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Adam von Bremen war ein deutscher Historiker und Geograph des elften Jahrhunderts. Die genauen Daten seiner Geburt und seines Todes sind unbekannt. Er schrieb die "Gesta Hammaburgensis Ecclesiae Pontificum", eine Geschichte der Hamburger Kirche und der christlichen Missionen im Norden von 788 bis 1072 n. Chr.. Es ist unsere wichtigste Wissensquelle über die Geschichte und Ethnographie der nördlichen Regionen vor dem dreizehnten Jahrhundert. Über das Leben des Autors ist wenig bekannt; er selbst gibt uns nur sehr spärliche Informationen. Die Vorrede zu seiner Geschichte unterzeichnet er lediglich mit seinem Anfangsbuchstaben A. Dass dies für Adam steht, wissen wir aus Helmolds Slawischer Chronik, die Adam eindeutig als Verfasser einer Geschichte der Hamburger Kirche bezeichnet. Dass er aus Sachsen, genauer gesagt aus Meißen, stammte, ist eine bloße Vermutung, die sich auf dialektische Spuren im Werk stützt. Sein Werk ist in vier Bücher unterteilt, von denen die ersten drei hauptsächlich historisch sind, während das letzte rein geographisch ist. Das erste Buch berichtet über die Bremer Kirche, ihre ersten Bischöfe und die Ausbreitung des Christentums im Norden. Das zweite Buch setzt diese Erzählung fort und befasst sich auch weitgehend mit den deutschen Angelegenheiten zwischen 940 und 1045. Es berichtet von den Kriegen, die die Deutschen gegen die Slawen und Skandinavier führten. Das dritte Buch ist den Taten des Erzbischofs Adalbert gewidmet. Das vierte Buch ist ein geographischer Anhang mit dem Titel "Descriptio insularum Aquilonis" und beschreibt die Länder und Inseln in den nördlichen Meeren. Es enthält die früheste Erwähnung Amerikas in einem geografischen Werk.
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Seitenzahl: 360
Adams von Bremen Hamburgische Kirchengeschichte
Adams von Bremen Hamburgische Kirchengeschichte
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN: 9783849662974
Quelle: https://de.wikisource.org/wiki/Hamburgische_Kirchengeschichte. Alle redaktionellen Texte dieses Projektes stehen unter der Lizenz CC-BY-SA 2.0 Deutschland, näheres dazu unter o.a. Adresse. Eine Gemeinfreiheit des reinen Textes der zugrunde liegenden Fassung von 1893 bleibt davon unberührt.
www.jazzybee-verlag.de
Einleitung. 1
Meister Adam's Geschichte der Erzbischöfe von Hamburg. 6
Erstes Buch.9
Zweites Buch.46
Drittes Buch.97
Anhang.140
Viertes Buch.155
Meister Adams. Epilog an den Bischof Liemar.177
Anhang.179
Es giebt wenige Städte, welche bei ihrer Gründung zu einer so hohen Aufgabe berufen wurden, wie Karl der Große sie für Hamburg gestellt hat, als er seine Priester und Ritter an diesen, durch die Ausmündung zweier Flüsse in die Elbe dem Verkehre günstigen, durch die Entfernung von der See und den dort durch damals unbedeichte sumpfige Inseln vielfach durchbrochenen Strom gegen Seeräuber geschützten Ort zu senden beschloß. Der Kaiser bestimmte diese Stadt, zur großen Missionsanstalt für den ganzen noch unerforschten Norden, von dessen Völkern, den Dänen, Nordmannen, Schweden, manchen Slavenstämmen, den Franken die meisten nur durch feindliche Berührungen bekannt, andere gänzlich unbekannt waren. Der Haß und die Raubsucht der Heiden haben diese Friedensburg häufig zerstört. Doch fand schon Ludwig der Fromme in dem Niederländer Ansgar einen eben so begeisterten und kühnen Glaubensboten, als in den Grenzen seines Sprengels thätigen Bischof. Auf diesen, welcher wie wenige den Beinamen des Heiligen verdiente, folgten würdige Männer, welche in seinen Fußstapfen fortschreiten versuchten. Ein Jahrhundert nach ihm befestigte der Erzbischof Adaldag, vom Kaiser Otto dem Großen unterstützt, die Ergebnisse der bisherigen evangelischen Bestrebungen durch die Gründung der dänischen Bisthümer, und schloß sein Erzbisthum noch näher an Deutschland durch die Gründung der Bisthümer in den Ländern der nördlichen Slaven. Von diesem Zeitpunkte an verknüpfte sich auch die Geschichte seiner ganzen umfangreichen Diöcese näher mit derjenigen des deutschen Reiches, und nach einem zweiten Jahrhunderte konnte der Erzbischof von Hamburg, Adalbert, seine bedeutende Persönlichkeit zur Anerkennung bringend, die Schicksale des Reiches leiten und ein Patriarchat über den ganzen Norden erstreben. Doch mit seinen maaßlosen Entwürfen begann schon in seinen letzten Lebensjahren die Herrlichkeit des Erzbisthumes zu schwinden, und das dritte Jahrhundert kannte nur noch die ursprüngliche sächsische und einen ehemals slavischen germanisirten Theil der Hamburgischen Diöcese.
Der Ursprung, das Emporkommen und der Verfall dieses Erzbisthumes, die Schicksale der verschiedenen Nationen entsprossenen Erzbischöfe, die Thaten und Leiden vieler Glaubensboten und Märtyrer, die Verwicklungen der Kirche den sächsischen Herzögen so wie den nordischen Königen gegenüber; die erste ausführliche Schilderung der Länder und Völker, welche dem Hamburgischen Sprengel angehörten, — dieser anziehenden, umfangreichen Aufgabe, so weit sie sich beim dritten Viertel des eilften Jahrhundertes, zur Epoche der größten Macht und des ersten Verfalles des Erzbisthumes, gestaltet hatte, fehlte ein Geschichtschreiber. Dieser hat sich, zum größten Heile der Geschichte des Nordens, so vorzüglich als die damalige Bildungsstufe des nördlichen Deutschlands es gestatten wollte, in dem Bremer Domherren und Scholasticus M. Adam gefunden, einem für seine Zeit und sein Vaterland so gebildeten Manne, als sinnig-talentvollen und treuen Berichterstatter, demjenigen Geschichtschreiber des Mittelalters, welchem nur eines fehlte, um als der Herodot des Nordens gepriesen zu werden. Denn leider bediente auch er sich nicht, wie es unter den germanischen Stämmen doch von den Angelsachsen und Nordmannen häufig geschah, seiner Landessprache, sondern gleich den romanischen Völkern, deren verdorbene Zwittersprache und Dialecte solche Aushülfe für literarische Mittheilungen erforderlich machte, der lateinischen Kirchensprache, und sogar einer oft ziemlich unbeholfenen.
