Die Grenze der Dunkelheit - Michael Hirtzy - E-Book

Die Grenze der Dunkelheit E-Book

Michael Hirtzy

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Beschreibung

Im Jahr 2195 hat die Menschheit das Sonnensystem erobert. Auf dem Weg zu weiteren bewohnbaren Planeten verbringen Kolonisten Jahrzehnte im Kryoschlaf, um das Ziel ihrer Träume zu erreichen. Bis die Entwicklung des Portalantriebes die Hoffnung weckt, die Tore zur Galaxis aufzustoßen. Doch der Jungfernflug des experimentellen Forschungskreuzers Koukishin scheitert und das Schiff unter dem Kommando seines Schöpfers, Ishmael Molina, verschwindet spurlos. Vierzig Jahre später tauchen Hinweise auf den Verbleib der Koukishin auf. Eine kleine Crew bricht auf, um das Rätsel zu lösen – nicht ahnend, dass sie damit eine Bedrohung entfesselt, der die Menschheit nichts entgegenzusetzen hat. Mitreißender Science Fiction Thriller über menschliche Überheblichkeit und wissenschaftlichen Fortschritt. Für Fans realistischer, packender und mysteriöser Romane.

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_DIE GRENZE_

DER DUNKELHEIT

MICHAEL HIRTZY

Impressum

© 2022 Michael Hirtzy | c/o Autorenservice Gorischek / Am Rinnergrund 14/5 / 8101 Gratkorn / Österreich

Auflage 2022

Covergestaltung und Buchsatz: Catherine Strefford | www.catherine-strefford.de

Titelillustration: Arndt Drechsler / arndtdrechsler.com

Innenillustrationen: Luca Granai / Demonrat PH / www.demonrat.it

Logo: Isabel Kutscherer

Vorlektorat: Marieke Kühne, textzucker e. U., Wien

Lektorat & Korrektorat: Melanie Vogltanz / lektoratvogltanz.com

Veröffentlicht über tolino media

ISBN (Print): 9783754649961

ISBN (eBook): 9783754676523

Alle in diesem Roman vorkommenden Personen, Ereignisse und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen oder Ereignissen sind rein zufällig.

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

CONTENT NOTES ZU DIESEM ROMAN FINDEN SIE AM ENDE DES BUCHES. SIE KÖNNEN DIESE ÜBER DAS INHALTSVERZEICHNIS AUFRUFEN.

Mitten im Nichts

Zweiundfünfzig Stunden waren vergangen, seit Akif mit seinem Leben abgeschlossen hatte.

Warum hatte er sich mit seiner altersschwachen Barke auf diesen Job eingelassen? Die Antwort war so einfach wie niederschmetternd.

Weil er verzweifelt war. Die 87 Jahre alte Hanabira war schrottreif und ihm fehlte das Geld, sie reparieren zu lassen. Niemand vergab Aufträge an einen Schrottsammler, der mit 109 Jahren um etliches älter als sein Schiff war und gesundheitlich kaum besser dastand als die Technik seines veralteten Kahns. Den Zeitpunkt abzuspringen hatte er längst versäumt. Seine Reserven, die selbst zu den besten Zeiten nur für einen bescheidenen Ruhestand gereicht hätten, waren aufgebraucht. Jetzt war er pleite und hatte sich in seiner Hilflosigkeit auf dieses Himmelfahrtskommando eingelassen.

Dabei brachte die Bergung der jahrzehntealten Forschungsbojen im Kuipergürtel bestenfalls genug Geld ein, um die Aufwendungen für die ganze Mission zu bezahlen. Aber was blieb ihm anderes übrig? Immer noch besser, als darauf zu warten, dass die Maschinen der Hanabira im Enceladus-Dock vor sich hin rotteten, während die Liegegebühren Geld auffraßen, über das er gar nicht verfügte. Also hatte er den Job angenommen und war mit einem ISC Tender an den Rand des Sonnensystems geflogen.

Drei Tage lang hatte alles geklappt. Dann waren zwei der drei Kühlmittelleitungen geplatzt. Die mit Hochdruck austretende Flüssigkeit hatte eine Spur der Verwüstung durch den Maschinenraum gezogen. Die Lebenserhaltungssysteme waren hinüber. Genauso wie die Funkanlage und das Kühlsystem des Antriebs. Akif hatte es gerade noch in den Schutzanzug geschafft und zu überlegen begonnen, ob es nicht einfacher gewesen wäre, die Ausstiegluke seiner Barke zu öffnen und sich der unbarmherzigen Kälte des Vakuums auszusetzen.

Da hatte die Ortung angeschlagen. Sechsundvierzig Stunden später war er an seinem Ziel, und am Ende der Kapazitäten der Hanabira angekommen. Der Antrieb war überhitzt, der Sauerstoffvorrat seines Anzuges ging zur Neige.

Aber die Aussicht, die Akif durch die Sichtscheibe erblickte, ließ in ihm die Hoffnung keimen, dass er aus der Scheiße, in der er steckte, doch noch Gold machen könnte.

Er wollte seinen Augen nicht trauen. Vor ihm, im Orbit des winzigen Plutomondes Kerberos, driftete ein gigantisches Schiff. Er brauchte keine Datenbank, um zu wissen, was da vor ihm lag. Jedes Kind kannte die tragische Geschichte und das Aussehen der Koukishin. Es hatte kein zweites Schiff seiner Art gegeben. Kantig, wuchtig und mit den massiven Aufbauten für den experimentellen Antrieb hing es vor ihm im Nichts.

Das Meisterwerk der Technik, das vor rund vier Jahrzehnten aufgebrochen war, um die als unüberwindbar geltende Grenze zur überlichtschnellen Raumfahrt zu überschreiten. Von ihrem Jungfernflug durch das eigens dafür gebaute Transferportal war sie nie zurückgekehrt. Das Ziel ihrer Reise, das unter immensem Aufwand nach Proxima Centauri gebrachte Gegenportal, hatte sie nie passiert.

Niemand wusste, was mit der Koukishin und ihrer Crew geschehen war. Eben dieses Schiff lag nun vor ihm. Leblos, beschädigt, nur darauf wartend, von ihm in Besitz genommen zu werden. Die Wiederentdeckung und die damit einhergehenden Bergungsrechte mussten mehr wert sein als alles, was er je geborgen hatte.

Sein Herz hüpfte vor Freude. Das war der Jackpot, auf den alle Schrottsammler hofften. Die meisten vergeblich. Aber sein Leben würde mit dem heutigen Tag eine positive Wendung nehmen.

Vorsichtig, darauf bedacht, den förmlich glühenden Antrieb nicht auf den letzten Metern zu überlasten, brachte Akif die Hanabira näher an die Koukishin. Am Heck des Hauptmoduls befand sich eine Andockmöglichkeit. Quälend langsam glitt er, den an der Unterseite seiner Barke ausgefahrenen Andockstutzen voraus, darauf zu. Es war Jahre her, seit er zuletzt ein manuelles Andockmanöver durchgeführt hatte. Akifs Hände zitterten. Schweiß stand ihm auf der Stirn und rann in Bächen über sein Gesicht. Wenn er jetzt einen Fehler machte, war alles vorbei. Eine zweite Chance würde er nicht bekommen.

Seine Blicke rasten zwischen den Monitoren hin und her. Sowohl die Kamerabilder als auch die Sensordaten waren vielversprechend. Er würde es schaffen.

