Alexander der letzte Markgraf - Gerd Scherm - E-Book

Alexander der letzte Markgraf E-Book

Gerd Scherm

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Beschreibung

Am 5. Januar 1806 starb auf Schloss Benham in der englischen Grafschaft Berkshire kurz vor seinem 70. Geburtstag der letzte Markgraf von Brandenburg-Ansbach und Bayreuth, Christian Friedrich Carl Alexander. Kurz vor seinem Tod besucht der Hofnarr Peter Prosch Alexander auf seinem Landsitz. Es geht um eine Abrechnung, aber auch um die Lebensbilanz der beiden, ein letztes Treffen von Fürst und Narr, um zu sehen, was war und was davon wohl bleiben könnte. Beide durchleben noch einmal das Leben am Ansbacher Hofe, die politischen Kämpfe und Alexanders Frauengeschichten. Viel Zeit haben die beiden nicht, denn schließlich stirbt der letzte Markgraf. Und als die Glocken in London zur Totenfeier des Markgrafen läuten, marschiert der französische Marschall Bernadotte, der spätere Schwedenkönig, mit seinen Truppen in Ansbach ein - das Markgrafentum war zu Ende. Eine packende Geschichte, die der Autor Gerd Scherm neu entdeckt und für die Bühne bearbeitet hat.

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Seitenzahl: 97

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Alexander der letzte Markgraf

Drama von Gerd Scherm

Books on Demand

Inhalt

Die Personen

Die Szenen

Das Drama

Anhang

Markgraf Alexander

Peter Prosch (Peterl)

Claire Clairon

Lady Craven

Der Autor: Gerd Scherm

Personen

Meta-Ebene:

Der alte Markgraf AlexanderPeter Prosch, gen. Peterl, Hoftiroler (= Hofnarr)

Rückblenden:

Markgraf Alexander„Der Wilde Markgraf“ (Carl Friedrich), Alexanders VaterFriederike Luise, Alexanders MutterCarl von Gemmingen, Erster Minister in FrankenFriederike Caroline, Alexanders GemahlinClaire Clairon, Alexanders MätresseLady Elizabeth Craven alias Milady, Alexanders MätresseCarl August von Hardenberg, preußischer DiplomatSoldatensprecherVolk, rebellierende Soldaten, Hofstaat, Freimaurerbrüder

(Mehrfachbesetzungen sind möglich – Minimum: 5 H / 3 D)

Rückblenden

Streit mit dem Wilden Markgraf und dessen Tod 1757

Die Freimaurerloge zu Ansbach „Alexander zu den 3 Sternen“ – Anspruch und Wirklichkeit humanitärer Ideen ca. 1772 -1774

Mademoiselle Claire Clairon und die Kultur 1775

Nach Amerika – die Revolte im Hafen von Ochsenfurt 1777

Milady amused and not amused 1788

Resignation und Abdankung 1791

Davor, dazwischen und danach insgesamt sieben Szenen auf der Meta-Ebene mit Alexander und Peter Prosch, die letzte zusätzlich mit Lady Craven und Claire Clairon.

Uraufführung am Theater Ansbach, 19. März 2010

Regie:               Jürgen Eick

Bühne:              Claudia Kucharski

Kostüme:         Veronika Stünkel

Aufführungsrechte: Gerd Scherm ([email protected])

1. META-EBENE: Benham Castle

Ort: Benham Castle, Berkshire, England, 1806Personen: Alexander & Peterl

Peterl betritt mit einer Kraxen (Rückengestell der Hausierer) auf dem Rücken und tropfnass das Zimmer in Benham Castle, in dem Alexander bereits am Kamin sitzt. Da ihn der Markgraf nicht beachtet, macht er einige altersschwache clowneske Bewegungen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

PETERL – Kennt Ihro Gnaden mich nimmer?

ALEXANDER – (schweigt)

PETERL (singt) – Die Tiroler sind lustig, die Tiroler sind froh …

ALEXANDER – Ja, ja, freilich kenne ich dich. Du hast mich arg vernachlässigt.

