Alles abgerupft! - Das rasende Rentier - Steffi Bunt - E-Book

Alles abgerupft! - Das rasende Rentier E-Book

Steffi Bunt

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Beschreibung

Acht Arme für alle Fälle - das sind Vicky, Jo, Rike und Kante von der Oktopus-Bande. Mit Mut, Durchblick und Fruchtgummis stürzen sich die vier Freunde in jedes Abenteuer. Acht Arme für alle Fälle, geklauter Rosenkohl, Einbrüche und jede Menge abgerupfte Weihnachtsdekoration: Advent, Advent, kein Lichtlein brennt in Ulmenau? Nicht mit Vicky, Jo, Rike und Kante! Schließlich gilt es, den Lichterwettbewerb zu gewinnen. Zwischen Plätzchenbacken, Wunschzetteln und Weihnachtsgeheimnissen nehmen die Oktopusse die Ermittlungen auf. Doch mittendurch galoppiert ein blitzschnelles Rentier und was hat eigentlich der bärtige Typ mit der Vorliebe für finnischen Käse in seinem Sack? Der Vorläufer zum zweiten Band der Reihe machte im Jahr 2020 einen rasanten Weg durch die Medien. Radio und Zeitungen berichteten über den Kinderkrimi, der auf vielen Schulhomepages und Blogs als Lesefutter für den Lockdown zu finden war und es schließlich auf Landesbildungsserver und die Homepages der Stiftung Lesen und des Legasthenieverbandes schaffte. Die Bände der Reihe sind so aufgebaut, dass sie auch einzeln in beliebiger Reihenfolge gelesen werden können.

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Seitenzahl: 202

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Weitere Abenteuer von den „Acht Armen für alle Fälle“ sind erhältlich:

Geheimnisse im Grünen Winkel – Der doppelte Darkie

Krass von der Rolle – Corona, Chaos, Klopapier

Weitere Abenteuer sind in Vorbereitung.

Steffi Bunt

Steffi Bunt schreibt, seit sie Buchstaben auf das Papier bringen kann. Als Lehrerin und Mutter von zwei Jungen und zwei Mädchen inspiriert ihr Alltag sie zu ihren Geschichten. Sie lebt mit ihrer Familie in Ulmenau, wo die „Acht Arme“ viele ihrer Abenteuer erleben und das im echten Leben natürlich anders heißt. Das Fachwerkstädtchen an der Lutte liegt ziemlich weit oben in Nordrhein-Westfalen und Vicky, Jo, Kante und Rike wohnen gleich nebenan.

1. Käse aus Finnland

2. Abriss Nummer 1

3. Wie man keinen guten Eindruck macht

4. Der Rosenkohlräuber

5. Stern über Ulmenau

6. Eine einleuchtende Idee

7. Weihnachtsgeheimnisse

8. Dunkle Gestalten und braune Blitze

9. Erwischt (und noch ein Abriss, aber der gilt nicht)

10. Kommissar Eichhorn will‘s wissen

11. In der Plätzchenbäckerei

12. Das geblitzte Rentier

13. Kläppchen 18 für Ulmenau

14. Strampeln für Strom

15. Papierflugstunde

16. Türchen auf für Lewandowskis

17. Tatsächlich Sternenstaub?

18. Der Lichterwettbewerb

19. Wettrennen mit Rentier

20. Auf der Lauer

21. Schnitzeljagd

22. Über die Lösung gestolpert

23. Zehn Arme für alle Fälle

24. Heiligabend

Ich konnte es nicht fassen. Da stand er. Dort vorn, an der Käsetheke! Plötzlich war ich ganz sicher. Das musste er sein.

Frau Goldbach, unsere Klassenlehrerin, hat uns in der Schule letztes Jahr eine Adventskalendergeschichte vorgelesen, in der tatsächlich ein Elch vom Weihnachtsmann durchs Dach gekracht war!

Den Film dazu hatten wir dann auch noch geguckt. Natürlich wussten wir, dass es nur Schauspieler sind, die die Geschichte spielen. Ich hatte mir trotzdem die ganze Zeit vorgestellt, dass alles wirklich so passiert ist.

