Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
„Ein Mann will alles – aber er nicht allein!“ (499) Wir schreiben das Jahr 2453: Der mächtigste Mann der Erde ist nach der im Vorjahr überstandenen Gaarson-Katastrophe nicht etwa Weltpräsident Tipor Gaarson, sondern ein geheimnisvoller Mann, der sich Antal Rypdahl nennt. Niemand ahnt auch nur, dass er ausgerechnet seine Zentrale unterhalb des Regierungssitzes der Weltregierung in Neu-Genf hat. Indem er den Körper des unsterblichen Karl Schmidt „ausschlachtete“, gelangte er selber zu Unsterblichkeit. Als jedoch der Klon von Karl Schmidt hierher kam, sein Original befreite und sich sogar mit ihm wiedervereinigte, floh der Geist von Antal Rypdahl in die Weiten des Internets. Wie war ihm das möglich? Karl Schmidt forscht in Rypdahls Erinnerungen und stößt auf sowohl Fantastisches als auch auf... Grausiges! Eine der Personen, die in den Erinnerungen von Antal Rypdahl eine Schlüsselrolle spielen, hieß schlicht Gustavon. Aber das war ganz und gar keine gewöhnliche Person... Dieser Band enthält die Geschichten: Alfred Bekker: Der Seher Alfred Bekker: Im Zeichen der Macht Alfred Bekker/Wilfried A. Hary: Die Rache Wilfried A. Hary: Die Insel-Allianz Alfred Bekker: Sieben Monde
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 358
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Allianz der Sterneninsel: 5 Science Fiction Romane
Copyright
Der Seher - Alfred Bekker
Im Zeichen der Macht - Alfred Bekker
Die Rache - Alfred Bekker und Wilfried A. Hary
Die Insel-Allianz - Wilfried A. Hary
Sieben Monde
„Ein Mann will alles – aber er nicht allein!“
Wir schreiben das Jahr 2453: Der mächtigste Mann der Erde ist nach der im Vorjahr überstandenen Gaarson-Katastrophe nicht etwa Weltpräsident Tipor Gaarson, sondern ein geheimnisvoller Mann, der sich Antal Rypdahl nennt. Niemand ahnt auch nur, dass er ausgerechnet seine Zentrale unterhalb des Regierungssitzes der Weltregierung in Neu-Genf hat.
Indem er den Körper des unsterblichen Karl Schmidt „ausschlachtete“, gelangte er selber zu Unsterblichkeit. Als jedoch der Klon von Karl Schmidt hierher kam, sein Original befreite und sich sogar mit ihm wiedervereinigte, floh der Geist von Antal Rypdahl in die Weiten des Internets. Wie war ihm das möglich?
Karl Schmidt forscht in Rypdahls Erinnerungen und stößt auf sowohl Fantastisches als auch auf... Grausiges!
Eine der Personen, die in den Erinnerungen von Antal Rypdahl eine Schlüsselrolle spielen, hieß schlicht Gustavon. Aber das war ganz und gar keine gewöhnliche Person...
Dieser Band enthält die Geschichten:
Alfred Bekker: Der Seher
Alfred Bekker: Im Zeichen der Macht
Alfred Bekker/Wilfried A. Hary: Die Rache
Wilfried A. Hary: Die Insel-Allianz
Alfred Bekker: Sieben Monde
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author /
© dieser Ausgabe 2024 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
Folge auf Twitter:
https://twitter.com/BekkerAlfred
Erfahre Neuigkeiten hier:
https://alfred-bekker-autor.business.site/
Zum Blog des Verlags
Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!Verlags geht es hier:
https://cassiopeia.press
Alles rund um Belletristik!
„ Operation gelungen - Patient so gut wie tot!“
Wir schreiben das Jahr 2453: Der mächtigste Mann der Erde ist nach der im Vorjahr überstandenen Gaarson-Katastrophe nicht etwa Weltpräsident Tipor Gaarson, sondern ein geheimnisvoller Mann, der sich Antal Rypdahl nennt. Niemand ahnt auch nur, dass er ausgerechnet seine Zentrale unterhalb des Regierungssitzes der Weltregierung in Neu-Genf hat.
Indem er den Körper des unsterblichen Karl Schmidt „ausschlachtete“, gelangte er selber zu Unsterblichkeit. Als jedoch der Klon von Karl Schmidt hierher kam, sein Original befreite und sich sogar mit ihm wiedervereinigte, floh der Geist von Antal Rypdahl in die Weiten des Internets. Wie war ihm das möglich?
Karl Schmidt forscht in Rypdahls Erinnerungen und stößt auf sowohl Fantastisches als auch auf... Grausiges!
Eine der Personen, die in den Erinnerungen von Antal Rypdahl offenbar eine Schlüsselrolle spielen, hieß Taji Angu, zu einer anderen Zeit, auf einem anderen Planeten...
Während Angu mit dem sich selbst steuernden Gleiter nach Hause flog, kreisten seine Gedanken immer wieder um Rypdahl. Er bedauerte es, nichts erreicht zu haben, denn irgendwie empfand er Sympathie für den seltsamen Mann, Sympathie, die möglicherweise durch Mitleid etwas verunreinigt war, aber was machte das schon?
Eigentlich hatte Angu Rypdahl fragen wollen, ob er nicht zu ihm herüberkommen wollte, zu seiner Familie.
Aber das wäre wohl zwecklos gewesen, dachte der Schwarze. Er hätte abgelehnt. Er ist ein Einzelgänger. Und verrückt.
Und Angu dachte an Hakan, der sich immer über Rypdahl lustig machte und über ihn lachte, obwohl er ihn eigentlich gar nicht kannte. Nein, zum Lachen war Rypdahl nicht, auch nicht lächerlich.
Wer ist er?, fragte Angu sich. Es scheint ihn niemand zu kennen, weil er niemanden an sich heranlässt.
Er sah aus dem Fenster des Gleiters und blickte auf eine zersiedelte Landschaft hinab. Es gab keine größeren Städte auf Tierra Nueva, fast alles war hier dezentral angeordnet. Keine Wohnblocks, keine Straßen.
Aber für Angus Augen war das ein natürlicher Anblick.
Er hatte Tierra Nueva nie verlassen.
Sein Gleiter kannte den Weg; er war darauf programmiert, ihn nach Hause zu bringen, und das würde er mit absoluter Sicherheit auch tun. Er flog eine weit ausholende Kurve, und dann tauchte auch schon jenes verwinkelte und wabenartige Gebäude auf, in dem er zusammen mit seinen insgesamt sieben Ehepartnern lebte.
Als der Gleiter gelandet war und Angu ausstieg, war Hakan Ekdal der Erste, dem er begegnete.
»Na, wie geht's deinem Gelehrten?«
Unvermittelt war Hakan aus einer der unzähligen, miteinander verbundenen Waben getreten.
»Möge Gleichmut dich regieren!«, erwiderte Angu mit der traditionellen Grußformel, die in diesem Fall allerdings gleichzeitig eine Ermahnung darstellte: Der Spott in Hakans Stimme war unüberhörbar gewesen.
»Warum lässt du ihn eigentlich nicht in Ruhe, Taji?«
»Er braucht ab und zu jemanden, der nach ihm sieht.«
»Meinst du nicht, dass er ein erwachsener Mann ist und selbst entscheiden muss, wie er leben möchte?«
Angu schwieg.
Er war mit Hakan schon einmal wegen kleinster Meinungsverschiedenheiten in heftigsten Streit verfallen, was auf Tierra Nueva natürlich eine Schande darstellte und im Übrigen nur sehr selten vorkam.
Es war nicht so, dass man in solchen Fällen mit irgendwelchen gesetzlichen Sanktionen zu rechnen hatte, sondern es traf vornehmlich das eigene Selbstwertgefühl.
Angu wollte auf keinen Fall, dass sich Derartiges wiederholte.
