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Alexander Poraj

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Beschreibung

niemals allein - immer gemeinsam

In seinem Buch zeigt der Zen-Meister und spirituelle Leiter des Meditationszentrums Benediktushof, dass Zen-Meditation vor allem eines will: Die Erfahrung des All-Ein-Seins spürbar machen. Niemand steht allein in dieser Welt, denn alle Wesen sind in ihrem Dasein miteinander verbunden. Zen kann diese Verbindung durch Mitgefühl und achtsame Präsenz stärken. Das wirkt in allen Lebensbereichen positiv: im Alltag ebenso wie in unseren Liebesbeziehungen. Und nicht zuletzt verändert es das Bild, das wir uns von dieser Welt machen.

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Seitenzahl: 253

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Das Buch

Wir fühlen uns oft allein. Zuweilen sehr allein, sogar verlassen. Dieses Alleinsein hat jedoch nichts mit dem All-Ein-Sein zu tun, das der Zen-Meister Alexander Poraj beschreibt. Im All-Ein-Sein spüren wir Weite, eine Art Entgrenzung und gleichzeitig Fülle. Wir urteilen kaum und sind mit dem Sosein völlig einverstanden und zusehends eins. Wir sind da und im Frieden.»Zen ist die Erfahrung, dass nichts miteinander in Verbindung stehen muss, denn es gibt überhaupt keine Trennung. Es gibt nur das -All-Ein-Sein. All-Ein-Sein gibt und vergibt sich und bleibt so, wie es ist: All-Ein.«

Der Autor

Dr. Alexander Poraj, geboren1964, ist Zen-Meister der Zen-Linie »Leere Wolke« und »Wolke des Nichtwissens – Kontemplationslinie Willigis Jäger«. Er ist spiritueller Leiter des Benediktushofes und Vorstandsvorsitzender der »West-Östliche Weisheit – Willigis Jäger Stiftung«.

ALEXANDER PORAJ

ALL-EIN

ZENODERDIE ÜBERWINDUNGDER EINSAMKEIT

KÖSEL

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Copyright © 2018 Kösel-Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Textredaktion: Dr. Peter Schäfer, Gütersloh

Umschlag: Weiss Werkstatt, München

Umschlagmotiv: © charles taylor/shutterstock.com/Nr. 9118381; © Feliks Kogan shutterstock.com/Nr. 42844252

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-22053-2 V002

www.koesel.de

Unseren Ahnen gewidmet

Inhalt

Prolog: Die Lese beginnt

Das Alleinsein

Sind wir vereinzelt, und wenn ja, was soll die Frage?

Wir sind ver-rückt, ohne es zu merken

Ich allein?

Es kommt der Frage nichtauf die Antwort an

Infragestellen unerwünscht

Meditation als Ausweichmanöver

Was Vorstellungen mit uns anstellen

Gedanken: das reinste Theater

Im Auge des Wirbelsturms

Die Ungewissheit: aushaltbar?

Die Angst: Bieten Selbstbilder genügend Schutz?

Der Ernst: Gut ist, was festgelegt wurde

Die Selbstgewissheit: Geht’s auch ohne?

Das Selbstgefühl

Die Sehnsucht

Die Vermeidung der Sehnsucht

Sehen und Gesehen werden

Die Verwechslung

Bitte nicht fliehen!

David gegen Goliath

Das All-Ein-Sein

Der Wirbelsturm der Sehnsucht

Karussell fahren

Die Gefühle

Der Sinn spinnt

Unvorstellbar

Wir waren nie wirklich weg

Der Notruf

Das Er-Lesene

Die Spät-Lese

All-Ein

Leben: Die Fülle des Unfassbaren

Das Heilige

Die Liebe

Die Zen-Haltung

Epilog

Lesenswertes, Hörenswertes

Textnachweis

Prolog: Die Lese beginnt

»Etwas zu schreiben, um es der Nachwelt zu hinterlassen, ist nur ein weiterer Traum. Wenn ich erwache, weiß ich: Da wird es keinen geben, der es liest.«

Ikkyu Sojun (1394–1481)

Einer alten Redewendung zufolge ist Reden Silber und Schweigen Gold. Wo wäre dann aber das Schreiben zu verorten? Es scheint mit beidem zu tun zu haben: Man schweigt und drückt sich dennoch aus.

Wie ist es mit dem Lesen? Zunächst können wir sagen: Schreiben hängt mit Lesen zusammen. Sollte Sie diese Feststellung etwas überraschen, dann lassen Sie uns bitte das Wort »Lesen« auf seine ursprüngliche Bedeutung zurückführen: Unter »legere« verstanden die Römer in einer konkreten Bedeutung »sammeln«, »pflücken« und »zusammentragen«. In einer übertragenen Bedeutung war damit das Deuten und Zusammensetzen von Buchstaben gemeint. Die konkrete Bedeutung hat sich bis heute in Wörtern wie »Lese« und »Weinlese« erhalten. Wir dürfen daher unter der »Lese« nicht die Beschäftigung mit Buchstaben, die aneinandergereiht Worte und Begriffe ergeben, mit denen wir die Wirklichkeit zu erfassen versuchen, verstehen. Bei Weitem nicht. Die Lese ist vielmehr das Einsammeln reifer Früchte.

