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Seit Jahren hüte ich beruflich Geheimnisse. Nie ist etwas passiert. Bis jetzt. Plötzlich wollen gleich drei aufdringliche Männer Informationen von mir – Informationen, die ich ihnen weder geben kann noch will. Doch das Wort "Nein" scheinen meine neuen Verehrer nicht zu kennen … Dark Romance. Düstere Themen. Eindeutige Szenen. Deutliche Sprache. In sich abgeschlossen.
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Seitenzahl: 118
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Alice In The Shallow Grave
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
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Über Mia Kingsley
Copyright: Mia Kingsley, 2019, Deutschland.
Coverfoto: © Hanna Postova – unsplash.com
Korrektorat: Laura Gosemann
Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet.
Sämtliche Personen in diesem Text sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig.
Black Umbrella Publishing
www.blackumbrellapublishing.com
Seit Jahren hüte ich beruflich Geheimnisse. Nie ist etwas passiert. Bis jetzt. Plötzlich wollen gleich drei aufdringliche Männer Informationen von mir – Informationen, die ich ihnen weder geben kann noch will. Doch das Wort »Nein« scheinen meine neuen Verehrer nicht zu kennen …
Dark Romance. Düstere Themen. Eindeutige Szenen. Deutliche Sprache. In sich abgeschlossen.
»Haben Sie mit Flynn gesprochen?«, fragte ich und sah von meinen Notizen auf.
Nummer 46 runzelte die Stirn. Er atmete geräuschvoll aus und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Sein körperliches Unbehagen hing greifbar im Raum zwischen uns, weil er es hasste, über seine Gefühle zu reden. Allerdings war es dringend notwendig, damit sich ein weiteres Debakel wie das Blutbad im April vermeiden ließ. Mit einem Schnaufen stand Nummer 46 auf und tigerte durch das teure Hotelzimmer. »Ja«, brummte er schließlich.
»Und wie haben Sie sich dabei gefühlt?«
Mit dem Rücken zu mir blieb er stehen und betrachtete sein Spiegelbild in dem großen Spiegel, der über dem Schminktisch hing. »Gut.«
Eigentlich neigte Nummer 46 zum Plaudern. Die knappe Antwort verriet mir alles, was ich wissen musste. Ich machte mir eine kurze Notiz, und bis auf das leise Kratzen des Füllers auf dem Papier war es still in der Suite des White Court Hotel. Nachdem ich den Stift wieder abgesetzt hatte, sagte ich: »Ihrer Antwort entnehme ich, dass Sie sich zwar gut gefühlt haben, die Unterhaltung an sich allerdings nicht angenehm verlaufen ist.«
Er lachte bitter auf. »So könnte man es auch nennen. Ich musste Flynn umbringen.«
Schnell notierte ich mir, Flynn nicht wieder zu erwähnen. Es war zumindest ein Fortschritt, dass Nummer 46 es wenigstens in Betracht gezogen hatte, mit seinem Handlanger zu reden, bevor er ihn in einem der cholerischen Anfälle tötete, für die er bekannt war. Es fiel Nummer 46 zunehmend schwerer, seine Leute zu kontrollieren, weshalb er zu mir gekommen war.
Nachdem er einige weitere Runden gedreht hatte, setzte er sich wieder hin und stützte die Ellbogen auf die Oberschenkel. »Was soll ich jetzt tun, Dr. Grayson?«
»Haben Sie versucht, Tagebuch zu führen?«
Er nickte und zog zu meinem großen Erstaunen ein kleines schwarzes Notizbuch aus der Hosentasche, das er mir ohne Zögern reichte. »Es ist nicht viel, aber ich habe es zumindest probiert.«
»Das ist gut«, lobte ich. »Sehr gut.« Ich blätterte durch die Seiten, überflog einige Zeilen und wollte es ihm wiedergeben.
»Sie können es behalten und lesen. Vielleicht haben Sie noch ein paar Tipps für mich, Doc. Falls ich spontan erschossen werde, ist es eh besser, wenn niemand das Ding in meiner Tasche findet. Außerdem habe ich direkt einen Zehnerpack gekauft.« Er zuckte mit den Achseln. »Den Männern sage ich, dass ich rauchen gehe.«
»Eine gute Taktik.« Aus dem Augenwinkel schielte ich auf meine Armbanduhr. »Unsere Zeit ist fast um. Haben Sie noch etwas, worüber Sie reden möchten?«
Nummer 46 beäugte meine Beine einen Hauch zu ausgiebig.
