Das verlorene Schiff - Michael Hirtzy - E-Book

Das verlorene Schiff E-Book

Michael Hirtzy

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Beschreibung

Mitte des 23. Jahrhunderts hat sich die Menschheit über die Grenzen der Erde hinaus entwickelt. Viele Planeten und Monde des Sonnensystems sind besiedelt, wenn auch oft nur von kleinen Bergbaukolonien oder Industrieanlagen. Bis weit hinein in die Oortsche Wolke sind Außenposten bereits vorgedrungen. Dort, nahe am Rand unseres Sonnensystems, findet die Crew des Rettungsschiffes Gutabara den havarierten Schlachtkreuzer Helicon. Der Gigant, dessen Geheimnisse es zu ergründen gilt, stellt sie vor neue Rätsel. Val und ihrer Crew bleiben nur wenige Stunden, um herauszufinden, was hinter dem Absturz des Schlachtschiffes steckt. Ein Wettlauf gegen die Zeit, an Bord eines Schiffes, das ihnen völlig unbekannt ist. Getrieben von der Frage, was der Besatzung zugestoßen ist, wagen sie sich tief ins Herz des verlorenen Schiffes.

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Gutabara
VorTeks Band 3
Michael Hirtzy

IN DIESEM BAND:

Mitte des 23. Jahrhunderts hat sich die Menschheit über die Grenzen der Erde hinaus entwickelt. Viele Planeten und Monde des Sonnensystems sind besiedelt, wenn auch oft nur von kleinen Bergbaukolonien oder Industrieanlagen. Bis weit hinein in die Oortsche Wolke sind Außenposten bereits vorgedrungen.

Dort, nahe am Rand unseres Sonnensystems, findet die Crew des Rettungsschiffes Gutabara den havarierten Schlachtkreuzer Helicon. Der Gigant, dessen Geheimnisse es zu ergründen gilt, stellt sie vor neue Rätsel.

Val und ihrer Crew bleiben nur wenige Stunden, um herauszufinden, was hinter dem Absturz des Schlachtschiffes steckt. Ein Wettlauf gegen die Zeit, an Bord eines Schiffes, das ihnen völlig unbekannt ist.

Getrieben von der Frage, was der Besatzung zugestoßen ist, wagen sie sich tief ins Herz des verlorenen Schiffes.

MICHAEL HIRTZY

DAS VERLORENE SCHIFF

© 2023 Michael Hirtzy

c/o Autorenservice Gorischek / Am Rinnergrund 14/5 / 8101 Gratkorn / Österreich

1. Auflage 2023

Covergestaltung und Buchsatz: Catherine Strefford | www.catherine-strefford.de

Titelillustration: Arndt Drechsler / arndtdrechsler.com

Innenillustrationen: Björn / mistgrafik / https://www.fiverr.com/mistgrafik

Serienlogo: Catherine Strefford | www.catherine-strefford.de

LizardCreek Logo: Isabel Kutscherer

Lektorat & Korrektorat: Melanie Vogltanz / lektoratvogltanz.com

Veröffentlicht über tolino media

Alle in diesem Roman vorkommenden Personen, Ereignisse und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen oder Ereignissen sind rein zufällig.

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Content Notes

Content Notes zu diesem Buch (Information über mögliche für manche Leser*innen unangenehme bzw. triggernde Inhalte) finden Sie am Ende des Buches.

PROLOG

T Minus 4 Stunden 12 Minuten – KMS Helicon

»Raus hier! Sofort alle raus hier!«, gellte Vals sich überschlagende Stimme in Khuyens von ihren Implantaten unterstützten Ohren. Die letzten, bereits geschrienen Worte der derzeitigen Kommandantin der Gutabara, die aus den Lautsprechern drangen, klangen im Inneren des druckdichten Helms wie das Kreischen einer Kreissäge. Khuyen kniff die Augen zusammen und spannte ihre Halsmuskeln an. Der Befehl bohrte sich in ihr Gehör wie ein Eispickel.

Bevor die Vietnamesin Zeit fand, bewusst darüber nachzudenken, setzten bereits die jahrelang trainierten Reflexe ein. Sie packte die Anschlüsse, die ihr tragbares Diagnoseterminal mit den Bordcomputern verband, und riss sie brutal heraus. Zwei der fünf Steckverbindungen splitterten, wobei sie, klaffenden Wunden gleich, gezackte schwarze Löcher in der bereits zuvor beschädigten Verbindungsleiste hinterließen.

Ein minimaler zusätzlicher Schaden im Vergleich zu dem, was die Helicon offensichtlich bereits erlitten hatte.

