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Michael Hirtzy

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Beschreibung

Die schwer beschädigte Varjokuu treibt als Wrack in der Oortschen Wolke. Die Überlebenden der verheerenden Schlacht um die Helicon hoffen auf Rettung, während ihnen auf der Erde das Kriegsgericht droht. Doch wird die Hilfe rechtzeitig eintreffen oder kommt der nächste Schlag früher als erwartet? In den Tiefen der Hikari-Station, weit unter der Oberfläche des Erdmondes, wird ein einzelner Mann zum Gejagten. Gehetzt von einem Gegner, dessen Beweggründe er nicht kennt. In der Zwischenzeit finden sich die letzten Besatzungsmitglieder der Gutabara in einer völlig unerklärlichen Situation wieder. Sie erwachen an Bord eines unbekannten Schiffes und müssen herausfinden, welche Geheimnisse die Alireza verbirgt.

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ALIREZA
VorTeks Band 5
Michael Hirtzy

IN DIESEM BAND:

Die schwer beschädigte Varjokuu treibt als Wrack in der Oortschen Wolke. Die Überlebenden der verheerenden Schlacht um die Helicon hoffen auf Rettung, während ihnen auf der Erde das Kriegsgericht droht. Doch wird die Hilfe rechtzeitig eintreffen oder kommt der nächste Schlag früher als erwartet?

In den Tiefen der Hikari-Station, weit unter der Oberfläche des Erdmondes, wird ein einzelner Mann zum Gejagten. Gehetzt von einem Gegner, dessen Beweggründe er nicht kennt.

In der Zwischenzeit finden sich die letzten Besatzungsmitglieder der Gutabara in einer völlig unerklärlichen Situation wieder. Sie erwachen an Bord eines unbekannten Schiffes und müssen herausfinden, welche Geheimnisse die Alireza verbirgt.

MICHAEL HIRTZY

ALIREZA

IMPRESSUM – veröffenlicht über tolino media

© 2024 Michael Hirtzy

c/o Autorenservice Gorischek / Am Rinnergrund 14/5 / 8101 Gratkorn / Österreich

1. Auflage 2024

Covergestaltung und Buchsatz: Catherine Strefford | www.catherine-strefford.de

Titelillustration: Arndt Drechsler / arndtdrechsler.com

Serienlogo: Catherine Strefford | buchcover.catherine-strefford.de

LizardCreek Logo: Isabel Kutscherer

Lektorat & Korrektorat: Melanie Vogltanz / lektoratvogltanz.com

Veröffenlicht über tolino media

Alle in diesem Roman vorkommenden Personen, Ereignisse und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen oder Ereignissen sind rein zufällig.

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Content Notes

Content Notes zu diesem Buch (Information über mögliche für manche Leser*innen unangenehme bzw. triggernde Inhalte) finden Sie am Ende des Buches.

Kapitel 1

Erdmond – Hikari-Station

Der letzte Auftrag lag erst wenige Tage hinter ihm.

Chief Neadley. Die Einsatzleiterin der SNR. Nichts allzu Aufwendiges, trotzdem ein Ereignis, das selbst auf einer riesigen Station wie Hikari nicht einfach unter Tagesgeschehen verbucht wurde. Im Feed war das plötzliche Dahinscheiden der Frau nur eine Fußnote gewesen. Niemand interessierte sich dafür. Ein augenscheinlich natürlicher, wenn auch unerwarteter Tod. Idris beherrschte sein Handwerk. Genau deshalb betrauten ihn seine Auftraggeber mit ihren Problemen. Allerdings wussten sie auch, wie wichtig es war, dass er sich nach einem Einsatz ruhig verhielt. Trat er zu oft auf den Plan, würde dies irgendwann auffallen.

Gerade deshalb überraschte ihn die Nachricht, die ihn am Morgen erreichte.

Normalerweise lagen seine Einsätze Monate auseinander. Doch dieses Mal schien es anders zu sein. Überrascht verharrte sein Finger über dem Sensorfeld seines Comarmbandes. Er runzelte die Stirn. Was geschah hier?

Die letzte direkte Sprachverbindung lag ein Jahrzehnt zurück. Seit damals erhielt er ausschließlich Textnachrichten. Minimale, geraffte Datenimpulse. Weder der Empfänger noch der Sender waren nachverfolgbar. Was trieb seine Auftraggeber an, ihn direkt zu kontaktieren?

Das konnte nichts Gutes bedeuten.

Erneut sah er auf die Rufanzeige. Konnte es sein, dass jemand die Verbindung hackte und versuchte, ihn zu lokalisieren? Ein vergeblicher Versuch, wie die Verantwortlichen feststellen würden. Aktuell verzeichnete der Tracker dieses Comarbandes ihn auf dem Jupitermond Europa.