Und dennoch kann es passieren, dass beide Bedeutungen zusammenkommen: Das Lesen eines Buchs kann einem Sammeln von Früchten gleichkommen, wenn es in dem Buch um besondere Erkenntnisse geht. Um Erkenntnisfrüchte, die es zu pflücken gilt.

Die Lese darf also weder zu früh noch zu spät erfolgen. Das gilt für beide Seiten, für die Frucht und für den Sammler beziehungsweise den Leser gleichermaßen. Dessen ungeachtet geschieht es trotzdem häufig, dass der Leser den »Ruf der Reife« nicht abwartet. Er folgt eher seiner Ungeduld oder seiner Unruhe. Dann aber ereignet sich kein Lese-Vergnügen, denn dann verweigert sich das Gelesene dem Leser oder umgekehrt, der Leser dem zu Lesenden, und jeder bleibt bei sich, voneinander unberührt und damit gewissermaßen unerkannt.

Bleiben wir einen Augenblick länger bei der Lese, so werden wir gewahr, dass sie nur ein weiterer Schritt in der Wandlung der Früchte und des Lesers ist. Das beinhaltet schon die Tatsache, dass einige der Früchte sofort verzehrt werden. Es sind derer aber so viele, und bei genauerem Hinsehen ist der Ertrag so reich, dass wohl niemals ein einziger Leser auch nur einen nennenswerten Teil davon vertragen könnte. Der Ertrag ist einfach unermesslich.

Und so geschieht es dem Schreibenden. Ausgestattet mit den Werkzeugen der Sprache, »liest« er das Geschehene zusammen und sammelt das Erlebte ein. Deswegen folgt das Schreiben wie die Lese der Reife der Frucht. Die Reife aber ist nicht immer gegeben. In einem ganzen Buch sind manchmal nur wenige Sätze oder Passagen, die der Lese wirklich entsprechen. Sie sind dann mehr »der Lese wert« als andere Passagen.

Beides also, sowohl Lesen als auch Schreiben, können Gold oder aber Silber sein, um noch einmal auf die alte Redewendung zurückzukommen.

Der überwiegende Teil des Buches beschreibt die Suche und das Ringen um die Frucht. Nicht die Frucht selbst. Diese kann nämlich nur im Lesenden zur Reife gelangen.

Leser und Schreibender ernten nicht exakt die gleiche Frucht. Das ist ein Geheimnis. Die Lese ist eine Haltung, die sich ereignet, wenn die Umstände reif sind. Damit ist die eigentliche Frucht das, was kurzzeitig wirkt, wenn ein Augenblick gelesen wurde. Wurde der Augenblick wirklich geerntet, so ist er gelesen. Ist er gelesen, so ist er für den Leser »erlesen«. Und im Erlesen-Sein findet eine gewisse Vollendung statt, an der wir als Menschen Anteil haben. Wir waren dabei, und wir wissen es. Mehr können wir nicht tun. Mehr müssen wir nicht tun.

Dann aber keltert und destilliert der Schreibende das Aufgelesene und füllt das Destillat ab. So kann ein Buch entstehen. Es ist in der Regel ein niedergeschriebenes, mithin abgefülltes Destillat. Ein Trank für gewisse Anlässe. Dieses Buch hat jedenfalls solch eine Entstehungsgeschichte. Es ist die Geschichte einer bestimmten Lese und lädt Sie, liebe Leserin und lieber Leser, ebenfalls zu einer Lese ein. Lesen Sie aber in sich selbst. Die Worte des Buches sind lediglich das gewisse Etwas, welches der in uns schlummernden Lese-Bereitschaft den nötigen Stoß versetzt, damit sie aus ihrem Schlummer erwacht. Es sind aber Ihre eigenen Früchte, die Sie ernten werden und nicht meine. Das ist mir wichtig zu erwähnen. Denn stimmt die Zeit, dann fällt die Frucht. Ihre Anwesenheit als Leser macht aus dieser Tatsache einen erlesenen Moment. Auf jeden Fall wünsche ich Ihnen solche Momente.

DAS ALLEINSEIN

Sind wir vereinzelt, und wenn ja, was soll die Frage?

»Sobald ich jetzt sagen muss: ›Ich halte die Einsamkeit nicht mehr aus!‹, so empfinde ich eine unsägliche Erniedrigung vor mir selber – ich bin dem Höchsten, das in mir ist, abtrünnig geworden.«

Friedrich Nietzsche (1844–1900)

»Das Wesen des Menschen ist seine Einsamkeit … Sie ist unerträglich und verlangt nach Linderung. Linderung ist möglich dank der Sprache. Die Sprache führt zum Entstehen eines Gegenübers und zu Verhaltensweisen, die den Anschein erwecken, als existiere er wirklich …«

Samuel Beckett (1906–1989)

Wir fühlen uns oft allein. Zuweilen sogar sehr allein. Sind wir denn tatsächlich allein? Es lohnt sich, unser Konzept des Alleinseins infrage zu stellen, denn häufig fühlen wir uns allein, ohne uns dieses Zustands in seiner Tiefe bewusst zu sein.