Ich kannte ihn inzwischen lange genug, um zu wissen, was er dachte. Er fand es überaus unfair, jede Woche eine Stunde mit mir in einem Hotelzimmer verbringen zu müssen und mich nicht vögeln zu dürfen. Es hatte beinahe zwei Monate gedauert, bis ich ihm die Frage abgewöhnt hatte.
Dabei war Nummer 46 durchaus attraktiv und nur wenige Jahre älter als ich. Doch es wäre absolut unprofessionell gewesen, mit ihm zu schlafen.
Ich verstand allerdings den Impuls seinerseits. Mein Rock war einen Hauch zu kurz, die Absätze ein paar Zentimeter zu hoch, die Bluse zu eng, der BH zu sichtbar. Jeder, der mich mit einem meiner Patienten in einem Hotel sah, sollte glauben, dass ich eine Prostituierte war. Es war schlicht und ergreifend die perfekte Tarnung.
Deshalb konnte ich mir auch den Luxus erlauben, keine Praxis zu führen und 1.500 Dollar in der Stunde zu nehmen. Meine Klienten konnten nicht zu jedem beliebigen Therapeuten gehen, und ich war nicht bereit, für einen Hungerlohn jeden Patienten anzunehmen, der durch die Tür kam. Ich hatte keine Karte und keine feste Adresse. Meine Patienten kamen auf Empfehlung zu mir, abgesehen davon sprach niemand über meine Existenz.
Nummer 46 war durch Nummer 25 zu mir gekommen. Nummer 25 war ein hochrangiger Politiker, der sich regelmäßig von Nummer 46 bestechen ließ. Da Nummer 25 die cholerischen Anfälle von Nummer 46 ein Dorn im Auge gewesen waren, weil sie es ihm erschwerten, seine Hand schützend über Nummer 46 zu halten, hatte er ihn zu mir geschickt.
Ich behandelte ausschließlich Männer. Sowohl beruflich als auch privat war ich nie sonderlich gut mit Frauen ausgekommen. Männer waren leichter zu kontrollieren, speziell, wenn es um Emotionen ging. Jeder von ihnen wäre eher gestorben, als freiwillig zuzugeben, dass er einmal pro Woche eine Psychologin besuchte, bei der er sich den Stress und die Morde von der Seele redete.
Genau wie ich gestorben wäre, bevor ich eines der Geheimnisse ausplauderte, die meine Patienten mir anvertrauten. Schon allein deshalb, weil ich eine sehr gute Vorstellung davon hatte, was sie mit mir machen würden, wenn sie von meinem Verrat erfuhren.
Nummer 46 beispielsweise hatte dem letzten Verräter die Hoden abgeschnitten, ihn gezwungen, sie zu essen, und ihm anschließend die Haut bei lebendigem Leib abgezogen. Er hatte noch Blut unter den Nägeln gehabt, als er zu mir gekommen war. Seitdem verlangte ich 1.750 Dollar in der Stunde von ihm.
»Ich hatte seit zwei Jahren keinen Sex mehr«, sagte er völlig aus dem Nichts.
Ich auch, hätte ich beinahe geantwortet. Bei mir waren es sogar fast vier Jahre. Aber ich war klug genug, meinen Mund zu halten. Zumindest in Bezug auf das Thema. Stattdessen klappte ich den Block zu, schraubte den Verschluss auf den Füllfederhalter und legte beides auf den Tisch, der zwischen den Sofas stand. Ich machte meinen Job lang genug, um zu wissen, ab wann man nicht mehr mitschreiben sollte.
Nummer 46 entspannte sich sichtlich, nachdem ich mich wieder zurückgelehnt hatte.
»Hat es körperliche Gründe?«, fragte ich mit der ewig gleichen neutralen Stimme wie sonst auch.
»Nein. Ja. Nicht direkt.« Er verstummte und wippte mit der Schuhspitze.
»Ich nehme an, dass Sie emotional blockiert sind und deshalb keine Erektion bekommen können?«
»So in etwa. Ich hatte solche Probleme, meine Aggressionen zu kontrollieren, bevor ich zu Ihnen gekommen bin, Doc, dass ich Angst hatte, einen meiner Aussetzer in der Gegenwart einer Frau zu bekommen. Ich hatte diese Geliebte, ihr Name war Jeannie. Jeannie sah ein bisschen aus wie Sie, auch dunkle Haare, allerdings nicht so lang wie Ihre, strahlend grüne Augen und der hübscheste Mund, den ich in meinem Leben gesehen habe. Leider hat sie ihren Mund zu oft dazu benutzt, dumme Dinge zu sagen. Als meine Wutausbrüche schlimmer wurden, habe ich mir zu große Sorgen gemacht, dass Jeannie etwas sagt und ich sie töte … oder schlimmer.«
Ich war mir nicht sicher, ob ich wissen wollte, was er sich unter »schlimmer« vorstellte. Vermutlich nicht. Also schlug ich bloß meine Beine übereinander und nickte verständnisvoll, während ich in Wahrheit meinen schwarz glänzenden Pumps betrachtete. Impotenz war einer der führenden Gründe, warum die Männer zu mir kamen und ich mir so gut wie keine Sorgen darüber machte, dass niemand wusste, wo ich mit wem war.
