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»Verweile einfach in der Gegenwart und spüre ihre wohltuende Kraft.« »Die wesentlichen Dinge im Leben machst du nicht selbst. Sie passieren dir oder fallen dir zu. Dank ihrer kommst du über dich selbst hinaus. Das ist das Ziel der Spiritualität.« Bernardin Schellenberger überträgt die zentralen Gedanken und Weisungen aus der Regel Benedikts in unsere Zeit und unser heutiges Leben. Dabei gibt er konkrete Vorschläge und Hinweise, die uns helfen, mit den täglichen Anforderungen besser zurechtzukommen und häufiger die Erfahrung von Zugehörigkeit, Stimmigkeit und Einklang zu machen. Das Buch ist die überarbeitete und erheblich erweiterte Neuausgabe des 2005 im Kreuz Verlag erschienenen Titels 'Mit Benedikt Spiritualität erfahren'.
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Seitenzahl: 56
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Bernardin Schellenberger
Mit Benedikt Spiritualität erfahren
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese
Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Überarbeitete und erweiterte Neuausgabe
2. Auflage 2016
© 2015 Verlag der Ideen, Volkach
www.verlag-der-ideen.de
eISBN 978-3-942006-24-8
Covergestaltung und Satz:
Jonas Dinkhoff, www.starkwind-design.de
Illustration: Jonas Hauss
Printed in Germany
Wenn die Welt verwirrend wird
Fange mit dem Horchen an
Horche, ob die Sprache wahr ist
Sichte kritisch dein Inneres
Entgifte deinen Input
Bete darum, wieder horchen zu können
Sei schweigsam
Achte auf die Substanz deiner Worte
Unterscheide, was für dich ansteht
Suche die Gemeinschaft mit spirituell Erfahrenen
Treibe nicht alles mit, was die Welt treibt
Sei nicht habsüchtig, sondern großzügig
Bleibe auf dem Boden
Gib deinem Leben Struktur
Entwickle Disziplin und Regelmäßigkeit
Wache über deine Seele
Stimme dich auf inspirierende Texte ein
Pflege das Lesen
Wohne achtsam bei dir selbst
Verankere dich verkostend im Sein
Verweile in der Gegenwart
Sei dankbar, statt zu murren
Gewinne an Format, indem du lobst
Weite dein Herz
Zum Autor
Ein Student empfand, die Fülle an Informationen, die ihn überflutete, sei nicht mehr hilfreich, sondern erdrückend. Den Jahrmarkt an Religionen und Lebensentwürfen, der sich ihm in seiner Stadt – einer verfallenden Weltstadt – bot, empfand er als verwirrend. In den politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Turbulenzen seiner in ihren Grundfesten erschütterten Welt drohte er den Boden unter den Füßen zu verlieren. Da beschloss er eines Tages, »wissentlich unwissend zu werden«, wie es sein Biograf formulierte. Er brach seine Studien ab, zog aufs Land und »wohnte bei sich selbst«.
Der genannte junge Mann lebte nicht zu Beginn des 21. Jahrhunderts, sondern vor über tausendfünfhundert Jahren. Seinen folgenreichen Schritt tat er ungefähr im Jahr 505. Er hieß Benedikt, stammte aus dem umbrischen Städtchen Nursia (heute Norcia) und hatte in Rom studiert. Dort war einige Jahre vor seiner Geburt im Zug der Völkerwanderung, die ganz Europa in Unruhe hielt, der letzte römische Kaiser von einem ostgotischen Heerführer gestürzt worden. Rom, auf den Rang einer Provinzstadt herabgesunken, von Korruption und Dekadenz zerfressen, war zum Sammelbecken Entwurzelter aus aller Herren Länder geworden. Es hatte schon seit Jahrhunderten ein buntes Gemisch aller nur erdenklichen Kulte und Philosophien angezogen.
Benedikt also kehrte dieser verworrenen und verwirrenden Welt den Rücken. Er lebte mehrere Jahre als Einsiedler. Später gründete er ein ganzes Dutzend Klöster. Schließlich schrieb er aus seiner spirituellen und praktischen Erfahrung eine Klosterregel. Sie setzte sich ab dem 9. Jahrhundert in Europa als fast alleinige Regel der Mönchs- und Nonnenklöster durch.
Mönche und Nonnen sind Menschen, die die spirituelle Suche zu ihrem Hauptberuf machen. Im Abendland hat ihre Zahl stark abgenommen. Aber zunehmend mehr Menschen begeben sich mitten in der Welt auf die spirituelle Suche. An die meisten der praktischen Anleitungen zur Organisation eines geschlossenen Klosters, wie sie Benedikt in seiner Regel bietet, können und wollen sie sich nicht halten.