Um uns die Bildungsstufe des M. Adam zu verdeutlichen, erinnern wir uns, wie sehr die Klosterschulen der germanischen Länder, mit Ausnahme Englands, welches mehr ein römisches Land als ein romanisches geblieben zu sein scheint und wo hernach die angelsächsischen christlichen Schulen sich an die der römisch gebildeten Briten anlehnen konnten, hinter denen der romanischen Länder, wie zu Corbie, St. Gallen, Bobbio, Monte Cassino standen. Den Trägern der Wissenschaft unter den christlichen Missionaren, den irischen Scoten, begegnen wir im nördlichen Deutschland, wie in anderen nordischen Ländern, nicht diesseits Cöln, vermuthlich weil sie die Gegenden suchen mußten, wo die vermittelnde Kunde des Lateinischen ihnen entgegenkam. Von einer angelsächsischen Schulbildung, welche Willehad aus dem eigensten Vaterlande Beda’s gebracht haben mag, ist jede unmittelbare Spur verloren: jene kann nur mittelbar aus Fulda, Winfrids (des h. Bonifaz) Stiftung, hierher gelangt sein. Im nördlichen Deutschland kennen wir nur zwei Klosterschulen, welche tüchtige Lehrer besaßen, eine zu Magdeburg und die andere zu Bremen, beide vermuthlich von Fulda ausgegangen, jene vorzüglich durch Octrik berühmt, welcher zur Zeit der sächsischen Kaiser blühete, diese durch Octriks Schüler, Thiadhelm, gehoben.[1]
Unser Adam, um’s Jahr 1040 oder etwas früher in der Markgrafschaft Meißen[2] geboren, dürfte in der erstgenannten Schule gebildet sein, da er den Dialect seiner Heimath nie abgelegt hat; ob er den Magistertitel einer anderen Anstalt verdankt, wo er die priesterliche Weihe erhielt, ist uns unbekannt. Im Jahre 1068[3] kam er an den Hof des Hamburgischen Erzbischofs Adalbert, welcher dem Geschlechte der Markgrafen von Wettin[4] und also seinem Geburtslande angehörte, ein mächtiger Kirchenfürst, der Männer von Talent und Kenntnissen, obgleich nicht immer mit glücklicher Auswahl, herbeizuziehen suchte. Unter den glücklichen Erwerbungen kennen wir den Gualdo oder Waldo, einen Geistlichen aus Alt-Corbie, welcher durch eine Bearbeitung des Lebens des h. Ansgar in Hexametern sich jenem empfahl und als erzbischöflicher Erzkanzler und Domcustos zu Bremen ein hohes Alter erreichte.[5] Zum wahren Segen für die Geschichtsforschung ward aber die Herbeiziehung des M. Adam. Diesem ward das Amt des Domscholasters übertragen, ein Amt, zu welchem ihn die milde aber ernste Gesinnung, so wie die Kenntnisse, welche sein Geschichtswerk kund geben, sehr geeignet machten. Von seinen ferneren Lebensverhältnissen ist nichts auf uns gelangt, da er auch selbst nichts darüber andeutet. Wir ersehen aus seinem Buche, daß er Hamburg und Nordelbland genau kannte, und bei den Zusammenkünften des Erzbischofes Adalbert mit dem Dänenkönige Sven Estrithson zugegen war, von welchem letzteren er sich viele Nachrichten über Dännemark zu verschaffen wußte. Daß er den König nach seiner Residenz Roeskild begleitet oder sonst die nordischen Länder selbst bereist habe, ist uns nicht berichtet. Doch zog er die genauesten Erkundiguugen von den heimkehrenden Geistlichen ein, welche in der nordischen Diöcese verweilt hatten, so wie von wohlunterrichteten Laien, unter denen er einen edlen Nordelbingen auszeichnet. Das größte Ereigniß seines Lebens war die Nähe, in welche die Vorsehung ihn zu dem Erzbischofe Adalbert führte, einem so bedeutenden als von seinen Leidenschaften irregeleiteten Manne, welchem jener, mit klarem, aber mildem Blicke seine Fehler erkennend, mit treuester Verehrung bis zu seiner letzten Stunde dankbar anhing. Nach Adalberts im Jahre 1072 erfolgtem Tode wandte er sich mit liebevollem Gemüthe dessen Nachfolger Liemar zu, in dessen drittem Jahre er sein diesem gewidmetes Werk geschrieben hat.
Von seinem ferneren äußeren Leben ist nichts auf uns gelangt, als der uns ohne das Jahr gleichgültige Todestag (12. October) und die Sage, daß er dem unweit Harburg belegenen Kloster Ramesloh einen Wald schenkte und daselbst beerdigt sei. Daß er sich dort länger aufgehalten habe, mag immer eine Stütze in der Bemerkung finden, daß nach der letzten Zerstörung Hamburgs jenes benachbarte, doch durch die größere Entfernung von der Elbe besser geschützte Kloster, vorübergehend eine höhere Bedeutung erlangt haben und der Wohnsitz vertriebener Hamburgischer und Bremischer Domherren gewesen sein kann.
Deutlicher als die äußere liegt die geistige Thätigkeit unseres Bremer Scholasticus vor uns. Er hatte die lateinischen Classiker, welche zu seiner Zeit gelesen wurden, durchaus inne; besonders vertrauet finden wir ihn mit Sallust, welchem er ganze Sätze entlehnte und nachbildete; sodann mit Virgil und Lucan; Solinus und Marcianus Capella hatte er fleißig studirt, um Nachrichten über den Norden aus ihnen zu schöpfen, welche er freilich gleich anderen aus den römischen Classikern mit großer Sorgfalt geschöpften Notizen nicht immer richtig anzuwenden wußte. Daß er die Bibel und manche Kirchenväter genau kannte, verräth sich vielfältig in seinem mit Stellen derselben reich durchwebten Style. An Geschichtsquellen, welche seiner Aufgabe dienen konnten, scheint ihm wenig gefehlt zu haben; wir sehen, daß er die Fuldaer Jahrbücher, andere von Neu-Corvei, die Werke Einhards,[6] die Biographien der ersten Erzbischöfe seiner Kirche und anderer großen Glaubensboten des Nordens sorgfältig gelesen und benutzt hatte. Die Werke des Widukind und des Merseburger Bischofs Thietmar, welcher, durch seine Mutter den Grafen von Stade entstammt, die Geschichte des Hamburger Erzbisthums berührte, kannte er jedoch nicht.
Das Archiv seiner Kirche wurde von ihm fleißig zu Rathe gezogen. Schriftliche Quellen der Geschichte des Nordens sind, soviel wir wissen, neueren Ursprungs und konnten daher von ihm nicht benutzt werden. Doch scheinen selbst angelsächsische Quellen ihm nicht ganz fremd gewesen zu sein. So wurde es ihm beschieden, aus älteren bisweilen für uns verlorenen geschriebenen Geschichtsquellen und durch sorgsame Benutzung der Aussagen der glaubwürdigsten Zeugen ein Werk zusammen zu tragen, ohne welches unsere zuverlässige Kenntniß und lebendige Anschauung des nördlichen Deutschlands und des ganzen Nordens kaum vor dem dreizehnten Jahrhunderte beginnen würde, während jetzt durch dasselbe für die reiche Sagenwelt jener Länder uns die wichtigsten historischen Standpunkte gegeben sind und zugleich die vereinzelt dastehenden Urkunden eine lebendige Verbindung erhalten. Die Herstellung des lateinischen Textes des vorliegenden Werkes hat eigenthümliche Schwierigkeiten gehabt, welche noch auf die Uebersetzung nachwirkten. Den vorhandenen Handschriften der Begebenheiten der Erzbischöfe der Hammaburger Kirche liegen nämlich verschiedene Ueberarbeitungen unter, deren keine sich als das Original unbezweifelt zu erkennen giebt, während mehrere derselben Zusätze und Scholien enthalten, welche ersichtlich noch von dem ersten Verfasser herrühren müssen. Manche der Scholien sind indessen viel neuer, die daher in meiner Ausgabe durch Verweisung auf die Handschriften haben unterschieden werden können, welche Bezeichnung jedoch gleich anderem kritischen und eregetischen Rüstzeuge aus jener nicht füglich in die Uebersetzung aufgenommen werden konnte. Die Verschiedenheit der Zeit und des Ursprunges des Scholien hat auch bei dem Wunsche und der Verpflichtung des Uebersetzers, dem Originale möglichst treu zu bleiben, zu einiger Ungleichheit der Namensformen geführt, wodurch auch die Schwierigkeit der Uebertragung derselben in die richtige deutsche Form vergrößert ist. In den Anmerkungen Maaß zu halten war sehr schwer; doch verlangte der überaus reiche, so viele verschiedene Länder und Verhältnisse berührende Stoff, um nicht in ausführlichen Erläuterungen begraben zu werden, durchaus die äußerste Beschränkung und dürfen wir vertrauen, daß der Leser die ihn näher angehenden einschlagenden Geschichtswerke ohne weitere Nachweisung wird zu finden wissen.
Hamburg, den 6. December 1849.