Mit einem sanften Ruck setzte der Andockstutzen auf der Hülle auf. Die Magnetverbindungen rasteten ein und Akif fühlte, wie die Hanabira zur Ruhe kam. Hastig schaltete er die Triebwerke ab.

Aufgeregt wie ein kleines Kind, das auf den Weihnachtsmann wartete, öffnete er die Sicherheitsgurte des Sitzes. Getrieben von der Euphorie seiner Entdeckung glitt er in der Schwerelosigkeit zum hinteren Teil der Kabine, wo ein kurzer Schacht ihn zur unteren Ebene brachte.

Nur zwei Schleusen, eine davon in der Hanabira, trennten ihn noch von seinem Ziel. Durch den zwei Tage zuvor erfolgten Verlust der gesamten Atemluft seiner Barke gewann er Zeit. Er musste nicht auf den Druckausgleich warten. Die Außenschleuse glitt binnen weniger Sekunden zur Seite und machte den Weg frei. Vor Akif lag der transparente Folientunnel, an dessen unterem Ende der Andockstutzen eine feste Verbindung mit der Kouksihin eingegangen war. Im Licht der zwei Scheinwerfer an der Außenhülle der Hanabira sah er die Zugangsschleuse zur Koukishin.

Seine Magnetstiefel verankerten ihn sicher über der Schleuse, sodass er sich in Ruhe daran machen konnte, die mechanische Notfallverriegelung zu öffnen. Das Werkzeug dazu führte er als Bergungspilot mit sich. Sonst hätte er sich mit Gewalt Zutritt verschaffen müssen. Wenn ihm das bei diesem Koloss überhaupt gelungen wäre.

Drei Minuten später hatte er die Verriegelungsbolzen geöffnet. Trotz der Schwerelosigkeit musste Akif alle verfügbare Kraft aufwenden, um die vermutlich tonnenschwere Luke zu öffnen. Keuchend stemmte er sich mit den Beinen gegen die Wand des Andockstutzens, um mehr Hebelwirkung aufbringen zu können. Im selben Augenblick, in dem seine Anstrengungen endlich von Erfolg gekrönt waren, fühlte er eine Erschütterung, die durch Mark und Bein ging. Seine Zähne schlugen schmerzhaft aneinander, da realisierte er, dass der Stoß nicht von der Kouksihin ausging.

Erschrocken blickte Akif nach oben und erkannte den folgenschweren Fehler, den er begangen hatte. In seinem Überschwang hatte er es unterlassen, die Brennstoffzufuhr der Hanabira abzuschalten.

»Scheiße!«, schrie Akif in die Stille.

Die hochentzündliche Schubmasse wurde weiterhin in das erhitzte Antriebssystem gepumpt. Jedoch ohne dort korrekt verbrannt und ausgestoßen zu werden. Akif wusste, was das bedeutete und erkannte im selben Moment, dass er nichts mehr tun konnte. Für die Hanabira, deren Schutzmechanismen schon lange nur mehr eingeschränkt funktionierten, würde das fatal enden.

Er stieß sich mit aller Kraft ab. Weg von der Hanabira, hinein in den Zugangsschacht des havarierten Schiffes. Dort lag seine einzige Hoffnung, die durch seinen Fehler ausgelöste Katastrophe zu überleben. Ein Blick zurück zeigte Akif ein gefährliches Glühen. Bevor er völlig darauf fokussieren konnte, platzte die Seite der Hanabira auf und spie einen Strahl aus glühendem Plasma ins All. Ein Teil der hocherhitzten Antriebsmasse hatte sich einen anderen Weg gesucht, um aus dem überlasteten System auszutreten.

Wie hatte er so nachlässig sein können? Ein Feuerball, ausgehend vom Inneren seiner Barke, wälzte sich auf die Außenschleuse zu.

Ihm blieben nur Sekundenbruchteile, um eine Entscheidung zu treffen. Ohne zu überlegen, trat er den einzigen verfügbaren Ausweg an. Akif glitt vom Zugangsschacht in die Schleusenkammer der Koukishin. In derselben Bewegung zerrte er die schwere Luke mit sich. Das unterarmdicke Metallschott schloss sich quälend langsam.

Akif spürte bereits die Hitze der anrollenden Feuerwand, da glitt die Schleuse endlich zu. Eine gewaltige Erschütterung traf die Koukishin. Die Wucht schleuderte ihn nach hinten, bis sein unkontrolliertes Trudeln an einer harten Wand ihr Ende fand. Akif fühlte die Stöße, noch bevor die Wand am Rand der Schleuse aufbrach.

Die Hanabira musste explodiert sein und die Kraft der Detonation fraß eine klaffende Wunde in die Hülle der Koukishin. Reste des Feuerballes drangen ins Innere ein, verpufften aber in dem geräumigen Bereich, den Akif jetzt zum ersten Mal bewusst wahrnahm: ein Lagerraum, voll mit Kisten und Ausrüstungsgegenständen, die lange, dunkle Schatten warfen.

Langsam ebbten die Stöße ab. Die Koukishin kam wieder zur Ruhe.

»Wow«, keuchte Akif. »Der Kahn ist ganz schön robust. Wer hätte gedacht, dass er das so glimpflich übersteht.«

Akif wusste, dass er damit auch falschliegen konnte. Aber der gerade einmal drei Meter lange und einen halben Meter breite Riss, der sich in der Hülle gebildet hatte, ließ ihn darauf schließen, dass die Koukishin für weit schlimmere Belastungen gebaut worden war.

Mit einem Handgriff aktivierte er den Scheinwerfer an der rechten Schulter seines Anzuges. Schnell fand er die nächste Schleuse, die aus dem Raum hinausführte. Auch diese würde er manuell öffnen müssen. Zum Glück hatte er die Geistesgegenwart besessen, sein ganzes Werkzeugpack aus der Hanabira mitzunehmen.

»Ich werde mir wohl eine Rettungskapsel suchen müssen, um von hier wieder wegzukommen«, sagte Akif zu sich selbst, bevor er sich auf den Weg machte.

Die Hanabira war verloren. Das änderte nichts daran, dass er die Koukishin gefunden hatte. Das Bergerecht gehörte ihm. Jetzt musste er nur einen Weg hinausfinden. Alles sah danach aus, dass der achte Oktober 2192, sein Geburtstag, doch noch zu einem guten Tag werden würde.

Hikaru . Bordkabine

Das Wecksignal erfüllte die Kabine und hallte wie eine Feuersirene durch die acht Quadratmeter. Es hätte Erin brutal aus dem Schlaf gerissen, wenn sie nicht schon seit zwei Stunden wachgelegen hätte. Mit einem Wink der Hand ließ sie das Heulen verstummen. Dann lag sie wieder reglos da und starrte zur kalten, grauen Stahldecke. Nicht so Jantila, die bisher sanft schlummernd neben ihr gelegen hatte. Sie saß vom Alarm aufgeschreckt kerzengerade im Bett.

»So ein Mist!«, rief Jantila. »An das verflixte Geheule werde ich mich nie gewöhnen. Da wünsche ich mir die Ruhe der Tiefschlafkammer zurück.«

Erin reagierte nicht, denn ähnliches hatte sie in den letzten zwei Wochen jeden Morgen gehört. Sie lauschte den Geräuschen des Kurierschiffes, die sie noch immer nervös machten.