Aber das hier, das war echt! So richtig! Und ich ganz dicht dran! Höchstens fünf Meter trennten mich von diesem Typen, der dem Weihnachtsmann verdächtig ähnlich sah!

Papa war mit Jo, Kante und mir zum Sparfuchs-Supermarkt gefahren. Ich bin Vicky. Viktoria Mathilde Lewandowski. Meine Freundin Rike konnte leider nicht mitkommen, weil sie Theaterprobe hatte. Rike ist seit dem letzten Sommer meine Freundin. Zuerst dachten wir alle, dass sie ein Geist ist und meinen Kater Darkie geklaut hätte, aber dann hörte sie auf, sich immerzu wie vor über hundert Jahren anzuziehen und half uns, Darkie zu finden. Nun gehört sie zu unserem Team.

Jo, Kante, Rike und ich sind die Oktopusse: Acht Arme für alle Fälle. Dass Rike doch kein Geist ist, sondern Talent zum Schauspielen hat, passte ziemlich gut, denn sie ist unser viertes Armpaar und so waren wir dann endlich „Acht Arme für alle Fälle“, wie es sich für einen richtigen Oktopus gehört.

Nur leider ließen die Fälle auf sich warten. Nach dem Aufspüren von Darkie hatten wir nichts mehr zu tun gehabt, mal abgesehen von dem verlorenem Amethyst-Amulett von Rikes Oma. Das ist ziemlich wertvoll. Ein Amethyst ist ein violetter Edelstein. Das Amulett stammt von Rikes Ur-Ur-Großmutter Amalie von Morgenthal und deshalb darf Rike es nur zu ganz besonderen Anlässen tragen. Die Theateraufführung war so einer und nach der Aufführung war das Amethyst-Amulett verschwunden gewesen. Aber es hatte niemand geklaut. Als wir die Filmaufnahme anschauten, konnten wir sehen, wie die Kette herunterfiel und zwischen den Spalten des Holzfußbodens verschwand. So ein richtiger Fall war das ja nun nicht, aber immerhin besser, als gar nichts zum Ermitteln zu haben. Rike hatte die Kette mit einer Nagelfeile herausgefischt.

Doch dieser Mann, der dort drüben vor der Käsetheke stand, schaute tatsächlich wirklich und wahrhaftig wie der Weihnachtsmann aus, der mal eben einkaufen geht und dabei nicht erkannt werden möchte. Er war ein bisschen rundlicher, sein Bart war ziemlich lang und ein bisschen wellig, die Haare waren grau und seine Augen himmelblau. Ich suchte den Mann mit meinem Blick von oben bis unten nach weiteren Erkennungsmerkmalen des Weihnachtsmanns ab. Er trug Jeans und dunkelbraune Stiefel, das war nun nicht so typisch. Doch dann griff er in den Korb im Einkaufswagen und setzte eine goldfarbene Brille auf, um seinen Einkaufszettel zu lesen. Na bitte, ging doch. Das weiß ja schließlich jeder, dass der Weihnachtsmann so eine Brille trägt, um die Wunschzettel zu lesen.

Was sollte ich denn bloß tun? Hingehen und ansprechen? Gleich hatte er seinen Käse gekauft und dann war er vielleicht für immer und ewig verschwunden und ich würde mich noch als Großmutter schwarz ärgern, weil ich mich nicht getraut hatte.

Das war die Gelegenheit. Ich meine, wer hat denn schon den Weihnachtsmann in echt gesehen, außer die Kinder im Film? Aber was sagt man denn da?

„Hallo, Herr Weihnachtsmann? Ich bin Vicky Lewandowski. Und wer sind Sie?“

Wahrscheinlich würde er mich für aufdringlich halten. Vor allem, falls er dann vielleicht doch nicht der Weihnachtsmann war.

„Hallo, ich bin Vicky Lewandowski. Butterkäse mag ich am liebsten. Und Sie?“

Und wenn er sich gar nicht über Käsesorten unterhalten wollte?