J. M. Lappenberg.
* * *
Lappenberg hat sich durch die Bearbeitung der Niedersachsen betreffenden Geschichtsquellen und des Hamburger Urkundenbuches die größten Verdienste erworben, und die unter seiner Leitung entstandenen Uebersetzungen des Dr. Laurent waren um so willkommener, weil sie den Ausgaben der Texte in der Sammlung der Mon. Germ. vorangingen. Doch war die Nothwendigkeit recht zahlreicher Verbesserungen in diesen Uebersetzungen schon lange anerkannt; außer diesen bedurften auch die von Lappenberg herrührenden Anmerkungen einer Durchsicht, bei welcher es nur in einzelnen Fällen möglich erschien zu bemerken, was von ihm oder von mir herrührt. Erforderlich war vorzüglich ein Hinweis auf die Unechtheit der meisten uns überlieferten päpstlichen Bullen, welche sich auf die nordische Mission beziehen. Dieser Gegenstand ist behandelt von K. Koppmann in der Zeitschrift für Hamburger Geschichte V, 483—573, und von G. Dehio in seiner Geschichte des Erzbisthums Hamburg-Bremen, Berlin 1877. Beide setzten die Verfälschung der älteren Bullen, und im Zusammenhang damit auch der Lebensbeschreibungen Ansgars und Rimberts, in etwas spätere Zeit; Adams Werk ist davon noch unberührt. Dagegen hat er ältere Fälschungen, welche sich auf den Besitz von Turholt und Ramesloh beziehen, schon vorgefunden und benutzt. Ihm selbst läßt sich keine Betheiligung daran nachweisen.
Berlin, im Juni 1886.
W. Wattenbach.
Dem glückseligsten Vater und vom Himmel erwählten hammaburgischen Erzbischofe Liemar widmet Adam, der geringste Canonicus der heiligen Kirche von Bremen, diese kleine Gabe unbeschränkter Ergebenheit.
Als ich vordem[8] von Euerem Vorgänger, evangelischer Hirte, der Zahl der Euerer Heerde Angehörenden zugesellt wurde, war ich der Neuling und Fremdling emsig bemühet, nicht als ein die Wohlthat eines so großen Geschenkes mit Undankbarkeit lohnender zu erscheinen. Sobald ich daher mit Augen sah und mit Ohren vernahm, wie Eurer Kirche das Vorrecht alter Ehre nur allzu sehr geschmälert war und wie sie deshalb der Hände vieler Mitbauenden bedurfte, sann ich lange darüber nach, durch welch ein Denkmal eigener Arbeit ich der Mutterkirche bei der Erschöpfung ihrer Kräfte Hülfe bringen könnte. Und siehe! da kam ich, während ich hin und wieder Manches las und hörte, aus sehr viele Thaten Deiner Vorgänger, welche sowohl wegen ihrer eigenen Größe, als wegen des Bedürfnisses dieser Kirche des Erzählens werth zu sein schienen. Weil nämlich das Gedächtniß dieser Thaten erloschen und die Geschichte der hiesigen Erzbischöfe noch nicht geschrieben ist, so möchte vielleicht einer sagen, sie hätten entweder ihrer Zeit nichts Denkwürdiges gethan, oder, wenn sie dergleichen verrichtet, keine sorgsamen Schriftsteller gefunden, dasselbe den Nachkommen zu überliefern. Von diesem Bedürfnisse also überzeugt, schickte ich mich an, die bremischen oder hammaburgischen Erzbischöfe der Reihenfolge nach zu beschreiben, indem ich zugleich dafürhielt, daß es weder meiner Ergebenheit und Dienstpflicht, noch dem Amte Eueres Legatenberufes widerstreite, wenn ich, als ein Sohn dieser Kirche, die Lebensereignisse der heiligsten Väter, durch welche die Kirche erhöhet und das Christenthum unter den Heiden verbreitet wurde, wieder an’s Licht brächte. Freilich flehe ich nun für dieses mühevolle und meine Kräfte weit übersteigende Werk um so mehr um Nachsicht, als ich, fast ohne irgend eines Vorgängers Spuren folgen zu können, mich nicht gescheuet habe, einen unbekannten Pfad gleichsam im Dunkeln tappend zu betreten, indem ich es vorzog, lieber im Weinberge des Herrn des Tages Last und Hitze zu tragen, als außerhalb des Weinberges müßig zu stehn.[9] Deiner Prüfung nun, heiligster Erzbischof, unterwerfe ich dreist dieses Werk, Dich erbitte ich mir zugleich zum Richter und Sachwalter, indem ich gar wohl weiß, daß etwas Deiner Weisheit Würdiges Dir nicht dargebracht werden kann; Dir, der Du jetzt, nachdem Du die Laufbahn weltlicher Wissenschaft zurückgelegt hattest, mit noch größerem Ruhme zu dem Streben nach geistlicher Gelehrsamkeit Dich emporgeschwungen hast, das Irdische verschmähend und allein auf das Himmlische sinnend. Und obwohl Du durch Lehre und Wahrheit, d. h. durch Dein, des Seelenhirten, Wort und Beispiel vor Vielen Dich auszeichnest, so ist doch unter Deinen Tugenden die vorzüglichste die Demuth, und diese, die Dich Allen nahe bringt, hat auch mir diejenige Zuversicht eingeflößt, in welcher ich Stammelnder es wage, mit einem so hochgelahrten Weisen zu reden und wie Saul unter den Propheten zu erscheinen.[10] Ich weiß jedoch, daß es mir, wie es bei neuesten Erscheinungen zeither zu geschehen pflegte, an Widersachern nicht fehlen wird, welche sagen werden, dies alles, was ich hier vorbringe, sei erdichtet und unwahr, wie Scipio’s vom Tullius ersonnene Träume;[11] nun gut, so mögen sie meinetwegen auch, wenn sie wollen, sagen, diese meine Träume seien aus Maro’s elfenbeinerner Pforte hervorgegangen.[12]Ich habe mir vorgesetzt, nicht Allen zu gefallen, sondern Dir, mein Vater, und Deiner Kirche; denn es ist sehr schwer, Neidern zu genügen. Und weil meiner Nebenbuhler Unredlichkeit es also verlangt, so erkläre ich Dir offen, auf welchen Gefilden ich diesen Kranz mir gepflückt habe, damit es nicht von mir heiße, ich habe unter dem Scheine der Wahrheit nach Lügen gehascht. Von dem also, was ich schreibe, habe ich Einiges aus zerstreuten Blättern gesammelt. Vieles aber habe ich aus Geschichtswerken und den päpstlichen Privilegien entlehnt, bei weitem das Meiste jedoch erlernte ich aus der Ueberlieferung älterer fachkundiger Leute, und die Wahrheit selbst ist mir Zeugin, daß ich nichts aus meinem eignen Kopfe ersinne, nichts ohne Gründe hinstelle, sondern ich werde alles, was ich angeben werde, mit sicheren Belegen erhärten, so daß man, wenn man mir nicht glaubt, wenigstens dem Ansehn meiner Bürgen Vertrauen schenken möge. Alle aber mögen wissen, daß ich wegen dieses meines Werkes und solches Unternehmens weder als Geschichtschreiber gepriesen zu werden strebe, noch als Fälscher getadelt zu werden befürchte; sondern was ich selbst gut darzustellen nicht vermochte, das besser zu schildern, habe ich Anderen Stoff gelassen. Indem ich nun mit dem Auftreten des heiligen Willehad beginne, wo ganz Sachsen sowohl den Waffen der Franken unterworfen, als dem Dienste Gottes gewonnen wurde, setze ich meinem Büchlein ein Ziel mit Deinem heilbringenden Amtsantritte, indem ich zugleich Gottes des Allmächtigen Barmherzigkeit anflehe, daß er, der Dich seinem lange ohne Obhut umherirrenden und bedrängten Volke zum Hirten bestellt hat, es gewähren möge, daß mit Deiner Hülfe und in Deinen Tagen das, was unter uns verkehrt ist, verbessert und das Verbesserte fortwährend erhalten werde. Daß das, was in der Bekehrung der Heiden von Deinen Vorgängern längst rüstig begonnen ist, von Dir, der Du den angeerbten Beruf hast, das Evangelium dem Norden in seiner ganzen Ausdehnung zu verkünden,[13] bald möglichst vollendet werde, das gebe Jesus Christus, unser Herr, dessen Reich kein Ende hat in Zeit und Ewigkeit. Amen.
