kassenärztlichen Vereinigungen
2.2.2 Das Honorarsystem im Überblick
2.2.3 Die Abrechnungsvorschriften des EBM-Ä
2.3 Abrechnungssystem der privaten Krankenversicherung
2.3.1 Parteien der Abrechnung
2.3.2 Die Gebührenordnung für Ärzte
2.3.3 Versicherungsschutz des Patienten
2.3.4 Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung
2.4 Abrechnungssystem der Beihilfe und Freien Heilfürsorge
2.4.1 Beamte als Selbstzahler
2.4.2 Abrechnungssystem
2.5 Abrechnungssystem bei Arbeitsunfällen
2.5.1 Arbeitsunfall
2.5.2 Kostenträger
2.5.3 Abrechnungssystem
2.6 Abrechnung gegenüber im Ausland krankenversicherter Patienten
2.6.1 Europäische Union
2.6.2 Staaten mit Sozialversicherungsabkommen
2.6.3 Patienten ohne Anspruchsnachweis
2.6.4 Patienten mit einer privaten Reisekrankheitsversicherung
2.7 Die Notfallabrechnung bei Asylbewerbern
2.7.1 Das Asylbewerberleistungsgesetz
2.8 Besondere Personengruppen
2.8.1 Soldaten
2.8.2 Ordensangehörige und Priester
2.9 Bedürftige Personen ohne Kostenträger
2.9.1 Einstandspflichten des Sozialhilfeträgers
2.9.2 Nothelferanspruch im Eilfall
2.10 Absicherung von Zahlungsausfällen
3 Honorarkürzungen und Rechtsbehelfe
Stephan Porten
3.1 Gesetzliche Krankenversicherung
3.1.1 Der Honorarbescheid
3.1.2 Abrechnungsprüfung
3.1.3 Wirtschaftlichkeitsprüfung durch die Prüfstellen
3.1.4 Widerspruch und Klage
3.2 Selbstzahler
3.3 Patienten mit Leistungen nach dem SGB XII oder dem AsylbLG
4 Praxistipps zur Abrechnung von Notfallpatienten
Jürgen Müller, Claudia Schubert
4.1 Abrechnung gesetzlich Krankenversicherter
4.1.1 Der Einheitliche Bewertungsmaßstab und die Gebührenordnungsziffer
4.1.2 Wie funktioniert die Abrechnung mit der Kassenärztlichen Vereinigung?
4.2 Abrechnung gegenüber privat versicherter Patienten
4.3 Abrechnung mit der Berufsgenossenschaft
4.3.1 Rechtsgrundlage – Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger
4.4 Abrechnung von Patienten aus EU-Staaten
4.5 Vor- und nachstationäre Behandlung
4.5.1 Vorstationäre Behandlung
4.5.2 Nachstationäre Behandlung
4.6 Ambulantes Operieren
4.7 Abklärungspauschale
4.8 Kurzlieger-DRG, taggleiche Entlassung, stationäre Abrechnung
4.8.1 G-AEP-Kriterien
5 Blick in die Zukunft – Telemedizin, gestufte Notfallversorgung und Notfallreform
Stephan Porten
6 Fallbeispiele und Musterabrechnungen
Katharina Schmid, Rolf Dubb, Jürgen Müller, Claudia Schubert
Literatur
Stichwortverzeichnis
Stichwortsuche in den Fallbeispielen
Dieses Buch ergänzt die ebenfalls im Kohlhammer-Verlag erschienenen Bände »Rechtsfragen in der Notaufnahme« und »Fallbuch Recht in der Notaufnahme«. Alle drei Bücher gemeinsam geben als eine der ersten Veröffentlichungen im deutschsprachigen Raum eine zusammenfassende und praxisnahe Darstellung des Behandlungsrechts inkl. Abrechnungsfragen speziell der Notaufnahmen.
Dabei erschließt das vorliegende Buch die vielfältigen Abrechnungsthemen rund um die Notaufnahme für die Praxis. Hierbei gilt den ambulanten Abrechnungsfällen ein besonderes Augenmerk. Die Darstellung der unterschiedlichen Einzelfragen soll hierbei auch dem noch nicht Erfahrenen1 einen ersten Überblick bieten und die Grundlage für den vertiefenden Einstieg bieten.