Nummer 46 lachte auf. »Ich meine, ich bin ja kein Monster. Frauen beim Sex zu töten ist schon eine andere Liga.«
Ich dachte zurück an die Geschichte mit den abgeschnittenen Hoden und war mir nicht sicher, ob ich seine Auffassung teilte. Meine Uhr gab ein leises Piepen von sich.
»Unsere Zeit ist leider um. Ich denke, es ist ein gutes Zeichen, dass Sie rational genug sind, die Gefahr zu erkennen. Das bedeutet, dass wir daran arbeiten können. Halten Sie Jeannie für verschwiegen genug, dass Sie sie mitbringen können?«
Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Wollen Sie etwa zusehen, Doc?«
Ich gab keine Antwort, sondern wartete geduldig, bis er mir wie der Erwachsene antwortete, der er war: »Nein. Auf keinen Fall. Ich könnte ihr die Zunge herausschneiden, und sie würde noch immer quatschen.«
»Gut. Wir finden einen anderen Weg.«
»Sie sind sehr attraktiv, Dr. Grayson. Habe ich Ihnen das heute schon gesagt?«
»Ich werde nicht mit Ihnen schlafen. Wenn Sie es noch einmal andeuten, muss ich meinen Preis erhöhen.«
Er hob beide Hände. »Schon gut. Schon gut. Ich wollte damit nur ausdrücken, dass ich mich bei Ihnen sicher fühle.«
Ich war bereits aufgestanden und strich meinen Rock glatt. Er fühlte sich bei mir sicher? Irritiert starrte ich seine breite Brust an, weil er sich ebenfalls erhoben hatte. Nummer 46 war gute ein Meter neunzig groß und bestand aus purer Muskelmasse. Ich hingegen maß knappe einsfünfundsechzig – er hätte mich mühelos in der Mitte durchbrechen können und fühlte sich bei mir sicher? Innerlich machte ich mir eine Notiz, das nächste Mal mehr über seine Mutter zu sprechen. Ich wusste nicht mehr, ob er sie schon jemals erwähnt hatte.
Nummer 46 knöpfte sein Jackett zu. »Auf Wiedersehen, Doc.«
»Auf Wiedersehen.«
Ich wartete die übliche Viertelstunde, in der ich über meine Notizen ging, bevor ich ebenfalls die Suite verließ.
Bis auf einen Mann, der vor einer Zimmertür ein paar Meter entfernt wartete und dabei auf sein Handydisplay schaute, war der Hotelgang leer. Ich ging zum Aufzug und klopfte ungeduldig mit der Fußspitze auf den Boden. Dafür dass das White Court ein so teures Hotel war, bewegte der Lift sich überraschend langsam. Eine gefühlte Ewigkeit verging, bevor ich die Kabine endlich betreten konnte.
Es war inzwischen später Abend, und das Geständnis von Nummer 46 hatte mich aufgewühlt, sodass ich überlegte, einen Drink an der Hotelbar zu nehmen. Mein letzter Sex lag so lange zurück – vielleicht würde ein unverbindlicher One-Night-Stand mich wieder auf den Geschmack bringen.
Ich richtete meine Bluse, während die Aufzugtüren mit quälender Langsamkeit aufeinander zukrochen. Sie hatten sich fast geschlossen, als sich eine starke Männerhand dazwischenschob.
Der wartende Mann aus dem Flur hatte es sich offensichtlich anders überlegt und war mir gefolgt.
Geübt nahm ich die Details auf: teure Schuhe, perfekt geschnittene Kleidung und schwere Manschettenknöpfe mit den Initialen EE.