Nochmals forderte das Signal ihn dazu auf, zu bestätigen. Er sollte seine Auftraggeber nicht warten lassen. Das führte zu Verstimmungen, die er weder jetzt noch in Zukunft brauchte.

Sein Finger senkte sich, bis er den haptischen Widerstand des Projektionsfeldes fühlte. Im selben Augenblick erlosch der Anrufton. Ein leises, klickendes Rauschen drang ihm entgegen.

Sekunden verstrichen, in denen er gespannt abwartete. Idris fühlte etwas, das er selten verspürte. Unsicherheit.

Endlich ertönte eine Stimme. Bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Beim besten Willen war er nicht in der Lage zu identifizieren, ob es sich um Mann oder Frau handelte. Genauso gut konnte sich am anderen Ende der Übertragung ein Computer befinden.

»Du befindest dich in unmittelbarer Gefahr. Verlasse umgehend deine Unterkunft!«

Neben vielen anderen Eigenschaften brachte es seine Tätigkeit mit sich, dass er über eine schnelle Auffassungsgabe verfügte. Idris wusste instinktiv, dass es nicht angebracht war, Zeit zu schinden. Er brauchte nicht zu fragen, wer ihn kontaktierte. Darauf würde er keine Antwort erhalten. Seine Auftraggeber zählten nicht zu jenen Kreisen, die sich offenbarten. Viel eher erschien es ihm wie ein Wunder, dass sie ihn warnten. Bei Problemen wurden Troubleshooter viel eher ans Messer geliefert denn gerettet. Dass ihn der, oder die, Unbekannte duzte, brachte ihn ebenfalls zum Stutzen. Das taten seine Auftraggeber nie. Sie hielten professionelle Distanz.

Werkzeuge konnte man ersetzen. Idris wusste, dass er für die Menschen hinter den Aufträgen genau das darstellte. Er musste sich glücklich schätzen, dass sie ihn nun kontaktierten.

Trotzdem würde er nicht kopflos davonlaufen.

Er sprang auf und öffnete zuerst seinen Wandschrank, dann die dahinterliegende Geheimtür. Ohne innezuhalten, stellte er die Frage, die ihm auf der Zunge brannte: »Welche Gefahr?«

»Die Behörden sind dir auf die Schliche gekommen«, antwortete die Stimme gleichmütig. Die Verzerrung raubte dem Gesagten jede Spur von Emotion. Während er in den Raum hinter dem versteckten Zugang trat, bildeten sich Fragen in seinem Kopf. Die brennendste sprach er aus: »Wie kann das sein? Ich habe keine Spuren hinterlassen.«

Die Antwort kam schnell. Viel zu schnell. So als hätte die Person, die mit ihm sprach, schon darauf gewartet. »Ein bedauerliches Sicherheitsleck.«

Stimmte dies, erhielt er somit automatisch die Antwort auf seine zweite Frage, die ihm bereits auf den Lippen brannte. Lag der Fehler nicht bei ihm, sondern bei seinen Auftraggebern, erklärte das, warum sie ihn nicht fallen ließen.

Die Wellen um das Ableben von Chief Neadley konnten nur hochschlagen, wenn sich herausstellte, dass kein natürlicher Tod vorlag. Doch das war nicht möglich. Dazu ging er zu vorsichtig vor. Seine Methoden waren nicht nachverfolgbar. Daran gab es keine Zweifel.

Es mochte eine Sache sein, lästige Subjekte aus den unteren Ebenen verschwinden zu lassen. Doch das plötzliche Ableben einer Missionsleiterin der SNR, begleitet von der völligen Löschung aller Schichtdaten, löste sich nicht einfach in Wohlgefallen auf. Nicht umsonst verhielt sich Idris in den letzten Tagen zurückhaltend und unauffällig. Viel ruhiger als sonst nach seinen Einsätzen. Er verließ seine Unterkunft ausschließlich, um absolut Notwendiges und Unaufschiebbares zu erledigen. Er beherrschte sein Handwerk. Wusste, wie er vorgehen musste, damit ihn niemand erkannte. Ein Meister der Verkleidung, der Tarnung, der Unsichtbarkeit. Trotzdem schadete es nicht, sich zurückzuziehen. Was ihm entgegenkam, da er von sozialen Kontakten im Allgemeinen nicht viel hielt. Eine Eigenschaft, die ihm bei seiner gewählten Profession in die Hände spielte.

Doch nun schien jemand anderes Mist gebaut zu haben. Stellte sich die Frage, wer?