An das unterschwellige Summen der Luftumwälzung hatte sich Erin schnell gewöhnt. Schon einen Tag, nachdem die Crew der Hikaru sie beide aus den Tiefschlafkammern geholt hatte, war es in den Hintergrund getreten. Ganz im Gegensatz zum Brummen den Antriebes, dem Gluckern der Kühlflüssigkeitsleitungen und den unzähligen anderen Geräuschen, deren Herkunft sie noch nicht herausgefunden hatte. Am schlimmsten war das durch Mark und Bein gehende Knarzen des gesamten Rumpfes, wenn sich die Solarpaneele neu ausrichteten. Jedes Mal befürchtete Erin, dass die Hülle um sie herum brechen würde.

»Das ist völlig normal«, hatte Anjing, die drahtige Bordtechnikerin, in einem ungewöhnlichen Anfall von Freundlichkeit gesagt. »Sorgen braucht ihr euch erst zu machen, wenn die Geräusche nicht mehr da sind. Dann haben wir den Arsch offen.«

Das hatte nicht zu Erins Beruhigung beigetragen. Am liebsten wäre sie sofort wieder in die Tiefschlafkammer gegangen. Aber dann hätte sie ihren Außenbordeinsatz vergessen können. Als Ärztin wusste sie, dass es drei Tage dauerte, bis alle Medikamentenrückstände abgebaut waren. Sie selbst hätte keinem erfahrenen Astronauten direkt nach der Hibernation die Erlaubnis zu einem Weltraumspaziergang erteilt. Geschweige denn zwei Laien wir ihr und Jantila.

»Hängst du mal wieder deinen Gedanken nach?«, fragte ihre Frau, die sich zwischenzeitlich gefangen hatte. Sie neigte den Kopf zur Seite und sah Erin fragend an. Jantilas schulterlange, aktuell violett gefärbte Haare wogten um ihr Gesicht. In der reduzierten Schwerkraft von einem Drittel G – mehr schafften die Gravitationssysteme der Hikaru nicht – sah es so aus, als würden sie in Wasser schweben. Ihre vom täglichen Sport muskulösen Arme spannten sich unter dem T-Shirt, dem einzigen Kleidungsstück, das sie im Bett trug. Der Anblick ihrer Frau löste auch nach all den Jahren immer noch eine wohlige Wärme in Erin aus, die selbst die ständige Kälte an Bord der Hikaru vertrieb.

»Ja«, antwortete Erin auf die Frage. »Ich mache mir Sorgen, ob alles klappen wird.«

Sie richtete sich im Bett auf. Dank der geringen künstlichen Schwerkraft, die gerade ausreichte, damit nichts herumschwebte und man halbwegs normal gehen konnte, war die Bewegung eine Leichtigkeit.

Jantila strich ihr mit einer Hand über die Wange. »Wir sind alles zigfach durchgegangen. Solange wir uns an die Regeln halten, die uns die Trainer auf Luna mitgegeben haben, kann uns nichts passieren.«

»Ich bewundere dich für deine Ruhe. Seit Anjing uns aus dem Tiefschlaf geholt hat, frage ich mich, ob das alles eine gute Idee war.«

»Hier rauszukommen?« Jantilas Hände legten sich fest, aber nicht unangenehm auf Erins Schultern. »Ja, es war die richtige Entscheidung. Wir haben das oft genug diskutiert. Worauf hättest du warten sollen? Bis das ISC in einem Jahr, oder noch später, ein Forschungsschiff entbehren kann?«

Erins angespannte Schultern sanken leicht nach unten. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das ausgehalten hätte. Die Warterei hätte mich verrückt gemacht.«

»Und du irgendwann mich.« Jantila ließ Erin los und schwang die Beine aus dem Bett. Auch nach all der Zeit raubte der Anblick Erin immer noch den Atem. Sie selbst war nicht unsportlich, aber mit ihrer Körpergröße von einem Meter fünfundsechzig wirkte sie immer ein wenig gedrungen. Ganz im Gegensatz zu Jantila, deren tägliches Training ihren über eins achtzig messenden Körper perfekt in Form hielt. Erin schätzte sich glücklich, dass sie die Reise an den Rand des Sonnensystems nicht alleine hatte antreten müssen. Jantila hielt zu ihr, wie sie es seit dem ersten Tag getan hatte. In diesem Moment, fünf Stunden, bevor sie ihr Ziel erreichen würden, wurde Erin bewusst, dass sie das viel zu selten sagte.

Sie griff nach Jantilas Arm. »Du weißt, dass du mir alles bedeutest?«

Jantila, die sich gerade Richtung Hygienezelle gewandt hatte, hielt inne und drehte sich um. »Warum fragst du das?«

»Du reist mit mir an den Rand des Sonnensystems. Fast fünf Milliarden Kilometer. Zwölf Wochen Flugzeit, davon zehn in der Tiefschlafkammer, nur damit ich herausfinden kann, was mit meinem Großvater geschehen ist. Dem Mann, der dich verabscheut hat.«

Jantilas Lippen zeigten ein breites Grinsen. »Du übertreibst. Egal, wen du angeschleppt hättest, er hätte jeden abgelehnt. Alles, was dich von deinem Studium ablenken konnte, war ihm zuwider.«

»Er wollte immer mein Bestes …«

»Nur hat er dabei manchmal vergessen, dass du ein menschliches Wesen bist, nicht eines seiner Versuchsobjekte.«

Insgeheim stimmte ihr Erin zu. Ihr Großvater war in der schwersten Zeit ihres Lebens für sie da gewesen. Ishmael hatte sie aus dem schwarzen Loch gerissen, in das sie nach dem Unfalltod ihrer Familie gestürzt war. Ihre Schwester Rebecca und ihre Eltern waren von einem Moment auf den anderen aus dem Leben gerissen worden. Körperlich war Erin unbeschadet geblieben. Aber ihre kindliche Seele war mit ihnen in den Abgrund gestürzt. Bis Ishmael und seine damalige Lebensgefährtin Svea sie vor sich selbst gerettet hatten.

Jantila sank wieder auf die viel zu weiche Matratze und legte ihren Arm um Erins Schultern. »Mit ihm hast du deine Familie verloren.«

Erins Augen verengten sich zu Schlitzen. »Sag so etwas nicht. Du bist meine Familie.«

»Trotzdem ist er die letzte Verbindung zu deinen Eltern und deiner Schwester. In deinem tiefsten Inneren hoffst du, dass er die Reise überlebt hat. Der Optimismus ist ein Teil von dir und macht dich zu der Frau, die ich liebe, mit der ich seit zwei Jahrzehnten verheiratet bin.«

Erin entspannte sich wieder. »Deshalb ist es mir so wichtig, dass du mitgekommen bist.«

Jantila lachte auf. »Nicht zu vergessen, dass ich die einzige Person in diesem Raum bin, die dir den Arsch retten kann, falls da draußen irgendetwas aus dem Ruder läuft.«

Die Anspannung, die bisher auf ihr gelastet hatte, löste sich endgültig und Erin brach in schallendes Gelächter aus. »Ich mache mir mehr Sorgen, dass wir gar nichts finden. Was, wenn sich das alles als Fehlschlag erweist? Wenn wir nichts finden?«

»Nichts zu finden, ist genauso wahrscheinlich, wie dass uns kleine grüne Aliens erwarten. Die Koukishin ist irgendwie in den Orbit von Pluto geraten, nachdem sie dreißig Jahre zuvor im Enceladus-Portal verschwunden ist. Wenn wir herausfinden, wie sie dorthin gekommen ist, sind wir die Helden. Ganz zu schweigen davon, wenn wir erfahren, wo sie die letzten drei Jahrzehnte verbracht hat.«

»Aber was, wenn wir keine Daten auf der Kouksihin finden?« Bei dem Gedanken an diese Möglichkeit griffen wieder die Sorgen nach Erin.

