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Im Jahr 2100 wird die Erde Opfer einer Alien-Invasion. Eine Handvoll Menschen nimmt den Kampf um die Zukunft der Menschheit auf.
SF-Abenteuer von Alfred Bekker.
Wem kann ich trauen, dachte Zar Phönix Fjodor der Erste. Bei wem kann ich sicher sein, dass er nicht ein Agent der INEX ist. Die Antwort war ernüchternd. Es gibt niemanden, durchschoss es ihn. Wirklich niemanden!
Er stand vor der hohen Fensterfront seines Glaspalastes in Rom-4 und blickte hinaus auf das beeindruckende Panorama der neuen Stadt. Dieser Nachfolgerin von Rom-Byzanz-Moskau.
Herrscher der neuen Führungsmacht der Erde, so hatte Phönix sich lange gesehen, aber inzwischen musste er erkennen, dass das nichts weiter als eine Illusion gewesen war. Die wahren Herrscher der Erde operierten aus dem Hintergrund.
Die insektoiden außerirdischen INEX hatten die Machtzentren der Erde längst unterwandert, zumindest galt dies für das neue Rom. Eine deprimierende Erkenntnis, aber an ihr führte kein Weg vorbei.
Der Energieschirm, der inzwischen Rom-4, das ehemalige Irkutsk und den gesamten Baikalsee überspannte, schimmerte blau in der klaren Winterluft. Außerhalb dieses Schirmes herrschten Temperaturen von weniger als -20 Grad. Innerhalb dieses Schutzschirms hingegen herrschten frühlingshafte Temperaturen. Eine Insel der Prosperität innerhalb eines Gebietes, das den größten Teil des Jahres über eine Eiswüste darstellte. Das war Rom-4 geworden. Jene Stadt, die ihren Reichtum auf der Vermarktung der Süßwasservorräte des mehr als tausend Meter tiefen Baikalsees gegründet hatte. Die enorme Verknappung der Süßwasserreserven im Verlaufe des 21. Jahrhunderts war sowohl für das Eurasische Commonwealth als auch für die Region um Irkutsk ein Glücksfall gewesen.
Cover: STEVE MAYER
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von Alfred Bekker
Science Fiction Roman
© 2003,2004 by Alfred Bekker (Brian Carisi)
© der Digitalausgabe 2012, 2014 Alfred Bekker, CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Ein CassiopeiaPress E-Book
www.AlfredBekker.de
*
Mortin Ellroy betrat die Spielhalle. Etwa drei Dutzend Personen saßen vor flimmernden Konsolen. Sie trugen Datenhelme. An den Wänden befanden sich Automaten zur Drogenausgabe. Manchen Usern reichte der Kick offenbar nicht aus.
Eine junge Frau im transparenten T-Shirt trat Ellroy entgegen. Ihr Gesichtsausdruck wirkte schläfrig. Ellroy registrierte, dass die Nase leicht gerötet war. Vermutlich hatte sie sich an den Kokainvorräten vergriffen, die eigentlich zum legalen Verkauf bestimmt waren.
„Guten Tag. Wenn Sie an eine der Konsolen möchten, müssen Sie sich etwas gedulden. Sie sehen ja, es ist ziemlich voll heute.“
Ellroy schüttelte den Kopf.
„Nein. Kein Bedarf an Ballerei.“ Davon hatte ihm fürs erste die Realität genug geboten.
„In diesem Fall darf ich Ihnen unser umfangreiches Angebot an Stimulanzien anempfehlen“, sagte die junge Frau. „Zurzeit führen wir unsere Aktionswoche durch. Kokain zum halben Preis. Falls Sie einen Anbieter in New Washington finden, der preiswerter ist, haben Sie jederzeit eine Geld-zurück- Garantie.“
Sie trug ein Modul am Handgelenk und aktivierte ein Display. „Ich möchte jetzt nur noch gerne wissen, wodurch Sie von unserer Aktion erfahren haben: durch die Datennetzwerbung vielleicht?“
„Ich möchte zu Ihrem Boss“, sagte Ellroy.