Idris‘ Finger schlossen sich um die Tasche, die seit Jahren unbenutzt in einer Ecke seines Ausrüstungslagers stand. Plötzlich hielt er inne. Wie konnte er in Gefahr schweben?

Selbst wenn die Behörden wussten, wen sie suchten, würden sie ihn nicht auf dem Mond vermuten. Sein Comarmband meldete ihn weit draußen im Sonnensystem. Im Eismeer von Europa. Er runzelte die Stirn, kam jedoch nicht dazu, weitere Fragen zu stellen.

»Dir bleiben zweiundfünfzig Sekunden bis zum Eintreffen der Einsatzkräfte.«

»Was?!«, zischte Idris. Zum ersten Mal fühlte er, wie sich sein Puls beschleunigte.

»Achtundvierzig Sekunden. Sie befinden sich bereits auf deiner Ebene. Dir läuft die Zeit davon.«

»Eine etwas frühere Warnung wäre wünschenswert gewesen.«

»Du hast zwölf Sekunden darauf verschwendet, deine Finger über dem Sensorfeld verharren zu lassen.«

Idris stockte der Atem.

»Du glaubst doch nicht, dass ich dich nicht im Blick habe?«

Die Aussage traf Idris wie ein Blitzschlag. Unvermittelt und ohne jede Vorbereitung. Er vermutete es schon seit Langem. Trotzdem schmerzte es, zu erfahren, dass jeder seiner Schritte beobachtet wurde. Wie weit mochte diese Überwachung gehen? Zumindest ein Minimum an Privatsphäre hatte er bis zum heutigen Tag angenommen. So wie es aussah, ein Irrglaube. Dem musste er auf den Grund gehen. Später. Sobald er die notwendige Ruhe dazu fand.

Ruckartig zog er die Tasche hoch, schwang sie sich auf den Rücken und schloss den Brustgurt. In der Bewegung streckte er die Hand nach der zweiten kleineren Tasche, die seit Jahren unberührt im Regal lag. Er hatte sie beinahe vergessen, doch um es hier raus zu schaffen, mochte ihr Inhalt von Nutzen sein. Ungeachtet dessen, dass er das Gerät verabscheute.

»Dreißig Sekunden«, vermeldete die Stimme, die nichts aus der Ruhe zu bringen schien. Ganz im Gegensatz zu Idris, dessen Puls, getrieben von der Unklarheit der Situation, weiter nach oben schnellte. Normalerweise behielt er seine Fassung unter allen Umständen, doch hier und jetzt fand er sich mit einer unplanbaren Situation konfrontiert. Irgendwo im Hinterkopf hatte er schon seit Langem gewusst, dass dieser Tag kommen konnte. Doch nicht nach diesem Einsatz. Dafür war alles zu glatt gelaufen.

Er stürmte zur Tür, zog dabei die Kapuze aus dem Kragen seines Sweatshirts und stülpte sie über den Kopf. Einem Schleier gleich, glitt das im oberen Rand versteckte Störnetz vor sein Gesicht. Ein feines Gewebe reflektierender Fäden. Mit dem freien Auge nicht zu erkennen, doch ausreichend, um einfache Überwachungssysteme auszutricksen. Zumindest die Gesichtserkennung der Stationssicherheit würde ihn so nicht erfassen können.

Dann streifte er das Comarmband ab.

»Ich nehme an, du findest mich auch so?« Automatisch nutzte er dem Unbekannten gegenüber das Du.

»Darauf kannst du dich verlassen«, erhielt er zur Antwort.

Dabei wurde die Stimme leiser, denn das kleine Gerät flog bereits im hohen Bogen in den Raum. Die Antwort bereitete ihm neuerliches Unbehagen. Worauf hatte er sich da eingelassen? Er arbeitete seit über zehn Jahren für seine Auftraggeber. Ohne jemals hinterfragt zu haben, um wen es sich handelte. In diesen Kreisen stellte man keine Fragen. Doch was er jetzt gerade erlebte, ließ den Schluss zu, dass sie weitaus größere Macht besaßen, als er zu träumen wagte. Die Antwort klang nicht nach einer Vermutung oder Annahme. Das war eine Feststellung. Hundertprozentig sicher.

»Zwanzig Sekunden«, ertönte es von der hintersten Ecke seiner Unterkunft. Von dort, wo das Comarmband auf den Boden aufschlug.

Idris rammte seinen Ellbogen gegen einen unscheinbaren Bereich des Türrahmens. Der Kunststoff brach an der vorgesehenen, Jahre zuvor von ihm selbst präparierten Stelle. Flink zog er zweimal an dem darunterliegenden Hebel. Die Tür glitt auf und im selben Moment, in dem Idris seine Wohnung verließ, begann der aktivierte Mechanismus sein unaufhaltbares Werk.

