DIE
SPLITTERLANDE
SPLITTERSTERN
Niederfels
Vehrenfurt
Dreieich
Drachenau
Tränensee
Reichenbach
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GREIFEN-
STEIN
EINÖD
Trist
Ainst
Tatzelbrand
Onkel Raimunds
Hütte
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Falk Holzapfel wird vertreten durch Agentur Brauer
©
2024 Carlsen Verlag GmbH,
Völckersstraße 14 – 20, 22765 Hamburg
Umschlag und Innenillustrationen: Falk Holzapfel
Umschlaggrafik: Sabine Reddig
Lektorat: Caroline Fuchs
Produktionsmanagement: Constanze Hinz
Gestaltung und Satz: Helene Hillebrand
E-Book-Umsetzung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt
ISBN 978-3-646-93970-5
Der Tag deiner Geburt
bestimmt dein Arkana
Falk Holzapfel
Der
Sternenfall
Als vor eintausend Jahren die Sterne vom Himmel regneten
und das Reich in die Splitterlande zerbrach …
… verschwanden die
arkanen Sieben und mit ihnen alle Hoffnung.
Die Tage waren dunkler als die Wälder von Finstertann.
Doch in der Stunde der größten Not wurde die Akademie
Splitterstern gegründet. Seitdem werden dort Heldinnen und
Helden ausgebildet, um die Splitterlande zu beschützen.
Im Andenken an die legendären Sieben wird hier streng
traditionell nach Arkana unterrichtet. Splitterstern
ist die Schule zum Aufleveln! Ob zaudernder Zau-
berer oder beschränkter Barbar, egal an wel-
chem Tag du geboren wurdest, in Splitterstern
sind alle Adepten willkommen!
Ja, selbst Schurken
können hier studieren, solange sie
ihre klebrigen Finger bei sich behalten!
Zitadelle Rabennest
Zauber-Adepten werden
im Rabennest, dem mit
686 Stufen höchsten Turm
der Schule, vom Großmagus
erwartet – Schwebezauber
sind nicht gestattet!
Tempel Drachenhorn
Wächter-Lehrlinge,
aufgepasst! Ihr werdet
zusätzlich in Schmieden
und Minnesang unter-
richtet!
Wehrturm Wolfenzahn
Aufgrund des hohen Ver-
schleißes werden
Barbaren-Lehrlinge
gebeten, ihre eigenen
Waffen mit
z
ubringen.
Kapelle Schwanenglanz
Auf Priester-Adepten
warten an jedem Sonntag
stimmungsvolle Rituale
im Tempel!
Pallas Greifenstolz
Welche Ehre! Angehende
Gelehrte werden vom
Akademiedirektor persön-
lich unterrichtet!
Bergfried Luchsenstein
Wanderer-Lehrlinge
erwartet jede Woche eine
spannende Exkursion.
Keine Haftung für Schlan-
genbisse!
Akademie Splitterstern
Die zweitbeste Heldenschmiede
der Splitterlande!
Willkommen,
Schurken werden mit den Wanderern
unterrichtet …
Adepten!
Außergewöhnliche
Adepten der Akademie
Fenja * Level 3
•
Käsekuchen
•
rostige Schlösser
•
alles, was funkelt
und glitzert
•
Haut auf
dem Pudding
•
Vorurteile
•
Sommersonne
mag
mag nicht
mag
mag nicht
Ribisel * Level 1
•
Kaminknistern
•
dicke, alte Bücher
•
warme Socken
•
Treppen
•
dunkles Wasser
•
den Großmagus
•
kalten Tee
•
Drachen
•
laute Geräusche
•
große Höhen
•
Staubmotten
•
Grontrolle
•
Prüfungen
•
Kerker
•
große Zähne
•
Schlundhunde
•
finstere Wälder
•
Grundsauger
unfähig vielleicht.
Außergewöhnlich
mag
mag nicht
Erika * Level 2
•
Knochenknacken
•
Federbären
•
Furzgeräusche
machen
•
übersehen werden
•
tun, was andere
sagen
•
Müffelmiezen
mag
mag nicht
Garek * Level 2
•
Pigasus
•
Drachenball
•
Schleifsteine
•
Plätteisen
•
Ginstergrütze
•
Artefaktwaffen
•
Rost
•
Schlangen
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Das grauenvolle PLOPP!
