Krass von der Rolle - Corona, Chaos, Klopapier - Steffi Bunt - E-Book

Krass von der Rolle - Corona, Chaos, Klopapier E-Book

Steffi Bunt

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Beschreibung

Acht Arme für alle Fälle - das sind Vicky, Jo, Rike und Kante von der Oktopus-Bande. Mit Mut, Durchblick und Fruchtgummis stürzen sich die vier Freunde in jedes Abenteuer. Acht Arme für alle Fälle, Virusalarm, Heimunterricht und Hamsterkäufe: Klopapierkrise im Grünen Winkel! Kantes Ratte Holly ist ganz versessen auf die weißen Blättchen. Doch plötzlich verschwindet Holly spurlos und dann ist auch noch Kante weg! Haben die seltsamen Typen in Gelb mit seinem Verschwinden zu tun? Welche Rolle spielt die nächtliche Klopapier-Lieferung für den Supermarkt? Vicky, Rike und Jo machen sich auf eine abenteuerliche Suche nach ihrem Freund ... Der Vorläufer zu "Krass von der Rolle" machte im Jahr 2020 einen rasanten Weg durch die Medien. Radio und Zeitungen berichteten über den Kinderkrimi, der auf vielen Schulhomepages und Blogs als Lesefutter für den Lockdown zu finden war und es schließlich auf Landesbildungsserver und die Homepages der Stiftung Lesen und des Legasthenieverbandes schaffte.

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Weitere Abenteuer von den „Acht Armen für alle Fälle“ sind erhältlich:

Geheimnisse im Grünen Winkel – Der doppelte Darkie

In Vorbereitung:

Alles abgerupft – Das rasende Rentier (Ein Adventskalenderkrimi in 24 Kapiteln)

sowie weitere Abenteuer

Steffi Bunt

Steffi Bunt schreibt, seit sie Buchstaben auf das Papier bringen kann. Als Lehrerin und Mutter von zwei Jungen und zwei Mädchen inspiriert ihr Alltag sie zu ihren Geschichten. Sie lebt mit ihrer Familie in Ulmenau, wo die „Acht Arme“ viele ihrer Abenteuer erleben und das im echten Leben natürlich anders heißt. Das Fachwerkstädtchen an der Lutte liegt ziemlich weit oben in Nordrhein-Westfalen und Vicky, Jo, Kante und Rike wohnen gleich nebenan.

Schreck in der Morgenstunde

Die Eulenklasse geht auf Abstand

Kein Klopapier für Lewandowskis

Futter hamstern

Grippe wie immer?

Happy Birthday beim Händewaschen

Warnstufe orange

Die gelbe Erscheinung

Noch ein Schreck in der Morgenstunde

Das Wort mit C

Nichts als Absagen

Heimunterricht, Tag 1 läuft. Eher nicht.

Wasserwerfer Jo

Kante ist komisch

Rabatz am Klopapierregal

Holly ist weg!

Frau Merkel spricht

Bauchschmerzen und Zwiebelsirup

Nachts am Briefschlitz

Ein gelber Typ

Kante verschwindet

Blaulicht im Grünen Winkel

Geschnappt!

Zusammen schaffen wir das!

Lisas Rezept für Zwiebelsirup

Papas geheimes Waffelrezept

Tipps gegen Hüttenkoller

Der Schrei kam aus dem Badezimmer. Jo, Kante und ich saßen gerade am Frühstückstisch in unserem alten Bahnwärterhaus im Kastanienweg 18 im Grünen Winkel, als wir Tante Natalie ohrenbetäubend laut kreischen hörten.

Papa, der am Herd stand und Öl in der Pfanne heiß machte, ließ vor Schreck das Ei fallen, Mama verschluckte sich an ihrem Kaffee, Onkel Ralf schmiss die Zeitung hin und dann rasten wir alle die Treppe herauf nach oben zum Badezimmer in der mittleren Etage, die Jo mit seinen Eltern bewohnt.