Auf der gesamten Ebene heulte der Feueralarm los. Rotes Licht verwandelte den Gang in einen gespenstischen Tunnel und am Boden und den Wänden flammten Rettungshinweise auf. Hinter ihm vernahm er das leise Zischen des Brandbeschleunigers, der mehreren versteckten Zylindern entströmte.

Im Kopf zählte Idris die Sekunden mit.

In dem Fall, dass die Stimme richtig lag, blieben ihm zwölf Sekunden bis zum Eintreffen der Sicherheitskräfte. Mit ohrenbetäubendem Fauchen verwandelte sich die Wohneinheit, seine Herberge und Rückzugsgelegenheit der letzten vierzehn Jahre, in ein Inferno. Die sorgfältig platzierten und selbst für Wartungstechniker nicht auffindbaren Ladungen zündeten und lösten die Sicherheitssensoren aus. Die kleinräumigen Detonationen konnten niemanden verletzen. Das war ihm wichtig. Unschuldigen schadete er unter keinen Umständen. Doch dies würde frühestens den Rettungskräften auffallen, nicht den Bewohnern, die nun unsanft aus ihren Routinen gerissen wurden.

Das gellende Alarmsignal übertönte jedes andere Geräusch im Gang. Zu beiden Seiten sprangen Türen auf und binnen weniger Sekunden traten besorgt blickende Menschen hervor. Manche in ihrer Arbeitskluft, andere in bequemer Freizeitkleidung und weitere schlaftrunken und bestenfalls rudimentär bedeckt. Doch alle wirkten ruhig. Wer lange genug auf der Hikari-Station lebte, wusste, dass im Notfall einzig Besonnenheit in die Sicherheit führte.

In der Ferne vernahm er die verärgerte und zugleich entschiedene Stimme eines Mannes, der es hörbar gewohnt war, Befehle zu geben: »Machen Sie den Weg frei! Gehen Sie zurück in Ihre Unterkünfte!«

Idris musste sich nicht umsehen, um zu wissen, dass es sich um die Sicherheitskräfte handelte. Entgegen der Situation in seiner Kabine befand er sich nun wieder auf sicherem Terrain. Er verließ sich auf seinen Plan, dessen Ablauf er hunderte Male im Kopf durchgespielt hatte. Bevor die Stationssecurity seine Unterkunft erreichen konnte, trat Phase zwei in Kraft.

Fünf Sekunden nach der Zündung der Brandsätze in seinem ehemaligen Wohnbereich barsten zwei von ihm dafür präparierte Leitungen in der Gangdecke. Dies brachte niemanden in Gefahr. Doch die sprühenden Funken und der Anblick der speziell hierfür ausgewählten Brandsätze versetzten die zuvor bedachte Masse in Panik. Die Flammen loderten echt und niemandem fiel auf, dass sie keine Hitze abgaben. Das ungefährliche Kunstfeuer konnte niemanden verletzten. Doch das wussten die Menschen nicht. Was sie sahen, reichte völlig, um Idris‘ Ziel zu erreichen.

Dutzende Schreie gellten auf und die Bewohner seiner Ebene begannen kopflos zu rennen. Einer unaufhaltsamen Mure gleich, wälzten sich unzählige Menschen auf die Notausgänge zu. Nichts konnte sie aufhalten. Nicht einmal die grimmig dreinblickenden Sicherheitskräfte, die ihnen ausweichen mussten, wenn sie größere Katastrophen verhindern wollten.

Idris senkte den Kopf, winkelte die Arme an, um das Risiko zu minimieren, dass ihn jemand direkt anrempelte, und ließ sich von der Masse mittragen. Fort von der Wohnebene. Weg von seiner Unterkunft, deren Innenleben sich binnen Sekunden in Schlacke verwandelte, in der selbst die besten Forensiker nichts von Bedeutung finden würden.

Kapitel 2

KMS Varjokuu

Tabira kollabierte vor seinen Augen.

Wie ein nasser Sack kippte sie zur Seite und drohte, gegen die Kante der Konsole zu fallen. Gleichzeitig entglitt die gerade eben eingesetzte Magnetpistole ihren schlaffen Fingern. Instinktiv löste Vardan seine Magnetstiefel und sprang vorwärts, um Tabira aufzufangen. In der Schwerelosigkeit sank sie, federleicht, in seine Arme.