Anmerkungen der Übersetzung von J. C. M. Laurent
1.Hier hätte doch der Verf. Hildesheim und andere Bildungsstätten auch berücksichtigen müssen. W.
2.Diese Herkunft beruht nur auf Vermuthung. W.
3.Im 24. Amtsjahr Adalberts, nach Adams eigener Angabe III, 4, dessen Einsetzung zwischen 1043 und 1045 streitig ist. Im Jahre 1069 wird Adam urkundlich als Scholasticus erwähnt. W.
4.Vielmehr der Pfalzgrafen von Sachsen. W.
5.Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, Band II, Seite 31 folgend.
6.Diesem schrieb er durch Verwechselung die von Rudolf von Fulda begonnene, von Reginhard vollendete Erzählung von der Uebertragung des heil. Alexander zu. Hervorzuheben ist noch das durch ihn gerettete Fragment des Abtes Bovo von Corvei. W.
7.ergänzt durch WS
8.Nämlich im Jahre 1068.
9.Vergl. Matth. 20, 3. 12.
10.1 Sam. 10, 12. 19, 24.
11.Anspielung aus Cicero’s „Traum des Scipio“, enthalten in dem Buche vom Staate VI, 9 ff.
12.Also nichtig und grundlos, denn in Virgil’s Aeneide Buch V1, Vers 894-6 heißt es:
Zwiefach sind die Pforten des Schlafs, die hornene nennt man
Eine, wodurch leichtschwebend die wahren Erscheinungen ausgehn;
Weiß die andre und hell aus Elfenbeine geglättet,
Doch ihr entsenden zur Luft falschgaukelnde Träume die Manen. V o ß.
13.Im Jahre 1073 am 2. Februar übertrug Papst Alexander II. sammt dem erzbischöflichen Pallium dem Liemar das Missionsamt für den Norden. Die Bulle, wie sie uns vorliegt, ist freilich gefälscht.
1. Im Begriffe, die Geschichte der hammaburgischen Kirche zu schreiben, halte ich, da Hammaburg einst die angesehenste Stadt der Sachsen war, dafür, daß es weder unpassend, noch zwecklos sein wird, wenn ich vorher von dem Volke der Sachsen und der Natur dieser Provinz das hersetze, was der hochgelahrte Mann,SCH. 1. Einhard,[1] und andere nicht unbekannte Schriftsteller darüber in ihren Schriften hinterlassen haben. „Sachsen, sagen sie, ist kein geringer Theil Deutschlands und wird für doppelt so breit gehalten, als der von Franken bewohnte, dem es an Länge wohl gleichkommen kann.“ Die Gestalt desselben erscheint denen, die richtig messen, als eine dreieckige, so nämlich, das der erste Winkel sich nach Süden bis zum Rheinfluß hin erstreckt, der zweite aber, von der Küstenseite des Landes Hadeloha [2] an beginnend, in einer langen Strecke längst des Elbeflusses nach Osten sich hinzieht bis zum Saalefluß, wo der dritte Winkel liegt. So hat man denn von Winkel zu Winkel einen Weg von acht Tagen, wobei noch der Theil Sachsens, der jenseits der Elbe oberhalb von Soraben, unterhalb aber von Nordelbingern bewohnt wird, nicht mitgerechnet ist. Sachsen ist berühmt wegen seiner Männer und deren Tapferkeit und wegen seiner Fruchtbarkeit. Es erscheint fast ganz als Flachland, außer daß hin und wieder einige Hügel sich erheben. Nur des süßen Weines entbehrt es, sonst bringt es alles, was zum Lebensbedarf gehört, selbst hervor. Das Land ist überall fruchtbar, reich an Wald und Weide; wo es nach Thüringen hin oder an die Saale und den Rhein sich erstreckt, ist der Boden überaus fett. Nur nach Friesland zu, wo er sumpfig, und an der Elbe, wo er sandig ist, fällt der Boden etwas schlechter aus. Ueberall benetzt eine Menge ebenso lieblicher, wie günstig gelegener Ströme die Landschaft.
2. Die angesehensten Flüsse Sachsens sind die Elbe, die Saale, die Wisara, die jetzt Wissula[3] oder Wirraha genannt wird. Diese entspringt, wie auch die Saale, im Thüringer Walde, geht dann in ihrem Laufe durch die Mitte von Sachsen hindurch, und mündet in der Nähe von Friesland. Als der bedeutendste dieser Flüsse aber wird auch nach dem Zeugnisse der Römer[4] der Albis genannt, welcher jetzt den Namen Albia führt. Sie soll jenseits Böhmens entspringen, und trennt darauf die Sclaven von den Sachsen. Bei Magdeburg nimmt sie den Saalefluß in sich auf und nicht weit von Hammaburg mündet sie selbst in den Ocean. [Der[5] vierte von den großen Flüssen Sachsens ist die Emisa, welche die Westphalen von den übrigen Völkern dieser Provinz trennt. Diese entsteht im Patherburner[6] Wald, und fließt mitten durch das Gebiet der Friesen in den britannischen Ocean.]
3. Fragt man nun, welche Sterbliche von Anfang an Sachsen bewohnt haben, oder von welchem Lande diese Völkerschaft zuerst ausgegangen sei, so hat sich mir aus vielfachem Lesen der Alten ergeben, daß dies Volk, wie beinahe alle Nationen, die auf der Welt sind, nach dem geheimen Rathschlusse Gottes, mehr als einmal seine Herrschaft auf ein anderes übertragen hat, und daß nach den Namen der Sieger auch die eroberten Lande umgenannt wurden. Wenn man nämlich den römischen Schriftstellern glauben darf, so wohnten zuerst an beiden Ufern der Elbe und im übrigen Germanien Sweven, deren Grenznachbaren jene Völker waren, die man Driaden, Barden,[7] Sicambern, Hunen, Wandalen, Sarmaten, Longobarden, Heruler, Daker, Markomannen, Gothen, Nordmannen und Sclaven nennt. Diese verließen wegen der Armuth ihres heimischen Bodens und wegen innerer Zwistigkeiten, oder, wie es heißt, um die Volksmenge zu vermindern, ihr Vaterland und überströmten zugleich ganz Europa und Afrika. Des Alterthums der Sachsen aber gedenken Orosius und Gregor von Tours folgendermaßen: „Die Sachsen, sagt er, ein sehr wildes Volk, furchtbar durch seine Tapferkeit und Behendigkeit, wohnen am Gestade des Oceans, unnahbar ob seiner pfadlosen Sümpfe. Sie wurden, als sie einen, den römischen Grenzen Gefahr drohenden Einfall beabsichtigten, vom Kaiser Valentinian überwunden.[8] Darnach als die Sachsen Gallien besetzten, wurden sie vom Syagrius, dem römischen Feldherrn, besiegt und ihre Inseln erobert.“ Die Sachsen hatten also zuerst ihre Sitze an beiden Seiten des Rheins [und[9] wurden Angeln genannt.] Ein Theil derselben kam von da nach Britannien und vertrieb die Römer von jener Insel; ein anderer Theil eroberte Thüringen und behauptete diesen Landstrich. Dies in kurzem schildernd, beginnt Einhard also seine Geschichte:[10]
4. „Das Volk der Sachsen, sagt er, ging, wie die Geschichte alter Zeiten überliefert, von den Britannien bewohnenden Angeln aus, durchschiffte den Ocean und landete, von der Noth getrieben, in der Absicht, sich Wohnsitze zu suchen, an einem Orte Namens Hadoloha[11] zu der Zeit, wo Theoderich, der Frankenkönig, im Kampfe gegen Hirminfrid, den Herzog der Thüringer, seinen Schwiegersohn, das Thüringerland mit Feuer und Schwert verwüstete. Und als sie nun bereits in zwei Schlachten ohne Entscheidung, ohne Gewißheit des Sieges, nur mit bejammernswerther Hinopferung der Ihrigen gestritten hatten, da sandte Theoderich, in seiner Siegeshoffnung getäuscht, Gesandte an die Sachsen, deren Herzog Hadugato war, und als er vernahm, warum sie gekommen waren, warb er sie, indem er ihnen für den Sieg Wohnsitze versprach, zu seiner Hülfe an. Da sie nun mit ihm gleichwie schon für ihre eigene Freiheit und ihr Vaterland tapfer stritten, überwältigte er seine Feinde und überwies, nachdem er die Eingebornen geplündert und beinahe gänzlich ausgerottet hatte, ihr Land seinem Versprechen gemäß den Siegern. Diese theilten sich in dasselbe nach dem Loose, und da viele von ihnen im Kriege gefallen waren und deshalb wegen ihrer geringen Anzahl das ganze Gebiet von ihnen nicht besetzt werden konnte, so übergaben sie einen Theil desselben, der nach Osten zu liegt, einzelnen Ansiedlern, um es statt ihrer gegen einen Zins zu bebauen, die übrigen Ländereien aber nahmen sie selbst in Besitz.“