Sogar mein Bruder Till, der schon fast achtzehn ist, guckte verschlafen aus seinem Zimmer. „Was macht ihr denn für einen Lärm? Ich hab‘ heute erst zur dritten Stunde ...“

Es war auch wirklich ungewöhnlich, dass Tante Natalie um diese Uhrzeit derart laut brüllte. Um zwanzig nach sieben schlappt sie normalerweise in ihren Plüschpuschen runter in die Küche, lässt sich von Onkel Ralf eine große Tasse Kaffee geben und hat Mühe, die Augen aufzubekommen. Jo hat das von ihr geerbt. Der ist morgens auch nicht wachzukriegen. Der schläft sogar auf dem Fahrrad ein. Das ist wirklich schon passiert.

Da wollten wir Kante zur Schule abholen und warteten vor dem Fotoladen seiner Eltern. Jo saß auf dem Fahrrad, lehnte sich an den Laternenpfahl und schlief ein.

Bei ihm hilft nicht mal Kaffee. Was hilft, ist ein Fall, aber im Moment hatten wir Oktopusse leider keinen. Zusammen sind wir zu viert, acht Arme für alle Fälle: Mein morgenmüder Cousin Jonathan, der aber erstaunlich schnell aus seinem Müsli-Halbschlaf erwachte, als seine Mutter kreischte, unser Freund Anton, den wir Kante nennen, meine Freundin Rike, die in ein paar Straßen weiter in der alten Villa am Parkweg wohnt und ich, Viktoria Mathilde Lewandowski. Aber alle sagen Vicky zu mir.

Onkel Ralf kam als Erster oben an und riss die Tür zum Badezimmer auf. Da stand Tante Natalie in ihrem grünen Snoopy-Schlafanzug, die Klobürste hoch über den Kopf erhoben und brüllte uns entgegen: „Anton Waterkant!! Wie oft haben wir dir schon gesagt, dass du deine Ratten nicht im Haus laufen lassen sollst?!“

„Vielleicht so … fünf Mal“, antwortete Kante.

Seine Eltern haben das Fotogeschäft in der Ladenstraße und im Moment waren sie gerade in Bayern, um dort auf dem Pferde-Festival Fotos zu machen.

Am liebsten wären wir alle mitgefahren.

Aber wir mussten ja in die Schule. Und nächste Woche standen gleich drei Arbeiten an. Also zwei Tests und eine Arbeit. Englisch, Sachunterricht und Mathe. Deshalb wohnte Kante nun bei uns, so lange seine Eltern in Bayern waren, und wo Kante war, da waren natürlich auch seine beiden Ratten Sherlock und Holly. In Jos Zimmer stand seit vorgestern ein großer Glaskasten voller Holzspäne, außerdem gab es Häuschen und Röhren und Seile und natürlich Sherlock und Holly. Sherlock ist braun und weiß, Holly hat ein grau-weiß geflecktes Fell und beide haben ganz furchtbar niedliche rosa Öhrchen und Nasen.

„Was ist denn passiert?“, fragte Kante.

„Das ist passiert!“ Tante Natalie öffnete die Tür des kleinen Schränkchens neben der Toilette und dann sahen wir es alle: Die graufellige Holly saß auf der letzten Klopapierrolle, die dort noch stand.

Ihre Barthaare zitterten.

„Ich glaube, sie hat Angst“, wisperte ich.

„Hätte ich auch“, flüsterte Jo, „wenn plötzlich so ein grüner Riese mit einer Klobürste hinter mir her wäre.“

„Das habe ich gehört, mein Sohn.“ Tante Natalie ließ die Bürste sinken. „Glaubt ihr denn, ich hatte keine Angst?“

Sie deutete auf die leere Papierrolle, die im Halter hing. „Da ich ja offenbar die Einzige hier bin, die in der Lage ist, eine leere Rolle gegen eine volle auszutauschen“, sie funkelte Jo und Onkel Ralf an, „griff ich vorhin ins Schränkchen und was hatte ich statt Klopapier in der Hand? Den Schwanz deiner Ratte!“

Kante bückte sich, zog das Bündchen seines Pullovers herunter und ließ Holly in seinen Ärmel laufen.

„Warum ist die überhaupt schon wieder aus dem Glaskasten rausgekommen?“, fragte Tante Natalie.