In der Zitadelle Rabennest
„Gehobelte Zehennägel vom Nachtmahr, zwei Löffel Baldrian,
ein paar gut geölte Ghul-Glupschaugen, eine Locke vom Wer-
wolfpelz und, ähm …“
Der Zauberlehrling zählte die Zutaten an seinen Fingern ab.
Doch immer wenn er beim kleinsten ankam, stockte er.
Der Großmagus der Zauberer zog seine buschigen Augen-
brauen zusammen, bis sie sich zu einer verbunden hatten.
Sein Blick schoss über die Hakennase hinweg und nagelte den
jungen Lehrling fest. „Da fehlt noch eine Zutat, Ribisel!
Es ist das einfachste Rezept für Mondsicht, das es
gibt. Ich habe schon krabbelnde Kleinkinder gese-
hen, die Nachtsicht-Nektar in ihrer Wiege zusam-
mengebraut haben. Und damit hast du Probleme?
Was stimmt nicht mit dir?“
Wie ein Hefekloß stand der Zauberlehrling
vor dem Lehrstuhl. Ein schwitzender Hefe-
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kloß, der versuchte, sich in seinem
Umhang zu verkriechen. „I-I-Ich bin
nicht sicher. Gemahlenes Seeheu v-v-viel-
leicht?“
Nein, das war nicht die richtige Antwort und Ribisel
wusste es, noch bevor er sie herausgestottert hatte.
Der Großmagus gab ein grimmiges Geiereulen-Knurren von
sich und Ribisel zog vorsichtshalber den Kopf ein.
Die Augen des Lehrmeisters verengten sich zu Schlitzen. „Ge-
mahlenes Seeheu? Was soll das sein? Ist das das Zeug, mit dem
dein hohler Schädel gefüllt ist?“
Die anderen Zauberlehrlinge kicherten hinter vorgehaltenen
Händen.
„Du meinst geriebenes Meergras! Seit fünfundsiebzig Jahren
unterrichte ich Arkane Künste. Ich habe mysteriöse Meister-
magier, ausgezeichnete Adepten des Arkanen und wild wan-
dernde Wunderwirker ausgebildet. Aber noch nie ist mir ein
solch milchhirniges Mondkalb untergekommen wie du, Ribi-
sel! Was haben sich die Sieben dabei gedacht, dich zu einem
Zauberer zu machen? Ganz offensichtlich bist du am falschen
Tag geboren worden!“
Ein Raunen ging durch das hohe Turmzimmer. Die Kerzen
flackerten, als würden sie miteinander flüstern.
Ribisels Stirn wurde so schwitzig, dass ihm die
Zaubererkappe über die Augen rutschte.
Als er sie wieder nach oben schob, glitt
ihm der Zauberstab aus der Hand
flicktem Umhang war zerrissen. Wäh-
rend er mit einer Hand seinen Zauberstab umklammerte,
presste er die andere auf die aufgeplatzte Naht über seinem
Hintern. Die Zaubererkappe rutschte ihm erneut in die Stirn,
als er das PLOPP hörte.
Nicht schon wieder! Das grauenvolle PLOPP hatte er in den
letzten Tagen viel zu oft gehört. Es war jenes Geräusch, das
den Großmagus überhaupt erst auf ihn aufmerksam gemacht
hatte.
Ribisel schluckte. Eine neue Welle Schweiß bildete sich auf
seiner Stirn. Direkt vor ihm, zwischen seinen löchrigen Schu-
hen, blickte ein violetter Frosch aus einer lila Wolke empor
und blies die Backen auf.
Der Großmagus begann zu zetern und glich mehr denn
je den rotäugigen Flatterviechern, die im Dachstuhl
des Rabenturms hausten: „Zaubern ohne Er-
laubnis! In meinem Unterricht? Du bist
nicht nur einfältig, sondern auch unfä-
hig wie ein Tannentroll!“
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und fiel klirrend zu Boden. Das
Kichern von Dutzenden Zauber-
lehrlingen klang bis hoch ins morsche
Gebälk.
Ribisel bückte sich tief nach unten, um den Stab
wieder aufzuheben.
Ratsch!