5. „Im Süden grenzten die Sachsen an die Franken und den Theil der Thüringer, welchen die vorerwähnte feindliche Bewegung nicht berührt hatte. Von diesen waren sie durch die Unstrote[12] geschieden. Im Norden aber hatten sie zu Grenznachbaren die Nordmannen, sehr wilde Völker; im Osten die Obodriten und im Westen die Friesen. Diese Volker waren ununterbrochen gezwungen, entweder durch Verträge, oder durch unabwendbare Kämpfe die Grenzen ihrer Lande zu schützen;[13] denn die Sachsen waren sehr unruhig und zu Einfällen in die Nachbarlande geneigt, obwohl sie zu Hause friedfertig waren und mit milder Güte für das Wohl ihrer Bürger sorgten.“
6. „Auch für ihre Abkunft und ihren Geburtsadel trugen sie auf das umsichtigste Sorge, ließen sich nicht leicht irgend durch Eheverbindungen mit anderen Völkern oder geringeren Personen die Reinheit ihres Geblütes verderben, und strebten darnach, ein eigenthümliches, unvermischtes, nur sich selbst ähnliches Volk zu bilden. Daher ist auch das Aeußere, die Größe der Körper und die Farbe der Haare, soweit das bei einer so großen Menschenmenge möglich ist, beinah bei Allen derselben Art. Jenes Volk nun besteht aus vier verschiedenen Ständen: aus Adlichen, Freien, Freigelassenen und Knechten. Es ist durch die Gesetze bestimmt, daß kein Theil der Bevölkerung durch Heirathsbündnisse die Grenzen seiner eigenen Lebensverhältnisse verschieben darf, sondern daß ein Adlicher immer eine Adliche ehelichen muß und ein Freier eine Freie, ein Freigelassener aber nur mit einer Freigelassenen und ein Leibeigner nur mit einer Leibeigenen sich verbinden kann. Wenn aber einer von diesen eine Frau heimführt, die ihm nicht zukommt und von höherem Stande ist, als er, so muß er dafür mit Verlust des Lebens büßen. Auch hatten sie die besten Gesetze zur Bestrafung von Missethaten, und waren bemüht, viel Heilsames und nach dem Gesetze der Natur Geziemendes in der Trefflichkeit ihrer Sitten sich anzueignen; was sie zur wahren Glückseligkeit hätte befördern können, wären sie nicht in Unwissenheit über ihren Schöpfer seinem, als dem wahren Dienste fremd gewesen.“
7. „Denn sie verehrten Götter, die ihrem Wesen nach nichtig waren;[14] darunter besonders den Mercur, dem sie an bestimmten Tagen sogar Menschenopfer darzubringen pflegten. Ihre Götter weder in Tempel einzuschließen, noch sie durch irgend ein Abbild menschlicher Gestalt darzustellen, hielten sie der Größe und Würde der Himmlischen für angemessen. Haine und Wälder weiheten sie und bezeichneten sie mit Götternamen, und beschaueten so jenes Geheimniß der göttlichen Macht allein durch ihre Andacht. Vögelzeichen und Loose beachteten sie gar sehr. Der Gebrauch des Looses war ein einfacher. Sie zertheilten einen von einem Fruchtbaume abgeschnittenen Zweig in einzelne Stückchen, die sie durch gewisse Zeichen von einander unterschieden und sie dann ganz aufs Gerathewohl hin über ein weißes Gewand ausstreuten. Darnach betete, wenn die Befragung eine öffentliche war, der Priester des Volkes, wenn eine häusliche, der Vater der Familie selbst zu den Göttern, und indem er zum Himmel schauete, hob er die einzelnen Stückchen dreimal empor und deutete die emporgehobenen dann nach der vorher darauf eingedrückten Zeichnung. Verboten es nun die Zeichen, so war an dem Tage keine Befragung weiter; war sie aber vergönnt, so war es noch erst erforderlich, daß man in Bezug auf den Ausgang der Ereignisse Vertrauen gewinnen mußte.“
8. „Die Stimmen und den Flug der Vögel zu befragen, war jenem Volke eigenthümlich; ebenso die Anzeichen und Bewegungen der Rosse zu erkunden und das Wiehern und Schnauben derselben zu beobachten; und zwar wurde diesen Zeichendeutungen vor allen Glauben geschenkt, nicht allein vom geringen Volke, sondern auch von den Vornehmen. Auch gab es noch eine andere Beobachtung von Anzeichen, wodurch sie den Ausgang großer Kriege zu erforschen bemüht waren. Sie suchten nämlich von dem Volke, dem der Krieg galt, auf irgend eine Weise einen Gefangenen zu erlangen, und ließen denselben dann mit einem aus ihrem Volke Erwählten, jeden mit seinen heimischen Waffen, im Zweikampfe sich messen; den Sieg des Einen oder des Anderen aber hielten sie für einen Urtheilspruch. Wie sie aber an gewissen Tagen, sobald der Mond zuzunehmen beginnt oder voll ist, das Beginnen zu unternehmender Dinge für das am meisten Glück verheißende erachteten, und andere unzählbare Arten von abergläubischen Meinungen, in denen sie befangen waren, befolgten, das alles übergehe ich. Das bisher bemerkte aber habe ich darum aufgezeichnet, damit der verständige Leser erkenne, von wie großer Finsterniß des Irrwahns sie durch Gottes Gnade und Barmherzigkeit befreiet sind, da er sie durch das Licht des wahren Glaubens zur Erkenntniß seines Namens zu führen gewürdigt hat. Denn sie waren, wie beinahe alle Bewohner Germaniens, von Natur wild und dem Götzendienste ergeben und widerstrebten dem wahren Glauben, hielten es auch nicht für unerlaubt, göttliche und menschliche Gesetze zu verunehren und zu überschreiten. Denn selbst laubreichen Bäumen und Quellen erwiesen sie Anbetung. Auch verehrten sie einen hölzernen Pfahl von nicht geringer Höhe, der unter freiem Himmel aufgerichtet war, und den sie in ihrer Landessprache Irminsul nannten, das heißt Allsäule, welche gleichsam Alles trägt.“
Dies habe ich im Auszuge aus Einhards Schriften über die Ankunft, die Sitten und den Aberglauben der Sachsen gegeben geben, welchen die Sclaven und Sueonen[15] noch heutzutage nach heidnischem Brauche zu bewahren scheinen.
9. Wie aber das hartnäckige Volk der Sachsen zur Erkenntniß des göttlichen Namens gelangte, und durch welche Verkündiger des Evangelii es zum christlichen Glaubensbekenntnisse hingeführt wurde, das zu entwickeln, erfordert mein Zweck, nachdem ich zuvor von dem Kriege Karls, der lange bis zur völligen Unterwerfung der Sachsen geführt wurde, geredet und die Ursachen des Krieges zugleich damit angegeben haben werde.