PETERL – In England regnet es ja noch mehr als im Fränkischen.

(Packt aus seiner Kraxen eine Flasche und füllt daraus zwei Gläser, die auf einem Tisch stehen. Ein Glas reicht er Alexander, das andere nimmt er selbst)

Zum Wohl, Durchlaucht!

ALEXANDER (trinkt ohne Erwiderung)

Was willst du von mir? Sag, warum hast du die weite Reise auf dich genommen? Du bist ja auch nicht mehr der Jüngste.

PETERL – Sehr wohl, Durchlauchtigster. Vielleicht komm ich ja wegen dem Geld? Erinnere dich an ein Wiegenfest von Ihro Gnaden, das erste, bei dem ich im Schloss zu Ansbach war! Alle haben nur lutherischsteif gratuliert, aber dann bin ich gekommen.(wirft sich in Positur wie damals) Allerhöchster Gnadenherr, Peterl gratuliert ihm sehr. Frankens höchster Jubilar, feiert den schönsten Tag im Jahr. Branntwein soll nun üppig fließen, den wir in die Becher gießen. Musikanten spielt! Wir tanzen! Hau’n uns voll den leeren Ranzen. Weil der Markgraf heute lacht, feiert bis die Schwarte kracht!Da lobte mich Durchlaucht über die Maßen und deine werte Gemahlin, Markgräfin Friederike Caroline, machte eine Wette mit mir. Eine Bouteille Burgunder hab ich eingesetzt, dass ich an deinem Galatag keinen Rausch bekommen werd, welches doch bei mir sehr selten geschah. Und, du erinnerst dich sicher, ich hab es geschafft und das Gewett gewonnen. Am nächsten Tag waren Ihro Gemahlin guten Humors und Ihro Gnaden ebenso und weil ich euch zwei so gut unterhalten hab, setztest du für meine abendliche Rauschlosigkeit eine Leibrente von jährlich 25 Gulden aus.

ALEXANDER – Und jetzt willst du also dein Geld abholen. Wegen der paar Gulden unternimmst du eine so weite Reise?

PETERL – Paar Gulden? Das sind, lasst mich rechnen …(nimmt die Finger zu Hilfe)Seit 1789 bis zum Heutigen und mal 25, das macht, äh, nach Adam Ries und Tiroler Recht bestimmt über 500 Gulden! Und die hätt ich jetzt gern, Ihro Gnaden. Auch ein Narr braucht Geld zum Leben. Vor allem im Alter, wenn er keine Rücklagen hat.

ALEXANDER – Schon gut, schon gut. Du sollst das Geld ja haben. Aber ich glaube nicht, dass du nur deswegen gekommen bist. Dein Besuch hat doch bestimmt noch einen anderen Grund, Peterl.

PETERL – Gut, ich geb’s zu. Es ist nicht nur wegen der Leibrente. Nicht wegen der paar Gulden. Ich wollt dich noch einmal sehen, bevor es zu Ende geht.

ALEXANDER – Zu Ende? Erschreck mich nicht! Bist du wohl bald so weit, Peterl?

PETERL – Von mir red’ ich nicht. Um dich ist’s mir. Das hier hat mir keine Ruhe lassen. Dass Ihro Gnaden einfach so aus Ansbach verschwunden seid.(Nimmt einen Zettel aus der Tasche, wedelt damit in der Luft und liest dann vor)„Von Gottes Gnaden Wir Christian Friedrich Carl Alexander, Markgraf zu Brandenburg et cetera et cetera entbieten der Ritterschaft und den Vasallen et cetera Untertanen der beiden Fürstentümer et cetera Unseren Gruß und Gnade zuvor und fügen denselben hiermit zu wissen: Dass Wir aus eigenem Antriebe und nach reiflichsten Überlegungen, aus wichtigen Beweggründen et cetera Uns der Regierungsgeschäfte und der damit verknüpften Sorgen und Beschwerden gänzlich zu entledigen, um entfernt von denselben, Unsere übrigen Tage an einem, nach eigenem Gefallen zu erwählenden Ort in Ruhe zuzubringen et cetera et cetera. Ausgefertigt am 2. Dezember 1791.“

ALEXANDER – Gut vorgelesen, Peterl. Vor allem das et cetera.