»Brauchst du den Gleiter noch, Taji?«
»Nein, du kannst ihn jetzt haben, wenn du willst.«
»Gut.«
Ohne noch irgend etwas zu sagen, wandte Hakan sich von ihm ab, bestieg das Gefährt und programmierte es auf einen neuen Kurs.
Angu trat durch eine sich selbst öffnende Schiebetür in einen Raum, der in beruhigendem Dämmerlicht gehalten war. Bizarre Gewächse warfen kunstvolle, durch die geschickte Verteilung der Lichtquellen hervorgerufene Schatten.
Hakan zeigt zunehmend antisoziales Verhalten, dachte Angu. Vielleicht sollte er sich einer nachträglichen Korrektur seiner Sozialisation unterziehen. Das wäre sowohl für ihn, als auch für unsere Gemeinschaft das Beste.
Einige Sekunden lang blieb er stehen, schloss die Augen und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über den Nasenrücken.
Auch bei Rypdahl wäre eine Sozialisationskorrektur nötig.
Es war für Angu einfach unverständlich, wie sich jemand dagegen sträuben konnte, Teile seines Gedächtnisses zu löschen oder gegen andere, künstlich eingepflanzte Erinnerungen auszutauschen. Ein Mensch entschied auf Grund von Erfahrungen aus der Vergangenheit. Veränderte man diese Erfahrungen, fielen die Entscheidungen in der Gegenwart zwangsläufig anders aus. Tendenzen zu gesellschaftlich nicht akzeptierbarer Destruktivität konnten so überwunden werden.
Natürlich beinhaltete dieses Verfahren erhebliche Gefahren des Missbrauchs, denn es stellte ein optimales Instrument zur Steuerung und Beherrschung menschlichen Verhaltens dar. Daher bestand auf Tierra Nueva auch ein generelles Ausfuhrverbot des betreffenden Know-hows.
So mancher kleiner Planetendiktator hätte seinen rechten Arm dafür gegeben, denn mit diesem Verfahren konnte man perfekte Untertanen formen.
Auf Tierra Nueva wurde es dazu eingesetzt, um die persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Menschen dadurch zu erweitern, dass man ihn von hinderlichen Komplexen befreite, die ihn andernfalls lebenslang mitbeherrscht und an der vollen Ausschöpfung seiner Fähigkeiten gehindert hätten.
Vielleicht liegt der Grund für seine Angst darin begründet, dass er nicht von hier stammt, nicht hier sozialisiert wurde, kam es Angu schließlich in den Sinn.
Da Angu Tierra Nueva nie verlassen hatte, konnte er sich kein Bild davon machen, wie es dort aussah, wo Rypdahl herkam und lange Zeit gelebt hatte.
»Möge Gleichmut dich regieren!«, sagte eine sanfte, weibliche Stimme, und Angu blickte auf. Ohne dass er es bemerkt hatte, war Ganjassa eingetreten, eine seiner Ehefrauen. »Die Zentralanzeige gab an, dass du zurückgekehrt bist«, stellte sie fest, und Angu beobachtete sie jetzt mit mehr Aufmerksamkeit.
Ihr kahlgeschorener Kopf wirkte im Dämmerlicht geheimnisvoll.
Er konnte es bei diesen Lichtverhältnissen nicht sehen, aber er wusste, dass sie an ihrem Kinn ein Grübchen hatte, das ihr stets einen Zug von Fröhlichkeit gab.
Warum fing sie ihn bereits hier ab? Hatte sich irgend etwas Wichtiges ereignet, das sie ihm mitteilen wollte?
»Wir haben Besuch, Taji«, erklärte sie.
Besuch? Wer mochte das sein?
»Wer ist es?«
»Keiner von uns kennt ihn. Er kommt auch nicht von Tierra Nueva.«
Angu bemerkte die stumme Frage in Ganjassas Augen und geriet mehr und mehr in Verwirrung.
»Also sag' schon: Wer ist es?«
»Er nennt sich Mev Gustavon und möchte dich sprechen. Er wartet auf dich. Kennst du ihn?«
»Nein.« Angu überlegte einen Moment und schüttelte dann bekräftigend den Kopf. »Der Name sagt mir nichts. Hat er nicht gesagt, was er von mir will?«
»Nein. Und irgendwie... Er gefällt mir nicht! Er hatte auch so ein seltsames Tier bei sich...«
Ganjassa führte Angu durch ein paar Korridore und Aufenthaltsräume in einen hell erleuchteten Raum, in dem verschiedentliche Antiquitäten an den Wänden hingen - ausgesucht nicht nach Wert oder Aussehen, sondern aufgrund psychologischer Wirkung.
In einem der herumstehenden pneumatischen Sessel saß ein Mann mit kahlgeschorenem Schädel, listigen, kalten Augen, vorstehenden Wangenknochen und schwarzem Knebelbart um das Kinn, der die Bleichheit seiner Haut noch hervorhob, ebenso wie seine gänzlich schwarz gehaltene Kleidung, die aus weiten Hosen, Hemd und kurzschaftigen Stiefeln bestand. Auf dem Schoß hatte er jenes seltsame Tier, das Ganjassa bereits erwähnt hatte.
Zunächst fiel es Angu überhaupt nicht auf, da es vom selben Schwarz seiner Kleidung war, aber dann bemerkte er eine Bewegung und erkannte es. Es hatte ein krauses, merkwürdig frisiertes Fell und vier Beine, deren Enden zum Greifen oder Fertigen irgendwelcher Werkzeuge ungeeignet schienen. Intelligent schien es nicht zu sein.
»Dies ist Taji Angu«, stellte Ganjassa den Schwarzen auf Portugiesisch vor.
Mev Gustavon nickte kurz. Angu wusste nicht, was er vom Gesichtsausdruck des anderen zu halten hatte. Es schien eine Mischung aus Spott und Verachtung darin zu liegen, aber da war auch noch etwas anderes, das nicht so leicht herauszulesen war und das Angu auch nicht zu identifizieren vermochte.
»Mein Name ist Gustavon«, erklärte der Gast, ebenfalls auf Portugiesisch. »Und ich möchte mit Ihnen über etwas Bestimmtes reden. Sprechen Sie meine Sprache? Meinetwegen können wir auch auf Esperanto, Neufranzösisch oder Hindi umsteigen, wenn Sie das wünschen...«
»Nein, das ist nicht nötig, ich verstehe Sie gut.«
»En ordo...«, sagte der Gast entgegen seiner Ankündigung in Esperanto.
Dann blickte er zu Ganjassa hinüber, verzog etwas die Mundwinkel und fragte auf Portugiesisch: »Wäre es möglich, dass wir beide uns ungestört unterhalten? Ich möchte die Dame nicht beleidigen, aber...«
»Oh, entschuldigen Sie«, beeilte sie sich zu sagen. »Ich hatte keineswegs die Absicht, zu stören.« Damit wandte sie sich um und schickte sich an, zu gehen. Doch Angus' Stimme hielt sie zurück.
»Bleib!«, sagte er (diesmal in Logotherm). Sie sah ihn fragend an, und er erklärte: »Ich möchte, dass du dabei bist. Ich weiß nicht, was er will, aber es ist durchaus denkbar, dass ich hinterher einen Zeugen brauche, der mir hilft, das Geschehene objektiv zu sehen.«
»Gut, wenn du es so wünschst...« Sie blieb also, und Gustavon zog beide Augenbrauen hoch.
»Was ist noch?«, wollte er wissen.
Die Unterhaltung wurde in Portugiesisch fortgeführt, und Angu erklärte dem Gast, dass er Ganjassas Anwesenheit wünschte. Dem bleichgesichtigen Mann schien das jedoch wenig zu gefallen.
»Warum?«, rief er. »Was bezwecken Sie damit?«
»Sagen Sie, was Sie zu sagen haben«, erwiderte Angu kühl.