Zielgruppe dieses Bandes sind insbesondere Mitarbeiter der Notaufnahmen, so etwa Ärzte, Pflegekräfte und Kräfte, die mit der Abrechnung ambulanter Leistungen betraut sind.
Der erste Teil des Buches (Kapitel 1 bis Kapitel 5) legt Wert auf die Vermittlung von Zusammenhängen und Strukturen zum Thema Notaufnahme und speziellen Abrechnungsfragen. Hierbei werden auch praxisnah Tipps für die Abrechnung verschiedener, in der Notaufnahme zu findender Patientengruppen dargestellt (Kapitel 4). Im zweiten Teil des Buches (Kapitel 6) sollen Einzelfragen mit Hilfe von Fallbeispielen aufgegriffen und vertieft werden. Alle Fallbeispiele sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit realen Fällen der Notaufnahme sind rein zufällig.
Die Abrechnung ambulanter Notfallbehandlungen der Notaufnahmen steht der stationären Abrechnung an Komplexität und Konfliktpotenzial allerdings kaum nach. Sie muss gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen erfolgen. Lediglich kurzstationäre Fälle werden als stationäre Fälle der Notaufnahme abgerechnet. Damit müssen die Krankenhäuser großenteils ein Abrechnungssystem anwenden, das ihnen eigentlich fremd ist – und das ursprünglich für Vertragsärztinnen und -ärzte gemacht ist und nicht für Notaufnahmen.
Insbesondere aufgrund des in den Notaufnahmen stark verbreiteten Skill- und Grademixes ist zumindest ein Grundverständnis der komplexen Abrechnungsstrukturen von allen in den Notaufnahmen tätigen Berufsgruppen erforderlich.
Hier ist bereits zu Beginn des Behandlungsprozesses auf eine korrekte administrative Aufnahme zu achten, damit im Folgeprozess auch komplexe Behandlungsverläufe lückenlos abgebildet werden können. Es kann durchaus von Bedeutung sein, ob ein Patient als BG-Patient oder KV-Patient die Behandlung beginnt.
Juli 2020
Stephan Porten, Katharina Schmid, Rolf Dubb, Claudia Schubert, Jürgen Müller
1 Zugunsten einer lesefreundlichen Darstellung wird in diesem Text bei personenbezogenen Bezeichnungen in der Regel die männliche Form verwendet. Diese schließt, wo nicht anders angegeben, alle Geschlechtsformen ein.
Die Leistungsabrechnung ambulanter Notfallbehandlungen fällt vielen Krankenhäusern im Alltag schwer. Dies hängt damit zusammen, dass die Abrechnung eben nicht so erfolgt, wie im »Kerngeschäft« – nämlich bei den stationären Fallpauschalen (DRG). Neben dem DRG-System existieren je nach Versichertenstatus unterschiedliche Abrechnungssysteme, die jedes für sich besondere Regelungen für Notfälle enthalten. Bevor aber Spezialfragen zu sehr in den Mittelpunkt rücken, ist es wichtig, einen Überblick über einige der wesentlichen Grundsätze der Notfallabrechnung zu geben. Es gibt nämlich einige übergeordnete Begriffe und Themenfelder, die man verallgemeinern kann. Dies betrifft u. a. folgende Fragen:
• Muss jedes Krankenhaus Notfälle behandeln?
• Wie weit reicht diese Verpflichtung?
• Wann muss der Patient wieder in die regelmäßige Versorgung übergehen?
• Wie muss die Notfallbehandlung erfolgen?
• Wie grenzt man stationäre und ambulante Notfälle ab?
Jeder, der im Krankenhaus arbeitet, hat schon einmal gehört, dass ein Krankenhaus nur solche Leistungen erbringen und abrechnen darf, für die es einen Versorgungsauftrag hat. Dieser Grundsatz gilt auch für ambulante Notfälle.
»Versorgungsauftrag« bedeutet, dass der Staat einem Krankenhaus eine besondere Erlaubnis, aber auch Verpflichtung auferlegt, für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung tätig zu sein. Der Staat wird diesen Auftrag an alle Krankenhäuser erteilen, die er für »systemrelevant« hält, also für unverzichtbar für die Versorgung. Diese haben dann auch Anspruch auf Fördermittel.