Jantila erhob sich wieder vom Bett, wobei sie Erins Hände fest in ihren hielt. Vor ihr stehend, sah sie ihre Frau bestimmt an. »Erin Keyla Molina, du bist eine begnadete Ärztin, eine unnachgiebige Wissenschaftlerin, eine wunderhübsche Frau und – auch wenn manche Gegenteiliges behaupten – eine passable Köchin. Aber von Datenrekonstruktion verstehst du einfach gar nichts.«

Damit traf Jantila den Nagel auf den Kopf. Was Technik abseits medizinischer Gerätschaften anging, war Erin unbedarft.

»Dafür habe ich dich«, murmelte sie kaum verständlich.

»Zum Glück, sonst würdest du dich schon beim Einrichten eines Passworts unrettbar verzetteln.«

Erin erkannte den Schalk in Jantilas Augen, wusste aber, dass ihre Behauptung nicht so weit von der Realität entfernt war. »Ganz so schlimm ist es auch wieder nicht«, versuchte sie sich trotzdem zu verteidigen.

»Ach so? Wer hat denn unser Haus-Reinigungssystem beim Software-Update zum Absturz gebracht? Oder hast du schon vergessen, wie der Reinigungsroboter sich in der Dusche ertränkt hat?«

Erin konnte sich vor Lachen nicht mehr halten. Jantila wusste, was sie tun musste, um sie auf andere Gedanken zu bringen. »Schon gut, ich gebe mich geschlagen.«

»Eine gute Entscheidung. Aber worauf ich eigentlich hinaus wollte«, sie wurde wieder ernst, »Daten lösen sich nicht einfach in nichts auf. Egal, was der Koukishin widerfahren ist, irgendwo in den Untiefen dieses Kolosses befinden sich Aufzeichnungen darüber. Und genau dafür bin ich dabei.«

Erin hob die Hand, um Jantila zu unterbrechen. »Genau aus dem Grund habe ich die größte, grandioseste und allwissendste Datenforensikerin des ISC mitgenommen.«

»Ach, wirklich? Nur wegen meines Fachwissens? Und ich dachte, du hättest mich eingeladen, weil ich jeden Abend mit dir ins Bett gehe.«

In diesem Augenblick unterbrach sie eine viel zu laute Durchsage aus dem Bordnetz: »Guten Morgen, ihr beiden Turteltauben. Schwingt eure Gebeine aus dem Bett und schafft sie umgehend in den Gemeinschaftsraum. Wir haben hier noch etwas anderes zu tun, als auf euch zu warten.«

Bevor sie antworten konnten, war die Verbindung schon wieder beendet.

»Anjing«, stellte Jantila fest. »Ein wahrer Sonnenschein, heute wie am ersten Tag. Ich glaube, am liebsten würde sie uns einfach aus der Luke schmeißen und wieder umdrehen.«

Hikaru . Brücke

»Ich fühle mich wie eine Babysitterin«, schimpfte Anjing Zambrano, als sie die beengte Brücke betrat. Wie immer musste sie sich bücken, um nicht am niedrigen Türrahmen anzustreifen. Schon für normalgroße Crewmitglieder war der Durchgang knapp bemessen. Aber an die Möglichkeit einer fast zwei Meter großen, Bordtechnikerin hatte bei der Konstruktion niemand gedacht.

Alles an Bord der Hikaru war beengt. Am schlimmsten aber war es auf der Brücke, die zwischen allen Terminals, Displays und der drei Meter durchmessenden Sichtkuppel knapp vier Quadratmeter Fläche für zwei Sitzplätze bereithielt.

Durch das transparente Panzerkarbon sah Anjing Pluto, jene graubraune lebensfeindliche Kugel, die den äußersten Rand des Planetensystems kennzeichnete. Irgendwo in seinem Orbit lag ihr Ziel: Kerberos. Anjing kannte den Mond nur von Holos, auf denen er wie ein grauer, unförmiger Schlammklumpen aussah.

Die Projektion in der linken oberen Ecke der Sichtscheibe zeigte die Entfernung. In rund einer Stunde würden sie so nahe sein, dass der Mond auch mit freiem Auge sichtbar sein würde.

»Dir auch einen guten Morgen«, antwortete Aaron Nasredin, der um einen Kopf kleinere Pilot, Kommandant und – neben Anjing – die zweite Hälfte der Stammcrew des Kurierschiffes. Er saß, wie meistens, im Pilotensitz. Obwohl die Systeme unverzüglich Alarm geschlagen hätten, wenn es zu einer Abweichung vom geplanten Kurs gekommen wäre, kontrollierte er unablässig die Anzeigen. Aaron war genauso pedantisch wie mürrisch und verstand sich daher perfekt mit Anjing.

Nicht umsonst zogen sie beide den Job auf einem Kurierschiff den wesentlich besser bezahlten Arbeitsplätzen auf Forschungskreuzern oder Passagiertendern vor. Mit gerade einmal fünfzig Metern Länge, ein Drittel davon das Antriebsmodul, war die Hikaru eines der kleinsten noch im Einsatz befindlichen Schiffe ihrer Klasse. Äußerlich ähnelte sie einem sechseckigen, vorne schmal zusammenlaufenden Kasten. Ohne die Solarpaneele und die unzähligen an der Außenhülle angebrachten Antennen und Sensoren hätte man sie eher für ein im All treibendes Stück Metall denn für ein seit fünfzig Jahren im Dienst befindliches Schiff gehalten.

»Was soll an dem Morgen gut sein?«, fragte Anjing. »Wir gurken an den äußersten Rand des Sonnensystems, um zwei Frauen zu einem Wrack zu kutschieren. Verdammt noch mal, die Hikaru ist ein Kurierschiff, keine Raumjacht für Freizeitausflüge.«

Aaron blies die Backen auf und ließ die Luft hörbar entweichen, bevor er antwortete: »Müssen wir das wirklich jeden Tag durchkauen? Ich hab genauso viel Freude damit wie du. Aber Peterson, als Forschungsdirektor und Flottenverantwortlicher des ISC auch unser Chef, will, dass wir mit den beiden hier hinausfliegen. Punkt. Der Boss befiehlt und wir machen es.«

Anjing war sich nicht sicher, ob sein verärgertes Kopfschütteln ihrem Ausbruch oder seiner eigenen Frustration über die Situation geschuldet war. Gerade deswegen konnte sie sich die Frage, die ihr schon seit Wochen auf den Lippen brannte, nicht verkneifen: »Bumst er mit einer oder beiden? Anders kann ich mir das nicht erklären.«

»Da die beiden verheiratet sind, wohl eher nicht. Aber damit sage ich dir nichts Neues. Nimm es mir nicht übel, aber ich bin es leid, das Thema immer wieder um die Ohren geknallt zu bekommen. Wenn du keine nervigen Aufträge übernehmen willst, bleibt dir nur, als selbstständige Technikerin anzuheuern. Dann kannst du dir deine Aufträge aussuchen.«

»Und am Hungertuch nagen? Nein danke. Kein Bedarf. Dann lieber babysitten.«

Seufzend sank sie auf den zweiten Stuhl, der in der schmalen Ecke hinter dem Pilotensitz, eingeklemmt zwischen Schleuse und einer mannshohen Computerwand, ein einsames Dasein fristete. Plötzlich fühlte sie Übelkeit aufkeimen und kämpfte gegen den Brechreiz an. Dieser quälte sie schon seit Tagen. Sie tat alles, damit Aaron nichts mitbekam, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis es ihm nicht länger entgehen würde. Sie fühlte sich beschissen und konnte nichts dagegen tun, solange die beiden unerwünschten Gäste an Bord blieben.