Die Thüringer oder Sachsen und ebenso die übrigen Völker zu beiden Seiten des Rheins waren von Alters her den Franken zinspflichtig. Als sie nun, wie man liest, von der Frankenherrschaft sich lossagten, begann Pippin, Karls Vater, einen Krieg mit ihnen, den jedoch sein Sohn mit größerem Glücke zu Ende führte. Dieses Krieges gedenkt der bereits erwähnte Geschichtschreiber Einhard[16] in einer kurzen Zusammenfassung mit den Worten: „Also wurde der Krieg gegen die Sachsen unternommen, der von beiden Seiten mit großer Leidenschaft, für die Sachsen jedoch mit größerem Verluste, als für die Franken, 33 Jahre nach einander geführt wurde; obwohl er früher hätte zu Ende kommen können, wenn die Wortbrüchigkeit der Sachsen es verstattet hätte.“
10. „Nachdem nun alle die, welche Widerstand zu leisten pflegten, völlig bezwungen und in des Königs Gewalt gekommen waren, machte Karl und genehmigten die Sachsen die Bedingung, daß sie den Götzendienst ablegen, ihre heimischen Gebräuche aufgeben und das Bekenntniß des christlichen Glaubens annehmen, und mit den Franken vereint, fortan mit denselben Ein Volk bilden sollten.“
Und so wurde sicherer Nachricht zufolge der Krieg, der sich durch so viele Jahre hindurch hingezogen hatte, beendigt.
Jetzt aber, wo ich mich anschicke, die geistigen Triumphe über errettete Seelen zu schildern, will ich von den Verkündigern des Evangelii, welche die so wilden Völker Germaniens zur göttlichen Lehre hinleiteten, folgendermaßen beginnen.
11. Der erste von allen denen, welche die südlichen Theile Germaniens, die dem Götzendienste ergeben waren, zur Erkenntnis der göttlichen Christenlehre brachten, war Winifrid, von Geburt ein Angle, ein wahrer Weiser Christi, der späterhin seiner Tugend wegen den Beinamen Bonifacius bekam. Und obwohl andere Geschichtschreiber behaupten, daß entweder Gallus in Alemannien, oder Hemmeran in Bajoarien, oder Kilian in Francien, oder wenigstens Willebrord in Fresien früher als Bonifacius das Wort Gottes verkündigt haben, so ist derselbe doch allen anderen, wie der Apostel Paulus,[17] durch Eifer und Anstrengung im Predigtamte zuvorgekommen. Denn er unternahm, wie in seiner Geschichte zu lesen ist, gestützt auf das Ansehn des päpstlichen Stuhles, selbst das Sendamt bei den Heiden, und erleuchtete die Stämme der Deutschen, bei denen jetzt sowohl die Hoheit des römischen Reiches, als auch des göttlichen Glaubens Verehrung in Kraft und Blüthe steht, durch Kirchen, Lehre und Tugend. Indem er dann auch die Lande derselben zu Bisthümern abtheilte, verband er in so getrennten Bezirken die Franken diesseits des Rheins, die Hessen und die Thüringer, welche Grenznachbaren der Sachsen sind, als erste Frucht seiner Arbeit, mit Christus und der Kirche.755. Und zuletzt ward er von den Friesen, die er schon vorher zum Glauben bekehrt hatte, mit der strahlenden Märtyrerkrone geschmückt. Seine Thaten sind von seinen Jüngern ausführlich beschrieben und veröffentlicht. Diese berichten, er habe mit funfzig und mehr seiner Mitstreiter den Todeskampf bestanden, im 37. Jahre seiner Weihe. Das ist gerade das Jahr 755 der Menschwerdung Christi, das 14. Pippins des Jüngern.SCH. 2. 12. Nach dem Tode des heiligen Bonifacius eilte Willehad, gleichfalls ein geborener Angle, glühend vor Sehnsucht nach dem Märtyrerthume, nach Friesland, wo er beim Grabe des heiligen Blutzeugen seinen Sitz aufschlagend, die ihre That bereuenden Heiden empfing und viele Tausende Gläubiger taufte. Darnach wird berichtet, wie er das ganze Land rings umher mit seinen Jüngern durchreiste, die Götzenbilder zerbrach und die Völker zur Verehrung des wahren Gottes anleitete, daraus aber durch die Wuth der Ungläubigen von Knittelschlägen getroffen und zum Tode durchs Schwert bestimmt wurde. Und obwohl ihn die Gnade Gottes zur größeren Zwecken ersah, so war er doch seinem eigenen Wunsche und Willen nach zum Märtyrerthume bereit.
Darnach780. wurde er vom König Karl nach Sachsen gesandt und rief zuerst von allen Lehrern des Evangelii die am Meere und im Norden wohnenden Sachsen und die überelbischen Völker zum christlichen Glauben auf. Sieben Jahre[18] lang soll er in jenen Landen gepredigt haben, bis zum zwölften Jahre782. des Aufstandes der Sachsen, als Widichind, gegen die Christen eine Verfolgung erregend, das Gebiet der Franken bis an den Rhein verwüstete. Bei dieser Verfolgung sollen einige Jünger des heiligen Willehad zu Bremen, viele aber in Friesland, andere jenseits der Elbe den Tod erlitten haben. Von da soll der Bekenner des Herrn, der einen noch größeren Gewinn erwartete durch Bekehrung recht vieler, nach dem Gebote des Evangelii[19] von Stadt zu Stadt geflohen und nachdem seine Genossen sich zur Verkündigung des Wortes Gottes zerstreut hatten, in Begleitung Liudger’s nach Rom gekommen sein. Daselbst wurden sie vom heiligsten Vater Adrian mit Troste erquickt, und Liudger zog sich auf den Cassiner Berg zurück zum Grabe des heiligen Benedict, Willehad aber wanderte nach Gallien zurück zum Grabmal des heiligen Willebrord.[20] Indem sich also beide zwei Jahre lang von der Außenwelt abschlossen, gaben sie sich einem beschaulichen Leben hin, und beteten vornehmlich für ihre Verfolger und das Volk der Sachsen, damit der feindselige Mensch nicht die unter dieselben ausgestreute Saat des Wortes Gottes mit Unkraut überdecke.[21] Und es ward erfüllet an ihnen, was die Schrift sagt:[22] „Des Gerechten ernstliches Gebet vermag viel.“ — Dies habe ich in einem dem Sinne nach verfertigten Auszuge über sein Leben hiemit vorgebracht.
Nach Verlauf von zwei Jahren nun, im achtzehnten Jahre785. Karls, ergab sich Widichind, der Urheber des Aufstandes, in dessen Hände, und wurde mit den übrigen Großen der Sachsen getauft, und da erst ward das unterworfene Sachsen zur Provinz gemacht. Diese wurde zugleich in acht Bisthümer getheilt, und den Erzbischöfen von Mainz und Köln untergeben. Die Urkunde über diese Theilung, welche auf Geheiß des Königs in der Bremer Kirche bewahrt wird, ist daselbst mit folgenden Worten zu lesen:[23]788.