„Ich weiß nicht“, antwortete Kante. „Vielleicht lag der Deckel nicht richtig drauf. Außerdem lieben Holly und Sherlock Klopapier. Darf ich mal?“

Er nahm die Rolle aus dem Schrank. „So, Holly, damit könnt ihr euer Schlafnest neu auspolstern …“

„Moment mal.“ Tante Natalie nahm ihm die Rolle aus der Hand. „Das kann ja wohl nicht angehen. Deine Ratten kuscheln gemütlich in Flauschi vierlagig extraweich und wir müssen uns ab morgen den Hintern mit Zeitung abwischen?“

„Ich gehe nachher einkaufen“, warf Papa ein. „Und da bringe ich auch neues Klopapier mit.“

„Wenn du noch welches bekommst“, gab Tante Natalie zu bedenken. „Die hamstern ja alle wie blöd wegen der Corona-Grippe. Gestern gab es im Aldi keine Nudeln mehr.“

„Da kann man tolle Gerichte raus kochen“, witzelte Jo. „Nudeln mit Klopapier überbacken, jammie!“

„Oder Klopapiersuppe mit Nudeln“, schlug Kante vor.

„Ich wäre für Klopapier-Sushi mit Nudelfüllung“, sagte Mama.

„Pass auf, mein Schatz“, Papa lachte, „das gibt es heute Abend.“

Mama streckte ihm die Zunge raus. „Ich muss los, in die Apotheke. Da ist im Moment der Teufel los. Alle Welt will Desinfektionsmittel und Handseife kaufen. Bis später!“

Und schon war sie weg.

„Was ist jetzt mit dem Klopapier?“, fragte Kante.

„Na gut.“ Tante Natalie wickelte ein paar Meter ab und gab sie Kante. „Das dürfte reichen, damit deine Haustiere es gemütlich haben. Und leg den Deckel ordentlich auf den Kasten! Oder willst du, dass ich versehentlich einen deiner Lieblinge mit der Klobürste schlage?!“

Nein, das wollte Kante natürlich nicht. Der hatte sowieso schon genug Angst um Sherlock und Holly. Meine beiden schwarzen Kater Darkie und Amadeus fanden unsere tierischen Gäste nämlich auch sehr interessant. Bei jeder Gelegenheit saßen sie mit wildem Blick und hin und her schlagendem Schwanz vor dem Glaskasten. Das war halt ihr Jagdtrieb, dafür konnten sie nichts, aber es tat mir trotzdem leid für Kante und seine Ratten.

Darkie ist uns als kleines Kätzchen zugelaufen. Er saß eines Tages im Garten, ganz nass und hungrig, niemand vermisste ihn und ich durfte ihn behalten.

Amadeus kam auf abenteuerliche Weise zu uns. Er ist Darkies Zwillingsbruder. Das herauszufinden war der erste Fall von uns Oktopussen.

Damals waren wir auch noch nicht zu viert, sondern nur Kante, Jo und ich machten uns auf die Suche nach Darkie.

Wir dachten, Rike hätte ihn geklaut, denn sie war neu in unserer Klasse, zog sich an wie ein Geist und benahm sich auch so, aber dann wurde sie meine beste Freundin und zusammen lösten wir vier den Fall.

Amadeus bekam ich von meiner Geigenlehrerin Frau Riesling. Sie konnte ihn nicht behalten, weil sie mit Kommissar Eichhorn zusammenzog, einem ehemaligen Polizisten, der jetzt in Rente ist.

Kommissar Eichhorn hat Franka, diesen Irischen Wolfshund, so groß wie ein kleines Pferd und hinter allem her, was kleiner als er selbst ist. Einmal ging deshalb eine Vase und beinahe eine Geige zu Bruch und so zog Amadeus bei uns ein und die Katzenbrüder waren wieder vereint.

Wir passten schon immer auf, dass Jos Zimmertür geschlossen war. Aber gestern hatte Amadeus es doch geschafft, sich irgendwie reinzuschleichen.

Und dann hatte er zum Jagdsprung angesetzt und war volle Wucht gegen die Glasscheibe gedonnert.

Das hatte vielleicht gerumst. Ich hatte mir Sorgen gemacht, ob Amadeus vielleicht eine Gehirnerschütterung haben könnte, aber er hatte sich danach geputzt wie immer und abends von seinem Lieblingsfutter eine große Portion reingehauen. Also schien alles in Ordnung zu sein.