Wenn wir unsere Vereinzelung spüren, uns allein fühlen, verpassen wir eine große Chance, denn wir könnten des All-Ein-Seins gewahr werden. Das All-Ein-Sein hat mit Alleinsein und Einsamkeit nichts, sondern eher (ganz viel) mit Ruhe, Glück und Offenheit zu tun. Schritt für Schritt wollen wir uns in diesem Buch dem annähern, was das All-Ein-Sein ausmacht. Bevor wir das tun, müssen wir uns mit dem beschäftigen, was mit dem All-Ein-Sein gern verwechselt wird, nämlich mit dem Alleinsein.

Es ist schon sehr bemerkenswert, dass wir das All-Ein-Sein im Alltag so selbstverständlich zum Alleinsein erklärt haben, sodass das All-Ein-Sein so gut wie keine Rolle mehr spielt. Das ist seltsam. Mehr als seltsam. Es ist aber der Ort, an dem unsere Lese ihren Anfang nimmt.

Hinterfragen wir unser Konzept des Alleinseins!

Was also ist geschehen? Eine Verkehrung hat stattgefunden. Wir haben uns angewöhnt, nur noch unsere Vereinzelung zu spüren, statt uns nach der Offenheit, nach dem All-Ein-Sein auszurichten. Wir haben es aus unserem Bewusstsein verdrängt. Diese Verdrängung wiederum geschah lautlos und nahezu unbemerkt. Sie ereignete sich als ein Wechsel in das selbstständige und ichbezogene Alleinsein. So scheint es also, dass alles beim Alten geblieben ist, und trotzdem hat sich alles geändert, und zwar grundsätzlich. Das Grundsätzliche dieser Veränderung fällt ebenfalls nicht mehr auf, weil es eben zur Gewohnheit geworden ist. Wir leben in und mit seinen Folgen.

Es ähnelt dem, was in der Bibel geschrieben steht: Nach der Vertreibung aus dem Paradies setzt man vorrangig alles daran, den entfachten Kampf ums blanke Überleben zu bestehen. Es geht nicht mehr darum, im Diesseits wieder ins Paradies einzuziehen, allenfalls nach dem Tod. Das Paradies auf Erden scheint nicht mehr möglich.

Nun ist es aber so. Wir leben und erleben das Alleinsein und vernehmen kaum einen Hinweis auf das All-Ein-Sein. Und weil das unsere Realität ist, beginnen wir bei ihr und schauen genau auf das, was es mit dem Alleinsein auf sich hat. Wir beginnen mit der Lese sozusagen außerhalb des Paradieses.

Als hätten wir aufgegeben,hinter das Alleinsein zu blicken

Was fühlen wir also, wenn wir sagen, wir seien allein? Und noch genauer: Was fühlen wir, wenn wir plötzlich sagen müssen, dass das Alleinsein, so es länger andauert, unangenehm, ja, unerträglich sei, sodass wir bereit wären, vieles zu tun, um es nicht erleben zu müssen?

Wir bemerken, wenn wir uns allein fühlen, dass unser Brustkorb enger wird und die Atmung dadurch schwerfälliger. Wir finden uns in einem zunehmend als beklemmend erscheinenden Zustand vor. Es ist eng. Sehr eng. Wir sind eng. Wir sind die Enge. Wir fühlen uns zusehends getrennt von allem, nicht nur von einer konkreten Person. Wir glauben, nur auf uns selbst zurückgeworfen zu sein. Es fühlt sich so an, als gebe es nur noch uns, und niemand und nichts wäre an uns interessiert. Wir sacken immer mehr in uns zusammen. Das ist wortwörtlich gemeint. Der Raum wird immer kleiner. Gleichzeitig wird dieser Raum nahezu ausschließlich von unserem Ich-Gefühl ausgefüllt. Dieser Raum fühlt sich eben nicht leer an. Ganz im Gegenteil. Er ist mit dem pochenden Ich-bin-da-Gefühl gefüllt und mit nichts anderem sonst. Dieser Raum pocht und ereignet sich als das Ich-bin-da-Gefühl.

In den Zeiten des Alleinseins sind wir auf das rudimentäre Ich-bin-da reduziert. Wir sind uns dieses Zustands gewiss – so sehr, dass alles andere ausgeblendet wird und der Zustand selten so deutlich ins Bewusstsein tritt wie hier.