„Dann sind Sie mit dem Service hier nicht zufrieden?“
„Ich möchte einfach, dass Sie mich zu Dan Laguna führen“, forderte Ellroy unmissverständlich. „Im Prinzip habe ich nichts gegen eine Verlängerung des charmanten Small-Talks mit Ihnen, aber im Moment bin ich etwas in Eile.“
Das Gesicht der jungen Frau wirkte ernüchtert. Ihre Mundwinkel gingen nach unten. „Ist ja schon gut“, sagte sie und strich sich das lange, seidige Haar zurück, das ihr bis weit über die Schulter fiel. Bis jetzt hatte ein Teil davon den Button knapp unterhalb des Halsansatzes verdeckt auf dem ihr Name stand: Noemi Smith.
Ihre Augen verengten sich etwas. Sie sah Ellroy prüfend an. „Sie sind doch nicht etwa einer von diesen evangelikalen Predigern?“
„Sehe ich so aus?“
„Ich frag ja nur, denn sonst gehen Sie besser anstatt meinen Boss davon zu überzeugen, dass der Gebrauch von Drogen etwas mit dem Satan zu tun hat.“
„Auf diesen Gedanken käme ich nie. Und jetzt halten Sie mich bitte nicht länger hin. Ich habe mit Mister Laguna etwas sehr Wichtiges zu besprechen.“
Ein breitschultriger, kahlköpfiger Mann trat aus einem Nebenraum hervor, der nur durch einen dünnen, fließenden Vorhang vom Hauptraum getrennt war. Der Kahlkopf verschränkte die Arme vor der Brust.
„Gibt es irgendwelchen Ärger, Noemi?“, fragte er.
„Nein, Clint“, erwiderte Noemi Smith. „Mal abgesehen davon, dass dieser Mann zu Mister Laguna will.“
„Worum geht es?“ fragte Clint.
„Das kann ich hier schlecht sagen“, erklärte Ellroy. „Nur soviel: Ich habe ihm ein interessantes Geschäft vorzuschlagen.“
„Ach, ja?“
„Ja.“
Der Kahlkopf blies die Luft auf eine Weise durch die Nase, die ein eigenartiges Geräusch machte. Mortin Ellroy fragte sich, mit welcher gottverdammten illegalen Stimulanzdroge er sich die Schleimhäute wohl ruiniert hatte. Die Auswahl war ja so verdammt groß …
Mortin Ellroy hob das Kinn.
„Was ist?“
Der Kahlkopf schluckte.
„Kommen Sie mit.“
Neben seinen legalen Geschäften machte Dan Laguna sein Geld mit dem Verkauf von illegalen Identitäten. Ellroy kannte ihn. Sie hatten gemeinsam einige Zeit in der Ultra Force gedient. Dan Laguna war unehrenhaft entlassen worden, aber Ellroy traute ihm und er brauchte jetzt jemanden, dem er vertrauen konnte.
Sie gingen in den Nebenraum und kamen von dort in einen langen, schmalen Korridor.
„Warten Sie einen Moment“, sagte der Kahlkopf. Er aktivierte ein Interkom-Gerät. Ein Kameraauge richtete sich auf Ellroy.
„Hier ist jemand, der Sie sprechen möchte, Mister Laguna“, sagte der Kahlköpfige. „Sehen Sie ihn sich an und entscheiden Sie, ob Sie ebenfalls mit ihm sprechen möchten.“
Mortin Ellroy wandte sich dem Kameraauge zu. „Ja, sieh mich ruhig an, Dan. Ich bin's, Mortin Ellroy. Du solltest mich eigentlich wieder erkennen. Solange ist es schließlich noch nicht her, dass wir zusammen bei der Ultra Force waren.“
Die Antwort war zunächst einmal Schweigen. Dan Laguna schien noch nicht entschieden zu haben, ob er den ehemaligen Ultra Force Kameraden empfangen sollte.
„Nun mach schon, Dan. Was befürchtest du? Dass irgendeiner deiner Konkurrenten mich als Killer angeheuert hat? Du hättest im legalen Kokain-Geschäft bleiben sollen, wenn du so viel Angst hast.“
Jetzt endlich meldete sich eine Stimme. Ellroy erkannte sie wieder. Sie gehörte zweifellos Dan Laguna.