„Mach die Glotze aus!“, rief Onkel Ralf und damit meinte er Jo, der oben im Wohnzimmer vor dem Fernseher stand und seinen Blick nicht vom Bildschirm wenden konnte, wo die neuesten Eilmeldungen durchliefen.

„Gibt‘s was Gutes?“, fragte ich.

„Da sind Masken geklaut worden.“

„Was denn für Masken?“, fragte ich und musste an die Masken aus Papptellern denken, die wir an Karneval mit Frau Goldbach gebastelt hatten. Aber die waren nicht gemeint!

Im Fernsehen ging es um China. Und um Corona. Da waren ganz viele Menschen krank und die Leute auf der Straße trugen Masken, um sich zu schützen. Solche Masken, wie manchmal auch der Zahnarzt anhat oder die Leute im Krankenhaus.

ZWEIHUNDERTTAUSEND-MASKEN-AM

-FLUGHAFEN-VERSCHWUNDEN-ZWEI

„Geklaut!“, berichtete Jo. „Einfach weg.“

So ein Flughafen ist ziemlich groß. Ich weiß es nicht ganz genau, weil ich noch nie mit einem Flugzeug geflogen bin. Einmal hätte es beinahe geklappt. Aber nur beinahe!

Meine Freundin Tessa hatte mich eingeladen. Wir kennen uns seit dem Kindergarten, sind zusammen in die Schule gekommen und haben bei Frau Riesling Blockflöte spielen gelernt. Aber dann ist Tessa nach England gezogen, weil ihr Vater hier in Ulmenau keine Arbeit gefunden hat. Er ist Bäcker und hat in London eine deutsche Bäckerei aufgemacht. Nicht ganz in London, sondern in einem Vorort, und da hatte Tessa mich eingeladen, sie zu besuchen!

Ich hatte mich wie verrückt gefreut, meine Freundin endlich, endlich wiederzusehen, doch es ging nicht, weil Mama und Papa mich nicht allein fliegen lassen wollten. Und für uns alle wäre es zu teuer geworden. Deshalb kannte ich den Flughafen Paderborn-Lippstadt bisher nur von außen, wo wir am Zaun gestanden und den Flugzeugen beim Starten und Landen zugesehen hatten. Der sah schon ziemlich groß aus und dieser Flughafen hier im Fernsehen war noch viel größer, aber trotzdem: zweihunderttausend Masken versteckt man ja nicht einfach in der Hosentasche.

„Schluss jetzt!“ Tante Natalie kam herein und schaltete den Fernseher aus.

„Ihr müsst los in die Schule!“, rief Papa.

„Ich muss noch schnell Amadeus und Darkie füttern! Und ich will Tessa schreiben!“, antwortete ich und rannte in die Küche. Während ich die Näpfe ausspülte, kamen meine Kater schon miauend angerannt und als ich eine Dose Kisskatz öffnete, strichen sie mir schnurrend um die Beine. Wie kleine Motoren klang das. Als ich die Näpfe auf den Boden stellte, stürzten sich die beiden drauf, als hätten sie seit Tagen nichts zum Fressen bekommen.

Manche Katzen fressen ja so hübsch ordentlich und manierlich, langsam, schlecken sich ab und zu das Mäulchen und kein Krümelchen geht daneben. Die Katzen in der Fernsehwerbung machen das immer so. Nicht so meine beiden. Die hauen rein wie die Scheunendrescher, wenn einer fertig ist, versucht er, dem anderen den Rest wegzufressen und nachher ist eine riesige Schweinerei auf dem Boden.

Ich wusch mir die Hände und nahm Papas Tablet von der Anrichte. Ich darf es benutzen, um mit Tessa zu skypen oder zu schreiben. Aber nur mit Tessa und natürlich mit Rike, Jo, Kante und Oma und Opa Wiesbaden. Papa hat das so eingestellt, dass Jo und ich nur mit Freunden von unserer Liste schreiben können. Zuerst haben Mama und Papa ganz lange diskutiert. Mama meinte, dass wir Kinder so etwas wie Chatten oder Internet-Telefonieren mit Bild überhaupt nicht machen sollten. Und dass Kante, Jo, Rike und ich schließlich Funkgeräte haben, um uns zu unterhalten. Aber weil Tessa nun so weit weg ist und das mit einem Funkgerät deshalb nicht ging, das mit dem Briefeschicken nach England so lange dauert und wir uns nicht mehr sehen konnten, hatte Mama schließlich zugestimmt.