PETERL – Man kann doch nicht einfach so für immer von daheim weggehen! Das Reisen, ja, das ist in Ordnung. Das hab ich auch immer gemacht. Lang bin ich Jahr für Jahr von Tirol ins Bayerische und ins Fränkische und ins Württembergische von Hof zu Hof gezogen. Aber ich bin immer wieder heimgegangen zu meine Leut. Du bist doch früher auch jedes Jahr immer wieder nach Ansbach zurückgekehrt von deinen langen, weiten Reisen. Egal ob von Rom oder London oder Paris. Heimkommen ist doch genauso schön wie weggehen.

ALEXANDER – Ich war in Ansbach daheim, aber nimmer zuhause, Peterl. Ich fühlte mich nicht mehr wohl, schlimmer noch, ich war kreuzunglücklich. Ich wollte weit weg sein von meinen Sorgen. Freiheit wollte ich, tägliche Freiheit und nicht die erdrückende tägliche Pflicht.Und du, mein Papageno? Verkauft mein Tiroler Vogelhändler immer noch seine Missgeschicke als lustige Piepmätze? Jagst du sie immer noch als Späße von Fürstenhof zu Fürstenhof? Oder ist auch dir so manches Amusement schal geworden?

PETERL – (Schweigt, geht nachdenklich auf und ab, und wendet sich dann wieder an Alexander.)War’s die Angst vor der Revolution, Ihro Gnaden?

ALEXANDER – Du hast mir nicht geantwortet, Peterl.(nachdenkliche Pause)Wie hast du die schlimme Zeit überstanden? Wie ist es dir ergangen, daheim in Tirol?

PETERL – Ich war weit weg von allem. Bei uns haben sie nichts gestürmt und keine Guillotinen aufgestellt. Nicht einmal gehenkt haben sie jemanden bei uns im Zillertal. Nein, um mich hab ich keine Angst gehabt. Nur um all die feinen Herrschaften, die ich gekannt hab und die gut zu mir waren, all die Jahre, in Wien und Salzburg und München und Regensburg und Würzburg und Ansbach und Prag und Paris. Vor allem in Paris, wo sie unserer Maria Theresia ihr Töchterlein so grausam umgebracht haben. Ihr ist die neue Zeit gar nicht wohl bekommen. Und Ihro Gnaden? Wie lebt es sich hier im englischen Exil mit Pferdezucht und Haustheater auf dem Lande?

ALEXANDER – Du Schelm weißt mehr, als du vorgibst. Du hast dich über mich kundig gemacht.

PETERL – Ihro Gnaden wissen doch, das Leben ist ein seltsamer Puppenspieler, der uns mit seinen Fäden drangsaliert. Den einen setzt er auf einen Thron, dem anderen setzt er eine Narrenkappe auf.(hält inne)Erinnerst du dich noch? An die Zeit, als du jung warst? Als die ganze Welt nur Zukunft war?

(Alexander starrt versonnen in den Kamin, dann wendet er sich wieder Peterl zu)

ALEXANDER – Du meinst, als ich noch ein ahnungsloser Tamino war? Ein junger Bursche, der alle Prüfungen des Lebens noch vor sich hatte? Na ja, fast alle. Die Kavaliersreise lag ja schon hinter mir. Mit fünfzehn, sechzehn Jahren die wunderbare Grand Tour durch Italien und hinein in das Leben des europäischen Adels. Die lauschigen Sommernachtsfeste, die prächtigen Empfänge am Königshof in Turin, der Karneval in Venedig und die nächtlichen Fahrten durch die Kanäle, umgeben und verwöhnt von den schönsten Töchtern der Lagunenstadt. Das junge Leben als praktiziertes Material für die späteren, honigsüßen Memoiren eines alternden Herrschers. Wäre da nur nicht jenes bezaubernde Schwefelmädchen gewesen, das mir die französische Krankheit angehängt hat. Und schon gab es etwas weniger Zukunft. Vor allem weniger Zukunft was die Erbfolge des Hauses Brandenburg-Ansbach anlangte.(er lacht bitter)

PETERL – Und von was haben Ihro Gnaden als junger Mann geträumt? Ein Herrscher in der Welt zu werden wie dein Namensvetter aus Mazedonien, den man den großen Alexander nennt? Oder ein General zu sein, der viele Schlachten gewinnt? Was war für dich das ersehnte Paradies?