„Im Namen des Herrn, unseres Gottes, und unseres Heilandes Jesu Christi, Karl, durch Fügung der göttlichen Vorsehung König. Wenn wir, nachdem wir mit Hülfe Gottes, des Herrn der Heerschaaren, in den Kriegen des Sieges theilhaftig geworden sind, in ihm und nicht in uns unseren Ruhm finden, so hegen wir das Vertrauen, daß wir in dieser Welt Glück und Frieden, in der zukünftigen aber ewigen Lohnes Entgeltung verdienen. Darum mögen alle Getreuen Christi wissen, daß wir den Sachsen, die ob der Hartnäckigkeit ihres Unglaubens unseren Vorfahren stets unbezwingbar, wider Gott selbst und wider uns so lange sich empörten, bis wir sie mit seiner, nicht mit unserer Kraft sowohl in Kriegen überwanden, als zur Gnadengabe der Taufe mit Gottes Zustimmung hinleiteten, ihre frühere Freiheit wieder geschenkt und sie von allem uns schuldigen Zinse losgesprochen, sie auch um der Liebe willen dessen, der uns den Sieg gegeben hat, ihm als seine Zinsleute und Unterthanen andächtig zugewiesen haben; auf daß nämlich sie, die sich bisher weigerten, das Joch unserer Herrschaft zu tragen, nunmehr (Gott sei Dank!) sowohl durch die Waffen, als durch den Glauben besiegt, unserem Herrn und Heilande Jesu Christo und seinen Priestern von allen ihren Heerden und ihren Früchten und ihrem ganzen Landbau und ihrer ganzen Viehzucht Zehnten zahlen, und zwar so die Armen, wie die Reichen, nach gesetzlicher Verpflichtung. Demnach haben wir, indem wir ihr ganzes Land nach altrömischer Weise zur Provinz gemacht und es nach bestimmten Grenzen unter Bischöfe vertheilt haben, den nördlichen Theil desselben, der sowohl wegen ergiebigen Ertrages an Fischen für besonders reich, als auch zur Viehzucht außerordentlich geeignet erachtet wird, dem frommen Christ und dem Fürsten seiner Apostel, dem Petrus, zur Bezeugung unseres Dankes andächtiglich dargebracht, und haben demselben an einem Orte in Wigmodien, Bremon, genannt, am Ufer des Flusses Wirraha eine Kirche und einen Bischofsitz gegründet. Diesem Sprengel haben wir zehn Gaue untergeben, die wir auch mit Verwerfung ihrer alten Namen und Eintheilungen zu zwei Provinzen zusammengezogen haben, denen von uns die Namen Wigmodien und Lorgoe ertheilt worden sind. Indem wir außerdem zum Baue der vorerwähnten Kirche in den besagten Gauen siebenzig Hufen mit ihren Insassen darbringen, befehlen wir kraft dieses Gebotes Unserer Majestät und verleihen hiemit und setzen fest, daß die Bewohner dieses ganzen Sprengels der Kirche und ihrem Vorstande ihre Zehnten getreulich bezahlen sollen. Auch haben wir nach dem Gebote des höchsten Priesters und die ganze Kirche leitenden Papstes Adrian, sowie auch des Bischofes von Mainz, Lullo, und auf den Rath aller Priester, die zugegen waren, dieselbe Kirche von Bremen mit allen ihren Zubehörungen dem Willehad, einem Manne von lobenswerthem Lebenswandel, vor Gott und seinen Heiligen anvertrauet. Diesen haben wir auch am 13. Juli zum ersten Bischofe an dieser Kirche weihen lassen, auf daß er dem Volke die Saat des göttlichen Wortes nach dem Maaße der ihm verliehenen Weisheit treulich spende and diese junge Kirche nach kanonischer Ordnung und geistlicher Befugniß fördersam einrichte, und so lange pflanze und begieße, bis Gott der Allmächtige, seiner Heiligen Bitten erhörend, derselben Wachsthum verleihet. Ingleichen hat derselbe ehrwürdige Mann Unserer Durchlauchtigkeit vermeldet, daß der erwähnte Sprengel wegen der Gefahren von feindseligen Barbaren und wegen mancherlei Ereignisse, die in demselben sich zu begeben pflegen, zum Unterhalte und zur Löhnung der daselbst dienenden Knechte Gottes keineswegs hinreiche. Weil daher der allmächtige Gott in dem Volke der Friesen wie in dem der Sachsen die Thür des Glaubens aufgethan hat, so haben wir den Theil des vorbenannten LandesSCH. 3, Fresiens nämlich, der an diesen Sprengel angrenzetSCH. 4, derselben Bremer Kirche und deren Vorsteher, dem Bischofe von Willehad, und dessen Nachfolger zu immerwährendem Besitze verliehen. Und weil die Vorfälle der Vergangenheit uns für die Zukunft vorsichtig machen, so haben wir, damit nicht einer, was wir nicht wünschen, sich in dieser Diöcese irgendwelche Gewalt anmaße, dieselbe nach einem gewissen Umfange bestimmen lassen, und haben befohlen, daß derselben folgende feste und unüberschreitbare Grenzen gesetzet würden: Der Ocean, der Elbfluß, die Lia,[24] Steinbach,[25] Hasala,[26] Wimarcha, Sneidbach, Osta,[27] Mulimbach,[28] Mota,[29] ein Moor, welches Sigefridismor heißt, Quistina,[30] Chissenmor, Ascbroch, Wissebroch, Biverna,[31] Uterna,[32] und wiederum die Osta; von der Osta aber bis man kommt an das Moor, welcher Chaltenbach[33] heißt. Darauf dies Moor selbst bis zum Flusse Wemma;[34] von der Wemma aus aber die Bicina,[35] die Faristina[36] bis zum Flusse Wirraha; von da an der Ostseite desselben Flusses die Landstraße, welche Hessewech[37] heißt und die Landschaften Sturmegoe und Lorgoe von einander trennt, die Scebbasa,[38] die Alapa,[39] die Chaldhowa[40] und wiederum die Wirraha; an der Westseite aber die Landstraße, welche Folcwech heißt, und Derve[41] von Lorgoe trennt, bis zum Huntafluß, dann der Fluß selbst und das Amriner Gehölz, welches die Eingeborenen Windloch nennen;[42] die Finola,[43] das Waldesmor, Bercbol[44] das Moor Endiriad, welches Emisgoe von Ostergoe trennt; dann Brustlacho, Biberlacho und wiederum das Meer.“
„Und auf daß die Geltung dieser Schenkung und Abgrenzung in unseren und in zukünftigen Zeiten unter Gottes Schutz unerschütterlich dauern möge, so haben Wir sie mit eigener Hand unterschrieben und sie durch Abdruck Unseres Ringes besiegeln lassen.“
„Zeichen des Herrn Karl, unüberwindlichsten Kaisers und Königs.“
„Ich, Hildibald, Erzbischof von Köln und des heiligen Palastes Capellan, habe dies nachgelesen.“
„Gegeben am 14. Juli im 788sten Jahre der Menschwerdung des Herrn, in der 12ten Römerzinszahl, im 21sten Jahre der Regierung des Herrn Karl.“
„Geschehen im Palaste zu Speier, zum Glücke! Amen.“
14. Es saß also unser Herr und Vater Willehad auf dem bischöflichem Stuhle nach seiner Einführung zwei Jahre, drei Monate und 26 Tage, und er predigte so den Friesen, wie den Sachsen nach dem Märtyrertode des h. Bonifacius im Ganzena) 35 Jahre.[45] Er starb aber als hochbetagter Greis in Friesland in dem Orte Pleccazze,[46] welcher gelegen ist in Rustrien. Sein Leichnam ward nach Bremen gebracht und in der Kirche St. Petri, die er selbst erbaut hatte, bestattet. Sein Heimgang wird gefeiert am 8. Nov. und seine Einführung am 13. Juli. Von seinem Leben und seinen Thaten giebt es ein ausgezeichnetes Buch, welches Anscar, sein vierter Nachfolger, in treuer Schilderungb) verfaßt hat.[47] Auf dieses verweise ich den Wißbegierigen, da ich selbst zu anderen Gegenständen hineilen muß.