Reine Privatkliniken haben demgegenüber keinen öffentlichen Auftrag zur Versorgung. Wenn aber dort ein Notfallpatient eintrifft, müssen dennoch auch Privatkliniken Hilfe leisten. Dies ergibt sich daraus, dass jeder verpflichtet ist, bei Unglücksfällen Hilfe zu leisten, soweit er dazu in der Lage und es ihm zumutbar ist (§ 323c StGB). Eine Verpflichtung, eine Notaufnahme zu betreiben oder gar eine bestimmte Personalbesetzung oder Organisationstruktur sicherzustellen, kann man daraus aber nicht herleiten.
Bei den sogenannten Plankrankenhäusern ist das anders. Sie sind in den Krankenhausplan des jeweiligen Bundeslandes aufgenommen worden. Hierdurch hat der Staat – meist ist das Landesgesundheitsministerium dafür zuständig – diese verpflichtet, die Bevölkerung zu versorgen. Ein solcher Versorgungsauftrag kann auch noch über zwei andere Wege erteilt werden: durch Abschluss eines Versorgungsvertrages mit den Krankenkassen (den der Staat allerdings genehmigen muss) und durch spezielle Gesetze, wie z. B. das Uniklinik-Gesetz vieler Bundesländer.
Hat das Krankenhaus einen Versorgungsauftrag erhalten, so erstreckt dieser sich nicht nur auf stationäre Behandlungen, sondern auch auf ambulante Notfälle. Einzelheiten regeln die Landeskrankenhausgesetze – allerdings meist nur in der Theorie. Unglücklicherweise erwähnen die Krankenhausgesetze der Bundesländer und auch die Krankenhauspläne die Notfallbehandlung meist nur am Rande und die ambulanten Notfälle eigentlich fast nie. Bislang hat im Übrigen keines der 16 Bundesländer ganz konkret geplant, wie die ambulante Notfallversorgung in seinem Land aussehen muss. Dennoch lassen sich einige allgemeine Aussagen zusammenfassen.
Wenn ein Krankenhaus in den Krankenhausplan aufgenommen ist, hat es die Verpflichtung, seinen Versorgungsauftrag in der jeweiligen Fachrichtung (z. B. Chirurgie, Gynäkologie usw.) zu erfüllen. Es darf aber keine Behandlungen aus anderen Fachrichtungen durchführen. Diese Beschränkung gilt für Notfälle nicht. Soweit es um Notfälle geht, darf – und muss – das Krankenhaus auch außerhalb seiner eigentlichen Fachgebiete behandeln.
Der Versorgungsauftrag für ambulante Notfälle ist aber – wie auch bei stationären oder elektiven Eingriffen – nicht grenzenlos. Das Krankenhaus muss nur soweit die Versorgung übernehmen, wie es dafür leistungsfähig ist. Ein Krankenhaus ist nach der Rechtsprechung leistungsfähig, wenn sein Leistungsangebot die Anforderungen erfüllt, die nach dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft an ein Krankenhaus der betreffenden Art zu stellen sind. Die Versorgungspflicht für ambulante Notfallbehandlungen reicht nur soweit, wie das Leistungsangebot, das von einem vergleichbaren Haus zu erwarten ist. Von einem Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung ohne Psychiatrie darf man eine ambulante Notfallversorgung von psychisch Erkrankten erwarten, wie diese üblicherweise mit nicht darauf spezialisierten Ärzten in einem vergleichbaren Haus zu leisten ist.
Weiterhin ist der Versorgungsauftrag der Krankenhäuser für die ambulanten Notfälle auf den Ort des Krankenhausbetriebs beschränkt. Das Krankenhaus kann also nur solche Patienten behandeln, die ins Krankenhaus kommen. Es darf aber nicht einfach z. B. Niederlassungen an anderen Orten errichten oder einen ambulanten Fahrdienst einrichten – und wohl auch nicht telemedizinische Versorgung durchführen.
Immer, wenn ein Versorgungssystem eine Regelbehandlung bestimmt und die Notaufnahme damit quasi systemwidrig tätig wird, muss definiert werden, was die Notaufnahme tun darf. Der Notfallbegriff spielt bei der Abrechnung von Behandlungsleistungen der Notaufnahme eine zentrale Rolle, die meist im Mittelpunkt der Diskussionen steht – und damit die Fragen des Versorgungsauftrags etwas überdeckt.