Während Khuyen das mobile Terminal zusammenklappte, stieß sie sich vom Boden ab und nutzte die Schwerelosigkeit, um am Rücken liegend zum Ausgang zu gleiten. Mit der Routine, die von Dutzenden Bergungseinsätzen stammte, drehte sie sich um die eigene Achse, um einen besseren Blick auf ihr Ziel zu bekommen. Ohne ihre Bewegung zu unterbrechen, fixierte sie den Computer an ihrem Werkzeuggurt.

Maximal zwei oder drei Sekunden konnten seit Vals Befehl vergangen sein, da ertönte die Stimme der Kommandantin erneut. Val klang gehetzt, atmete schwer, aber die Panik der vorangegangenen Durchsage schien abgeklungen: »Adrian, dock endlich ab! Zeit bis zum Einschlag: fünfundvierzig Sekunden! Evakuierung über die mittlere Schleuse!«

Khuyen stockte der Atem.

In ihrem Helmvisier leuchtete ein Countdown auf. Warnung und Verhöhnung zugleich. Denn die angezeigte Zeit erschien ihr lächerlich gering.

Sie alle hatten erwartet, dass es im Ernstfall eng wurde. Aber zumindest war Khuyen von einigen Minuten Vorwarnzeit ausgegangen. Ihr Puls raste und das ausgeschüttete Adrenalin half ihr dabei, sich völlig zu fokussieren. Kaum erreichte sie die Schleuse zum Mittelgang der Helicon, packte sie den Rahmen mit beiden Händen und schleuderte sich mit einer kräftigen Armbewegung weiter. Sie nahm an Geschwindigkeit auf, den Kopf in den Nacken gelegt, um den Gang vor sich genau im Blick zu haben.

Ihr blieben zweiunddreißig Sekunden. Viel zu wenig, um die rund zweihundert Meter bis zum vertikalen Hauptschacht zu überbrücken, der die Decks der Helicon miteinander verband. Von dort wären es nochmals knapp einhundertzwanzig Meter hinauf bis zur mittleren Schleuse. Trotzdem musste sie es versuchen. Die Helicon war ein schwergepanzertes Kriegsschiff. Zumindest blieb die kleine Hoffnung, den ersten Schlag zu überstehen.

»Khuyen?«, ertönte Thuans Stimme über Funk.

Sofort schaltete sie auf ihren privaten Kanal um.

»Bin unterwegs, kleiner Bruder«, antwortete sie auf die unausgesprochene Frage. Sie registrierte das Zittern ihrer Stimme und holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Erst danach sprach sie weiter: »Wo bist du?«

»Mittschiffs. Im unteren Hangar.« Er klang bedrückt.

Khuyens Wissen über das grundsätzliche Layout der Helicon reichte, um die Entfernungen abzuschätzen. Er befand sich wesentlich weiter von der Fluchtschleuse entfernt als sie.

»Shit«, zischte sie.

Sie erreichte den Hauptschacht, in dem normalerweise acht im Kreis angeordnete Aufzugskabinen die Verbindung in die oberen und unteren Bereiche des Schiffes herstellten. Mit dem Ausfall aller Bordsysteme standen allerdings auch diese still. Dadurch blockierten die Transportkabinen keine Wege, was es den Bergungsteams einfach gemacht hatte, alle Decks der Helicon zu erreichen.

Khuyen warf einen Blick in den Schacht, dessen völlige Dunkelheit ihre Helmscheinwerfer über fünf Decks durchbrechen konnten. Über sich sah sie einen gelb-weißen EVA-Anzug durch eine Schleuse und weiter in die Höhe gleiten.

Der Countdown erreichte die letzten zehn Sekunden.

Im selben Moment ertönte Vals Stimme im Funk: »Scheiße, Markus, dreh ab!«

Khuyen beugte sich vor, vollführte eine Drehung und stieß sich ab.

»Ich komme zu dir.«

»Nein«, keuchte Thuan. »Lass den Mist.«

»Vergiss es. Ich schaffe es auch nicht raus.«

»Zumindest hast du da oben eine Chance, die hier unten nicht existiert!«, bellte Thuan ungewohnt energisch.

Fünf Sekunden.

Unter sich sah sie den Boden des Schachtes und dort den Übergang zum Hangar. Ein matter Lichtschein drang herauf. Khuyen erkannte den EVA-Anzug mit dem markanten roten Balken am Helm, den Thuan vor Jahren regelwidrig aufgemalt hatte.

Drei Sekunden.

Ihr Bruder stieß sich ab. Glitt ihr, den Kopf zu ihr gewandt und die Arme ausgestreckt, entgegen.

Zwei Sekunden.