Aber die Chance, mit dem echten Weihnachtsmann zu sprechen, kam sicher nicht so schnell wieder. Obwohl Papa im Moment ziemlich oft zum Sparfuchs-Supermarkt fuhr. Er fuhr auch zum Aldi, zum Gemüseladen, zum Biomarkt und zum Feinkostgeschäft, denn Papa ist Koch. Er hat einen Party-Service und zur Zeit kochte er beinahe rund um die Uhr, weil jetzt überall Weihnachtsfeiern stattfanden und alle Leute Braten mit Apfelrotkohl, Klößen und Soße, Ziegenkäsepäckchen mit Pflaumenmus, glasierte Maronen - das sind Esskastanien -, und Spekulati-us-Tiramisu mit Zimt aus „Daniels Kocherei“ essen wollten. Manchmal wollten sie aber auch Kartoffelsalat mit Heißwürstchen und Marzipan-Bratäpfel mit Vanillesoße zum Nachtisch. So wie heute.

Kann man den Weihnachtsmann so einfach zum Essen einladen?

Kante schleppte einen Kartoffelsack an. „Die hier?“, fragte er.

„Nein.“ Papa schüttelte den Kopf. „Die Kartoffeln holen wir nachher im Bauernhof-Laden. Was wir jetzt brauchen, ist Marzipan. Außerdem saure Gurken. Die mit Dill! Senf ist auch alle! Vicky, hol bitte mal zwei Gläser. Den mittelscharfen mit dem grünen Deckel! Vicky? … Vicky!“

„Ja, gleich!“, antwortete ich. Ich konnte mich nicht losreißen. Aus den Lautsprechern dudelte „Jingle Bells“ und an der Käsetheke stand dieser Mann!

„Sechs Scheiben vom Biokäse mit Kräuterrand“, bestellte er.

„Was hast du?“, fragte Jo mich. Jo ist mein Cousin. Wir wohnen alle zusammen im alten Bahnwärterhaus im Grünen Winkel. Mama, Papa, mein Bruder Till, der ist schon siebzehn, und ich und außerdem Jo mit seinen Eltern.

„Der Weihnachtsmann kauft Käse“, sagte ich.

Da entdeckte auch Jo den Mann. „Glaubst du, er ist es wirklich?“, fragte er.

Ich meine, jeder möchte doch an den Weihnachtsmann glauben, oder? Mein Bruder Till sagt zwar, dass der Weihnachtsmann die Erfindung eines Limoherstellers ist, aber ich glaube das nicht.

Klar habe ich schon ganz oft einen Weihnachtsmann gesehen: auf dem Christkindlmarkt oder dem Adventskrämchen oder im Kaufhaus oder auf der Nikolausfeier vom Kletterverein. Aber die waren ja bloß verkleidet. Die trugen einen roten Mantel mit weißer Watte dran und einen unechten Bart. Die wollten unbedingt wie der Weihnachtsmann aussehen.

Doch dieser hier, der sah nicht so aus, als ob er sich mit Absicht verkleidet hätte. Der sah echt aus! Sogar der Bart!

Frau Goldbach hat uns vorgelesen, dass der Weihnachtsmann nicht für Geschenke wie ein Tablet oder einen neuen Tennisschläger zuständig ist, sondern mehr für die Wünsche, die man mit Geld nicht kaufen kann.

Ich wusste schon ganz genau, was ich mir zu Weihnachten wünsche. Eigentlich weiß ich das immer schon spätestens in den Sommerferien. Da fange ich auch an, Weihnachtslieder zu hören. Eher darf ich nicht.

Papa sagt, Weihnachtslieder sind frühestens ab August erlaubt, wenn es die ersten Lebkuchen in den Supermärkten gibt. Aber ich finde, dass man vorher zumindest schon „Seht, es naht die heilige Zeit“ singen, hören oder auf der Geige spielen kann, denn dass die heilige Zeit naht, das stimmt ja immer. Jeden Tag kommt Weihnachten ein bisschen näher. Man kann also schon am Tag nach Weihnachten wieder damit anfangen, „Seht, es naht die heilige Zeit“ zu singen und sich auf das nächste Weihnachten zu freuen.