Was seltsam ist, ist die Tatsache, dass die Selbstgewissheit, die wir unter anderen Umständen eher vermissen und viel öfter in aller Deutlichkeit fühlen möchten, mit dem Gefühl der Enge, der Verlassenheit, der Trennung oder gar der Isolation stärker wird. Das ist ein Phänomen. Seltsam ist auch, dass je mehr und stärker wir uns endlich als Ich-bin wahrnehmen, desto stärker wird auch das Gefühl der Einsamkeit und der Trennung von allen anderen. Mehr noch: Mit dem – überwindbaren – Ich-bin-Zustand wächst die Stärke der Trennung ins Unerträgliche, was zur Folge hat, dass wir, auf uns selbst zurückgeworfen, uns selbst nicht mehr ertragen können. Der diesen Prozess begleitende Schmerz macht es uns in einem bestimmten Stadium einfach unmöglich, etwas Gutes in unserem Jetzt-Zustand zu sehen.

Gäbe es eine hundertprozentige Gewissheit über die Isolation, so ginge sie mit dem Ver-rückt-Werden einher. Unsere zunehmend qualvolle Selbstgewissheit zwingt uns eine Bewegung hin zur Isolation auf. Sie ver-rückt uns damit aus einem anderen, uns noch nicht bewussten Zustand hinaus in die Vereinzelung des Ich-bin. Sie zwingt uns, das Paradies zu verlassen. Und es sieht sogar so aus, als sei dieser Schritt notwendig und nicht von uns gemacht worden. Unsere Geschichte beginnt mit ihm. Und mit der Geschichte kann nun wirklich die Lese beginnen.

Wir sind ver-rückt, ohne es zu merken

»Eine alte Frau fragte: Ich bin eine Sünderin und lebe in Fantasien. Wie kann ich mich befreien? Chao-chou antwortete: Bete, damit alle Lebewesen im Himmel wiedergeboren werden, und bete, damit du für immer in der Hölle bleibst.«

Meister Chao-chou (778–897)

»Dieses heißt Schicksal: gegenüber seinund nichts als das und immer gegenüber.«

Rainer Maria Rilke (1875–1926)

Es ist wirklich verrückt. Ver-rückt. Die Zuspitzung dieser Gedankenbewegung mündet in der Unerträglichkeit der weiteren Fortsetzung unserer Selbstgewissheit als Isolation. Entweder wir geben diese Bewegung rechtzeitig selbst auf, oder aber – und das ist die gänzlich unkalkulierbare Variante – wir bleiben ver-rückt.

Die allermeisten von uns haben sich für die erste Variante entschieden. Das ist auch gut so, denn nur so konnten wir überleben. Nur so konnte unser »Ich« überleben. Manche aber konnten es nicht. Andere wollten mehr von sich und nur von sich selbst besitzen und haben sich dabei verloren. Sie wurden an sich selbst ver-rückt.

Das Spiel mit dem Alleinsein ist also gefährlich. Sehr sogar. Seine Grenzen und Regeln sind nicht ganz klar. Vielleicht ist es so, weil es gar keine Regeln gibt, auf die wir hier zurückgreifen können? Vielleicht sind nicht wir es, die da spielen, sondern wir selbst sind das Spiel? Eine Art spontane und unendlich komplexe Entfaltung der Fantasie? Dann wären wir allerdings das Spiel und gleichzeitig seine Regeln. Und dann wird das Spiel deutlich und mit ihm seine Regeln. Gleichzeitig, einmalig und frisch.

Also ist Mut gefragt. Mut, um einzusehen, dass die Wirklichkeit nicht wirklich abgewiesen werden kann. Sie ist da und will gelebt werden. Vielleicht will sie uns haben, obwohl es den Anschein hat, als läge die Wahl bei uns. Aber wie gesagt, vieles scheint nur so und ist dann ganz anders. Denn das Wählenwollen setzt unser »Ich« bereits voraus, und gleichzeitig erfahren wir, dass unsere Selbstgewissheit nicht wirklich haltbar ist. Das ist doch merkwürdig, oder?

Und stimmen wir manchmal der Wirklichkeit zu, dann geschieht etwas Unerwartetes: Sie erfüllt uns mit ihrem Sosein. Vielleicht nennen wir diese Erfüllung Liebe? Ob wir dann auch noch, also in der Fülle, gleichzeitig bei uns sind und »wir« sind, sei dahingestellt, und es kann auch dahingestellt bleiben, denn es interessiert hier und jetzt nicht wirklich. Weshalb? Wegen der Fülle. Sie lässt keine Fragen offen, weil sie keine entstehen lässt. Vielleicht zeigt sich hier zum ersten Mal das All-Ein-Sein? Und wenn ja, dann muss im gleichen Augenblick unser Alleinsein weichen. Das wäre zumindest schon mal ein erster Hinweis.