Aaron entriegelte seinen Sitz und drehte ihn um 180 Grad, bis er Anjing direkt ansehen konnte. »Könntest du endlich aufhören zu schmollen und damit rausrücken, was dich wirklich beschäftigt?«

Zum Glück glaubte der Pilot noch immer, dass ihre Gereiztheit ausschließlich an den beiden Frauen lag.

Anjing atmete tief ein. Langsam klang die Übelkeit wieder ab und sie konnte sich wieder auf das Gespräch konzentrieren. »Abgesehen davon, dass ich es hasse, Langstreckenreisen in den Tiefschlafliegen hinter mich bringen zu müssen?«

Sie fühlte sich in der Kammer wie in einem gläsernen Sarg. Die wenigen Minuten, in denen sie darin wach war – kurz vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen – brachten sie immer an den Rand der Panik. Sie hasste es, eingesperrt zu sein. Obwohl sie die Technik der Systeme besser als ihre Hosentasche kannte, fühlte sie sich nicht wohl dabei, sich ihnen auszuliefern. Lieber verbrachte sie wochenlange, ereignislose Flüge im Wachzustand. Selbst wenn es für sie nichts zu tun gab. Aber dank der beiden Frauen war ihnen diese Option genommen worden.

»Gib es doch endlich zu«, forderte Aaron von ihr. »Die Frauen sind dir egal. Was dich nervt, ist die drohende Überlastung des Lebenserhaltungssystems.«

Anjing nickte. Genau deswegen hatten sie den Großteil der Reise im künstlichen Koma verbringen müssen: um die Maschinen, die das Überleben im All ermöglichten, nicht über Gebühr zu beanspruchen. Das Kurierschiff konnte zwei Menschen versorgen, jedes zusätzliche Lebewesen brachte die Systeme in wenigen Tagen an die Grenze ihrer Leistung. Nicht umsonst verfügte die Hikaru nur über zwei Mannschaftskabinen.

»Dass ich mir eine Kabine mit dir teilen muss, während die beiden sich in meiner vergnügen, bessert meine Laune auch nicht.«

Bei dem Gedanken daran grinste Aaron anzüglich. »Wenn ich wenigstens eine Überwachungskamera da drinnen hätte!«

»Untersteh dich! Meine Kabine bleibt mein Privatbereich. Oder wird es zumindest wieder sein, sobald wir die beiden losgeworden sind.«

Aaron hob abwehrend die Hände. »Keine Sorge. Ich halte mich von deinem Heiligtum fern. Ich weiß ja, dass du mir sonst die Luftzufuhr abdrehst.« Er lachte laut.

Anjing vertraute ihm, wissend, dass er sich bewusst war, dass sie sich gegen jeden, der ihr zu nahe trat, verteidigen konnte. Die Grenzen zwischen ihnen waren, trotz aller Freundschaft, eng abgesteckt. Aaron hatte schon früh herausgefunden, wie weit er gehen konnte. Seitdem hielten sie professionellen Abstand. Mehr musste dazu auch nicht gesagt werden.

»Nimm es mit Gelassenheit«, schlug Aaron vor. »In zwei bis drei Tagen treten wir wieder den Rückweg an. Länger kann der Besuch auf dem alten Kahn ja nicht dauern. Dann legen wir uns wieder in die Tiefschlafkammern. Eine Woche nach dem Aufwachen haben wir wieder unsere Ruhe.«

Anjings Zeigefinger tippte nervös auf der Armlehne. »Mir graut schon jetzt vor dem Gedanken, wieder zehn Wochen in dem Glascontainer zu liegen.«

»Das wirst du auch noch überleben. Freu dich beim Träumen einfach auf die Bonuszahlung, die uns Peterson zugesagt hat. Dann vergeht die Zeit wie im Flug.«

»Mieser Scherz, ganz mieser Scherz.«

Trotz aller Versuche Aarons, sie zu beruhigen, lastete noch immer eine ungeklärte Frage auf ihr. »Was mir nicht in den Kopf will, ist, warum das ISC keine qualifiziertere Crew für den Job gefunden hat. Die beiden verfügen nicht mal annähernd über die Qualifikationen, um diese Bergungsmission anzuleiten. Welche Erfahrungen bringen sie denn schon mit?«

»Genauso viel wie wir.« Aarons Finger krampften sich, für Anjing gerade noch erkennbar, in die gepolsterten Armlehnen. Er wusste mehr, als er zugeben wollte. Das hatte sie schon beim überhasteten Aufbruch von Luna gefühlt, aber bisher nicht angesprochen. »Wir hingen auf Luna herum, hatten keinen Auftrag und die Kosten, uns raus ins Nirgendwo zu schicken, sind für das ISC überschaubar. Schon wurden wir zur ersten Wahl für diesen Schwachsinn.«

»Das hast du mir jetzt schon mehrfach erzählt.« In Anjings Stimme schwang der Ärger mit, den sie nur mehr schwer unterdrücken konnte. »Aber da steckt doch mehr dahinter. Rück endlich raus damit. Es kann doch nicht nur der Bonus sein.«

Aaron seufzte, bevor er sich, sichtlich angespannt, zu einer Antwort durchrang: »Ich weiß nichts Genaues. Du brauchst nicht zu glauben, dass Peterson mit mir direkt spricht. Dafür bin ich viel zu weit unter seinem Gehaltslevel. Aber ich kann eins und eins zusammenzählen. Die Koukishin zu finden, kann Fluch und Segen bedeuten. Wenn alles glatt läuft, dann hat Peterson die Sensation des Jahrhunderts an der Hand. Aber es gab schon einen Direktor, der aufgrund des Koukishin-Desasters zurücktreten musste. Hasmid, seine Vorgängerin.«

Langsam verstand Anjing, worauf er hinauswollte. »Finden wir Informationen von Wert, kann er sich seiner Weitsicht rühmen. Finden wir nichts oder geht das Ganze in die Hose …«

»Kann er sich aus der Verantwortung ziehen. Er hat nur den Flug eines Kurierschiffes freigegeben. Oder hast du in unseren Flugbefehlen etwas von einer Schiffsbergung gelesen?«

Anjing schüttelte den Kopf. Als würde sie die Flugorder lesen. Aaron war der Kommandant, sie sorgte dafür, dass ihr altersschwaches Schiff weiterhin fähig war, sie quer durch das Sonnensystem zu bringen. Mehr interessierte sie nicht.