Das Licht von Thuans Anzugscheinwerfer blendete sie für einen Moment, bevor die Sensoren ihres Helmvisiers reagierten und es abdunkelten.

Eine Sekunde.

Khuyen sah Thuans tränenüberströmtes Gesicht. Wenige Zentimeter trennten ihre ausgestreckten Finger voneinander.

Null.

TEIL 1Rettung

KAPITEL 1

T Minus 17 Stunden – Brücke – SNR Gutabara

Die KMS Helicon ragte wie ein Mahnmal über die Vergänglichkeit der von Menschenhand geschaffenen Technik aus dem grauen, zerklüfteten Fels des Asteroiden. Zwei Drittel des gigantischen Schiffes, rund eintausenddreihundertundzwanzig Meter, waren sichtbar. Darunter jene über fünfhundert Meter lange, angeflanschte Konstruktion am Heck, deren Funktion Val ein Rätsel blieb. Die Hülle der Helicon zeigte keine auffälligen Schäden. Weder Risse noch Brüche, die auf mechanische Einwirkungen hindeuteten. Wollten sie hinein, mussten sie den Weg über die Wartungsschleusen nehmen.

»Wen sollen wir hinüberschicken?«, wollte Kaiya Vila wissen. Die Offizierin für Ortung und Technik starrte Val mit ihren harten, stahlgrauen Augen an. Mit einer wegwerfenden Geste deutete sie auf die Holoprojektion. Der matt schimmernde Ball schwebte in der Mitte der Brücke über dem Kartentisch. Bei dem Anblick erzitterte Val.

Vor wenigen Minuten hatte die Gutabara ihr Ziel erreicht und ihre Parkposition, zehn Kilometer von dem havarierten Schiff entfernt, eingenommen. Die Bilder der vorausgeschickten Sonden waren vor drei Minuten von jenen der Außenbordkameras des Rettungsschiffes abgelöst worden. Dies änderte nichts am gespenstischen Bild, das sie seit der ersten Übertragung nicht losließ.

Val sah von ihren eigenen Monitoren auf, an denen ihre Blicke seit Stunden förmlich klebten, als hoffte sie, ihnen durch reines Anstarren weitere Informationen entreißen zu können. Die Hoffnung ging genauso wenig auf wie ihr Wunsch, aus diesem Albtraum zu erwachen, in dem sie seit bald drei Tagen steckte. Seit dem ungeplanten Ende des Kryoschlafes schien ihre Welt auf den Kopf gestellt zu sein.

Captain Gatnom war tot. Ermordet vom Navigations- und Kommunikationsoffizier Ryo Vayes. Der wenige Stunden später selbst verstorben war. Alles, was Val und die verbleibenden Offiziere über die Ereignisse wussten, entstammte den Logbüchern der beiden Toten und der Blackbox der Gutabara. Vieles konnte sich Val inzwischen zusammenreimen. Allerdings ergab das wenigste davon Sinn. Zu viele Fragen quälten sie, auf die sie, hoffentlich, auf der Helicon Antworten finden würde.

Doch zuvor musste sie sich auf die bevorstehenden Aufgaben konzentrieren. Ohne ihre Bergungscrew auszusenden, würden sie rein gar nichts erfahren.

Val begegnete Kaiyas Blick und versuchte dabei ebenfalls entschlossen zu wirken, obwohl sie sich insgeheim von der Situation völlig überfordert fühlte. »Laut dem Datenpaket in Captain Gatnoms persönlichem Log zählt die Helicon-Crew 143 Personen.«

»Von denen vermutlich nicht mehr viele am Leben sind«, warf Adrian DelCamo ein. Der Flightdeck-Offizier hatte sich vor zehn Minuten zu ihnen gesellt. Zu dritt bildeten sie den verbleibenden Führungsstab der Gutabara. Die Situation hatte sie unvorbereitet getroffen. Es war eine Sache, als Erste Offizierin die Befehle und Entscheidungen des Captains mitzutragen und ihm mit Vorschlägen zur Seite zu stehen. Eine ganz andere dagegen, unerwartet von einer Minute auf die andere das Kommando führen zu müssen. Plötzlich wollten zweiunddreißig Besatzungsmitglieder Antworten von ihr, die sie nicht geben konnte. Der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen ihr und Kaiya sorgte für zusätzlichen Sprengstoff. Da half es nicht, dass durch die Rangfolge Kaiya nun den Posten der Ersten Offizierin innehielt. Jene Position, die sie Val nie gegönnt hatte und für sich selbst beanspruchte. Wobei Kaiya mit Vals unfreiwilliger Beförderung zur Kommandantin keinen Deut zufriedener schien.