Wir greifen nach einem angenehmen Ich-Konzept

Die bisherige Beschreibung macht deutlich, weshalb wir nur sehr selten wirklich »wir« sind und im unmittelbaren Ich-Gefühl verweilen können. Der Preis dafür ist hoch. Vielleicht sogar zu hoch, um dauerhaft gelebt werden zu können. Mehr noch: Er ist schlichtweg nicht auszuhalten. Bleibt deswegen vielleicht unsere Selbstgewissheit eine Idee, ein Wunsch und ein nicht erreichbares Ziel? Wir wissen es nicht wirklich, und wenn wir nicht innehalten und uns infrage stellen lassen, und zwar vom All-Ein-Sein, dann werden wir es auch nicht erfahren können, denn wir würden einfach so weitermachen wie bisher. Wir würden um jeden Preis »ich« sein wollen. Das ist dann auch der Grund, weswegen wir mehr Zeit damit verbringen, einem angenehmeren Ich-Gefühl oder Ich-Bild nachzulaufen, als ein »Ich« wirklich zu sein. Das Ich-sein-Wollen ist aber nicht gleichbedeutend mit einem dauerhaften Ich-Sein. Leider nicht. Eher das Gegenteil ist der Fall. Aber das scheint unser Vorhaben, es trotzdem zu wollen und das sogar sehr, nicht wirklich zu stören.

An dieser Bewegung wird deutlich, dass wir »ich« nicht sind, sonst müssten wir das »Ich« nicht ständig erreichen wollen. Aber etwas drängt uns dazu, und so wollen wir »ich« sein. In Reinkultur sozusagen. Das ist die Richtung der Selbstentwicklung unserer Zeit. Wir nennen sie auch »Selbstverwirklichung«. Dabei merken wir nicht, dass die Selbstverwirklichung bereits ein »Selbst« voraussetzt, also eine Art »Ich«, das da sein sollte, bevor die Suche losgehen kann. Ist uns das bewusst? Liegt uns unser »Selbst« wirklich so eindeutig zugrunde, dass wir die nächsten Schritte auf diesen Grund setzen könnten? Wohl nicht. Wir machen aber trotzdem so manche Schritte. Auf jeden Fall bilden wir uns ein, sie zu tun. Vielleicht hängen die Schritte in der Luft? Vielleicht schmücken wir uns mit fremden Federn und leben in der Einbildung? Es könnte durchaus so sein.

Auch das Zen wird gerne bei der Bemühung um Selbstverwirklichung in Anspruch genommen, weil es den Anschein erweckt, es sei ein Weg, ein spiritueller Weg sogar, den ein »Ich« betreten könnte. Wer denn sonst? Also wird auch hier ein »Ich« bereits stillschweigend vorausgesetzt und auf eine spirituelle Reise geschickt.

Da aber Wege bekanntlich immer irgendwo hinführen und im Falle von spirituellen Wegen sogar in einen höheren und besseren Zustand, sollte uns das Zen genau »dorthin« bringen. Wie wir also sehen, setzt solch ein Denken bereits alles voraus: Uns, einen Weg und ein Ziel. Ziemlich viel Gewissheit, ja, Selbstgewissheit für den Anfang, oder?

Gehen Sie deshalb bitte nicht weg und auch nicht mit. Bleiben Sie bitte dabei, indem Sie den Ort, an dem Sie sich jetzt befinden, nicht verlassen. Versuchen Sie aber nicht, bei sich zu bleiben, denn auch das geht nicht. Was aber geht, ist, die Lese geschehen zu lassen, denn nicht wir haben dazu beigetragen, dass die Früchte reif geworden sind. Lesen ist empfangen und nicht, sich etwas vor-zu-stellen.

Ich allein?

»Eremit: ein Mensch, dessen Laster und Torheiten ungeselliger Art sind.«

Ambrose Bierce (1842–1914)

»Egoismus ist Einsamkeit.«

Friedrich Schiller (1759–1805)

»Auch die Bergelädt man zum Garten mit hineingroßes Sommerzimmer.«

Matsuo Basho (1644–1694)

Zunächst einmal wird klarer, dass wir in dem Augenblick, in dem wir »wir« zu sein meinen, ganz auf uns zurückgeworfen sind. »Wir« und »uns« ist hier aber gleichbedeutend. Wir fühlen uns nicht, sondern wir denken ein Fühlen, oder anders formuliert: Ein Ich-Gefühl geschieht nur dann, wenn wir bereit sind, den Preis der Trennung von allem zu zahlen und uns als getrennt vorzustellen. Sind wir dann aber wirklich ein getrenntes »Ich«? Oder kokettieren wir vielmehr mit dem Ich-Gedanken und verschieben so den Zahltag für diese Vorstellung eines Selbst auf später? Der Standardpreis für das Ich-Gefühl heißt hier nämlich: Einsamkeit. Die Loge der Selbstgewissheit, in der wir sitzen wollen, wird mit Isolation vergolten. Das allerdings hat man uns verschwiegen. Warum eigentlich?

Wir sind nur »ich« und ganz »ich«, wenn wir es schaffen, von anderen und anderem getrennt zu sein. Das geht, wenn überhaupt, nur für wenige Augenblicke. Aber wie seltsam: Wir können diese Augenblicke weder wirklich fassen, behalten, geschweige denn genießen. Mehr noch: Wir können sie nicht einmal ertragen, weil wir uns selbst nicht wirklich ertragen können. Warum? Weil es zu schmerzhaft ist, die wirkliche Trennung zuzulassen und aufrechtzuerhalten.