»Dachte ich mir«, fuhr Aaron fort. »Um das Ganze endgültig abzuschließen: Wir sind jetzt einmal hier und werden unsere Passagiere sicher an ihr Ziel bringen. Freu dich auf vier Wochen Urlaub, wenn wir zurück sind.«

Wie meistens hatte Aaron recht. Falls nicht, schaffte er es zumindest, Anjing zu beruhigen. Ihre Nervosität stieg von Tag zu Tag. Sie wusste warum, aber solange ihre Kabine von den beiden Passagieren belegt war, konnte sie nichts dagegen tun. Schon alleine deswegen fieberte sie dem Tag entgegen, an dem die beiden in die Tiefschlafkammern gingen. Dann hätte sie einen Tag Zeit, bevor sie selbst an der Reihe war, um die Hikaru auf den automatischen Langstreckenflug vorzubereiten. Viel wichtiger aber war die Chance, sich zurückzuziehen. Lange würde sie die Symptome nicht mehr unterdrücken können. Selbst Aaron wusste nichts von ihrem Geheimnis.

»Erde an Anjing«, riss er sie aus ihren Gedanken. Aaron sah sie fragend an. Wie lange war sie abwesend gewesen? Lag da Skepsis in seinem Blick? Ahnte er schon, dass etwas nicht stimmte? Sie musste sich zusammenreißen.

»Sorry, war in Gedanken versunken«, sagte sie und wischte sich die Tränen weg, die plötzlich in ihre Augen getreten waren. Das war neu. Was würde noch dazukommen?

Aaron tippte mit dem Zeigefinger auf ein Display, das den leeren Gemeinschaftsraum zeigte. »Das ist mir auch aufgefallen. Jetzt, wo du wieder da bist, könntest du unsere beiden Damen dazu bewegen, sich zu uns zu gesellen?«

Aaron hatte recht. Es war an der Zeit, die Details des Ausstieges ein letztes Mal zu besprechen, bevor sie die beiden in die EVA-Anzüge steckten. Anjing aktivierte das interne Com-Netz und entschied, ihren Ärger über sich selbst an ihren Passagieren auszulassen.

Hikaru . Gemeinschaftsraum

Eingehüllt in eine dicke, wärmende Jacke saß Erin an dem viel zu kleinen Tisch im Gemeinschaftsraum. Sie zitterte, teils aufgrund der weiter gefallenen Temperatur, teils vor Ärger über das Verhalten der Technikerin. Seit zehn Minuten erklärte sie ihr, dass alleine ihre Anwesenheit schuld daran war, dass die Systeme der Hikaru an der Grenze der Belastbarkeit arbeiteten.

»Solange ihr an Bord seid, muss die Lebenserhaltung das Doppelte dessen leisten, wofür sie ausgelegt ist«, fauchte sie Erin an, die immer weiter in sich zusammensank. »Also regt euch nicht auf, dass es kalt wird. Die Luftumwälzung überhitzt, zusammen mit der Sauerstoffaufbereitung. Dazu sind die Kühlsysteme am Anschlag. Um zu verhindern, dass die Systeme zusammenbrechen und uns die Atemluft ausgeht, fährt die Automatik die Heizung runter.«

Während Jantila neben ihr auf der schmalen Sitzbank saß und der Pilot ruhig an der Küchenzeile lehnte, stromerte Anjing wie ein eingesperrtes Tier im Raum auf und ab. Das schnelle Klicken ihrer Magnetsohlen verstärkte dabei noch den Eindruck, dass sie kurz davor stand zu explodieren. Dabei gestikulierte sie wild in der Luft herum.

»Wir haben euch nicht eingeladen. Als hört verdammt noch mal zu jammern auf und lebt damit!« Sie wirkte, als würde sie jeden Moment über den Tisch springen und Erin angreifen.

Jantila spannte sich merklich an, während Erin versuchte zu verstehen, wie eine einfache Frage diese Tirade ausgelöst hatte. Sie machte sich Sorgen. Das Verhalten, das Anjing an den Tag legte, war nicht normal. Sie hatte nur zwei Wochen mit der Frau im Wachzustand verbracht. Zu wenige, um sie wirklich kennenzulernen. Aber vor dem Abflug war sie zurückgezogen und mürrisch, aber nicht aggressiv gewesen. Irgendetwas stimmte hier nicht. Die Technikerin war überreizt. Das war offensichtlich und konnte das Zittern ihrer Hände erklären. Doch ihre unter der enganliegenden Bordkombi sichtbar zuckenden Oberschenkelmuskeln und der plötzlich auf ihrer Stirn stehende Schweiß deuteten darauf hin, dass mehr dahinter steckte.

Erins Erfahrung als Ärztin ließ einen Verdacht aufkeimen. Ihre Beobachtungen deuteten darauf hin, dass Anjing unter Entzugserscheinungen litt. Aber konnte sie das Risiko eingehen, Anjing vier Stunden vor dem Übertritt zur Koukishin noch mehr zu verärgern, indem sie sie auf ihren Verdacht ansprach?

Lag sie mit ihrer Vermutung richtig, wäre Aaron verpflichtet gewesen, Anjing sofort außer Dienst zu stellen. Das wiederum hätte einen Abbruch der Mission bedeutet. War ihre Annahme allerdings falsch, hätte sie die Technikerin noch mehr gegen sich aufgebracht. Was ebenfalls den Einsatz gefährden würde. Denn ohne sie wären die technischen Maßnahmen, die notwendig waren, um alles nach Plan umzusetzen, unmöglich zu realisieren.

Erin entschied sich, ihren Verdacht für sich zu behalten und hoffte inständig, dass sie falsch lag.

Zwischenzeitlich hatte Anjing angehalten. Ihre Hände auf die Tischkante gestützt, beugte sie sich vor. »Ist damit alles geklärt? Oder habt ihr sonst noch Beschwerden, die eure Bequemlichkeit betreffen?!«

Erin bemerkte, wie Jantilas Anspannung stieg. Sie schien kurz davor, sich schützend vor Erin zu stellen. Wie sie es immer tat, wenn jemand ihre Frau angriff. Aber jetzt würde das nicht weiterhelfen. Erin legte ihr unter der Tischplatte beruhigend die Hand auf das Bein. Mit festem Blick zu Anjing schüttelte sie den Kopf. »Nein. Ich wollte dich mit der Frage nicht angreifen.«

Anjings Augen verengten sich zu Schlitzen. Erin erkannte, wie sich die schlanken Finger um die Tischkante verkrampften. Zum Glück sprang Aaron ein, bevor Anjing reagieren konnte. »Ich denke, wir sollten es dabei belassen.«

Er zog Anjing sanft vom Tisch weg. Mit einer Handbewegung bedeutete er ihr, sich zurückzuziehen. Anjing wandte sich mit hochrotem Kopf ab und trat, gefolgt von Aaron, zurück zur Küchenzeile. Die Grenze, die sie beide zogen, war offensichtlich: Auf der einen Seite des Raumes sitzend, ihre Passagiere. Auf der anderen Seite sie beide, als die Stammcrew der Hikaru. Erins Unwohlsein wuchs. Das war keine gute Ausgangslage für die kommende Mission.