Gustavon zuckte ohnmächtig mit den Schultern und seufzte, stieß einen kurzen, aber eindeutigen Fluch in einer anderen Sprache aus und meinte dann: »Es geht um einen Mann namens Antal Rypdahl. Man sagte mir, dass Sie ihn kennen, Senhor Angu.«
Angu wechselte kurz einen erstaunten Blick mit seiner Frau und bestätigte dann die Aussage des anderen durch ein Kopfnicken.
»Kennen Sie ihn sehr gut?«, fragte Gustavon, während seine Finger hektisch durch das Fell des Tiers auf seinem Schoß glitten.
»Ich kenne ihn einigermaßen. Warum fragen Sie?«
»Weil es da einige Gerüchte über diesen Rypdahl gibt. Gerüchte, die besagen, dass er nahe dem Wahnsinn ist.«
Noch gerade rechtzeitig konnte Angu dem überaus starken Impuls widerstehen, alles, was er wusste - oder vermutete -, aus sich heraussprudeln zu lassen. Dieser Gustavon wollte irgend etwas von ihm erfahren, und wenn Angu jetzt gleichfalls etwas über sein Gegenüber erfahren wollte, durfte er nicht vorzeitig aus der Hand geben, was er ihm zu bieten hatte. Und so wich er mit einer Gegenfrage aus, von der er hoffte, dass sie Gustavon gleichzeitig in die Defensive drängen würde.
»Warum erkundigen Sie sich eigentlich bei mir nach Rypdahl? Warum gehen Sie nicht zu ihm hin und fragen IHN, was Sie wissen wollen? Sie erwarten doch wohl nicht im Ernst, dass ich Ihnen Einzelheiten angebe, ohne zu wissen, was Sie eigentlich wollen!«
»Ich möchte ihm helfen.«
»Helfen?«
»Ja.«
»Inwiefern?«
»Ich habe ihm ein Angebot zu machen, von dem sowohl er als auch ich erheblichen Gewinn ziehen kann. Aber bevor ich zu ihm gehe, muss ich sicher sein, dass er auch der richtige Mann für diese Sache ist.«
»Worum geht es?«
Gustavon verzog sein Gesicht zu einem maskenhaften Lächeln.
»Woher weiß ich, dass ich Ihnen trauen kann? Wenn Informationen darüber an die falschen Leute gelangen, kann das großen Schaden anrichten.«
»Für wen arbeiten Sie?«
»Auch das möchte ich nicht preisgeben. Aber das, was ich ihm anzubieten habe, wird ihn glücklich machen...«
Doch die Art, in der er das sagte, weckte Zweifel in Angu. »Erzählen Sie mir etwas über ihn. Ich habe gehört, dass Sie ihn ab und zu besuchen.«
»Ja, das ist richtig. Aber da Sie nicht mit offenen Karten mir gegenüber spielen, werde ich Ihnen keine weiteren Auskünfte geben.«
Gustavon saß einen Augenblick wie versteinert da, dann erhob er sich und brummte: »Wenn Sie sich für unentbehrlich halten, Angu, so täuschen Sie sich gewaltig. Leben Sie wohl!«
Später überlegte Angu, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, mit dem unsympathisch wirkenden Fremdling zu kooperieren, um gewisse Einflussmöglichkeiten zu behalten. Aber andererseits war es auch möglich, dass Rypdahl dadurch Schaden zugefügt worden wäre.
»Ich fühlte mich in Anwesenheit dieses Gustavon unbehaglich«, gestand ihm Ganjassa. »Er hatte etwas sehr Barbarisches an sich.«
»Er kam nicht von hier«, gab Angu zu bedenken.
Rypdahl hatte sich über das Erscheinen Mev Gustavons zunächst sehr gewundert. Was konnte dieser Fremde von ihm wollen? Er war sich sicher, ihn noch nie zuvor gesehen zu haben.
»Ich empfange nicht oft Besuch«, erklärte Rypdahl ein wenig verlegen, und sein Gast betrachtete eingehend die Vishnuianische Harfe.
»Sie haben Sinn für Antiquitäten, was?«
»Ich mag diese Sachen, ja.«
»Können Sie drauf spielen?«
»Nein.«
Rypdahl bemerkte das schwarzbefellte Tier, das der Gast auf seinem Arm mit sich führte. »Sagen Sie, ist das nicht ein Pudel, Senhor Gustavon?«
»In der Tat.«
»Hatten Sie keine Schwierigkeiten wegen ihm? Ich meine zum Beispiel in Bezug auf Quarantäne-Vorschriften, die hier außerordentlich streng gehandhabt werden.«
»Es hat ein paar Komplikationen gegeben. Ist aber nicht der Rede wert.«
Dann herrschte eine Weile verlegene Stille.
Gustavon wandte sich Rypdahl zu und bedachte ihn mit einem leicht zynischen Lächeln. »Ich will keine lange Umschweife machen, mein lieber Rypdahl, sondern Ihnen gleich sagen, was ich von Ihnen will. Ich arbeite im Auftrag der Sorindo AG, Luanda, Angola.«
»Angola?«, fragte Rypdahl misstrauisch. »Von dem Planeten habe ich noch nichts gehört, er muss sehr weit außerhalb liegen.«
»Angola ist kein Planet, Senhor Rypdahl, sondern ein Land auf der Erde.«
Sorindo AG?, sinnierte Antal Rypdahl. Habe ich schon von gehört. Ist die nicht ein Tochterunternehmen von MEGA-TECH?
Er konzentrierte sich wieder auf das, was sein Überraschungsgast zu sagen hatte:
»Aber das tut eigentlich nichts zur Sache, Senhor Rypdahl. Sie suchen nach einer Möglichkeit zu absolut objektiver Wahrnehmung, stimmt's?«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich habe Erkundigungen über Sie eingezogen. Erinnern Sie sich beispielsweise an einen Mann namens Sebastiano Barretto-Dantas?«
»Ja, natürlich. Barretto war einer meiner Professorenkollegen in Cunhal auf Vishnu.« Es war ihm einfach so entschlüpft. Es war zu spät, sich auf die Lippen zu beißen. Verdammt, damals... Da war er ein anderer gewesen. Eine Identität, die er nach einer weiteren Totalerneuerung schließlich hatte aufgeben müssen. Und jetzt kam der daher und wusste das - und tat sogar, als sei es die selbstverständlichste Sache von der Welt?
»Ich habe mit ihm gesprochen.« Gustavon verzog etwas das Gesicht. »Und dann gibt es da eine gewisse Rita Calergis-Manzoni, mit der Sie lange Zeit liiert waren.«
Rypdahl wurde blass, und in Gustavons Augen blitzte es triumphierend. »Sie sehen, ich weiß gut über Sie Bescheid. Ich habe mit Dutzenden von Leuten gesprochen, die mit Ihnen etwas zu tun hatten. Aber in den letzten Jahren scheinen Sie sich ziemlich abgekapselt zu haben... Da waren eigentlich nur noch diese Calergis-Manzoni - hießen Sie damals auf der Erde nicht Frederik van Meren? - und ein gewisser Taji Angu, der mich übrigens nicht gerade besonders zuvorkommend behandelt hat...«
»Was - was gibt Ihnen eigentlich das Recht, sich in meine Angelegenheiten zu mischen, hier herumzuschnüffeln?«, schrie Rypdahl, jetzt außer sich vor Wut. Zu allem kam noch hinzu, dass er sich mit seinem Gast auf Portugiesisch unterhalten musste - einer Sprache, die er ablehnte.
»Regen Sie sich ab, Senhor. Es ist alles zu Ihrem Besten. Wir mussten sicher sein, dass Sie der richtige Mann für uns sind. Bis jetzt spricht vieles dafür.«
»Wie darf ich das verstehen?«
MEGA-TECH!, hämmerte es hinter seinen Schläfen: Das ist der Konzern, der verantwortlich für das generelle Verbot von Transplantationen zeichnet! Und einer von denen jetzt hier bei ihm? Das konnte doch nur bedeuten, dass sie ihm vollends auf die Schliche gekommen waren. Bei dem Wissen, das der Kerl hatte... Aber wieso wurde er dann nicht einfach verhaftet? Was wollte der Kerl von ihm? Ihn erpressen mit dem, was er wusste? Oder ging es gar um... Karl Schmidt?