Val riss sich von dem gruseligen Bild im Hologlobus los und wandte sich ihrem Kommandostab zu. Allein das Wort jagte ihr kalte Schauer über den Rücken. Die vergangenen zwei Tage reichten nicht, um sich daran zu gewöhnen.

Die erwartungsvollen und zugleich fragenden Blicke der beiden stellten klar, dass sie sich mit einer Antwort zu lange Zeit gelassen hatte. Val seufzte und fixierte Kaiya mit zusammengekniffenen Augen. »Die Helicon reagiert nicht auf unsere Kommunikationsversuche. Das Schiff ist energetisch tot. Im Normalfall würde Adrian ein Vorabteam aussenden, um die Lage vor Ort zu prüfen.«

Val wusste, dass Kaiya die Abläufe genauso gut – möglicherweise sogar besser – als sie selbst kannte. Doch bevor ihre Erste Offizierin wieder die Gelegenheit fand, sich auf sie einzuschießen, wollte sie ihr gleich den Wind aus den Segeln nehmen. Ehe Kaiya den Mund zu einer Erwiderung öffnen konnte, fuhr Val fort. Dabei schob sie den Oberkörper leicht vor und zog ihre Schultern hoch. Sie versuchte angriffsbereit zu wirken, wohlwissend, dass Kaiya sie verbal, jedoch nie körperlich attackieren würde. »Doch dazu fehlt uns die Zeit. Vor uns liegt ein ungewöhnlicher Rettungseinsatz.«

Val pausierte einen Augenblick, um ihren Gegenübern die Chance zur Reaktion zu bieten.

Adrian lehnte sich an die Rückseite der klobigen Arbeitsstation, die hinter ihm stand. »Handelt es sich überhaupt um einen Rettungseinsatz? Bisher gibt es kein Anzeichen für gestartete Rettungskapseln. Der Pott da draußen könnte genauso gut ein menschenleeres Relikt sein.«

»Oder es befinden sich über hundert Verletzte dort drüben, denen die Möglichkeit fehlt, aus eigener Kraft herauszukommen«, beendete Val seinen Gedankengang, bevor er Kaiya weitere Munition lieferte. Diese hielt sich bis jetzt überraschend zurück.

Val deutete zu der Darstellung im Hologlobus. Im oberen Drittel, über dem Bild der Helicon, schwebte die Zeitanzeige, die unablässig herunterzählte.

»Laut Captain Gatnoms Logs bleiben uns knappe siebzehn Stunden, bis uns die KMS im Nacken sitzt«, fuhr Val fort.

Adrian nickte. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die kolonialen Marinestreitkräfte sonderlich erpicht darauf sind, dass wir oder das SNR HQ von der havarierten Kiste erfahren.«

Nun brachte Kaiya sich wieder ein: »Ich denke, sie wollen den Unfall unter Verschluss halten. Nicht nur für uns, sondern für die gesamte Zivilgesellschaft. Ich vermute sogar, dass innerhalb der Streitkräfte kaum jemand davon Kenntnis hat.«

Vals Augenbraue zuckte leicht. Kaiyas Aussage kam unerwartet. Folgte die zwei Meter große Frau ausnahmsweise ihren Überlegungen? Die Enceladus-Geborene schien Vals Überraschung zu erkennen. »Wir mögen nicht in vielem einer Meinung sein. Aber der Captain hat uns hier rausgeschickt, weil er es für wichtig hielt. So wichtig, dass er sein Leben dafür aufs Spiel gesetzt hat.«

»An der Bedeutung zweifle ich nicht«, antwortete Adrian. »Allerdings daran, dass es da drüben jemanden zu retten gibt. Oder bin ich der Einzige, der sich fragt, wie viele Hüllenbrüche der Absturz der Helicon ausgelöst hat?«

Kaiya schnaubte verächtlich und zeigte zum Hologlobus. »Erweckt das Bild hinter Val bei dir den Eindruck eines Absturzes?«

Adrian sog hörbar Luft ein, bevor er antwortete: »Nicht wie einer, den ich schon mal gesehen habe.«

Der untersetzte Flightdeck-Offizier überwand die Strecke zur leuchtenden Projektion mit zwei schnellen Schritten, wobei sein Bauchansatz leicht zitterte. »Der sichtbare Teil der Helicon ist nicht verformt. Nichts deutet auf einen Absturz hin. Trotzdem steckt der Kahn mitten im Fels des Asteroiden. Und ich nehme mal nicht an, dass die Marineingenieure die Kiste mit dem Asteroiden am Bug gebaut haben. Also muss sie abgestürzt sein.«