Zum Glück fand Jantila die passenden Worte, um die Aufmerksamkeit zurück auf das zu lenken, was sie erwartete: »Vor uns liegen anstrengende Stunden. Ich gebe zu, dass ich beim Gedanken daran die Hosen gestrichen voll habe.«

Was sagte Jantila da? Sie hatte Angst? Das konnte Erin nicht glauben. Es musste sich um ein indirektes Friedensangebot handeln. Ihr Versuch, Anjing zu zeigen, dass sie die Stärkere war, zeigte Wirkung. Die Gesichtszüge der Technikerin entspannten sich, auch wenn der Rest ihres Körpers weiterhin wie ein zum Sprung bereites Raubtier wirkte.

Auch Aaron, der bisher nicht den Eindruck eines Mannes vieler Worte erweckt hatte, schien zu verstehen. »Die Sorgen können wir euch nehmen. Wir sind vielleicht nur eine Kurierschiff-Crew, trotzdem haben wir ausreichend Erfahrung mit Außenbordeinsätzen, um euch da durchzuhelfen. Vor allem Anjing geht regelmäßig raus. Viele Wartungsarbeiten sind nicht von innen zu erledigen.«

Erin war erleichtert, dass sich die Situation so schnell entspannte. »Direktor Peterson hat uns im Vorfeld auch schon versichert, dass ihr die Richtigen für den Einsatz seid.«

»Das freut mich, dass ein Schreibtischtäter unsere Fähigkeiten bestätigt.« Anjings Stimme troff vor Sarkasmus. Aber zumindest schien sie wieder zu einem normalen Gespräch bereit.

Aaron kniff die Augen zusammen, wartete aber nicht ab, ob noch etwas kam. »Trotzdem sollten wir uns nicht allein auf unsere Erfahrung verlassen, sondern uns auch an das Missionshandbuch halten. Das sieht nun einmal vor, dass wir vor dem Außenbordeinsatz noch mal alle Schritte durchbesprechen.«

Erin wusste, was jetzt kommen würde. Zigmal hatten sie den Plan durchgearbeitet. Was Aaron jetzt machte, war sich abzusichern. Wenn etwas schieflief, wollte er die Aufzeichnung im Bordlog haben, dass er sich an die Vorschriften gehalten hatte. Anjings Gesichtsausdruck stellte klar, dass sie dasselbe dachte wie Erin.

»Jantila, wie sehen die Schritte nach dem Verlassen der Hikaru aus?«, fragte Aaron.

Konzentriert rasselte Jantila die Punkte herunter, die sie schon am ersten Tag auswendig gelernt hatte: »Wir bewegen uns mithilfe der Manöverdüsen entlang der Außenhülle der Hikaru. Sobald wir die Kommandokuppel passiert haben, lösen wir die Halteleinen. Ab da übernehmt ihr die Kontrolle. Ihr bringt uns per Fernsteuerung der Backpacks bis auf einen Abstand von fünfhundert Metern an die Koukishin heran. Den Rest müssen wir ohne eure Hilfe schaffen. Die Landung auf der Außenhülle verlangt Präzision, da wir nicht sicher sein können, in welchem Zustand sich das Schiff befindet.«

»Gut«, bestätigte Aaron. »Erin, wie geht es dann weiter?«

Erin fühlte sich an ihre Schulzeit zurückerinnert. Ein simples Frage- und Antwortspiel, das nicht dazu diente, das Verständnis zu prüfen. Das einzige Ziel war, den Regeln Genüge zu tun.

»Wir verankern die Magnetstiefel an der Hülle«, antwortete sie. »Dann suchen wir einen Port, der es uns erlaubt, die Frachtschleuse, unseren bevorzugten Einstiegspunkt, mit Energie zu versorgen. Sobald wir diesen gefunden haben, schickt ihr uns drei Drohnen.«

Anjing brauchte keine Aufforderung, um ihren Part zu übernehmen. Sie klang genervt und gelangweilt zugleich: »Ich steuere die Drohnen. Zwei bringen den Generator, der euch genug Energie für die Aufgaben liefern wird. Zuerst für die Öffnung der Schleuse, dann – im Schiff – für die Reaktivierung der Computersysteme. Sobald die Schleuse offen ist, dringt ihr ins Innere vor. Zeitgleich lasse ich die dritte Drohne die Schleusensicherung anbringen. Die Plaststahlrohre dienen dazu, die Schleusentore offen zu halten, sobald die Energieversorgung wieder abgekoppelt wird.«

»So haben wir einen sicheren Ausgang, selbst wenn wir den Generator an anderer Stelle ans Bordnetz der Koukishin hängen«, beendete Jantila die Aufzählung.

Aaron reichte das noch nicht: »So weit, so gut. Aber wir haben auch einen festen Ablauf im Schiff. Ihr geht rein, sucht die Brücke, versorgt den Mainframe mit Energie, zieht die Daten und kommt wieder zurück. Ich erwarte keine Abweichungen, keine Alleingänge oder spontane Ideen. Ist das klar?«

Erin bestätigte, genauso wie Jantila, die noch nachsetzte: »Vorausgesetzt, wir können die persönlichen Logs des Missionsleiters auf der Brücke auslesen. Wenn nicht, suchen wir sein persönliches Terminal, um die Codes von der Speicherkarte einzuspielen.«

Erin zuckte zusammen. Diesen Teil hatte sie für sich behalten wollen. Jetzt war es zu spät. Die Katze war aus dem Sack.

»Von was für einer Speicherkarte sprichst du?«, fragte Aaron. Schlagartig wirkte er wieder angespannt. Glaubte er, sie hätten ihn hintergangen?

»Ishmael Molinas persönlicher Datenträger«, übernahm Erin die Antwort. »Der Grund, warum wir hier sind und überhaupt von der Koukishin wissen.«

Drei Wochen vor dem Abflug . Erde

Direktor Peterson, der seit bald drei Jahrzehnten die Forschungsabteilung des International Space Center in Gitega leitete, sank in seinen Bürostuhl zurück. Für Sekunden blieb er stumm, bevor er seine Frage formulierte: »Sie wollen was?«

Erin war darauf vorbereitet. In wenigen Worten fasste sie ihren zuvor detailliert vorgetragenen Antrag zusammen: »Ich bitte Sie um ein Forschungsschiff, um die Koukishin im Umfeld des Pluto zu suchen.«

Peterson schien sich wieder zu fassen. Er legte die Fingerspitzen beider Hände aneinander. Seine Worte gaben Erin das Gefühl, dass er sie sich schon lange zuvor zurechtgelegt hatte: »Schön zusammengefasst. Erlauben Sie mir trotzdem, meine Sicht der Dinge darzulegen. Die vorgelegte Speicherkarte stammt von einer Ihnen unbekannten Person. Die Frage, woher diese Person den Datenträger hat oder warum sie Ihnen diesen zugespielt hat, bleibt unbeantwortet.«

Peterson holte tief Luft. Erin fehlte der Mut, ihn zu unterbrechen. Jantilas Zurückhaltung, die sich darin zeigte, dass sie ebenfalls ungerührt blieb, entspannte Erin. Ein Konflikt mit dem Forschungsleiter würde sie nicht weiterbringen.