Jetzt kicherten die Zauberlehrlinge nicht mehr, sie johlten.
Die Naht an Ribisels ge
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PLOPP! Ein weiterer Purpur-
frosch erschien und sprang auf das
Pult des Großmagus.
Das Gelächter um Ribisel ließ Staub von
den Balken regnen. Er machte einen Schritt
nach vorn, um den Frosch wieder einzufangen.
Dabei trat er auf seinen Umhang, hörte erneut ein rei-
ßendes Geräusch, stolperte und klatschte auf den Stein-
boden des Turmzimmers.
„Seht doch, das Mondkalb hat Halbmonde auf seiner Unter-
hose!“
Die anderen Zauberlehrlinge gackerten wilder als Hyänen-
hühner, während Ribisel versuchte, auf die Beine zu kommen,
ohne allen seine Unterhose zu zeigen.
Er hatte es bis auf die Knie geschafft, da wurde es schlagartig
still. Tiefes Glockengeläut ließ jeden Laut verstummen.
Um Ribisel herum erschien glitzernder Staub.
Nicht der stickige graue Staub, der überall liegt und von dem
man niesen muss. Nein, der goldene Staub, der nach Zimt duf-
tet und den jeder in den Splitterlanden haben will. Der magi-
sche Sternenstaub!
Jeder Adept in Splitterstern, ja jeder Bewohner in den
Splitterlanden, wusste, was sein Auftauchen be-
deutete. Der Staub knisterte und wand sich in
die Luft, wo er zu Zeichen erstarrte und
seine Botschaft verkündete. Weder der
grimmige Blick des Magus noch die
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lila Frösche, die rings um Ribisel
herumsprangen, oder das Gelächter
der anderen Zauberlehrlinge erschreck-
te ihn so sehr wie die Botschaft des Sternen-
staubs.
Kapelle Drachenhorn
Die Rüstung der Tempelmeisterin schimmerte stumpf im
Licht der Fackeln. Ihre schwarzen Haare waren so lang wie
Streichhölzer. Das junge Gesicht darunter wollte nicht recht
zu der zerkratzten Rüstung passen. Mit dunklen Augen blick-
te sie auf ihre Klasse, als sie beschwörend die Hände hob.
„Stellt euch vor, es ist eine finstere Neumondnacht und ihr
schleicht durch ein Tannendickicht. Es ist kurz vor Mitter-
nacht. Ihr hört das Knacken von Zweigen, das immer näher
kommt, als ihr plötzlich einem mächtigen Manticor gegen-
übersteht. Was tut ihr?“
Ihr Blick wanderte zwischen den Säulen umher, die das Kreuz-
gewölbe trugen. Hier saßen siebzehn Lehrlinge, alle aus
dem Arkana der Wächter. Die nächste Generation, die
Elodran folgen und bald die Bewohner der Splitter-
lande beschützen sollte. Sie alle blickten zu den
Schriftrollen auf ihren Pulten.
Nur ein Arm streckte sich in die Höhe.
Es war derselbe Arm, der sich jedes
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Mal meldete, und auch diesmal
hielt er einen Hammer.
„Jemand anderes?“, fragte die Tempel-
meisterin in die Runde.
„Irgendjemand?“
Doch kein anderer Lehrling meldete sich. Alle blick-
ten stumm auf ihre Federkiele.
Die Hand, die den Hammer hielt, streckte sich noch weiter
in die Höhe.
Als die Tempelmeisterin einsah, dass sich auch diesmal nie-
mand anderes melden würde, stöhnte sie mit halb geschlosse-
nen Augen: „Ja, Garek?“
Ein Junge mit funkelndem Blick sprang so plötzlich auf, dass
das Pigasus, das neben ihm schlummerte, erschrocken in die
Luft flatterte. „Garek stürzt auf Monster und verpasst Zwei-
handstoß mit Plätteisen!“
Die Tempelmeisterin rieb sich mit zwei Fingern ihre Nasen-
wurzel. „Garek, du bist gerade erst auf Level 2. Kein Wächter,
der nicht mindestens auf Level 15 ist, hat je eine Begegnung
mit einem Manticor überlebt. Willst du dir deine Antwort
noch mal überlegen?“
Garek, der als Einziger in der Klasse einen Helm trug,
legte den Kopf schief, dann nickte er eifrig. „Garek
hat bessere Idee!“
Die Tempelmeisterin hob eine Augenbraue.