Er zuckte unwillkürlich zusammen.
Sein Besucher ignorierte es. Er sagte ruhig:
»Ich habe Ihnen im Auftrag des Sorindo-Konzerns ein Angebot zu machen, das Ihnen gefallen wird: Sie suchen die absolute Erkenntnis, die maximierte Objektivität der Wahrnehmung. Wir können sie Ihnen bieten.«
Rypdahl schaute auf, sichtlich überrascht.
Gustavon gab vor, ihm das bieten zu können, wonach er sein Leben lang gestrebt hatte (mit wenig Erfolg, wie er sich selbst eingestehen musste). Gustavon bot es ihm an, als wäre es irgendeine Kleinigkeit, präsentierte es ihm mit demonstrativer Lässigkeit, die Rypdahl offensichtlich verunsichern sollte.
»Hören Sie mir mal gut zu«, setzte Rypdahl an, aber er wurde unterbrochen:
»Nein, hören Sie mir erst einmal zu. Ich mache keine Scherze, ich meine es wirklich ernst! Der Sorindo-Konzern hat auf einem Planeten, den ich hier nicht näher nennen möchte, eine Lebensform entdeckt, die eine phänomenale Fähigkeit zur Empathie besitzt. Sie besitzt keine eigenen Sinnesorgane, sondern sieht ihre Umwelt durch die in ihrer Umgebung befindlichen Lebewesen. Wir arbeiten an gewissen Methoden der Zellverpflanzung, die es ermöglichen werden, diese Fähigkeit auf den Menschen zu übertragen und gleichzeitig erheblich zu maximieren.« Er lächelte. »Na, hab' ich zuviel versprochen? Ist es nicht das, was Sie immer wollten? Sie werden mehr als nur Ihre eigene, subjektive Wirklichkeit wahrnehmen und dadurch eine höhere Objektivität erreichen.«
Rypdahl kratzte sich am Kinn.
Er wirkte nachdenklich, aber in Wirklichkeit war sein Kopf vollkommen leer und ausgebrannt.
»Natürlich kann ich Ihnen jetzt keine Details angeben. Das wäre zu gefährlich. Selbst das, was ich Ihnen gerade mitgeteilt habe, bedeutet schon ein Risiko, denn wer sagt mir, dass Sie nicht hingehen und es jedem erzählen, der es wissen möchte?«
Rypdahl erwiderte, fast so, als hätte er die letzte Bemerkung seines Gastes gar nicht gehört: »Sie wollen mich als... gewissermaßen als... Versuchsperson.«
»So könnte man es auch formulieren, ja. Aber sie werden gut bezahlt - abgesehen davon, dass sich für Sie ein Herzenswunsch erfüllen wird.«
Er nannte eine Summe, aber sie schien Rypdahl gar nicht zu interessieren.
»Das Ganze hat doch sicherlich auch einen Haken, Senhor Gustavon, nicht wahr?«
»Nun..., es ist nicht ganz ungefährlich.«
»Wie groß ist das Risiko?«
»Nicht sehr groß. Wir haben auf jenem Planeten, dessen Namen ich Ihnen aus offensichtlichen Gründen nicht nennen darf, ein Forschungscamp eingerichtet. Dort werden Sie dann alle Einzelheiten erfahren. Bis dahin können Sie übrigens auch von dem Vertrag zurücktreten, den ich im Auftrag des Sorindo-Konzerns mit Ihnen schließen werde - falls Sie Interesse haben.«
Es war ein verlockendes Angebot, das musste Rypdahl zugeben.
Aber dennoch zögerte er.
Gustavon sagte: »Hier, Senhor Rypdahl!« und legte einen Chip auf den Tisch. »Dies ist der Vertrag. Sehen Sie sich die einzelnen Bedingungen und Zahlungsmodalitäten in Ruhe an und schlafen Sie noch einmal über diese Sache. Morgen werde ich dann wieder bei Ihnen vorbeischauen.«
»Gut.«
»Wenn Sie erlauben, werde ich dann jetzt gehen.«
»Eine Frage noch, Senhor Gustavon: Weshalb gerade ich?«
»Nicht 'gerade Sie'. Das könnte auch jemand anderes machen, aber wir haben uns dazu entschlossen, zunächst Sie anzusprechen, weil bei Ihnen einige positive Faktoren zusammenkommen. Zum Beispiel verfügen Sie über ein überdurchschnittlich hohes Bildungsniveau, was sehr entscheidend für uns sein kann. Es genügt nämlich nicht, dass Sie einfach nur wahrnehmen. Sie müssen die Flut von fremden Eindrücken, die sich über Sie ergießen wird, auch verstehen und ordnen können. Wir haben sowohl Ihre wissenschaftliche Laufbahn, als auch Ihren persönlichen Werdegang genauestens verfolgt, beziehungsweise rekonstruiert, um sicherzugehen. Aber das alles heißt natürlich nicht, dass wir von Ihnen abhängig sind. Ganz und gar nicht. Sie sind unser Wunschkandidat, aber letztlich doch nur einer unter Tausenden.« Er zögerte. Dann zwinkerte er Rypdahl vertraulich zu. »Und haben Sie nicht schon längst äußerst positive persönliche Erfahrungen machen können - mit unserem Mutterkonzern MEGA-TECH?«
Es war das zweite Mal, dass Antal Rypdahl zusammenzuckte. Er weiß es!, schrillte der Alarm in seinem Kopf. Dieser verdammte Kerl weiß von Karl Schmidt und was ich mit ihm gemacht habe! Nur deshalb ist er hier. Er weiß genau, dass ich gar nicht ablehnen kann, selbst wenn ich wollte. Aber will ich das überhaupt - ablehnen?
Vielleicht ist es ja gerade die Besonderheit von Karl Schmidt und dem Körper, den ich ihm verdanke, was mich prädestiniert für diese Sache?
Gustavon ging davon und ließ Rypdahl mit seiner Entscheidung und seinen Gedanken allein.
Vielleicht ist es ja doch... eine Chance?, überlegte Rypdahl. Vielleicht ist es wirklich die... entscheidende, um nicht zu sagen... letzte Chance?
Sicher, Gustavon hatte auch von Risiken gesprochen, aber sollte er sich davon schrecken lassen? Wie viele Risiken bin ich denn bisher eingegangen, um mein Leben zu verlängern und mein Wissen zu mehren? Was dagegen ist dieses weitere Risiko?
Noch vor einem Tag hätte Rypdahl alles gegeben, alles aufs Spiel gesetzt, um sein Ziel zu erreichen. Aber jetzt, wo dieses Angebot kam, zögerte er plötzlich, war sich unsicher. Warum?
Er zupfte etwas an seiner Vishnuianischen Harfe herum, sah aus dem Fenster in den Garten (es war diesiges Wetter) und spuckte zweimal hinaus.
Es ist deine letzte Chance, Antal!
Er spuckte noch einmal, wandte sich dann abrupt um und betrachtete den Chip, den ihm der Gast hinterlassen hatte.
Aber bevor er sich dem widmete, ging er hinunter in den Keller seines Anwesens - in einen Bereich, in den niemand außer ihm Zutritt hatte. Wenn es jemals jemand wagen würde, gewaltsam sich Zutritt zu verschaffen, ging eine allesvernichtende Bombe hoch. Der Keller war sozusagen eine Welt für sich. Er hatte ihn mitgebracht von der Erde (und darauf erst die neue Villa errichten lassen). Nicht nur, um damit sämtliche Spuren zu verwischen, die darauf hinwiesen, dass er auf der Erde als Frederik van Meren gelebt hatte (was ihm sowieso nicht gut genug gelungen war, wie der vergangene Besuch ihm bewiesen hatte!): Hier befand sich ein perfekt eingerichtetes Medocenter, das vollautomatisch jede gewünschte Operation und natürlich auch Transplantation vornehmen konnte, und... der hermetisch abgedichtete Tank mit dem leblos wirkenden Körper von Karl Schmidt! Er war völlig unverletzt. Alles, was er ihm entnommen hatte, war perfekt nachgewachsen, in einer Nährflüssigkeit, die sich ständig erneuerte und in ihrer Klarheit einen ungetrübten Blick auf den leblosen Körper bot. Nachgewachsen - am Ende der ganze Körper, insgesamt gesehen.