Dieses Jahr sah mein vorläufiger Wunschzettel so aus:

Aber ich weiß nicht, ob das mit der Kreide und den bunten Haaren bei mir so gut funktioniert, weil ich rote Haare habe. So dunkelrot, fast wie Kastanien. Bei Rike geht es bestimmt auch nur ein bisschen. Sie hat dunkelbraune Haare. Aber bei Tessa würde es super gehen. Sie ist hellblond.

Tessa ist seit dem Kindergarten meine Freundin. Vor etwas mehr als einem halben Jahr ist sie mit ihren Eltern nach London gezogen, weil ihr Vater in Ulmenau keine Arbeit gefunden hat. Zuerst haben wir uns Briefe und Päckchen geschickt und das machen wir immer noch, aber in den Sommerferien konnte ich Mama und Papa endlich davon überzeugen, dass es eine gute Idee wäre, wenn Tessa und ich skypen dürften.

Tessas Eltern haben eine deutsche Bäckerei in einem Vorort von London aufgemacht und in den Sommerferien hatten sie mich eingeladen! Ich hatte mich schon so sehr gefreut, aber es ging nicht. Allein durfte ich nicht mit der Bahn fahren oder fliegen und für uns alle wäre es zu teuer geworden. Das war, weil Papa seinen Job als Koch im Krankenhaus verloren hat. Also, so ganz stimmt das nicht. Er hat seine Arbeit nicht verloren, sondern er wollte nicht mehr dort arbeiten, weil er nicht mehr kochen sollte, sondern meistens nur noch warm machen, weil das Krankenhaus nun ganz viele Sachen fertig bestellte.

Ich schloss die Augen. „Jingle Bells“ war zu Ende und „Leise rieselt der Schnee“ fing an. Das musste einfach ein Zeichen sein. Denn Schnee an Weihnachten wünschte ich mir mehr als alles andere. Na ja, beinahe mehr als alles andere. Noch mehr wünschte ich mir, dass ich die Haarkreide zusammen mit Tessa ausprobieren konnte. Dann konnte es von mir aus auch regnen.

„Hey, was hast du?“ Kante knuffte mir in die Seite und warf acht Päckchen Marzipan in den Einkaufswagen.

„Da …“, sagte Jo und zeigte zur Käsetheke herüber. „Da gibt‘s was zum Probieren!“, stellte Kante erfreut fest, trabte herüber und nahm sich ein Käsespießchen von dem Teller, der auf der Theke stand.

Jetzt standen Kante und der Weihnachtsmann direkt nebeneinander und aßen Käse!

„Wollt ihr auch was?“ Kante kam zurück zu uns. „Schmeckt echt lecker.“

Kante findet fast alles lecker. Er freut sich jedes Mal, wenn er bei uns mitessen kann, denn seine Mutter hat immer Angst, dass Kante zunimmt und deshalb kocht sie alle Rezepte nach, die Kante aus seinem Gesundheitskurs von der Krankenkasse mitbringt. Da muss er jeden Dienstagnachmittag hin und dort macht Kante zusammen mit anderen Kindern Sport und danach kochen sie etwas Gesundes, das nicht dick macht.

Jo wollte zusammen mit Kante hingehen, aber er durfte nicht mit, weil er kein Übergewicht hat, eher im Gegenteil. Jo ist der kleinste Junge in unserer Klasse, aber er ist total sportlich, er sammelt Turnschuhe, klettert und im Moment trainiert er für den Christkindllauf.

Kantes Mutter möchte lieber, dass wir Anton sagen, denn so heißt Kante wirklich. Anton Waterkant. Und deshalb, wegen Waterkant, sagen wir Kante zu ihm. Also, eigentlich sagen wir das zu ihm, weil er es mag. Aber seine Mutter meint, wenn man jemanden Kante nennt, muss man sich nicht wundern, wenn der dann auch tatsächlich eine Kante wird und nicht abnimmt.