Spätestens jetzt bekommen wir es mit der Angst zu tun. Mit der Angst davor, nicht wirklich zu wissen, was wir tun können, um da zu sein, und mit der Angst, nicht wirklich zu wissen, wer wir eigentlich sind, auch wenn wir gelegentlich das Ich-Gefühl zu haben meinen.

Die Angst zwingt uns, Fragen zu stellen. Ist das Beschriebene immer noch das Alleinsein, oder zeigt sich darin doch schon das All-Ein-Sein? Aber nicht zu schnell, bitte. Wir stellen zwar immer wieder Fragen, aber wir haben uns noch nicht infrage stellen lassen. Letzteres steht noch aus und wird vom Alleinsein vermieden.

Die Suche nach uns selbst kann uns einsam machen

An dieser Stelle halten wir einen Augenblick inne. Wir sind doch vom Alleinsein ausgegangen und landen nach wenigen Sätzen in der Einsamkeit oder gar Isolation als der Steigerungsform von Einsamkeit. Wie kann das sein?

Ist also Alleinsein gleichbedeutend mit einsam sein? Und ist einsam sein wirklich gleichbedeutend mit getrennt oder gar isoliert sein? Wenn wir dem gewöhnlichen Sprachgebrauch folgen, dann ist das so. Aber vielleicht ist dem täglichen Sprachgebrauch durchaus daran gelegen, der Angst, die wir bereits kurz zu spüren bekommen haben, auszuweichen und durch geschickte Synonymbildung das Alleinsein als so gefährlich einzustufen, dass es unter (fast) allen Umständen vermieden werden sollte? Denn bedeutet Alleinsein Getrenntsein, und ist Getrenntsein wiederum mit Verlassenheit oder gar Isolation gleichgesetzt, dann sind wir froh, alle diese Bereiche nicht wirklich erfahren zu müssen, und wenn doch, dann nur in äußerst begrenztem Umfang, eben dann, wenn uns beispielsweise das Zusammensein mit jemandem einfach zu anstrengend wird. Bei solchen Ausflügen in die Einsamkeit haben wir normalerweise die Rückfahrkarte mitgebucht.

So gesehen ereignen wir uns in einem Zwischenbereich, zwischen dem All-Ein-Sein und dem Alleinsein. Das sehen wir natürlich nicht so und glauben fest daran, allein zu sein und allein sein zu können. Aber wie gesagt: Wir glauben daran, was nicht heißt, dass wir das Alleinsein ertragen können, geschweige denn, dass wir allein sind.

Wovor haben wir wirklich Angst? Und was verbirgt sich hinter dem Alleinsein wirklich? Vielleicht ist das Alleinsein eine Art der Vermeidung von All-Ein-Sein?

Diese Fragen stellen wir im Alltag selten, und wenn doch, dann verknüpfen wir sie durch geschickte Wortwahl mit Ereignissen wie Einsamkeit oder Verlassenheit, die in uns sofort negative Gefühle hervorrufen und dadurch in aller Regel gemieden werden. Denn wer möchte schon ernsthaft die Erfahrung eines All-Ein-Seins machen, wenn damit Trennung, Verlassenheit oder gar Isolation gemeint ist?

Deswegen fliehen wir davor, vom Alleinsein zum All-Ein-Sein zu kommen. Nicht weil wir das All-Ein-Sein erfahren hätten, sondern weil wir es verwechselt haben. Wir haben es mit etwas gleichgesetzt, das wir bereits als eine sehr negative Erfahrung ins Gedächtnis aufgenommen haben. Das erklärt die Tatsache unserer Vermeidungsstrategie. Und je nach persönlichem Charakter und Bildung haben wir ganz unterschiedliche und zuweilen ausgeklügelte Verhaltensweisen entwickelt, die unseren wie auch fremden kritischen Überprüfungen problemlos standhalten können. Wir fliehen auf unterschiedliche Weise. Eine davon, die heute bereits weit verbreitet ist, ist die Meditation. Erstaunt Sie das? Ich hoffe, dass es Sie wach und neugierig macht. Das würde vollkommen reichen, um bei der Lese zu bleiben.

Es kommt der Frage nichtauf die Antwort an

»Was für einen Sinn hatte das Kommen des Patriarchen aus dem Westen? Der Meister sagte: Die Kuh ist aus dem Stall weggelaufen.«

Meister Chao-chou (778–897)

»Wenn wir ein Problem haben und eine Stunde Zeit, dann sollten wir uns 55 Minuten mit der Frage beschäftigen und 5 Minuten mit der Antwort.«

Albert Einstein (1879–1955)

Wir stellen die Frage nach dem All-Ein-Sein und verweilen etwas länger bei ihr, bis sie uns in sich aufgenommen hat und wir wirklich bei ihr angekommen sind. Das Ankommen bei der Frage werden wir daran bemerken, dass sie uns infrage stellt und wir uns dadurch infrage gestellt fühlen.