Er sah immer noch aus wie der typische Achtzehnjährige. Obwohl er sich in diesem Zustand jetzt schon seit Jahrhunderten befand - von der einen Unterbrechung abgesehen, als sich Antal Rypdahl davon überzeugen wollte, wie »echt« er wirklich war... Wenn er sich vorstellte, den Jungen zu befreien... Was würde geschehen?
Ein dummer Junge, nichtsahnend, völlig ohne Bildung. Er würde mich sofort töten, weil ich seinen Körper habe. Nur mein Gehirn ist das alte - mit all der Erinnerung... Ich sehe aus wie er und er sieht aus wie ich. Ich bin er - und er ist... ich.
»Nein!«, schrie er panikerfüllt und verließ fluchtartig den Bereich wieder.
Später befand er sich dann etwas mehr als eine Stunde im Zustand der Ekmnesie: Er war fest davon überzeugt, wieder Professor an der Universität von Cunhal zu sein, der zweimal die Woche vor seinen Studenten über Erkenntnistheorie dozierte.
Der Anfall wurde schlimmer; schließlich begannen mehrere zeitliche Ebenen sich zu vermischen, und Rypdahl wurde vollends verwirrt.
Als er am nächsten Morgen erwachte, kam ihm zunächst alles traumatisch und irreal vor. Dann durchzuckte ihn ein beunruhigender Gedanke, der ihn frösteln ließ: Gustavons Angebot ist wirklich meine letzte Chance!
Die Anfälle wurden häufiger und schlimmer, der Wahnsinn würde kommen - unaufhaltsam.
Der Chip lag noch immer dort, wo Gustavon ihn hingelegt hatte.
Ich hätte ihn dem Hauscomputer zur Prüfung geben sollen!, dachte Rypdahl, als der Chip seinen Blick für einige Momente einfing.
Aber seine Entscheidung stand fest, und da es eine schnelle, aus Verzweiflung geborene Entscheidung war, wären wohl auch logisch-rationale Bedenken des Computers nicht dazu in der Lage gewesen, sie zu erschüttern.
*
Rypdahl war in Tarvisio auf Catakri geboren, einem atmosphärelosen Mond des Gasriesen Wega 36.
Damals wie heute war Catakri eine arme und unfruchtbare Welt mit wenig devisenträchtigen Bodenschätzen und düsteren Zukunftsaussichten. Aber daraus zu schließen, dass es auf Catakri keinen Reichtum gegeben hätte, wäre unzulässig gewesen. Reichtum gab es durchaus, wenn auch nur bei Wenigen.
Und Antal war durch Zufall und glückliche Umstände als Sohn eines dieser Wenigen zur Welt gekommen: Antonio Rypdahl, Besitzer der Rypdahl-Aquarien und außerdem noch Präsident einer Wohnungsbaugesellschaft und mit zwanzig Prozentanteilen an der Vereinigte Sauerstoffwerke AG beteiligt, gehörte zu den reichsten und mächtigsten Männern Catakris.
Bei der Nahrungsmittelproduktion des Mondes kamen 60% aller auf dem Markt befindlichen Erzeugnisse aus den hydroponischen Anlagen der Rypdahl-Aquarien - eine Tatsache, die Antonio stets auch großen Einfluss auf politischer Ebene gesichert hatte.
Und während der Großteil der 5,5 Millionen Catakrianer dicht zusammengedrängt in den viel zu engen Kuppelstädten lebten, oft in menschenunwürdigen Verhältnissen, wuchs Antal in einer durch Mauer und Stacheldraht hermetisch vom Rest der Stadt Tarvisio abgeriegelten Villa auf, die von einem für die hiesigen Verhältnisse geradezu verschwenderischen Zierpark umgeben war.
Antals Vater war ein grauhaariger, höhensonnengebräunter Mann, in dem sich intensivste Anteilnahme und Mitgefühl mit zynischer Rücksichtslosigkeit abwechselten. Sein Charakter war unbeständig und ruhelos, doch sein hektisch wirkender Aktivismus verleitete ihn nur äußerst selten zu unüberlegten Schritten. Im Laufe der Jahre hatte er gelernt, sein Temperament zu kontrollieren.
Über seinen Aufstieg aus dem scheinbaren Nichts gab es sehr unterschiedliche und sich teilweise widersprechende Versionen, und Antonio selbst tat nichts dazu, das Dunkel um seine Vergangenheit zu erhellen - was wohl gute Gründe hatte.
Fest stand nur, dass er eines Tages mit einem Batzen Geld aufgetaucht war und die kurz vor dem Bankrott stehende Firma Tarvisio Hydroponic (später: Rypdahl-Aquarien) aufgekauft hatte.
Fest stand auch, dass er vorher einige Jahre auf anderen Welten zugebracht hatte und während dieser Zeit in einige mehr oder minder dubiose Affären verwickelt gewesen war.
Manche sagten, er hätte etwas mit verdächtig hoch versicherten Frachtraumschiffen zu tun gehabt, deren wertvolle Ladungen während der Reise wahrscheinlich gegen Schrott ausgetauscht wurden, und die dann unter mysteriösen Umständen havariert waren.
Andere wiederum wollten wissen, dass Antonio Rypdahls Reichtum aus früheren Aktivitäten im interplanetarischen Drogenschmuggel gewachsen sei. Aber was Wahrheit war und was der Fantasie der Gerüchteverbreiter entsprang, das wusste weder Antal noch sein Bruder Enrico.
Antonio hatte nie mit ihnen darüber gesprochen, und wie Antal später feststellte, hatte nicht einmal seine Frau eine Ahnung von seiner Vergangenheit.
Alle diejenigen, die authentische Informationen darüber hätten liefern können und sich in Antonios Reichweite befunden hatten, waren nach und nach auf die eine oder andere Art zum Schweigen gebracht worden.
Die Gerüchte waren deshalb nicht verstummt, aber ihrer Glaubwürdigkeit beraubt und damit für seine Karriere nicht mehr hinderlich.
Er traute niemandem, außer sich selbst, und so war er zeit seines Lebens sehr einsam, woran auch seine Ehe mit der phlegmatisch-depressiven Naraia Santoni, der Mutter seiner beiden Söhne, nicht viel änderte.
Antonio kam aus der Unterschicht; er repräsentierte keine Tradition, und darum wollte er eine schaffen.
Analog zu weit zurückliegenden Zeiten üblicher Herrscherdynastien, wo die Väter ihr Amt und ihre Macht über Generationen hinweg an ihre Söhne weitergaben, wollte Antonio eine Art Industrie-Dynastie gründen und sich selbst damit verewigen.
Aber zu seinem großen Verdruss musste er seine beiden Söhne als völlig missraten betrachten.
Enrico, der Jüngere der beiden, hatte sich zunächst in einer Weise entwickelt, die seinem Vater Anlass zu größten Hoffnungen bot. Er war agil und temperamentvoll, machte sich die Härte und Zielstrebigkeit zu eigen, die Antonio ihm vorlebte, aber als er siebzehn wurde, gab es einen Knick in seiner Entwicklung.
Bis dahin hatte er nur die Welt seiner eigenen Klasse zu sehen bekommen, die Glitzer- und Prunkwelt der kleinen catakrischen Oligarchie, die so gar nichts gemein hatte mit dem Leben jener, die täglich mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes oder dem Ausfall eines der öffentlichen Sauerstoff-Aggregate rechnen mussten. Noch eine Stufe tiefer gab es dann die Welt derjeniger, die keine Arbeit hatten und auf Zuwendungen von Verwandten und Freunden angewiesen waren.