Mama und Papa hatten uns eingeschärft, dass wir nicht über wichtige Sachen wie Adressen oder Passwörter schreiben sollen. Vorsichtshalber haben wir uns auch Spitznamen zugelegt und das hat ganz schön lange gedauert, bis wir alle einen hatten.

Tessa wollte zuerst LondonCat nehmen, was ich ziemlich cool fand, aber ihre Eltern fanden das nicht, weil darin ihr Wohnort vorkommt. Schließlich hat sie sich dann für KleineTasse entschieden, denn früher, als sie noch klein war, sagten alle „Tesschen“ zu ihr und das klingt ja fast wie Tässchen und das ist eben eine kleine Tasse. Das fanden auch ihre Eltern okay. Ich wollte gern Vivi, aber Mama meinte, das schreibt sich so ähnlich wie mein Name und deshalb durfte ich das nicht und habe mir „Winnie“ ausgesucht. Jo ist „SportHeld“, Kante nennt sich „Ecke“, Rike „FilmStar“ und Oma und Opa Wiesbaden schreiben gemeinsam und heißen Oh-Oh.

Tessa: KleineTasse

Ich: Winnie

Jo: SportHeld

Rike: FilmStar

Kante: Ecke

Onkel Ralf: AstroHeld

Tante Natalie: Kaffeetante

Oma und Opa Wiesbaden: Oh-Oh

Mama: Medizinfrau

Papa: Küchenchef

Winnie, 7:28

Hier war heute was los. Gefahr durch Klobürste!

KleineTasse, 7:29

Waaaas?

„Wenn ihr jetzt nicht endlich losfahrt, kommt ihr zu späääät!!!“, brüllte Papa.

Er kam in die Küche und nahm mir das Tablet aus der Hand. Knapp vorher konnte ich noch den „Senden“-Button drücken.

Winnie, 7:30

Tante Natalie gegen Kantes Ratte! Ich muss

los in die Schule!

Jo, Kante und ich fuhren mit unseren Rädern los zum Parkweg.

Rike wartete schon vor dem Haus auf uns.

Normalerweise geben wir uns High Five, aber Frau Goldbach hatte gesagt, das sollten wir nicht mehr tun und uns den Corona-Check gezeigt. Da berührt man sich mit den Ellenbogen. Auf dem Fahrrad ist das aber etwas schwierig. Ich verlor beinahe das Gleichgewicht und musste mich an einem Baum festhalten.

„Habt ihr schon gehört?“, fragte Rike. „Vorhin in den Nachrichten haben sie gesagt, dass im Martini-Krankenhaus seit vorgestern achtunddreißigmal das Desinfektionsmittel von den Toiletten geklaut wurde.“

„Papa meint, er will keins kaufen“, sagte ich.

„Ha, dann war der das im Krankenhaus?“ Jo grinste. „Na-hein.“ Ich zeigte ihm einen Vogel. „Er meint, Händewaschen reicht. Und Mama findet das auch. Die muss es wissen, schließlich ist sie Apothekerin.“

Kante sagte gar nichts.

„Ist was?“, fragte Rike. „Hast du Hunger?“

Kante hat eigentlich immer Hunger. Seine Mutter achtet darauf, dass er nur gesunde Sachen isst und jeden Dienstagnachmittag muss er zu einem Kurs von der Krankenkasse. Da haben seine Eltern ihn angemeldet. Dort macht er Sport mit anderen Kindern und sie kochen Sachen, die nicht dick machen.

Kante schüttelte den Kopf. „Ich mache mir nur Sorgen, ob Ratten auch Corona kriegen können.“

Wir fuhren den Parkweg entlang zur Lutteschule. Unsere Schule heißt so, weil sie ganz nah am Fluss Lutte liegt, der durch unsere Stadt Ulmenau fließt.