Neben ihnen verging das Waffenterminal im Funkenregen, ausgelöst vom Projektil der Magnetpistole. Dem Vakuum geschuldet, verlief alles in völliger Stille. Das tödliche Nichts des Weltalls suchte unerbittlich alle Teile der Varjokuu heim. Wer keinen Schutzanzug trug, würde nicht überleben. Ein Großteil der Crew würde die Konsequenzen von Tabiras wahnwitzigen Entscheidungen mit dem Leben bezahlen. Bisher konnte die kleine Truppe um Vardan gerade einmal neunundvierzig der ursprünglich über eintausend Crewmitglieder des Stealth-Zerstörers erreichen. Die Leichen, die sie am Weg zur verwüsteten Brücke entdeckt hatten, sprachen dafür, dass die Chancen auf weitere Überlebende gering standen.

»Was hat sie getan?«, fragte Melanie, die Chief Commander der Bordtechnik. Die für den Militärdienst ungewöhnlich stämmige Frau trat auf ihn zu.

»Sie hat die verbleibenden Lafetten geleert«, antwortete die Dritte in der Gruppe. Eingehüllt in ihren ATAC-Kampfanzug wirkte die gut zwei Meter große Major Hasret Saddoun wie ein unerschütterlicher Titan inmitten der Trümmer, die sie umgaben. »Ich konnte die Daten am Display vor der Zerstörung lesen. Achtunddreißig Mittelstreckenraketen. Selbst die Panzerung der Varjokuu hat dem, sogar im unbeschädigten Zustand, nichts entgegenzusetzen.«

»Dann können wir uns ausrechnen, wie es der Helicon ergehen wird«, sagte Vardan in Referenz auf das havarierte KMS-Schiff, dem sie ihre vertrackte Situation verdankten.

»In diesem Moment ist sie bereits verglüht«, stellte die Kommandantin der Sondereinsatzkräfte kalt fest. »Und mit ihr jedes Geheimnis, das sie mit sich trug.«

»Genauso wie die Überlebenden ihrer Crew und die Einsatzteams der Gutabara«, ergänzte Melanie, deren Stimme zitterte.

Vardan suchte nach einer Position für die zusammengebrochene Kommandantin, in der sie weder sich noch andere gefährdete. Angesichts der fehlenden Schwerkraft eine nicht so einfache Aufgabe, aber nach kurzem Überlegen bugsierte er sie an den Rand des Raumes, bevor er sich an seine beiden Begleiterinnen wandte: »Ihre Anzugdaten zeigen, dass sie bewusstlos ist. Ihr Kreislauf scheint stabil. Allerdings verliert sie Blut. Viel zu viel davon. Wir müssen uns um sie kümmern.«

»Wozu?«, wollte Hasret wissen. »Sie ist Ballast. Lassen wir sie zurück. Sie wird kaum wieder aufstehen und uns weitere Probleme bescheren.«

»Nein!«, reagierte Vardan scharf. »Wir lassen niemanden zurück. Nicht einmal sie. Unabhängig davon, welche Verbrechen sie verschuldet hat.«

Hinter dem Helmvisier zog Hasret die Augenbrauen hoch.

»Mir ist scheißegal, was mit ihr passiert«, sagte Melanie. »Doch so einfach lassen wir sie nicht davonkommen. Ich bin bei Vardan. Wir setzen alles daran, sie am Leben zu erhalten, bis die Morrigan eintrifft. Tabira wird überleben und sich für ihre Taten verantworten. Den Gefallen, ihr zu erlauben, sich einfach so aus der Verantwortung stehlen zu können, tue ich ihr nicht.«

Vardan zweifelte, dass es so einfach werden würde. Die Kräfte hinter Tabiras Befehlen würden alles daransetzen, dass nichts von ihren Taten publik wurde. Sie befanden sich inmitten der Überreste des Beweises, dass sie über Leichen gingen, um ihre Geheimnisse zu schützen. Bevor es dazu kam, mussten sie allerdings erst einmal lebend dem Wrack der Varjokuu entkommen.

»Vorerst liegen unsere Prioritäten woanders«, stellte er fest. »Derzeit trennt uns ein guter Tag vom Eintreffen der Morrigan. Bis dahin müssen wir und alle Überlebenden bereit sein überzusetzen. Die Varghund ist unserer Rettung auf den Fersen und ich befürchte, dass es haarig wird, sollten sie hier aufeinandertreffen.«

»Was mir beinahe zwingend erscheint«, antwortete Hasret.

»Warum?«, fragte Melanie.

Die gepanzerten Schultern der Offizierin hoben und senkten sich ruckartig. »Unsere letzten Informationen deuten darauf hin, dass der Abstand zwischen beiden maximal drei bis vier Stunden beträgt.

---ENDE DER LESEPROBE---