Aber Enrico lernte diese andere Welt Stück um Stück kennen.
Das Elend, das er sah, die Leichen, die mit erschreckender Regelmäßigkeit in den Straßen lagen, entweder verhungert oder weil in irgendeinem Stadtteil die Frischluftversorgung für ein paar Stunden ausgefallen war, das alles erschütterte Enrico zutiefst.
Der Glaube an die Rechtmäßigkeit dessen, was sein Vater und seinesgleichen taten und was auch er eines Tages hätte tun müssen, wankte. Den Lebensstil, den er führte, empfand er zunehmend als permanenten Diebstahl an den Armen.
Sein Blick für politische Zusammenhänge wurde durch diese Erlebnisse zunehmend geschärft, und mit wachsendem Misstrauen sah er zu, wie schamlos sein Vater die herrschenden Militärdiktatoren mit dem Hinweis auf die 60 Prozent Marktanteile der Rypdahl-Aquarien erpresste, Entscheidungen verhinderte oder erzwang, wie es ihm zum Vorteil gereichte.
Ein Drosseln der Produktion um nur ein Prozent bedeutete schon eine Hungersnot. Und welche Regierung konnte sich das schon leisten? Die Verhältnisse waren unsicher genug, das Elend ohnehin schon viel zu groß, die Bürokratie uneffektiv und korrupt.
Das Einzige, das relativ gut funktionierte, war der Polizei-Apparat, der gerade ausreichte, um das aufrechtzuerhalten, was die Regierung euphemistisch als 'öffentliche Ordnung' bezeichnete.
Es kam unweigerlich bald zu harten verbalen Auseinandersetzungen zwischen Enrico und seinem Vater.
Antonio verstand seinen Sohn einfach nicht mehr, und er begriff auch nicht die Wandlung, die sich in ihm vollzogen hatte.
Diese Wandlung war ein längerer Erkenntnis- und Reifungsprozess gewesen, aber für Antonio, der diese (sich zunächst nur sehr subtil bemerkbar machende) Entwicklung gar nicht bemerkt und nicht Stufe für Stufe ihres Werdens mitverfolgt hatte, musste es anders erscheinen:
Als hätte Enrico innerhalb kürzester Zeit seine alten, von den Eltern übernommenen Ansichten über Bord geworfen und wahllos gegen neue ersetzt.
»Hör' zu, Junge, ich komme selbst von da unten!«, schrie Antonio seinen Sohn einmal wütend an. »Ich komme von da unten, hörst du? Ich bin in den Slums groß geworden, und ich weiß, was das heißt! Aber ich bin da 'rausgekommen, ich hab's zu 'was gebracht, und jeder, der sich Mühe gibt und stark genug ist, kann's auch schaffen, davon bin ich überzeugt!« Aber Enrico war es schon seit längerem nicht mehr. »Die Zustände da sind schlimm, das weiß ich - ich hab's selbst erlebt. Aber man sollte deshalb nicht sentimental werden. Es ist das Gesetz des Universums, dass der Stärkere siegt und der Schwache stirbt. Ich bin stark und klug, und deshalb habe ich erreicht, was ich erreicht habe. Das Universum ist manchmal grausam, aber wenn du stark bist, hält es viele Freuden für dich bereit.«
Antonios Verehrung galt der Stärke (vornehmlich seiner eigenen), was das direkte Resultat seiner Biographie war.
Er hatte zu lange zu den Schwachen gehört.
Enrico bekam schließlich Kontakt zu im Untergrund arbeitenden Widerstandsorganisationen, und eines Tages kam er nicht mehr nach Hause; er lebte jetzt unter dem Namen Enrico Galno und arbeitete im Verborgenen für den Umsturz.
Er war nicht sentimental; er war Pragmatiker.
Enricos Mutter zeigte nach seinem Weggang kaum eine Reaktion. Sie blieb gewohnt phlegmatisch, aber Antonio traf die Entscheidung seines Sohnes hart.
Er hatte Großes mit ihm vorgehabt und in ihm eine Art Spiegelbild seiner selbst gesehen. Aber alle Pläne hatte Enrico jetzt selbst zunichte gemacht.
Wozu die viele Bildung, die teuren Hypnoschulungen auf France-Deux?, fragte Antonio sich oft. Alles umsonst!
Enrico Galno avancierte trotz seines jugendlichen Alters rasch in die Spitzen- und Schaltstellen des Widerstandes, was zweifellos durch seinen hohen Bildungsstandard bedingt war.
Jahrelang hörte seine Familie nichts von ihm. Dann kam es zu Straßenkämpfen, und es wurde offenbar, dass die Regierung auf sehr wackeligen Säulen thronte. Schließlich war sie nicht mehr in der Lage, den Unmut der Bevölkerung zu bremsen. Sie wurde gestürzt, und ein Revolutionsrat übernahm die Macht, dem auch Enrico angehörte.
In weiser Voraussicht hatte Antonio Rypdahl (der die instabile Lage der catakrischen Regierung sehr wohl wahrgenommen hatte) den Großteil seines Kapitals frühzeitig auf anderen Planeten angelegt, und als sich die Vorboten der Revolution zeigten, siedelte er mit seiner Familie nach Neu Salisbury auf Thompson um.
Vorher jedoch ließ er aus Wut seine Aquarien sprengen, um jeden Erfolg nachfolgender Revolutionsregierungen im Voraus zu vereiteln.
Ohne die Aquarien musste es auf Catakri unvorstellbaren Hunger geben, und Antonio wusste das, ja, beabsichtigte es sogar. Es war unter anderem auch eine Art Racheakt seinem missratenen Sohn Enrico gegenüber, dessen Kopf er auf Steckbriefen hatte sehen müssen.
Die catakrische Revolution verriet zunehmend (unter dem Druck ökonomischer Zwänge und aufgrund des Machtdurstes einiger ihrer Apollogethen) ihre ursprünglichen Ideale und begann, ihre Kinder zu fressen.
Demokratie, Menschenrechte, Freiheit und Gerechtigkeit hatte man versprochen - und natürlich genug Nahrungsmittel für alle.
Aber Stück für Stück wurde von diesem Programm Abstand genommen, innere Machtkämpfe und Intrigen erschwerten die Arbeit von Revolutionsrat und Behörden.
Und es rollten Köpfe.
Zunächst die der alten Oligarchie und der regierenden Generalsjunta, soweit man ihrer habhaft werden konnte, später jedoch war auch der Linientreueste seines Kopfes nicht mehr sicher.
Enrico erfuhr nie die wahren Hintergründe seiner Verurteilung und die Namen derjeniger, die gegen ihn intrigiert hatten.
Jemand deckte eines Tages seine Herkunft auf, was ihn beinahe seinen Sitz im Revolutionsrat kostete, und dann lagen plötzlich Beweise gegen ihn auf dem Tisch, die ihn konterrevolutionärer Umtriebe überführten und ihn außerdem bezichtigten, an der Sprengung der Aquarien irgendwie beteiligt gewesen zu sein.
Es war alles unwahr, aber irgendwem nützte Enricos Liquidierung, verschaffte ihm vielleicht eine bessere Ausgangsposition auf dem Weg nach oben.
Das Gerichtsverfahren lief schnell und öffentlichkeitswirksam über die Bühne, das Volk hatte einen Sündenbock und Enrico wurde hingerichtet.
Im Gegensatz zu seinem zweitgeborenem Bruder zeigte Antal Rypdahl zu keiner Zeit irgendwelche Ansätze zu einem Lebensstil, den Antonio positiv bewertet hätte. Auch er war in den Augen seines Vaters ein Versager, der niemals dazu in der Lage sein würde, mit seinem Erbe etwas Gewinnbringendes anzufangen.
Antal wuchs wohlbehütet auf, und der einzige Sinn, den war in seinem Leben zu sehen schien, war der des Genießens.