Ich glaube, wir gehen in die schönste Schule der Welt. Mittendrin im Park ist ein Sitzrondell, da machen wir im Sommer manchmal Unterricht. Aber jetzt war Anfang März.

Im Klassenzimmer war es laut wie immer, bevor die Unterrichtsstunde beginnt. Auf dem Plan stand „Deutsch“ und wir schrieben gerade Gedichte.

„Schneebälle“ heißen die und es geht um ein bestimmtes Thema, zum Beispiel Schnee, das passt ja besonders gut zum Schneeball. Oder Eulen, was auch sehr gut passt, weil wir die Eulenklasse sind, aber es geht auch jedes andere Thema. Auch Lego oder Kartoffeln oder mit der Achterbahn fahren.

Beim Schneeball hat die erste Zeile ein Wort, die zweite zwei, die dritte drei und so geht das dann weiter bis fünf und danach wird es in jeder Zeile wieder ein Wort weniger, bis in der letzten Zeile nur noch ein einziges Wort steht. Wir haben das in der Schule geübt und zusammen einen Schneeball geschrieben, der hatte das Thema „Wasser“ und dann sollten wir in Partnerarbeit noch einen schreiben, da haben Rike und ich „Bücher“ genommen. Als Hausaufgabe hatten wir natürlich auf, einen Schneeball zu schreiben. Ich hatte einen über meine Katzen geschrieben.

Frau Goldbach kam ins Klassenzimmer und schaute sich um wie ein Habicht, der auf Beute lauert. Das war ungewöhnlich.

Normalerweise geht Frau Goldbach erst einmal zu ihrem Pult an der Fensterseite, stellt ihre Tasche ab, nimmt einen Schluck aus ihrer grünen Thermos-Teetasse und schlägt an das Triangel, denn das ist unser Leisezeichen. Dann geht sie zur Tafel, schaut in der Klasse umher, aber nicht wie ein Greifvogel auf Beutejagd, sondern sie guckt wirklich jeden einmal freundlich an, bevor sie uns alle begrüßt. Meistens hilft das bei Niklas, Torben und Caspar schon ein bisschen. Sie schubsen sich nicht mehr gegenseitig von den Stühlen und hören auf, Sprüche und Witze herumzubrüllen. Manche von denen sind aber wirklich gut.

Meistens klappt das mit dem Angucken. Heute nicht so. Vielleicht lag es am Habichtblick.

„Was sagt der große Stift zum kleinen Stift?“, grölte Torben. „ - Wachs mal, Stift!“

Da mussten wir alle wieder lachen, auch Frau Goldbach, die vor der Tafel stand und ungeduldig von der Fußspitze zur Hacke wippte und wieder zurück, wie ein Schaukelpferd.

Caspar schubste Marlene mit dem Coronacheck vom Stuhl.

„Bist du bescheuert?“ Marlene stand auf. „Frau Goldbach, neben dem will ich nicht mehr sitzen.“

„Dann setz dich auf Valeries Platz“, sagte Frau Goldbach. „Die fehlt heute immer noch.“

„Hat sie Corona?“, gackerte Niklas und fing sich einen mahnenden Blick von Frau Goldbach ein. Wenn das heute so weiterging, wurde es ganz sicher der

„Tag der bösen Blicke“.

Marlene nahm ihre Tasche und wechselte den Platz.

Frau Goldbach räusperte sich, zuppelte ein wenig an ihrem blonden Zopf herum, blickte Caspar an.

„Na …?“

„Schulligung!“, brüllte Caspar herüber.

„Die kannste behalten!“, gab Marlene zurück.

„Ich wünsche euch einen guten Morgen!“, sagte Frau Goldbach.

„Guten Morgen, Frau Goldbach!“, riefen wir im Chor.

„So, dann wollen wir mal.“ Frau Goldbach hörte auf zu wippen und zog einen Zettel aus ihrer Tasche.