„Daniel, da ist Weihnachtskäse im Sonderangebot!“, trompetete Kante. „Finnischer, mit Gewürzen drin und der schmeckt echt lecker. Und beim Kauen quietscht der zwischen den Zähnen!“

Papa hat es ja generell nicht so mit Weihnachten. Er meint, eine Kerze auf dem Tisch, was Leckeres zu essen und ein Stapel Bücher reichen völlig aus.

Aber bei Weihnachtskäse ist das vielleicht etwas anderes. Papa ging zur Käsetheke herüber. Offenbar war der Weihnachtskäse gut, denn der Mann im roten Strickpullover ließ sich ein Stück davon abschneiden.

„Ist echt lecker, sehr empfehlenswert“, sagte der Weihnachtsmann und schob den Probierteller zu Papa herüber. „Aus meiner Heimat.“

Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig. Ich hörte wohl nicht richtig. Aus seiner Heimat? Aus seiner Heimat?! Finnischer Käse! Und der Weihnachtsmann lebt doch in Finnland ganz oben, am Polarkreis!

Eilig lief ich zur Theke herüber und schnappte mir auch ein Käsespießchen.

„Und, lecker?“, fragte der Weihnachtsmann mich.

Automatisch nickte ich. Dabei bemerkte ich vor lauter Aufregung gar nicht, wie der Käse schmeckte. Er quietschte zwischen den Zähnen, das stimmte, aber ich musste mich konzentrieren, um zu schmecken, weil mein Herz plötzlich doppelt so schnell schlug wie normal und mir im Magen ganz komisch kribbelig wurde. Der Weihnachtsmann hatte mich angesprochen! Der Weihnachtsmann! Der Weihnachtsmann!!

Der Käse schmeckte sahnig und würzig.

„Sehr gut“, antwortete ich.

„Bei uns zu Hause legen wir diesen Käse in eine Tasse und gießen heißen Kaffee drüber“, erzählte der Weihnachtsmann. „Der Käse schmilzt und dann löffelt man ihn aus. Köstlich! Schmeckt aber auch mit Preiselbeeren.“

„Papa, können wir Preiselbeeren kaufen?“, fragte ich. „Und von dem Jo-ulu-läi …“, begann ich von dem Schild vor dem großen Käselaib in der Auslage abzubuchstabieren.

„Jou-lu“, sprach der Weihnachtsmann mir vor.

„Jou-lu“, wiederholte ich.

„Läi-pa“, sagte der Weihnachtsmann.

„Läi-pa“, wiederholte ich.

„Juu-ßto“, sagte der Weihnachtsmann.

„Juu-ßto“, wiederholte ich.

„Joulu-läi-pa-juu-ßto“, sagte der Weihnachtsmann.

„Joulu-läi-pa-juu-ßto“, wiederholte ich und war froh, die Silben halbwegs unfallfrei auf die Reihe zu kriegen. Das schreibt man übrigens „Joululeipäjuusto“ und es bedeutet „Weihnachtsbrotkäse“. Das hat Jo später im Internet nachgeguckt.

„Ja, können wir“, antwortete Papa. „Zum Abendessen, mit Feldsalat und Brot.“

„Kann ich bei euch essen?“, fragte Kante.

„Wenn deine Eltern einverstanden sind“, sagte Papa. „Anton, Vicky, Jo, geht mal die Preiselbeeren holen!“

„Einen schönen Tag noch“, wünschte die Käseverkäuferin.

„Alles Gute und frohe Weihnachten“, wünschte der Weihnachtsmann.

„Auf Wiedersehen“, brachte ich mühsam heraus. „Ich kann‘s nicht glauben“, flüsterte ich dann. „Ich habe mit dem Weihnachtsmann gesprochen“, und vor lauter Aufregung und Glück musste ich einfach auf der Stelle auf und ab hopsen. „Ich habe mit dem Weihnachtsmann gesprochen. Ich habe Finnisch gesprochen …“

„Was?!“, fragte Kante. „Drehst du jetzt völlig ab?“

„Aber der Typ an der Käsetheke“, warf Jo ein. „Der mit dem weißen Bart, der sieht doch wirklich so aus wie der Weihnachtsmann.“

„Der sieht so aus“, stimmte Kante zu.

„Und er kommt aus Finnland“, sagte ich.