Sogar das Welt- und Gottesbild, das in dieser Regel aufscheint, trägt fremd anmutende Züge. Das ist kein Wunder. Der Mensch nimmt alles, was er wahrnimmt, gemäß der ihm bekannten Bilderwelt und Denkformen auf. Ohne sie kann er nichts wahrnehmen. Sie sind die Instrumente seines Verstehens und Erfahrens. Ein gutes Stück weit sind sie immer von der Kultur seiner Zeit geprägt.
Aber durch alles Zeitbedingte hindurch leuchten bei allen, die authentisch leben, spirituelle Wahrheiten und Weisheiten von zeitloser Gültigkeit auf. Das ist auch bei Benedikt der Fall. Seine Zeit war anders als die heutige und glich ihr doch in vielem auf verblüffende Weise. So lassen sich bei ihm uralte Anregungen als ganz aktuell entdecken. In der Begegnung mit Benedikt kann einem »aufgehen« und »einfallen«, worum es im Letzten immer geht und was inspiriert. Das aber ist »Spiritualität«: sich dem inspirierenden »Spiritus« (Geist) überlassen.
Das erste Wort der Regel Benedikts ist der Aufruf: »Horche!«
»Horche« – das ist, nach der Gepflogenheit antiker Autoren, die Zusammenfassung und Kurzformel seines ganzen nachfolgenden Textes.
Horchen ist eine intensivere Form des Hörens: Man hört dabei konzentriert, gespannt, wach hin.
Heute sind wir Dauer-Hörer: fast pausenlos beschallt aus unzähligen Medien, überschwemmt vom sozialen Geräusch, das nur noch ausnahmsweise zum wirklichen Gespräch wird. Viele stöpseln sich beide Ohren zu, schirmen sich mit Geräusch aus Musikkonserven gegen die Geräusche von außen ab, hören also nur noch, was sie hören wollen.
In dieser Situation wird der Ruf Benedikts »Horche!« zum Weckruf. Er sagt es ausdrücklich: »Jetzt ist die Stunde, dass wir vom Schlaf aufstehen und mit aufgeschreckten Ohren wieder horchen!« Und er erläutert: »Es geht darum, dass du dich wieder um echtes Horchen bemühst. Du hast dich nämlich hängen lassen. Du hast nirgends mehr hingehört. Du hast dich zurückgezogen auf das, was du selbst wolltest.«
Weil du lange nicht mehr wirklich hingehört hast, gehörst du tatsächlich nirgendwo mehr wirklich hin. Die Worthülsen, die Geräusche tragen dich nicht. Du schwimmst, du treibst auf ihnen. Aus lauter Angst, du könntest sinken, schaltest du sie unverzüglich wieder ein, sobald sie einmal ausfallen.
Benedikt spricht vom Horchen »auf die Lehren des Meisters« und auf die »Stimme Gottes«; er spricht vom Gehorchen. Das dürfte an dieser Stelle zu unvermittelt kommen. Zunächst einmal geht es um deine eigene innere Wachheit und Aufmerksamkeit. Darum fordert Benedikt auf: »Neige das Ohr deines Herzens« und »Verhärte dein Herz nicht.«
Wann hast du das letzte Mal wirklich auf dein Herz gehorcht? Gehorcht, was es unterhalb und jenseits aller seiner »Verhärtungen« durch Illusionen, Wunschträume, Süchte Blockaden und Unfreiheiten sucht und will?
Habe den Mut, zu horchen. Nimm dir Zeit dafür. Tue es lange. Halte es aus.
Jetzt – nicht morgen oder vielleicht übermorgen – ist die Stunde, dass du vom Schlaf aufstehst und mit aufgeschreckten Ohren wieder horchst.
»Wo ist ein Mensch, der volles Leben will und darauf aus ist, viele gute Tage zu sehen? Wenn du auf diese Frage ›Hier!‹ rufst«, schreibt Benedikt im Vorwort seiner Regel, dann hast du das richtige Buch in der Hand. Denn dazu soll es anleiten.
Und er gibt unverzüglich eine praktische Anweisung für den Einstieg.
Vielleicht kamen ihm beim Schreiben Zweifel, ob ihn seine Leserinnen und Leser ernst nehmen würden, wenn er ausgerechnet mit dieser Anweisung anfing. Darum setzte er zuvor noch einmal an: »Wenn du tatsächlich allen Ernstes wahres und ewiges Leben suchst … (tust du es wirklich?)«, um erst dann mit dem herauszurücken, was er sagen wollte: »… so halte deine Zunge vom Bösen zurück und sprich nicht hinterhältig mit deinen Lippen.«