15. Zunächst nach dem h. Willehad, lesen wir, stand einer seiner Schüler Willerich [den Andere Willehari nennen] der Bremer Kirche vor. Dieser saß auf dem bischöflichen Stuhle funfzig Jahre[48] bis zum vorletzten Jahre Ludwigs des Aelteren. Wenn aber im Buche der Schenkungen oder Verlassungen der Bremer Kirche geschrieben stehet, Willerich sei vom 37sten Jahre Karls bis zum 25sten Jahre Ludwigs Bischof gewesen, so ergeben geben sich auf diese Weise zwölf Jahre weniger, als ich eben berechnet habe. Und es ist allerdings zu glauben, daß in dieser ganzen Zeit das Bremer Bisthum (wie andere auch) unbesetzt gewesen ist wegen der erst neuerlich geschehenen Bekehrung des Volkes der Sachsen, welche sich noch nicht durch die bischöfliche Macht lenken ließen; zumal da, weil fast noch kein Jahr von Krieg freigewesen war, die Sachsen endlich so darniedergedrückt waren, daß von den an beiden Ufern des Elbeflußes wohnenden zehntausend Männer mit Frau und Kind nach Francien versetzt wurden.[49] Und dies war das 33ste Jahr des langen Sachsenkrieges, welches die Geschichtschreiber der Franken als ein denkwürdiges darstellen, nämlich das 37ste804. Kaiser Karls. Als damals auch die Völker der Sclaven der Herrschaft der Franken unterworfen wurden, so soll Karl Hammaburg,SCH. 5. eine Stadt der Nordelbinger, nachdem er daselbst eine Kirche gebauet, einem gewissen Heridag, einem frommen Manne, den er zum Bischofe daselbst bestimmte, zur Lenkung anvertraut haben. Diesem schenkte er auch wegen der drohenden feindlichen Einfälle das Kloster Rodnach[50] in Gallien, indem er eben diese hammaburgische Kirche allen Völkern der Sclaven und Dänen zur Metropolis zu geben beabsichtigte. Durch Ausführung dieses Vorhabens seine Wünsche zu befriedigen wurde Kaiser Karl sowohl durch den Tod des Priesters Heridag, als durch Reichsgeschäfte verhindert. Wir lesen im Buche der Schenkuugen der Bremer Kirche, daß Willerich, der Bremer Bischof, den Nordelbingern schon vor Ansgar das Evangelium verkündet und die Kirche zu Milindorp[51] häufig besucht habe bis zu der Zeit, wo Hammaburg zur Metropolis erhoben wurde. 16. Und weil wir einmal der Dänen Erwähnung gethan haben, so scheint es der Aufzeichnung würdig zu sein, daß der allersiegreichste Kaiser Karl, der alle Reiche Europas unterworfen hatte, zuletzt, wie berichtet wird, einen Krieg gegen die Dänen unternommen hat. Die Dänen nämlich und die übrigen Völker jenseits Dännemarks werden von den Geschichtschreibern der Franken alle Nordmannen genannt. Ihr König Gotafrid bedrohte, nachdem er vorher bereits die Friesen und ebenso die Nordelbinger, Obodriten und andere Völker der Sclaven sich zinspflichtig gemacht hatte, selbst Karl mit Krieg. Dieses Zerwürfniß verzögerte zumeist des Kaisers Plan in Betreff Hammaburgs. Als endlich Gotafrid durch Fügung des Himmels eines gewaltsamen Todes gestorben war,810. folgte ihm sein Vetter Hemming, der alsbald mit dem Kaiser Frieden machte und den Egdorafluß[52] zur Reichesgrenze bekam. Und nicht lange nachher starb der hochberühmte Kaiser Karl814. und hinterließ seinen Sohn Ludwig als Erben seiner Herrschaft. Sein Hinscheiden erfolgte im 25. Jahre Willerichs, am 28. Januar.
17. Ludwig überwies, des Vaters Willen vergessend, die nordelbische Provinz den Bischöfen von Bremen und Ferden. Mit dieser Zeit beginnt die Geschichte des h. Anscar. Und weil die Geschichte der nördlichen Völkerschaften unsere, d. h. die Geschichte der Bremer Kirche, zum Theil berührt, so habe ich, und ich glaube, nicht ohne Nutzen, beschlossen, die hin und wieder bei den Dänen vorkommenden Begebenheiten mit zu erwähnen. Zur selbigen Zeit nach dem Tode des Dänenkönigs Hemming812. stritten Sigafrid und Anulo, die Enkel Godafrid’s,[53] da sie sich über den Vorrang in der Herrschaft nicht vereinigen konnten, um das Reich in einer Schlacht. In diesem Kampfe wurden elftausend Mann erschlagen und auch die beiden Könige selbst blieben. Die Partei des Anulo setzte, nachdem sie einen blutigen Sieg errungen hatte, Reginfrid und Harald zu Königen ein. Bald nachher aber ward Reginfrid von Harald verjagt und trieb mit seiner Flotte Seeraub. Harald aber schloß mit dem Kaiser ein Bündnis. Die Geschichte der Franken verfolgt diese Ereignisse mehr ins Einzelne.
In jenen Tagen, heißt es, empfing Ebo von Reims, der zum Heile der Heiden vor Glaubenseifer erglühete, mit Halitgar [54] ein Sendamt unter den Heiden im Auftrage des Papstes Pascalis, eine Mission, die nachher unser Anscar mit Hülfe der göttlichen Gnade glücklich ausführte.
Im 33. Jahre Willerichs822. unternahm Kaiser Ludwig die Stiftung von Neu-Corbei in Sachsen und versammelte in diesem Kloster die frömmsten Mönche von ganz Frankreich. Unter diesen befand sich, wie wir lesen, als vorzüglichster unser heiligster Vater und Weiser Christi, Anscar, berühmt durch das Verdienst seines Lebenswandels und seines Wissens und dem ganzen Sachsenvolke theuer und werth.
Und zur selbigen Zeit kam Harald, der Dänenkönig, den Gotafrid’s Söhne des Reiches beraubt hatten, hülfeflehend zu Ludwig, wurde auch daraus in der christlichen Lehre unterwiesen und zu Mainz826. sammt seiner Gemahlin und seinem Bruder und einer großen Menge Dänen getauft. Der Kaiser war sein Taufpathe und gab ihm, entschlossen, ihn wieder in sein Reich einzusetzen, jenseits der Elbe ein Lehen. Dem Bruder desselben, Horuch, räumte der Kaiser einen Theil von Fresien ein, damit er den Seeräubern Widerstand leisten sollte. [Dieses Gebiet fordern noch jetzt die Dänen als ein ihnen rechtlich gebührendes zurück.] Da sich aber unter allen Lehrern des Wortes Gottes nicht leicht einer finden ließ, der mit jenen zu den Dänen ziehen wollte, wegen der barbarischen Grausamkeit, um deretwillen jenes Volk von allen gemieden wird, da erbot sich, vom Geiste Gottes, so glaube ich, entzündet und weil er aus irgend eine Weise zur Märtyrerkrone zu gelangen sich sehnte, der heilige Anscar mit seinem Gefährten Autbert aus freien Stücken, bereit, um Christi willen nicht nur unter die Barbaren, sondern selbst ins Gefängniß und in den Tod zu gehen. Indem sie also zwei Jahre lang im Reiche der Dänen sich aufhielten, bekehrten sie viele Heiden zum christlichen Glauben. Als sie von dort zurückgekehrt waren, und nun wiederum vom Kaiser aufgefordert wurden,829. den entlegensten Völkern der Schweden[55] das Evangelium zu bringen, nahm der unerschrockene Streiter Christi, Ansgar, die Brüder Gislemar und Witmar als Lehrer des Wortes mit sich, und kam freudigen Herzens nach Dännemark. Dort hinterließ er den Gislemar beim Harald, und fuhr selbst mit Witmar nach Schweden hinüber. Dort nahm sie König Beorn gütig auf und erlaubte ihnen, das Wort Gottes öffentlich zu predigen. So haben sie ein ganzes Jahr hindurch für das Reich Jesu Christi Viele gewonnen. Darunter den Herigar, den Befehlshaber der Stadt Birca,[56] der sich sogar durch Wunderthaten ausgezeichnet haben soll. Voll Freuden über diesen glücklichen Erfolg ihrer Aussendung, kehrten die neuen Apostel über zwei Völker triumphirend wieder nach Corbei zurück. Und o wie zeigt sich doch so wunderbar die Vorsehung des allmächtigen Gottes in der Berufung der Völker, die der große Werkmeister verfügt wie er will, und wann er will, und durch wen er will. Siehe, was lange vorher bereits Willebrord und ebenso Andere und Ebo, wie wir lesen, gewollt, aber nicht gekonnt hatten, das bewundern wir jetzt an unserem Ansgar, daß er es gewollt und wirklich vollendet hat, indem wir mit dem Apostel[57]