„Und er hat einen roten Strickpulli an“, ergänzte Jo.

„Aber deshalb ist er noch lange nicht der Weihnachtsmann“, meinte Kante.

„Und wenn doch?“, fragte ich.

„Glaubst du wirklich, dass jeder Finne mit weißem Bart und rotem Pullover der Weihnachtsmann ist?“, gab Kante zu bedenken.

„Wir haben einen Fall!“, jubelte Jo. „Wir finden heraus, ob er es ist! Wer ist dabei?“

Kante zog die linke Augenbraue hoch. Wahrscheinlich fragte er sich gerade, ob Jo noch alle Tassen im Schrank hatte.

Ich hob die Hand und gab mir mit Jo High Five. Kante überlegte noch. Dann hob auch er zögerlich die Hand. „Aber nur, wenn ihr aufhört, ständig ‚Weihnachtsmann‘ zu ihm zu sagen. Er ist ein Mann mit einem roten Pullover!“

Wir schlugen ein.

Dann liefen wir zurück zu Papa und dem Einkaufswagen. Und dann mussten wir noch einmal losgehen, weil wir das Glas eingemachte Preiselbeeren vergessen hatten.

Die ganze Zeit über hielten wir Ausschau nach dem Weihn … ähm … dem Mann mit dem roten Pullover. Wir gingen sogar extra Umwege, um den mittelscharfen Senf mit dem grünen Deckel zu holen und den Feldsalat, aber der Mann blieb verschwunden. Auch an der Kasse oder auf dem Parkdeck oder später im Bauernhofladen sahen wir ihn nicht wieder. Leider.

Als Papa das Auto vor unserem Haus im Kastanienweg 18 parkte, kam Frau Schaller schon angerannt. Ihr orange-hellblau-weißer Strickmantel flatterte hinter ihr her, so eilig hatte sie es. Frau Schaller ist unsere Nachbarin, sie ist schon etwas älter, und sie hört alles, weiß alles und meistens erzählt sie es dann weiter.

Wir stiegen aus. Frau Schaller beäugte für einen Moment neugierig unsere Einkäufe. Dann zeigte sie auf die Packung Bio-Spekulatius und fragte: „Sind die gut?“

„Ich finde schon“, antwortete Papa.

„Wo gibt es die denn?“, erkundigte sich Frau Schaller.

„Im Sparfuchs“, antwortete Kante.

„Ich frage ja nur wegen meiner Enkelkinder“, antwortete Frau Schaller. „Herr Lewandowski“, wandte sie sich wieder an Papa. „Stellen Sie sich mal vor, meine Enkelkinder Yannick und Lotta kommen nachher zu uns und übernachten auch!“

„Das ist ja ganz wunderbar!“, rief Mama, die gerade aus dem Haus kam. „Und die Spekulatius schmecken Yannick und Lotta ganz sicher!“

„Wunderbar?“, fragte Frau Schaller und guckte Mama an, als hätte sie ohne Vorwarnung auf ein Pfefferkorn gebissen. „Wunderbar nennen Sie das? Wissen Sie denn überhaupt, warum Yannick und Lotta zu Helmut und mir kommen?“

Natürlich wusste Mama das nicht. Wir alle wussten das nicht, aber allmählich interessierte mich das wirklich. Morgen war Schule und dann sollten die beiden zum Übernachten kommen? Oder waren die noch ganz klein und gingen erst in den Kindergarten? Da darf man ja manchmal fehlen, wenn man etwas anderes vorhat.

„Und was ist mit dem Müsli?“, fragte Frau Schaller, zog die Tüte Knusper-Schoko aus der Kiste und las die Zutatenliste.

„Das ist super lecker“, antwortete Kante. „Das mögen Lotta und Yannick sicher auch. Nehmen Sie bloß nicht das in der gelben Tüte mit Dinkelflocken und Trockenfrüchten. Da kaut man eine halbe Stunde drauf!“

„Ich habe schon so lange nicht mehr für Kinder eingekauft“, legte Frau Schaller wieder los. „Als mein Michael klein war, habe ich Haferbrei zum Frühstück gekocht!“

„Dann machen Sie das doch“, meinte Papa. „Gibt es bei uns auch manchmal.“

„Mit Ahornsirup“, ergänzte Jo.