Zugegeben, das Infrage-gestellt-Werden ist nicht immer ein angenehmes Gefühl, aber ein notwendiges, denn nur so ereignet sich das Fragen. Halten wir es aber aus? Lassen wir es wirklich zu? Selten. Sehr selten sogar. Deswegen erweist es sich als hilfreich, das Fragen bewusster wahrzunehmen, denn sonst laufen wir Gefahr, sofort nach Antworten zu suchen, ohne dabei zu merken, dass wir genau dadurch vor der Frage weglaufen. Weshalb laufen wir weg? Weil wir uns durch das Infragestellen auf ungewohnte Weise berührt und verunsichert fühlen. Also richten wir unsere Lese auf das Fragen aus: Was geschieht, wenn sich eine Frage ereignet?

Innehalten beim Fragen

Fragen entspringen dem Nichtwissen. Je tiefer beziehungsweise bedeutender die Frage ist, umso größer das ihr zugrunde liegende Nichtwissen. Das hört sich schlüssig an, und im schlüssigen Klang dieser Feststellung liegt auch schon die erste Gefahr. Weil es schlüssig klingt, überfliegen wir solche Sätze, ähnlich wie wir bei der Trauben-Lese die leicht zugänglichen Früchte nahezu mechanisch pflücken. Nur die schwer zugänglichen verlangen etwas mehr Aufmerksamkeit von uns, sodass wir, um sie lesen zu können, das häufig mechanische und daher unbewusste Pflücken unterbrechen müssen. Die schwer erreichbare Traube hat durch ihre Besonderheit unsere Pflückgewohnheit infrage gestellt. Wir müssten, um sie zu lesen, die Bewegung ändern, was natürlich im Falle des Pflückens von Trauben selten ein wirkliches Problem darstellt. Ganz anders verhält es sich aber mit den sogenannten wichtigen Fragen. Manche davon bergen in sich das Potenzial, unser bisheriges Leben gänzlich durcheinanderzubringen, kämen wir ernsthaft auf die Idee, nach einer Antwort zu suchen. Deswegen lassen wir bestimmte Fragen auch nicht wirklich zu. Und wie machen wir das? Beispielsweise indem wir die Frage übergehen. Klingt einfach, ja, nahezu platt.

Nun aber langsam: Wir sind doch keine einfach gestrickten Ignoranten. Wir doch nicht. Damit meine ich Sie und mich. Dass wir keine Ignoranten sind, zeigt sich daran, dass ich solch ein Buch schreibe und Sie es lesen. Wir beschäftigen uns doch gerade mit wichtigen Fragen, was als das glatte Gegenteil der Ignoranz verstanden werden will und muss. Und dennoch: Unsere Ignoranz ist eben eine besonders feinsinnige, sodass sie den gängigen kritischen Überprüfungen problemlos standhält. Es lohnt sich also, bei der Frage zu verweilen, anstatt in schnelle Antworten zu flüchten.

Infragestellen unerwünscht

»Linji fragte Leptu: Von alters her nutzte einer den Stock, ein anderer tat einen Schrei. Was ist vertraulicher? Leptu antwortete: Keine von beiden. Linji fragte: Was ist Vertraulichkeit?Leptu schrie: Linji schlug ihn.«

Meister Linji (9. Jahrhundert)

»Der Mensch umgibt sich mit einer Wolke voller Illusionen und Hoffnungen, mit der er die Leerheit verdecken und die Einsamkeit zuzudecken versucht.«

Samuel Beckett (1906–1989)

Es spricht einiges dafür, dass wir zwar häufig Fragen stellen, aber eben uns nicht von den Fragen infrage stellen lassen. Das zweite ist ein Vorgang, den wir in der Regel geschickt vermeiden. Und weil wir glauben, den ersten Teil der Bewegung, nämlich das Stellen der Frage, durchaus bewusst und korrekt vollzogen zu haben, fällt uns das nicht weiter auf. Aber siehe da: Uns fällt nicht nur nichts weiter auf, sondern uns fällt häufig nicht wirklich etwas Neues als Antwort ein, und zwar deswegen, weil wir gar nicht in der Haltung waren, in der sich das Neue hätte ereignen können. Kompliziert? Nein, nicht wirklich. Das Ignorieren neuer Antwortmöglichkeiten geschieht eben sehr schnell und daher meistens unbewusst.

Also was tun? Langsamer und genauer werden. Sind wir es geworden, dann erkennen wir, dass wir bei der Lese sehr schnell der eigenen Bequemlichkeit und nicht der Frucht folgen. Das würde als erster und zweiter Schritt schon reichen. Diese Schritte würden aber voraussetzen, dass wir die eigene Bequemlichkeit erkennen, und das ist schwieriger, als es auf den ersten Blick zu sein scheint. Worin besteht die besagte Schwierigkeit? Sie besteht in der Art, wie sie sich zu verbergen weiß. Sie versteckt sich nämlich in unserer Anfälligkeit für angenehme Gefühle. Ein geschicktes Versteck, oder?