»Alles in allem kann man die Herkunft der Daten bestenfalls fragwürdig nennen.« Er schien die Reaktionen der beiden abzuwarten. Ihre fortgeführte Stille hatte er dabei wohl nicht erwartet. Für einen Moment wirkte Peterson abgelenkt, bevor er weitersprach: »Die enthaltenen Daten lassen, genauso wie die Markierungen auf der Karte, annehmen, dass diese wirklich dem Besitz Ihres Großvaters entstammt. Sie geben selbst zu, dass es unmöglich ist zu verifizieren, ob sie sich jemals an Bord des Forschungskreuzers befunden hat. Geschweige denn, dass Sie eine Idee haben, wie diese zur Erde gekommen sein soll.«

Beim letzten Satz wanderte sein strenger Blick zu Jantila, die stumm nickte.

»So weit, so gut. Aufgrund der wenigen wiederherstellbaren Informationen, deren Echtheit nicht bestätigt ist, nehmen Sie an, dass sich diese Karte auf dem verschollenen Forschungsschiff Ihres Großvaters befunden hat.« Petersons Blick wanderte zu Erin, die sich fühlte, als würde er sie damit durchbohren. »Eine glaubhafte Theorie, wie sie den Weg zu Ihnen gefunden hat, bleiben Sie mir schuldig. Übrig bleibt eine, verzeihen Sie meine Direktheit, recht auffällige Verkettung von Zufällen.«

Erin sah ihre einzige Chance, die Koukishin zu erreichen, schwinden. Ohne das ISC gäbe es für sie keine Möglichkeit, an den Rand des Sonnensystems zu kommen. Ein privates Schiff zu chartern, lag weit über ihren finanziellen Möglichkeiten.

»Das fasst es ziemlich treffend zusammen«, antwortete Jantila.

Peterson nahm sich Zeit, nochmals die projizierten Daten, die über der linken Seite seines Tisches schwebten, zu prüfen. »Das Einzige, was Sie der Speicherkarte entreißen konnten, sind einige Positionsdaten, ein Dutzend Standbilder und ein gutes halbes Terabyte an unlesbaren, oder wie Sie es formulieren, unerklärlichen Sensordaten.«

»Was wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass die Koukishin sich im Umfeld von Charon, Kerberos oder Styx aufhält. Wie sie dorthin gekommen ist, bleibt allerdings bisher ein Rätsel. Die Anziehungskraft der Monde ist zu schwach, um sie einzufangen«, sagte Erin.

Peterson nickte. Seine Augen fixierten sekundenlang einen Punkt an der Wand hinter den beiden Frauen. Dann rief er ein neues Hologramm auf. Eine Projektion des Sonnensystems schwebte zwischen ihnen über dem Tisch. Peterson tippte an eine Stelle am äußeren Rand, fast genau auf der gegenüberliegenden Seite, an der sich Pluto befand. »Pluto selbst ist nicht fähig, die Koukishin von ihrem Kurs abzubringen oder sogar einzufangen. Aber wenn das Schiff hier ins Sonnensystem eingetreten ist, könnte es in einer flachen Kurve an der Sonnenbahn vorbeigetrieben sein.«

Petersons Finger zog eine leicht gebogenen Linie vom Eintrittspunkt und vorbei an der Sonne, bis er die Umlaufbahn des Jupiter erreichte. »Nehmen wir an, die Koukishin hätte Jupiter auf seiner Bahn dann hier passiert. Sein Gravitationsfeld entgegen der Drehrichtung reicht völlig aus, um die Geschwindigkeit drastisch zu reduzieren. Gleichzeitig wäre es auch zu einer weiteren Krümmung der Flugbahn gekommen.«

Sein Finger zog die Linie von Jupiter weiter in einer stärkeren Kurve, bis sie Pluto erreichte. »Nun wären Pluto und seine Monde stark genug, um die Koukishin in eine Kreisbahn zu zwingen.«

So aufgeregt hatte Erin ihn noch nie erlebt. Peterson war Astrophysiker. Diese Überlegungen ließen ihn offensichtlich nicht kalt. Die Antwort auf die Frage, die er selbst gestellt hatte, schüttelte er förmlich aus dem Ärmel. Er war spürbar in seinem Element. »Es geht um drei mitten im Nichts liegende Monde des am wenigsten erforschten Planeten unseres Sonnensystems. Abseits jeglicher Handelsrouten. Weit weg von irgendwelchen Kolonien oder Forschungseinrichtungen. Wie günstig für den Überbringer der Daten, der sich nicht sorgen muss, dass seine Behauptungen kurzfristig überprüft werden.«

Jantila griff ein, als Erin nicht antwortete: »Wir sind uns bewusst, dass die ganze Sache weit hergeholt klingt. Es stimmt, wir können nicht mit absoluter Sicherheit verifizieren, ob die Speicherkarte jemals auf der Koukishin zum Einsatz gekommen ist. Die enthaltenen Messdaten hingegen können wir ohne Zweifel keiner Quelle auf der Erde zuordnen.«

»Ein Punkt für Sie.«

»Auch wenn die Echtheit der Bilder nicht verifizierbar ist, zeigen sie Aufnahmen, die wir in keinem Archiv finden konnten.«

»Kein Beweis. Bestenfalls ein Indiz. Dafür gestehe ich Ihnen nochmals einen halben Punkt zu.«

Peterson genoss die Situation sichtlich. Die Frauen wussten noch immer nicht, worauf er hinauswollte. Erin schielte zu Jantila, die mit angespannten Muskeln in ihrem Stuhl saß. Sie schien sich zurückzuhalten, ließ ihre Frau weiterkämpfen.

Jantila nickte zur Antwort auf Petersons letzte Worte. »Nicht zu vergessen, dass wir den Datenträger ohne jegliche Gegenleistung erhielten. Aus welchem Grund sollte irgendjemand die Zeit investieren, die Daten zu fälschen, wenn er nicht einmal versucht, sie uns um teures Geld zu verkaufen? Das wäre der aufwendigste und zugleich dümmste Scherz des Jahrhunderts.«

Sekunden verstrichen, in denen niemand sprach. Erin beobachtete Peterson, der unschlüssig wirkte. War Jantila mit ihrer letzten Aussage zu weit gegangen?

Sekunden verstrichen, bis der Direktor endlich reagierte: »Vor allem, da die Sonde, die von der Flugkontrolle auf Iapetus ausgeschickt wurde, das Vorhandensein eines künstlichen Körpers im Orbit von Kerberos bestätigt.«

Erin konnte ihre Überraschung nicht unterdrücken und keuchte hörbar. Sogar die meist stoische Jantila hob fragend die Augenbrauen.

In Petersons Gesicht zeigte sich ein für ihn ungewöhnliches Lächeln. »Dachten Sie, ich würde Sie zu dieser Besprechung einladen, ohne Ihre Behauptungen zu prüfen?«

»Sie haben mit uns gespielt?«, fragte Jantila.

»Gespielt? Nein. Ich wollte wissen, wie ernst Sie es mit Ihrem Vorschlag meinen.«

Peterson überraschte Erin mit einem erneuten kurz aufflackernden, verspielten Grinsen. Bis zu diesem Moment hatte sie ihn immer als zahlenverliebten Bürokraten gesehen. Auch Peterson schien von seiner nach außen getragenen Reaktion überrascht, denn seine Gesichtszüge wurden umgehend wieder ernst.

»Zurück zu den Bildern. Der Vorbeiflug reichte nicht aus, um Detailaufnahmen zu machen. Was wir inzwischen aber sagen können, ist, dass das, was wir dort vorfanden, zumindest in den Umrissen dem Forschungskreuzer entspricht.

---ENDE DER LESEPROBE---