„Aber Zimtzucker geht auch. Oder Marmelade“, sagte Mama schnell, als sie Frau Schallers panisches Gesicht sah. „Was haben Sie denn? Freuen Sie sich denn gar nicht?“

„Doch, schon“, begann Frau Schaller. „Aber es ist so, dass Britta, so heißt meine Schwiegertochter, dass Britta heute früh die Treppe runtergefallen ist und sich den Knöchel gebrochen hat und jetzt liegt sie im Krankenhaus. Morgen früh wird sie operiert und das so kurz vor Weihnachten, die Arme. Wer weiß, wann sie wieder nach Hause kann? Und der Michael ist bei der Polizei, der muss oft auch nachts raus und jetzt kann er sich nicht um die Kinder kümmern und deshalb hat er gefragt, ob er Lotta und Yannick zu uns bringen kann und da haben Helmut und ich natürlich nicht Nein gesagt und dann habe ich zuerst mal die Gästebettwäsche gewaschen und draußen auf die Leine gehängt, bei Frost riecht die Wäsche immer so schön frisch, aber ich weiß gar nicht, ob sie noch trocken wird, in einer Stunde kommen sie ja schon, ist ja nicht so weit von Bad Oeynhausen und überhaupt …“

„Bringen Sie die Wäsche gleich rüber, dann stecken wir sie bei uns in den Trockner“, unterbrach Mama Frau Schaller. „Und der Rest wird schon.“

„Aber was ist mit den Hausaufgaben?“, fragte Frau Schaller. „Der Yannick geht ja ab morgen in eure Klasse, ich habe vorhin schon mit Frau Goldbach telefoniert und da dachte ich, dass Yannick vielleicht mit euch zusammen Hausaufgaben machen kann?“

Frau Schaller schaute Kante, Jo und mich der Reihe nach verzweifelt an.

„Klar“, antwortete Jo. „Wenn er nett ist.“

„Das ist er ganz bestimmt.“ Frau Schaller strahlte. „Ich geh‘ dann mal die Wäsche holen!“

Papa, Mama und wir Kinder fingen an, die Einkäufe ins Haus zu tragen. Plötzlich hörten wir Frau Schaller sehr laut schreien.

„Au weia, da ist sicher was passiert“, sagte Mama. „Hoffentlich hat sich nicht noch jemand etwas gebrochen.“

„Bestimmt ist etwas mit Ottilo oder Beatritsche“, überlegte ich. Frau Schaller hat zwei Norwegische Waldkatzen und die liebt sie über alles.

Das kann ich aber verstehen, denn ich liebe meine Kater Darkie und Amadeus ebenfalls über alles. Und als Darkie genau am 1. Advent seinen Kopf in die Blumengießkanne aus Blech gesteckt hat, um daraus zu trinken und dann den Kopf nicht mehr herauskriegte, habe ich auch ganz laut geschrien!

Natürlich wollte ich Darkie helfen, den Kopf aus der Kanne herauszubekommen, aber da war er schon mit der Kanne auf dem Kopf vom Schrank heruntergesprungen oder vielleicht auch gefallen, denn er konnte ja nichts sehen und raste mit der Kanne auf dem Kopf durchs Wohnzimmer und schüttelte den Kopf immerzu, weil er ja die Kanne loswerden wollte, aber das ging nicht so einfach und überall war Wasser. Zuerst schlug Darkie mit dem Gießer eine Riesenmacke in den Schrank, dann donnerte er gegen die Terrassentür, fegte anschließend den Notenständer um und die ganze Zeit miaute er kläglich und das klang wegen der Kanne so ganz seltsam hohl und blechig.

Ich rannte hinterher, aber Darkie war schneller und unglaublich sauer und als ich ihn beinahe hatte, fauchte er und schlug mit ausgefahrenen Krallen in alle Richtungen, bis Till angerannt kam und die Sofadecke auf Darkie drauf warf.