Dieses Versteck hat weitreichendere Folgen, als es uns wirklich angenehm wäre. Das ist ein Paradox. Vieles aber, was zunächst als angenehm daherkommt, entpuppt sich mit der Zeit als sein eigener Widerspruch und beginnt, unangenehm zu werden. Beispiele dafür bietet unser Alltag mehr als genug. Wir lassen uns aber viel lieber verführen als führen und zwar deshalb, weil die Verführung genau darauf aus ist, angenehme Gefühle in uns hervorzulocken, deren Menge wie auch Dauer für uns der Maßstab für ein – wie das Wort schon sagt – angenehmes Leben sind.

Das ist auch der Grund dafür, weswegen die meisten Meditationstechniken dann erfolgreich zu sein scheinen, wenn sie es schaffen, eher oder später ein angenehmes Leben in Aussicht zu stellen. Wenn Sie das nicht glauben, dann fragen Sie sich bitte, wie viele Wellnesseinrichtungen Sie gesehen haben, in denen es keine Buddha-Statuen gibt oder die nicht »östlich« anmuten? Und von der sogenannten Meditationsmusik mal ganz zu schweigen, und zwar wortwörtlich genommen.

Das Gesagte gilt natürlich auch für das Zen. Leider. Seine Popularität verdankt das Zen eben solchen Missverständnissen. Das wohl größte Missverständnis besteht darin, dass wir ein »angenehmes« Leben mit möglichst häufig vorkommenden schönen Gefühlen und Zuständen verwechseln. Erwacht oder erleuchtet zu sein, wird in der Vorstellung folgenschwer mit sehr intensiven angenehmen Gefühlen gleichgesetzt.

Für viele von uns wäre solch ein Zustand, so er noch von Dauer wäre, der Gipfel der Gefühle schlechthin. Deswegen praktizieren wir oft und sehr ausdauernd das Zazen und hoffen auf ein »Gipfelerlebnis«.

Ein »angenehmes« Leben aber bedeutet zunächst einmal nichts anderes als ein angenommenes Leben. Denn genau das bringt das Wort »angenehm« zur Sprache. Mehr nicht. Es ist »genehm«, weil es genommen worden ist. Und ein angenommenes tägliches Leben würde an sich schon reichen und zwar so sehr, dass wir eben deswegen selten ein angenommenes Leben führen. Warum? Weil wir schlicht und einfach auf seine Fülle nicht vorbereitet sind. Erinnern Sie sich bitte, dass selbst unsere Zazen-Übung diese offensichtliche Tatsache ebenfalls übergeht und auf ein angenehmeres Erlebnis aus ist. Deswegen reduzieren wir das Zazen auf das, was uns erträglich zu sein scheint oder eben schöne Gefühle hervorruft, was letztlich identisch ist. Diese Momente nehmen wir dann an, natürlich in der Hoffnung auf mehr. Es sind dann die angenommenen, also die angenehmen Augenblicke. Und sind sie mal nicht da – was häufig der Fall ist –, dann verbringen wir unsere Zeit damit, auf solche Momente zu warten oder auf die Umstände des Lebens derart einzuwirken, dass sie, unseren Vorstellungen von Gut und Schön folgend, die ersehnten Gefühle endlich in uns hervorbringen.

Wer es besser haben will, ist nicht mehr im Hier und Jetzt

Die erste Haltung wird in der Regel mit den verschiedenen Meditationstechniken verwechselt, während die zweite Haltung den sogenannten aktiven Alltag darstellt.

Schauen wir uns mal die erste der beiden Haltungen an:

Es gab und gibt immer wieder Menschen, die große Teile ihres gegenwärtigen Lebens wortwörtlich aufs Spiel setzen, indem sie sich zuweilen strengen meditativen Übungen hingeben, damit ihnen und als Folge ihrer Anstrengungen ein dauerhaftes Glück beschert werde. Denn – und das ist gewiss sicher – alles, was im Alltag erlebt und gefühlt werden kann, ist von flüchtiger Natur. Nichts ist von Dauer. Das sehen wir alle problemlos ein. Aber stimmt für uns der Satz wirklich? Nein, eben nicht. Denn von dieser Erkenntnis haben wir die »spirituellen« Vorstellungen ausgenommen, da wir diese auf das dauerhafte Wohlbefinden und Glück beziehen. »Dort«, auf der wie auch immer vorgestellten »spirituellen« Ebene, sei alles anders, natürlich besser und zeitlos dazu. Zeitlos bedeutet aber nicht ewig, dennoch wird das eine mit dem anderen häufig verwechselt. Ein kleiner Irrtum mit großen Folgen.

Viele Klöster und Meditationszentren in Ost und West waren und sind immer noch Orte solcher Bemühungen. Was für ein Missverständnis geht mit solch einer Übung einher, und was macht sie mit den Übenden? Was geschieht mit dem Meditierenden, der auf ein künftiges Glück hin seine Übung ausrichtet? Was ist das für eine Haltung, in der die Fülle des Soseins nicht augenblicklich gelebt werden will, in der Annahme, dies sei die beste Vorbereitung auf die endgültige oder ewige Fülle und Glückseligkeit?