»Wir haben nicht den Funken einer Ahnung, was der Helicon widerfahren ist«, warf Val ein. »Trotzdem bin ich bei dir. Was immer diese Verbindung hergestellt hat, wird sicherlich Auswirkungen auf die strukturelle Integrität des Schiffes haben.«

»Meine Worte«, stimmte Adrian zu. »Nehmen wir mal an, der Hilferuf innerhalb der KMS erfolgte unverzüglich nach dem Absturz. Dann knutschen die Helicon und der Brocken seit mindestens drei Tagen miteinander. Allerdings passen die Strahlungswerte der Triebwerke nicht dazu. Diese sind völlig erkaltet und wir messen null Strahlung. Das spricht für mehrere Wochen Stillstand.«

»Solange wir von üblichen Parametern ausgehen«, unterbrach ihn Kaiya.

»Und genau da liegt unser Problem«, nahm Val den Faden auf. »Was wir bisher sehen und messen können, widerspricht allen physikalischen Gesetzen. Dafür gibt es kein Handbuch. Nichts in den Datenbanken oder unseren Erfahrungen hilft uns hier weiter. Folgen wir den üblichen Prozessen, finden wir bei dieser Größenordnung nie heraus, was geschehen ist. Die Fläche, die wir absuchen müssen, ist zu groß für ein Bergungsschiff unserer Dimensionen.«

Val sah, wie sich Kaiya versteifte. Ihre zuvor sanften Augen wurden wieder hart. Ihre Stimme klang schneidend, wie im Versuch, Val allein mit Worten zu enthaupten: »Was willst du mir sagen? Sollen wir einfach wieder abziehen, weil dir die Aufgabe zu groß erscheint?«

»Ganz im Gegenteil«, hielt Val dagegen. »Ich plane, gegen alle Richtlinien zu agieren. Wir brauchen unsere gesamte Crew da drüben, um den Hauch einer Chance zu haben, der Helicon ihre Geheimnisse zu entreißen.«

Adrian riss die Augen auf und sah Val ungläubig an. Selbst Kaiya, die kaum etwas erschüttern konnte, zuckte sichtlich zusammen.

»Du willst uns doch verarschen?«, fragte die Erste Offizierin mit hörbarer Entgeisterung in der Stimme.

Val fühlte den Rausch der Endorphine, die ihr Körper ausschüttete. »Nicht einmal ansatzweise. Wir docken die Gutabara an die Helicon an. So sparen wir uns Zeit für den Transfer mittels der Shuttles. Die Crew kann über die Bergungstunnel übersetzen. An Bord bleibt Adrian mit einem Techniker, um die Maschinen und die Brücke zu überwachen. Die Krabben suchen die Außenhülle der Helicon ab. Jeder verdächtige Hinweis wird sofort gemeldet. Die verbleibenden achtundzwanzig Besatzungsmitglieder setzen – inklusive mir und dir – über. So bekommen wir die größtmögliche Zeit, um der Helicon ihr Geheimnis zu entreißen und Überlebende zu bergen.«

KAPITEL 2

T Minus 16 Stunden 15 Minuten – Brücke – SNR Gutabara

»Kommst du mit den Kontrollen zurecht?«, wollte Val wissen, nachdem Markus Durant an der Station des Navigators Platz genommen hatte.

»Denke schon«, antwortete der mit seinen ein Meter sechzig selbst für einen Erdgeborenen kleine Österreicher. »Am Ende des Tages ist unsere Lady hier auch nur ein zu groß geratenes Shuttle.«

»Ernsthaft?!«, fuhr ihn Kaiya an, die sich an Val vorbeischob und sich mit zu Schlitzen verengten Augen über ihn beugte. »So siehst du die Gutabara? Ich frage mich, ob du der Richtige für diese Aufgabe bist!«

Selbst wenn beide standen, überragte die Erste Offizierin Markus beinahe um zwei Köpfe. Jetzt, erschreckt im Stuhl zusammengesunken, wirkte er wie ein Gnom, der zu einer Riesin aufblickte. Val sah seine weit aufgerissenen Augen und bemerkte das Zittern seiner Hände, die auf den Armlehnen lagen.

Insgeheim musste sie Kaiya zustimmen. Seine Aussage schürte kein großes Vertrauen in ihn. Trotzdem musste sie einschreiten. Sie durfte nicht zulassen, dass er ablehnte. Val legte eine Hand auf Kaiyas Schulter und zog sie bestimmt zurück. Die andere Hand schob sie besänftigend zwischen die beiden.

»Geben wir Markus erst einmal die Zeit, sich mit den Kontrollen vertraut zu machen.

---ENDE DER LESEPROBE---