Er wickelte Darkie wie eine Roulade in die Decke und dann konnte ich ihm die Kanne vom Kopf ziehen. Das war ganz schön kniffelig und Darkie miaute und motze und knurrte die ganze Zeit weiter, doch schließlich hatte ich es geschafft, die Öffnung über die Ohren zu kriegen und er war frei. Aber er hat ganz schön viele Haare dabei verloren und danach schoss er oben auf den Schrank rauf und guckte Till und mich böse an. Ich schwöre, wenn er sprechen könnte, hätte er „Wehe, ihr macht das noch einmal!“ zu uns gesagt. Aus der Kanne hat Darkie seither nicht mehr getrunken.

Jo war schon vorangeprescht und wir folgten ihm in Schallers Garten.

Frau Schaller schaute sich fassungslos um. Auf dem Rasen lagen zwei einzelne Kniestrümpfe, ein Kopfkissenbezug, ein Handtuch und ein Bettlaken.

„Der Rest ist weg!“, schrie sie. „Das gibt es doch gar nicht! Die Bettwäsche und …“ Ihre Wangen wurden plötzlich ganz rot. „Meine Unterwäsche und die von meinem Helmut!“

Immerhin war es nur die Wäsche und nicht Beatritsche oder Ottilo. Als Ottilo im Sommer verschwunden gewesen war, hatte Frau Schaller den gesamten Grünen Winkel auf den Kopf gestellt und wir Oktopusse hatten das ebenfalls getan, weil etwas später auch noch mein Darkie nicht nach Hause gekommen war!

„Und wenn wir nun die nächsten sind?“, fragte Frau Schaller und ihr Stimme klang schrill und panisch.

„Die nächsten?“, erkundigte sich Mama. „Wie meinen Sie das?“

„Hören Sie denn etwa keine Nachrichten?“, herrschte Frau Schaller Mama an. Sie musste wirklich sehr aufgeregt sein.

„Bei der Arbeit in der Apotheke eher selten“, gab Mama zurück. „Was gibt es denn Wichtiges?“

„Vorhin, auf Radio Ulmenau, der Einbruch!“, begann Frau Schaller atemlos. „In Rietberg wurde in ein Einfamilienhaus eingebrochen!“

„Und was hat das mit Ihrer Wäsche zu tun?“, fragte Mama leicht verwirrt.

„Da in Rieberg war auch etwas abgerissen“, erklärte Frau Schaller. „Nämlich eine Lichterkette für draußen. Der Dieb ist durchs Badezimmerfenster eingestiegen. Mit einer Leiter!“

„Und beim Einsteigen hat er wahrscheinlich die Kette mit runtergerissen“, meinte Papa.

„Auf alle Fälle haben sie gesagt, dass wir die Augen offenhalten und Vorfälle der Polizei melden sollen!“, rief Frau Schaller.

„Vielleicht hat Ihr Helmut die Wäsche schon abgenommen und ins Haus gebracht?“, fragte Papa.

„Aber wohl nicht gleich zusammen mit der Leine!“, motzte Frau Schaller ihn an. „Wer macht denn so etwas? Wer klaut die Wäsche und die Leine? In Rietberg wurde eine Kaffeemaschine geklaut! Welcher Dieb klaut Bettwäsche und Kaffeemaschinen? Die klauen doch normalerweise so etwas wie Handys oder Fernseher!“

Von der Straße hörten wir es bellen.

„Oder ob das dem Eichhorn sein unerzogener Köter war?“, fragte Frau Schaller.

Franka ist Kommissar Eichhorns Hund. Kommissar Eichhorn ist schon in Rente und lebt mit meiner Geigenlehrerin Frau Riesling zusammen. Und deshalb wohnt Frau Rieslings Kater Amadeus jetzt auch bei uns. Also nicht wegen Kommissar Eichhorn, sondern wegen Franka. Die ist ein Irischer Wolfshund und sie jagt alles, was kleiner als eine ausgewachsene Kuh ist.

„Das war nicht Franka“, sagte ich. „Ich meine, das Bellen. Das war Benji.“

Benji ist der Dackelmischling von Langermanns.