Auch eines der anderen Kinder drehte
Garek neugierig den Kopf zu.
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„Garek stürzt auf Monster und
verpasst Einhand-Doppelhieb mit
Plätteisen.“ Er ließ den Hammer in
seine hohle Hand klatschen und blickte sich
in der Klasse um, sicher, die perfekte Antwort
abgeliefert zu haben.
Die Tempelmeisterin seufzte so tief, dass kleine Kiesel
aus der Decke rieselten. „Du wirst überhaupt nicht nah
genug an den Manticor herankommen, um ihm irgendeinen
Hieb zu verpassen. Die richtige Antwort lautet: Ihr verbergt
euch bis Mitternacht im Schatten des Waldes. Denn um Mit-
ternacht ist ein Manticor blind. Dann schleicht ihr aus dem
Wald und seht zu, dass ihr ihn nie wieder betretet.“
Alle Kinder kritzelten die Antwort auf ihre Schriftrollen, von
denen goldener Staub aufstieg. Die Tempelmeisterin lächelte,
bis sie Garek sah. Der Junge mit dem Hammer verschränkte
die Arme.
„Garek, warum schreibst du die Antwort nicht auf?“
„Garek braucht nicht schreiben.“
Als hätte sie plötzlich Zahnschmerzen, kniff die Lehrerin die
Augen zusammen. „Warum nicht?“
„Na, weil Garek Hammer hat. Wer Plätteisen hat,
braucht nix Feder. Wenn Problem kommt, zack,
geplättet. Problem vorbei. Schreiben ist für
Gelehrte. Hast du Plätteisen groß, hast du
Probleme klein.“
Die Augen der Tempelmeisterin
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weiteten sich, als sie sah, wie eini-
ge ihrer Adepten aufschrieben, was
Garek gerade gesagt hatte. Ein Mäd-
chen in der ersten Reihe blickte unschlüssig
zwischen ihrer Feder und ihrem Kurzschwert
hin und her.
Die Tempelmeisterin stützte die Hände in ihre Hüften
und trat vor die Klasse. „Und was machst du, wenn du dei-
nen Gefährten eine Nachricht schicken willst, dass du ein ge-
fährliches Monster in einer Höhle entdeckt hast?“
Garek zuckte nur mit den Schultern. „Sind nicht meine Ge-
fährten, wenn sie mich lassen alleine vor Monsterhöhle. Und
ist gefährliches Monster in Höhle, zack, Plätteisen gegen Kopf.
Problem vorbei.“
Die Tempelmeisterin flüsterte, sodass es keiner ihrer Lehr-
linge hören konnte: „Großer Elodran, was hast du dir dabei
gedacht, aus diesem Jungen einen Wächter zu machen?“ Sie
blickte aus dem Burgfenster. Der Himmel färbte sich schon
rosa wie ein frischer Bluterguss. Sie musste nur noch ein wenig
durchhalten, dann könnte sie die Bande auf ihre Kammern
schicken und an Elodrans Schrein um Weisheit bitten.
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Im Wehrturm Wolfszahn
„Das hier ist kein Haustier!“ Katinka
Kesselfaust hatte in den letzten Jahren
achtundsiebzig Barbaren ausgebildet. Sie hatte
sie auf ein Leben in den Splitterlanden vorbereitet
und sie zu Abenteurern gemacht. Gut die Hälfte von
ihnen lebte sogar noch. Niemand kannte sich mit Barbaren
besser aus als sie. Barbaren werden am Barnastag geboren,
tragen ihr Herz auf der Zunge, sind leicht erregbar und zu-
gegeben auch etwas stur. Auch Katinka Kesselfaust folgte dem
Arkana der Barbaren und war deshalb selbst keine Ausnahme.
Doch die vielen Jahre als Ausbilderin hatten sie eiserne Ruhe
und völlige Gelassenheit gelehrt. „Bei Barnabas' dornigen
Donnerbalken, es interessiert mich einen kalten Entenschiss,
was in den verstaubten Schulregeln steht! Das verflohte Vieh
gehört nicht in meinen Unterricht!“
Sie hämmerte den Schaft ihrer Doppelaxt auf den Boden.