„Das hier ist ein Brief von unserem Bürgermeister Herr Wiesehagen. Er schreibt: Um sich vor einer Ansteckung zu schützen, sollten die allgemeinen Hygieneregeln beachtet werden: Zu Hause bleiben, wenn man krank ist, häufiges gründliches Händewaschen, Niesen und Husten nicht in die Hand, sondern in die Ellenbeuge, Abstand halten.“

„Also Caspar, nicht mit Marlene kuscheln!“, wieherte Torben.

Frau Goldbach warf ihm einen warnenden Blick zu.

„Hier wird überhaupt niemand mehr kuscheln, weil wir jetzt die Tische auseinanderstellen. Fangt mal da hinten gleich an: Linda, Asli, Emre und Leander: Ihr rückt eure Tische ans Fenster. Rike, Vicky, Jo, Anton, schiebt die Tische an die Wand. Alle anderen verteilen sich in der Mitte, möglichst viel Abstand zwischen den Tischen lassen.“

„Aber hilft das überhaupt, wenn wir doch sowieso zu zweit an den Tischen sitzen?“, fragte Jo.

Frau Goldbach zuckte mit den Schultern. „Das ist alles, was wir machen können. Einzeltische haben wir nicht.“

Dann stellte sie einen Papiertaschentuchspender auf das Pult und sagte: „Nur einmal benutzen, sofort in die kleine grüne Tonne mit dem Deckel. Klar?“

Wir nickten.

„Wer fehlt denn heute alles?“ Frau Goldbach schaute sich um. Jetzt sah sie uns doch noch freundlich an und endlich fühlte sich dieser Morgen so ein kleines bisschen normal an. „Valerie, Gero, Karoline und Samuel. Grippesaison halt.“ Sie trug die Namen in den Kalender ein.

Marlene nieste.

„Die hat Corona!“, brüllte Torben.

„Und du kommst gleich in Quarantäne!“, rief Frau Goldbach. „Meine Güte, jetzt halt doch mal den Schnabel, Torben!“

„Was ist Quarantäne?“, fragte Linda.

„Wer in Quarantäne muss, darf nicht mit anderen Menschen in Kontakt kommen“, erklärte Frau Goldbach. „Das kann geschehen, weil man eine ansteckende Krankheit hat ...“

„Wie Corona?“, fragte Ninette.

„Ja, auch wie Corona“, antwortete Frau Goldbach.

„ … oder in unserem speziellen Fall heute, wenn jemand sich nicht anständig benehmen kann!“ Sie sah Torben mit ihrem Greifvogelblick an.

Torben rutschte auf seinem Stuhl ein Stück herunter und starrte die Tischplatte an.

Ich hörte, wie er Niklas zuflüsterte: „Aber vielleicht hat sie wirklich Corona.“

„WAS hast du gesagt?“, fragte Frau Goldbach.

„Stimmt doch, dass man nicht weiß, wer Corona hat.“

„Die meisten, die jetzt husten und schniefen, haben eine normale Erkältung“, erklärte Frau Goldbach.

„Ich habe meine Schwester gefragt, die ist Ärztin.

Aber natürlich müssen wir alle gut aufpassen.“

„Warum heißt das denn Quarantäne?“, fragte Emre.

„Das ist ein komisches Wort.“

Frau Goldbach nickte. „Früher gab es so richtig gefährliche Krankheiten, die ganze Städte ausgelöscht haben, wie zum Beispiel die Pest. Wenn ein Schiff ankam, wusste man nicht, ob da vielleicht jemand die Pest oder etwas anderes Schlimmes hat.

Und so mussten die Schiffe dann einige Kilometer vor der Küste ankern, denn die Leute wussten, dass jemand, der die Pest überlebte, nach vierzig Tagen nicht mehr ansteckend war. Die Zahl „vierzig“ heißt im Französischen „quarante“ und daraus entwickelte sich das Wort „Quarantäne.“1

„Aber wenn einer von uns nun wirklich Corona hätte“, begann Torben wieder, „müssten wir dann alle in Quarantäne?“

„Das könnte passieren“, bestätigte Frau Goldbach.

„Aber da hier niemand aus den Risikogebieten in Österreich und Italien kommt, gehen wir mal davon aus, dass die Schniefnasen wirklich nur einen gewöhnlichen Schnupfen haben.“

Torben wühlte in seiner Tasche und holte eine Flasche Desinfektionsspray heraus.