Er lächelte mich an, kluge Augen funkelten hinter dem Rahmen der eleganten Hornbrille. »Guten Abend, Dr. Grayson.«
Ich musterte ihn von oben bis unten. Er war definitiv keiner meiner Patienten, denn so gut aussehend, wie er war, hätte ich ihn nicht vergessen. Eine gewisse Ähnlichkeit zu Nummer 14 war allerdings vorhanden. Nummer 14 war irischer Abstammung und das Oberhaupt einer großen kriminellen Organisation. Die beiden Männer teilten die hellbraunen Haare und den gepflegten, kurzen Bart. Da hörten die Ähnlichkeiten allerdings auch wieder auf, denn Nummer 14 hatte grüne Augen, der Mann vor mir braune.
»Kennen wir uns?«, fragte ich in bester Therapeutenmanier mit absolut ausdrucksloser Stimme.
»Noch nicht.« Er stellte sich dicht hinter mich. Zu dicht. Dann drückte er die Penthouse-Taste auf dem Bedienfeld, bevor er einen sechsstelligen Code eingab. Statt nach unten ins Erdgeschoss zu fahren, glitten wir im Schneckentempo nach oben.
Es war lächerlich, wenn ich bedachte, mit wem ich soeben sechzig Minuten in einem wunderbar schallisolierten Hotelzimmer verbracht hatte, aber der Mann hinter mir machte mich nervös.
Ich wollte den Aufzug bei der erstbesten Gelegenheit verlassen, doch der Lift hielt tatsächlich erst ganz oben. Die Türen öffneten sich und gaben den Blick auf eine Bar frei, deren Existenz mir nicht bewusst gewesen war.
Der Mann legte seine Hand auf meinen Rücken und schob mich vorwärts. »Begleiten Sie mich in den White Room, Doctor.«
»Nein, danke.« Ich machte einen schnellen Schritt zur Seite und drehte mich weg, um die Berührung zu lösen. Hastig drückte ich die Taste fürs Erdgeschoss.
Er packte mein Handgelenk. »Ich fürchte, dass ich darauf bestehe, Alice.«
Meine Augen wurden schmal. Woher kannte er meinen Vornamen? Für meine Patienten war ich immer und ausschließlich Dr. Grayson – viele von ihnen glaubten vermutlich, dass »Doc« mein Vorname war.
Ich hatte meinen Vornamen nicht mehr benutzt, seit …
Energisch straffte ich die Schultern. »Nein.«
»Das war keine Bitte.« Sein Griff wurde fester. Die feinen Härchen in meinem Nacken sträubten sich aufgrund der leisen, eindringlichen Art, mit der er sprach.
Ich ging meine Optionen durch. Entweder ich folgte ihm in die Bar, hörte mir an, was er zu sagen hatte, bevor ich höflich ablehnte – oder ich machte eine Szene.
Szenen in der Öffentlichkeit waren schlecht fürs Geschäft. Es bestand die Möglichkeit, dass Nummer 46 davon erfuhr und dachte, seine Tarnung wäre kompromittiert. Ich hing im wahrsten Sinn des Wortes an meiner Haut.
»In Ordnung. Vorausgesetzt Sie lassen mich los.«
»Evander.«
»Evander?« Ich hob eine Augenbraue.
»Mein Name ist Evander Edwards.« Er deutete eine Verbeugung an und hielt mir seinen Arm hin.
Gezwungenermaßen hakte ich mich unter und betrat an seiner Seite die Bar. Evander Edwards erklärte die Initialen auf den Manschettenknöpfen. Ich musterte ihn mit einem weiteren schnellen Seitenblick. »Edwards – wie der Pharmakonzern?«
»Ja.«
Großartig. Ich hoffte wirklich, dass Evander Edwards nichts Wichtiges von mir wollte, denn ich würde kaum ablehnen können. Edwards Pharmaceuticals befand sich irgendwo in den Top 50 der Forbes Global 2000 – einer jährlichen Liste der zweitausend größten börsennotierten Unternehmen der Welt. Bei einem jährlichen Umsatz von mehr als 80 Milliarden Dollar nicht weiter verwunderlich. Evander Edwards besaß definitiv genug Geld, um sich meine Stundenpreise zu leisten. Und mehr als genug Geld, um mir das Leben verdammt schwer zu machen.
Ich war mir sogar sicher, dass sich im Portfolio der Firma inzwischen ein Football-Team und mehrere Fernsehsender befanden.
»Was trinkst du?«, fragte er, nachdem er einen Tisch in einer ruhigen Ecke ausgewählt hatte. Er ließ mir den Vortritt, sodass ich zwischen ihm und der Wand eingekeilt in der engen Nische saß.
Sein Knie stieß gegen meines, als er sich setzte, doch ich hatte keine Chance, weiter von ihm abzurücken.
»Wasser«, erwiderte ich steif.