„Lass ihn herein, Skullface“, knurrte Laguna offensichtlich an den Kahlköpfigen gerichtet.
Die Tür öffnete sich mit einem leisen Summen.
„Nach Ihnen“, sagte Skullface. Er grinste dabei, bleckte seine makellosen Zähne wie ein Raubtier.
Mortin Ellroy trat in ein weiträumig angelegtes Büro in dessen Zentrum sich ein gewaltiger marmorner Schreibtisch befand. Ein Schreibtisch, so groß wie er es nie im MILCOM-Gebäude oder irgendeiner anderen zivilen oder militärischen Befehlszentrale gesehen hatte.
Der Schreibtisch eines Protzers, ging es Ellroy durch den Kopf. Dan Laguna wollte mehr darstellen als er war, den großen Geschäftsmann geben.
Die Wände waren von Drei-D-Projektionen belegt und erst auf den zweiten Blick überhaupt erkennbar: Medienwände, mit Darstellungen von täuschend realistischer Art. Auf der linken Seite war die täuschend realistische Darstellung einer schäumenden Meeresbrandung zu sehen. Der Eindruck von Weite war frappierend. Der Geruch von Seetang hing in der Luft, Seetang und Salzwasser.
Auf der gegenüberliegenden Seite war das Panorama von New Washington zu sehen, mit einer Live-Cam aufgenommen von einem der höchsten Wolkenkratzer der Stadt.
Dan Lagunas Büro befand sich eigentlich im Erdgeschoss, aber er gönnte sich die Illusion aus dem Penthouse eines Riesentowers hinaus auf die City zu blicken.
Die dritte Wand wiederum wurde durch zahllose Fenster gekennzeichnet. Fenster von Newsdiensten, TV-Kanälen, Bildausschnitten aus der Spielhalle und einigen Fenstern, die für Privatverbindungen reserviert waren.
„Hi, Mort“, sagte Dan Laguna, ein breitschultriger blassgesichtiger Mann, der immer noch einen recht gut trainierten Eindruck machte. Die Blässe allerdings hielt Mortin Ellroy nicht für echt. Lange vorbei waren die Zeiten, da man sich künstlich gebräunt hatte, um den Eindruck zu erwecken, viel im Freien gewesen zu sein, sich am Strand geaalt zu haben. Noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts hatte ein braun gebrannter Körper dem gängigen Schönheitsideal entsprochen. Es hatte sich gründlich geändert, seit ein durch die Zerstörung der Ozonschicht erhöhter Anteil von UV-Strahlung dafür gesorgt hatte, dass die Hautkrebsrate rasant angestiegen war.
Nicht die Sonne hatte sich verändert, sondern die Erde hatte einen Teil ihres Schutzes wegen der aggressiven Strahlen verloren, was sich inzwischen längst in den vorherrschenden Schönheitsidealen niedergeschlagen hatte. Nicht mehr ein dunkelbrauner Teint galt als Urbild eines gesunden Körpers, sondern der blasse Teint einer Statue aus Elfenbein.
Selbstverständlich gab es längst Verfahren, um in dieser Hinsicht künstlich nachzuhelfen. Schließlich konnten sich längst nicht alle Menschen der Erde des ausgehenden 21. Jahrhunderts leisten, ihre Tage nur in geschlossenen Räumen und bei künstlicher Beleuchtung zu verbringen.
Dan Laguna breitete die Arme aus. Er nahm Ellroy bei den Schultern. Es war eine Art angedeutete Umarmung.
Du alter Lügner, dachte Ellroy. Du hast mich doch schon in der Spielhalle gesehen und hättest mich am liebsten gar nicht empfangen wollen. Fragt sich nur, warum? Kann es sein, dass der Arm der Regierung derart lang ist?
Ellroy atmete tief durch. Sein Lächeln war dünn.
„Ich brauche deine Hilfe, Dan.“
„So?“ Dan Lagunas Gesicht gefror zur Maske.