Solche Vorgaben einer Regelbehandlung finden sich in der Sozialversicherung (GKV, GUV) und den staatlich finanzierten Versorgungssystemen (Sozialhilfe, Asylbewerberversorgung, Bundeswehr u. a). Für gesetzlich Krankenversicherte ist z. B. § 76 SGB V zentral. Dort heißt es, dass gesetzlich Versicherte grundsätzlich zu niedergelassenen Vertragsärzten gehen müssen und »nur in Notfällen« auch andere Ärzte in Anspruch genommen werden dürfen, nämlich die Krankenhausärzte in der Notaufnahme. Zu diesem Notfallbegriff nach § 76 SGB V hat das Bundessozialgericht entschieden, denn er ist die Grundlage der Abrechenbarkeit von Leistungen. Vergleichbare Grundsätze gelten auch für die gesetzliche Unfallversicherung (GUV) oder die Behandlung von bedürftigen Patienten ohne Kostenträger oder auch anerkannte Asylbewerber. Bei der gesetzlichen Unfallversicherung gilt der Gedanke entsprechend. Grundsätzlich soll nämlich die Behandlung von Arbeitsunfällen durch speziell befähigte und zugelassene Ärzte (D-Ärzte) erfolgen. Deshalb darf auch bei Unfallpatienten die Behandlung in der Notaufnahme das Maß des »sofort Notwendigen« nicht überschreiten.
Es gibt allerdings auch Abrechnungssysteme, die eine solche Beschränkung nicht aufweisen. Die private Krankenversicherung (PKV) kennt keine Differenzierung in Notfallbehandlung und normale Behandlung. Sie erlaubt dem Patienten, den Arzt seiner Wahl aufzusuchen. Das kann auch der diensthabende Arzt der Notaufnahme sein. Im Grundsatz darf damit auch in der »Notfallbehandlung« das gesamte ambulante Behandlungsspektrum ausgeschöpft werden.
Was genau ein Notfall ist, wird weiter unten (Kap. 1.3.1) zu den einzelnen Abrechnungssystemen vertieft. Hierbei gilt aber übergreifend, dass die Notfallbehandlung nicht nur die »echten« Notfälle betrifft, sondern weitergeht.
So liegt bei gesetzlich Krankenversicherten nach der Definition des Bundessozialgerichts ein »echter« Notfall nur vor, wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen so dringlich ist, dass es bereits an der Zeit für die Auswahl eines zugelassenen Therapeuten und dessen Behandlung fehlt (BSG, Urt. v. 08.09.2015 – B 1 KR 14/14 R, SozR 4-2500 § 76 Nr. 6 mit weiteren Nachweisen zur diesbezüglich ständigen Rechtsprechung). Es muss also eine sofortige ärztliche Behandlung erforderlich sein und der Patientin bzw. dem Patienten darf die Inanspruchnahme einer Vertragsärztin bzw. einem Vertragsarzt anstelle der Notfallambulanz nicht zumutbar sein. Dies bejaht das Bundessozialgericht insbesondere dann, wenn Gefahren für Leib und Leben entstehen oder heftige Schmerzen unzumutbar lang andauern würden. Nur in diesen Fällen ist auch die Notfallambulanz des Krankenhauses berechtigt, eine Behandlung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vorzunehmen. Bei dieser Notfalldefinition spielt keine Rolle, ob der Patient oder die Patienten subjektiv geglaubt haben, dass ein Notfall vorgelegen habe.
Nun wäre es nicht sachgerecht, wenn nur solche »echten« Notfälle behandelt und abgerechnet werden dürften. Die Feststellung, ob ein Notfall vorliegt oder nicht, ist nämlich letztlich nur rückblicked möglich – nachdem zumindest eine ärztliche Untersuchung bereits stattgefunden hat. Deshalb muss die Notaufnahme bis zur ärztlichen Untersuchung auch davon ausgehen, dass ein Notfall zu behandeln ist. Es wäre nicht nachvollziehbar, wenn die Notaufnahme die Patienten zunächst untersuchen muss, um dann erst hinterher zu erfahren, ob diese Untersuchung auch abrechenbar ist oder nicht.