ALEXANDER – Das Bild vom Paradies änderte sich bei mir im Lauf der Jahre. Mein erstes war nicht weniger, als ein ganz anderer zu werden als mein Vater. Mein zweiter Traum vom Paradies war, eine Frau zu finden, die so liebreizend und klug und feinsinnig wie meine Mutter war. Das erste ist mir wohl einigermaßen gelungen, beim zweiten bin ich mir nicht mehr so sicher.(Pause)Und bei dir, Peterl? Was war der Traum deiner Jugend?

PETERL – Mein ganz großer Traum als junger Bursch? Dass mir die Kaiserin Maria Theresia einen Hut voll Geld schenkt und mir ein Branntweinhüttel bauen lässt.Und mein Traum hat sich ganz und gar erfüllt. Ich war der glücklichste Mensch auf der Welt.Nur ist es dann anders ausgegangen, als ich gedacht hab. Die Neider haben es mir nicht vergönnt und mit ihrer Missgunst das Unglück über mich ausgeschüttet. Sogar ins Gefängnis haben sie mich stecken lassen. So ist aus dem Paradies ganz schnell die Hölle worden.Aber das ist wohl immer so im Leben, dass es anders ausgeht, als man vorher denkt oder als man es sich in seinen Träumen wünscht.

ALEXANDER – Ja, das tut weh und der Schmerz nagt ein Leben lang in deinem Herzen. Da hilft nichts dagegen.

PETERL – Doch, doch. Ein bisserl Theriak verjagt den Schmerz. Der hilft nicht nur bei Zahnweh. Damit kann man auch den anderen Schmerz bekämpfen, den, der tief in der Brust sitzt.(Er füllt die Gläser nach)

ALEXANDER – Handelst du immer noch mit dem Zeug, Peterl?

PETERL – Ja, schon, ein bisserl. Hab immer noch einen Vorrat bei mir, falls Not ist.

ALEXANDER – Ah! Sehr gut! Immer noch die gleiche, gute Rezeptur!

PETERL – Ja, mein lieber Fürst. Wie immer: Viel Kräuter, viel Alkohol, und ein Schuss Opium.

ALEXANDER – Es geht doch nichts über die altbewährte Theriak-Mischung von meinem Hoftiroler!(lacht)

PETERL – So hat man den Peter Prosch überall gekannt, seines Zeichens Theriak- und Handschuhhändler, Hoftiroler und Nachtstuhlverwalter: Immer zu Diensten. Ob mit erlesenen Waren oder lustigen Geschichten. Der Narr vom Katzentisch der Fürstenhöfe, der alles mit sich hat machen lassen – mit derben Späßen malträtieren oder bis zum Umfallen elektrisieren. Wahrlich, das Leben eines Narren ist schmerzenreich und schlägt tiefe Wunden in Leib und Seele.

ALEXANDER – Und doch bist du immer wieder zu mir nach Ansbach gekommen.

PETERL – Wovon hätte ich denn sonst meine Familie ernähren sollen? Wovon sollt unsereiner denn leben im armen Tirol? Mein Vater ist gestorben wie ich noch ein ganz kleiner Bub war. Und die Mutter hat es auch nicht lange gemacht. Mit zehn war ich schon auf mich allein gestellt. Meine Hungerleider-Geschwister haben mir auch nicht helfen können, so dass ich als Hüterbub in den Dienst gegangen bin. Aber dabei war nichts verdient, außer einem Verschlag für die Nacht und eine Suppe oder gar nur einen Kanten Brot.(hält inne)