Alle anderen Barbarenlehrlinge machten einen Schritt zurück.
Der Sand auf den Steinplatten des Wehrturms knirschte unter
ihren Sohlen.
Doch die winzige Barbarin, die Katinka Kesselfaust
gegenüberstand, bewegte sich keinen Fingerbreit.
Sie warf den dicken Folianten, den sie in ihren
kleinen Händen hielt, zu Boden und stellte
sich darauf wie auf ein Rednerpult.
„Aber in den schimmligen Schul-
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regeln steht, jeder Adept darf ein
Haustier mitbringen! Zuckerschna-
bel ist mein Haustier. Und er hat keine
Flöhe!“
„Ja, ein Haustier!“, erwiderte die Lehrerin.
„Eine Flederkatze, eine Schleiereule, von mir aus
eine Eidechse. Etwas, das in eine Umhängetasche passt
und das man zerquetscht, wenn man aus Versehen drauf-
tritt. Nichts, was dich zum Frühstück fressen kann. Keinen
ausgewachsenen Riesenfederbären!“
Der Federbär gab ein klägliches Fiepen von sich und versuch-
te, sich unter einem der Tische zu verstecken. Dadurch hob er
ihn an und warf ihn samt der Ausrüstung um, was das Wesen
nur noch mehr ängstigte.
Die winzige Barbarin ging zu ihm und kraulte ihn unter dem
Schnabel, wodurch sich das Tier zusehends beruhigte. „Alles
gut, Zuckerschnabel. Niemand hier tut dir etwas.“
An die Lehrerin gewandt, grollte sie: „Seht ihr, ihr habt ihm
Angst gemacht. Er mag keine lauten Geräusche und ist total
harmlos. Und nirgends in den Schulregeln steht, dass Feder-
bären nicht erlaubt sind. Es gibt keine Größenangabe für
Haustiere. Zuckerschnabel rauszuwerfen, ist ungerech-
te Kakerlakenkacke!“
Katinka Kesselfaust mahlte mit ihren Zähnen,
sodass das Knirschen noch im Rabennest
zu hören war. Sie hatte gesehen, wie ein
Steintroll von einem Federbären in
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Stücke gerissen worden war. Nie
hätte sie gedacht, dass jemand ver-
rückt genug wäre, eine solche Bestie als
Haustier zu halten. Ihre Fingerknöchel
knackten lauter als das Dachgebälk. Sie holte
tief Luft, um ein Gewitter auf die Halbling-Barba-
rin niedergehen zu lassen, doch ein Adept kam ihr
zuvor. Ein Bursche mit grünlicher Haut, breiten Schultern
und einem Lächeln, mit dem man Greifeneier abschrecken
konnte. „Vielleicht braucht Erika einfach ein so großes Tier,
weil sie selbst so winzig ist.“
Die Barbarin schnellte herum wie eine gereizte Sonnenviper.
„Wen nennst du hier winzig, Mooshirn?“
„Ich meine ja nur. Hab keine Angst. Wir tun dir nichts.“ Der
Junge grinste sie mit einem breiten Lächeln an, in dem zwei
Zahnlücken klafften. „Du brauchst doch keinen Federbären,
der auf dich aufpasst. Das übernehme ich für dich, Kleine.“
Er beugte sich tief hinab, bis er mit ihr auf Augenhöhe war und
flüsterte: „Du überlässt mir jeden Barnastag deinen Puder-
pudding und ich sorge dafür, dass dir nichts passiert.“
Erika schob das Kinn vor und knurrte, wie man es eher von
einem angreifenden Federbären erwartet hätte: „Wenn
hier irgendwer einen Aufpasser braucht, dann du,
Wanzenvisage!“
Katinka Kesselfaust brauchte den Rest
der Stunde, um den Kampf zu be-
enden, und die halbe Pause, um
Erikas verängstigten Federbären
aus der Klasse zu bugsieren. Kaum
hatte sie den Riegel vor die Tür geschoben,
atmete sie schwer aus. „Lieber trete ich noch
mal einem eisenzahnigen Schwefeldrachen gegen-
über als dieser Horde Hornochsen.“