Daher hat das Bundessozialgericht bereits mit Urt. v. 01.02.1995 – 6 RKA 9/94, SozR 3-2500 § 76 Nr. 2 klargestellt:
»Sucht ein Versicherter die Ambulanz des Klinikums auf, weil er subjektiv eine Notfallsituation annimmt, so muss zur Klärung, ob eine sofortige Untersuchung und Behandlung notwendig ist, ein Arzt hinzugezogen werden, der sich zumindest über die Beschwerden des Patienten und dessen Zustand unterrichten muss, ehe er eine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen kann. Bereits diese orientierende Befragung und Untersuchung ist eine ärztliche Tätigkeit im Rahmen der Krankenbehandlung, die nach allgemeinen Grundsätzen einen Vergütungsanspruch nach sich zieht.«
Damit umfasst der Notfall bei allen Versorgungssystemen mit einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zum einen die »echten« Notfälle, zum anderen aber auch alle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen, die notwendig sind, um festzustellen, ob tatsächlich ein Notfall vorliegt oder nicht.
Für gesetzlich Krankenversicherte geht die Notfallbehandlung sogar noch ein Stück weiter. Die Sozialgerichte leiten sie aus der »Auffangfunktion« der Notfallbehandlung außerhalb der Zeiten der Regelversorgung ab, dass dort im Rahmen einer Notfallbehandlung auch unaufschiebbare Untersuchungen, Behandlungen und Beratungen bis zu den nächsten regulären Sprechzeiten durchgeführt werden – wohlgemerkt bei Patienten, die keine »echten« Notfälle sind (BSG, Urt. v. 17.09.2008 – B 6 KA 51/07 R, SozR 4-2500 § 75 Nr. 10).
Diese findet aber ihre Grenze bei der Erbringung von Leistungen, die typischerweise im Rahmen einer kontinuierlichen Patientenbetreuung anfallen. Die Erhebung einer Fremdanamnese stellte nach Auffassung des Bundessozialgerichts (in dem oben zitierten Urteil) eine solche Leistung dar. Die Durchführung ambulanter Behandlungen sei grundsätzlich Aufgabe der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzte. Diese Zuordnungsregeln dürften nicht durchbrochen werden. Dies hat das Bundessozialgericht auch mit Blick auf den Zeitpunkt der Notfallbehandlung so entschieden. Während der vertragsärztlichen Sprechstundenzeiten sei die Behandlung in Notaufnahmen nachrangig.
Daraus folgt nicht, dass Behandlungen während der Sprechstundenzeiten gar nicht mehr zulässig wären. Für »echte« Notfälle gilt dies ohnehin. Für sonstige Behandlungen muss in den Notaufnahmen aber nicht jedes Mal ermittelt werden, ob und wann ein Vertragsarzt noch erreichbar gewesen wäre. Die Leistungen dürfen weiterhin erbracht werden – allerdings dürfen die Kassenärztlichen Vereinigungen Vergütungsabschläge vorsehen, um den Vorrang der Vertragsärzte sicherzustellen und zu verhindern, dass die Krankenhäuser ein Geschäftsmodell der alternativen, ambulanten Regelversorgung aufbauen könnten (BSG, Urt. v. 02.07.2014 – B 6 KA 30/13 R, SozR 4-2500 § 76 Nr. 2).
Ob dieser Grundsatz auch außerhalb der GKV Anwendung findet, ist bisher noch nicht entschieden worden. Es sprechen aber gute Argument dafür. So wird z. B. auch für die gesetzliche Unfallversicherung nichts anderes gelten können. Wenn die umfassende und schnelle Versorgung von Arbeitsunfällen sichergestellt werden soll, muss das im Zweifel auch die Behandlung bis zum Einsetzen der Regelversorgung durch D-Ärzte umfassen.
Neben dem Versorgungsauftrag gibt es noch eine weitere Parallele der Notfallbehandlung zur Krankenhausbehandlung. Wenn die Qualität der erbrachten Leistung nicht stimmt, dürfen auch ambulante Notfallbehandlungen, genauso wie stationäre Behandlungen, nicht abgerechnet werden. Dabei muss man aber zwischen gesetzlich und privat krankenversicherten Patienten unterscheiden.
Für gesetzlich Krankenversicherte gilt der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz aus § 12 SGB V. Dort heißt es, dass Versicherte keine Leistungen beanspruchen dürfen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind und weder Leistungserbringer diese erbringen noch Krankenkassen diese bezahlen dürfen. Die Qualität kommt hier deshalb ins Spiel, weil das Bundessozialgericht jede qualitativ nicht ausreichende Leistung für unwirtschaftlich hält. Was Qualität ist, definiert das SGB V übrigens in § 2. Danach muss eine Behandlung dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts entsprechen, der nach den Stellungnahmen der medizinischen Fachgesellschaften, namentlich deren Leitlinien und Empfehlungen, zu konkretisieren ist.