Er hatte weder einen übertriebenen Hang zum Handeln, wie man ihn bei Antonio kannte, noch den Phlegmatismus seiner Mutter. Sein Temperament war irgendwo dazwischen angesiedelt.
Er verbrachte seine Tage mit den verschiedenen Vergnügungen, die sich ihm durch das Geld seines Vaters anboten, und stellte auch insofern einen Gegenpol zu seinem Bruder Enrico dar, als er sich zu keiner Zeit irgendwelche Gedanken über Politik machte.
»Wozu dieser pessimistische Quatsch? Wozu Politik?«, lachte er einmal seinen Bruder aus. »Nimm, was du kriegen kannst, denn morgen bist du tot!«
Den Weggang seines Bruders schien er kaum zur Kenntnis zu nehmen und die darauf folgenden Appelle seines Vaters (jetzt seines Musterknaben beraubt und um die Nachfolge in seinem Industrie-Imperium bangend) zeigten keinerlei Wirkung.
Als die Familie rechtzeitig vor der Revolution von Catakri nach New Salisbury auf Thompson umgezogen war, verbesserte sich die Lage für Antal noch. Auf dem vierten und größten Mond von Wega 336 war der Lebensstandard um einiges höher, und so gab es auch raffiniertere Methoden des Zeitvertreibs.
Für seinen Vater sah es natürlich weniger günstig aus: Da auf Thompson alle Schlüsselindustrien, wie zum Beispiel Hydroponische Aquarien und Sauerstoffwerke, verstaatlicht waren, gelang es ihm nie wieder, eine ähnlich machtvolle Position zu erlangen, wie er sie auf Catakri innegehabt hatte.
Die Tage seines heimlichen Königtums, seines hemmungslosen Marionettenspiels waren endgültig vorbei.
Als Antal kleiner gewesen war, hatten seine Eltern ihn gezwungen, die Hypnoschulungen über sich ergehen zu lassen, später ließ er sich das nicht mehr bieten.
Antonio war oft sehr wütend auf ihn, schrie ihn an, bedachte ihn mit endlosen Ketten unflätiger Bezeichnungen, drohte ihm dieses und jenes an, worüber Antal nur verächtlich den Mund verziehen konnte.
Enrico war nicht mehr zur Rechenschaft zu ziehen, und so hatte Antal die Wut seines Vaters über seinen jüngeren (und inzwischen hingerichteten) Bruder mitzuertragen.
Manchmal verirrte Antonio sich so weit in seinen unbändigen Gram, dass er ernsthaft erwog, Antal aus dem Hause zu verstoßen und ihm jegliche ökonomische Grundlage zu entziehen.
Sollte Antal doch dahin gehen, wo er ebenfalls angefangen hatte - in der Gosse! Sollte er dort beginnen, und dann würde sich zeigen, wieviel er wert war.
Als Antonio seinem Sohn damit drohte, konterte dieser jedoch einfach mit einem Hinweis darauf, dass es auf Thompson (im Gegensatz zu Catakri) ein Familienrecht gab, das Eltern dazu verpflichtete, ihren Kindern angemessenen Unterhalt zukommen zu lassen, bis diese auf eigenen ökonomischen Füßen stehen konnten.
Das hatte Antonio natürlich zum Kochen gebracht, und er hatte herumgetobt wie selten. Hier auf Thompson musste auch er die Gesetze achten und konnte nicht auf 60% Marktanteile an der Nahrungsmittelproduktion hinweisen.
So blieb ihm also nur die Hoffnung, dass es doch noch eine Wende geben würde - aber es bestand wenig Grund dazu.
Dann kamen Antals Eltern bei einem Gleiterabsturz auf einen Schlag ums Leben. Er war der einzige Erbe und lebte in der Gewissheit, nie in seinem Leben irgendwelche Arbeit annehmen zu müssen.
Als ihm Thompson nach einigen Jahren zu eng wurde, zog er nach La Ville Blanche auf France-Deux - eine Welt, die zu den wohlhabenden Planeten zählte. Hier blieb er mehr als achtzig Jahre, und in dieser Zeit wurde Neufranzösisch zu seiner zweiten Muttersprache.
Er lebte von seinem Erbe, und sein Lebensstil änderte sich nicht, bis sich langsam die ersten Zeichen des Alters bemerkbar machten.
Zunächst waren das relativ leicht zu behebende Schäden - die neu-französische Medizin war recht fortgeschritten. Aber es gab mit den Jahren immer mehr Organe, die illegal ausgewechselt werden mussten, und bald war er jemand, der sich mühsam von einem Jahr zum anderen rettete.
Als er sein hundertstes Lebensjahr überschritten hatte, begann sich der dauernde Gedanke an den irgendwann mit Sicherheit eintretenden Tod zu einem panikartigen Gemütszustand zu steigern.
Er verlor die Freude am Leben, konnte das Vergnügen nicht wirklich ausleben, bemühte sich aber gleichzeitig, so intensiv wie möglich zu leben, um noch soviel wie möglich vom Dasein zu haben.
Doch diese Intensität hatte etwas zutiefst Zwanghaftes, und jener schreckliche Gedanke nagte täglich an ihm und nahm ihm schließlich die Kraft, die ein intensives Leben fordert.
Um seine Angst vor dem Unaussprechlichen zu betäuben, unternahm er ausgedehnte Reisen zu den verschiedenen Planetensystemen, ließ fremdartige Eindrücke auf sich wirken und versuchte unbewusst, durch raschen Ortswechsel seine Panik irgendwo zurückzulassen - dabei ständig begleitet von einem Team Ärzte (die aufgrund des vielen Geldes, das sie von ihm bekamen, wirklich zu allem bereit waren, auch zu jeder Illegalität, denn wenn er starb, dann starb mit ihm... ihre wichtigste Geldquelle!).
Er begann sich zu fragen, wann er überhaupt je wirklich gelebt hatte; es kam ihm alles so kurz und unwesentlich vor, was er getan und gesehen hatte.
Seine Erinnerungen bestanden nur aus einer endlosen Kette zusammenhangloser Szenen und dem vagen Gefühl der Nutzlosigkeit.
Schließlich kehrte er nach France-Deux zurück und gab das Reisen auf. Sein Körper machte einfach nicht mehr mit.
Der Entropiefluss, die Zeit, zehrte immer heftiger an ihm, und er hatte innerhalb von zwei Wochen vier Herzinfarkte.
Aber die moderne Medizin flickte ihn wieder zusammen, rettete ihn noch einmal vor dem unwiderruflichen Gesetz der Vergänglichkeit. Man schnappte sich gewissermaßen in letzter Minute einen passenden Spender, den niemand vermissen würde, brachte ihn um, transplantierte sein Herz Antal Rypdahl (es war ohnehin sein drittes) und gab ihm auch gleich seine vierten Elektro-Nieren und eine Kunstmilz.
Antal Rypdahl wusste, dass mit all diesen Maßnahmen der Tod nur um ein paar weitere Jahre aufgeschoben wurde.
Doch er würde kommen, zweifellos.
Irgendwann würden die Medotechniker von France-Deux ihm auch nicht mehr helfen können, und er würde vergehen.
Es würde so sein, als hätte es ihn nie gegeben.
Manchmal weinte er nachts wie ein kleines Kind, wenn er an der Seite eines seiner Androidenmädchen erwachte, geweckt von düsteren Gedanken an das immer näher rückende Ende seiner Existenz.
Hinterher wünschte er oft alles und jeden zum Teufel und schlug um sich, zerstörte Möbel, bereute aber alles hernach wieder.
Eine Zeitlang versuchte er, sich mit einem Panzer aus Härte und Zynismus zu umgeben, um sich unverwundbarer zu machen. Aber das passte ganz einfach nicht zu ihm - und es wirkte auch nicht.
Seine Verzweiflung wuchs, und er sah keinen Ausweg, als sich mit der Tatsache abzufinden, dass auch seine Existenz einmal ein Ende haben würde.