Für privat Krankenversicherte ergibt sich die Behandlungsqualität nicht aus dem SGB V, sondern aus dem jeweiligen Behandlungsvertrag, der auch bei der Notfallbehandlung, zumindest mündlich, zustande kommt. In § 630a BGB heißt es dazu: »Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen …«. Der Bundesgerichtshof hat dazu ausgeführt, dass im Regelfall auf den jeweiligen Stand naturwissenschaftlicher Erkenntnis und ärztlicher Erfahrung abzustellen ist, der zur Erreichung des Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat. Das entspricht dem, was auch in § 2 SGB V steht.
Wichtig ist, dass die Qualität der Notfallbehandlung damit in einem stetigen Fluss ist. Sie ist nicht starr, sondern hängt von der jeweiligen Weiterentwicklung der ärztlichen und pflegerischen Erfahrung ab – aber auch von den Standards der medizinischen Fachgesellschaften. Wenn in verständlicher Reaktion auf die manchmal unterfinanzierten Notaufnahmen die Fachgesellschaften höhere Behandlungs- oder Personalbesetzungsstandards fordern und diese teils in ihren Positionspapieren vorgeben, so darf nicht verkannt werden, dass dies von den Kostenträgern ggfs. später einmal aufgegriffen werden könnte, um die Abrechnung einzelner Leistungen oder auch ganzer Notaufnahmen nicht mehr zu vergüten.
Aus dem zuvor Gesagten folgt, dass der behandelnde Arzt eines Notfallpatienten auch in dieser Situation die zu ihrer fachgerechten Bewältigung erforderliche Sorgfalt und Qualität (vgl. BGH, Beschl. v. 16.10.2007 – VI ZR 229/06 –, MedR 2008, 556, 557) einhalten muss. Das Niveau der Notfallbehandlung ist also nicht abgesenkt. Notaufnahmen müssen demnach so organisiert sein, dass bei der Behandlung von Patienten auf ärztlicher Seite der Facharztstandard und auf Seite der nichtärztlichen Kräfte der Pflegestandard bzw. der Fachpflegestandard sichergestellt ist, der auf dem Gebiet der Notfallpflege als allgemein anerkannter Stand pflegewissenschaftlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse gilt.
Von einer Pflegekraft bzw. Fachpflegekraft in der Notaufnahme wird man erwarten müssen, dass die aktuellen medizinischen und pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Notfallpflege berücksichtigt werden.
Nicht jede in der Notaufnahme eingesetzte Kraft muss die Weiterbildung Notfallpflege absolviert haben. Aber in der arbeitsteiligen Ausführung der Tätigkeiten in der medizinischen Einheit Notaufnahme muss dieser Sorgfaltsmaßstab eingehalten werden – und wer aufgrund seines Ausbildungsstandes dies nicht selbst gewährleisten kann, muss entsprechend mit geeigneten Aufgaben betraut und ansonsten gut ausgewählt, angeleitet und überwacht werden.
Für die Abrechnung ist es bei fast allen Patientengruppen sehr wichtig, ob ein Fall als ambulanter oder stationärer Notfall abzurechnen ist. So erfolgt z. B. bei der GKV und PKV die Abrechnung der stationären Leistung nach dem DRG-Fallpauschalenkatalog gegenüber den Krankenkassen bzw. -versicherungen direkt, während die ambulanten Leistungen nach Gebührentabellen (EBM-Ä, UV-GOÄ, GOÄ) abzurechnen sind.
Nun gibt es zwei Fallgestaltungen, bei denen die Abgrenzung nicht ganz so einfach ist. Rechtsprechung ist bisher dazu nur bei den gesetzlich Krankenversicherten ergangen. Es spricht jedoch wegen der identischen stationären Abrechnung über Fallpauschalen einiges dafür, diese auf die anderen Bereiche zu übertragen:
• Fall 1: Wenn ein Patient zwar stationär aufgenommen wird, aber die Behandlung schon am ersten Tage wieder endet, könnte dies eine ambulante Behandlung sein.
• Fall 2: Umgekehrt ist die Frage, ob eine Notaufnahme noch eine ambulante Vergütung verlangen kann, wenn dort der Patient nach Erstversorgung stationär in das Krankenhaus aufgenommen wird.