Doch dann fanden seine Mediziner - immerhin die besten und nicht nur die korruptesten von Tierra Nueva - endlich eine Möglichkeit zur Gehirntransplantation in einen geeigneten und entsprechend vorbereiteten jugendlichen Körper (dem jungen Mann hatten sie einfach das Gehirn entfernt und benutzten es nunmehr für ihre illegalen Experimente)!
Es kostete ihn ein halbes Vermögen, dieser neuartigen Behandlungsmethode unterzogen zu werden und anschließend seine Identität und seinen Wohnsitz radikal zu wechseln - und damals war ihm auch noch nicht klar, dass er damit gewissermaßen den Tod gegen den Wahnsinn getauscht hatte.
Damals war eine wirkliche Wandlung mit ihm vor sich gegangen, über die nach außenhin veränderte Identität hinaus (die allerdings nichts an seiner naiven Politik-Abstinenz änderte), und jener Antal war nach und nach entstanden, der jetzt unter dem harten Blick Mev Gustavons förmlich zusammenzuckte.
»Na, haben Sie es sich überlegt, Senhor Rypdahl?«
»Ja.«
Irgend etwas war heute anders als gestern; Rypdahl begann es zu suchen und fand es schließlich: Gustavon hatte seinen Pudel nicht mitgebracht.
»Und? Wie sieht Ihre Entscheidung aus?«
»Ich werde mit Ihnen kommen.«
»Das ist gut, Senhor. Sie werden es nicht bereuen.«
»Das hoffe ich auch.«
»Unser Schiff geht heute abend. Ich werde Sie abholen.«
»Gut«, erwiderte Rypdahl, völlig abwesend.
»Der Vertrag... Vergessen Sie nicht, ihn mit Ihrer Privatcode-Nummer zu signieren, damit er rechtsgültig wird.«
Rypdahl bemerkte kaum, wie Gustavon sich dann verabschiedete und ging.
Zunächst nahmen sie eine Raumpassage nach France-Deux und gelangten von dort aus über Tywyn und Olendi nach Neu Uruguay. Von da ab wurden die Verbindungen spürbar schlechter: Ganze zwei Monate mussten sie auf ein Schiff warten, das sie nach Tarasco brachte.
Von dort ging es nur mit einem Privatraumer des Sorindo-Konzerns weiter nach Yys (so genannt nach seinem Entdecker), dem einzigen und ziemlich unerschlossenen Planeten eines Sonnensystems, das politisch den Status einer angolanischen Kolonie besaß (und eigentlich über den »Umweg« über Sorindo Privatbesitz von MEGA-TECH war!).
Zu 99% war dieser Planet mit Ozeanen bedeckt, die jedoch einen derart hohen Gehalt an giftigen Salzen enthielten, dass eine Aufbereitung als Export-Trinkwasser nicht lohnte.
Etwa hunderttausend Angolaner lebten hier, die meisten davon in Nova Chitembo, der einzigen wirklichen Stadt dieses Planeten.
Aber Gustavon landete nicht dort, sondern auf Barranco do Velho, einer kleinen Insel auf der südlichen Halbkugel.
Hier befand sich das Forschungscamp, von dem er gesprochen hatte, und das Rypdahl verhältnismäßig groß erschien. Man hatte extra eine Landefläche für Raumschiffe planiert und Anlegestellen für Boote gebaut. Fertighäuser waren schnell und schmucklos aufgestellt worden, um Wohnraum und Platz für Laboratorien zu bieten.
Rypdahl hatte Tierra Nueva verlassen, ohne sich von irgend jemandem verabschiedet zu haben (auch nicht von dem leblosen Körper von Karl Schmidt in dem Nährmitteltank im Kellerbereich seiner Villa).
Er hatte einfach nicht daran gedacht, aber jetzt, wo er die dünne, würzige Luft von Yys einsog, fiel es ihm wieder ein. Nicht einmal Taji Angu wusste, wo er jetzt war.
Vielleicht hätte ich ihm Bescheid geben müssen?, dachte er.
Vielleicht wäre es gut gewesen, die Entscheidung, Gustavon zu folgen, mit jemandem zu besprechen, der das Ganze aus der Distanz beobachtet hatte? Er hätte ja nicht erwähnen müssen, dass Gustavon die Kenntnis über seine wahre Vergangenheit (zumindest einen entscheidenden Teil davon) als Druckmittel gegen ihn verwenden könnte...
Aber rasch fegte er diese Gedanken wieder beiseite.
Er durfte jetzt nicht anfangen zu zweifeln, und er würde es sich auch in keinem Fall gestatten.
Nach einer Unmenge von Kontrollen und Durchsuchungen wurde Rypdahl von Gustavon in ein Büro geführt, das in einem der unzähligen Fertigbauten untergebracht war.
Ein bärtiger Schwarzer schaute von der Tastatur eines Computerterminals auf und nickte zur Begrüßung.
»Dies ist Dr. Augustino Ifeagwu, der wissenschaftliche Leiter dieses Projekts«, wurde er von Gustavon vorgestellt. Ifeagwu reichte Rypdahl die Hand und lächelte.
»Sprechen Sie unsere Sprache, Senhor? Oder möchten Sie, dass wir uns in einer anderen unterhalten?«
»Sie können nicht zufällig Italienisch?«
»Nein.«
»Und auch nicht Neufranzösisch?«
»Nein, auch nicht. Aber wie wär's mit Chinesisch oder Schwedisch?«
»Lassen wir's dabei, Senhor Ifeagwu.«
Der Schwarze zuckte mit den Schultern.
»Ihr Name ist Rypdahl, nicht wahr?«
»Ja.« Rypdahl runzelte die Stirn. Was wussten die wirklich über ihn? Dass Rypdahl sein ureigener Name war? Oder nahmen sie an, dass er als Frederik van Meren geboren worden und erst nach dem Körpertausch in seiner neuen Heimat als Antal Rypdahl aufgetaucht war - unter einem beliebigen Namen also, der nichts mit seiner wahren Identität zu tun hatte?
»Wir haben eine Menge Informationen über Sie gesammelt«, sagte Ifeagwu - und in den Ohren Rypdahls klang das zweideutig. »Hat Ihnen Gustavon gesagt, worum es bei diesem Projekt geht?«
»Ich habe eine vage Vorstellung, aber nicht mehr.«
Ifeagwu wechselte einen kurzen Blick mit Gustavon, dessen Botschaft Rypdahl nicht zu entschlüsseln vermochte.
»Nun, man wird Sie natürlich bald vollständig informieren.«
»Ich würde aber gerne schon jetzt über einige Dinge Klarheit haben, Senhor Ifeagwu.«
»Übereilen wir besser nichts, mein Lieber. Am besten, Sie sehen sich erst einmal Ihre Unterkunft an.«
Rypdahl zuckte mit den Schultern.
»Wie Sie meinen.« Er spürte plötzlich eine unangenehme Mischung aus Erwartung und Unbehagen. »Aber lassen Sie mich bitte nicht zu lange warten.«
»Wenn Sie irgendwelche besonderen Wünsche haben sollten, dann sagen Sie es uns bitte. Es soll Ihnen hier an nichts mangeln.«
»Gut, ich werde mich melden, wenn ich etwas brauche. Aber was ich vorher noch gerne gewusst hätte: Was veranlasst den Sorindo-Konzern zu diesem Forschungsprojekt? Ich meine, Sie vertreten schließlich ein Industrieunternehmen, das auf Profit aus ist...«
Ein nervöses Zucken spielte um Ifeagwus Augen. Rypdahl glaubte, Unsicherheit erkennen zu können.
»Wir... Nun... Sorindo stellt jährlich einen beträchtlichen Etat für zweckfreie Forschung zur Verfügung. Über die eventuelle kommerzielle Nutzung dessen, was hier erforscht wird, mache ich mir keine Gedanken - das gehört auch nicht in mein Ressort.«