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Wer von Sonnenauf- bis untergang mit einem Kind (oder mehreren) zusammen kocht, wäscht, putzt, ein bisschen sich sorgt, ein bisschen streitet, der realisiert: Alltagsgestaltung mit eigenen Nachkommen macht den grauen Alltag viel heller, denn das Leben mit Kindern bereichert. Beide Seiten. Geistliche Impulse helfen dabei, den Alltag geplant und spontan zu unterbrechen. Und umgekehrt: Sich bei Alltagsverrichtungen weniger von deren Dynamik beherrschen zu lassen, sondern von geistlichen Werten. Das Buch schlägt für jeden Tagesabschnitt und jede Jahreszeit eine Auswahl von Alltagsimpulsen zur Aneignung und Meditation vor. → Geistliche Impulse für die Alltagsgestaltung mit Kindern
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Seitenzahl: 67
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Peter Hofmann
Alltagseltern –
Mit Kindern spirituell unterwegs
Ignatianische Impulse
Herausgegeben von Stefan Kiechle SJ, Willi Lambert SJ
und Stefan Hofmann SJ
Band 92
Ignatianische Impulse gründen in der Spiritualität des Ignatius von Loyola. Diese wird heute von vielen Menschen neu entdeckt.
Ignatianische Impulse greifen aktuelle und existentielle Fragen wie auch umstrittene Themen auf. Weltoffen und konkret, lebensnah und nach vorne gerichtet, gut lesbar und persönlich anregend sprechen sie suchende Menschen an und helfen ihnen, das alltägliche Leben spirituell zu deuten und zu gestalten.
Ignatianische Impulse werden begleitet durch den Jesuitenorden, der von Ignatius gegründet wurde. Ihre Themen orientieren sich an dem, was Jesuiten heute als ihre Leitlinien gewählt haben: Christlicher Glaube – soziale Gerechtigkeit – interreligiöser Dialog – moderne Kultur.
Peter Hofmann
Mit Kindern spirituell unterwegs
Gewidmet den Kindern:Magdalena, Jonathan, Linus
Erziehen im Alltag
Morgen
1. Vom Aufgang der Sonne
2. Atmend unterwegs
Mittag
3. Kochen und schmecken
4. Pausieren und beten
Nachmittag
5. Spielen und streiten
6. Schimpfen und strafen
Abend und Nacht
7. Auf Fragen antworten
8. Aufbleiben und staunen
Erziehen im Jahreslauf
Winter
9. Im Neuen ankommen
10. Festen und feiern
Frühling
11. Zum Elternsein berufen
12. Worte zur rechten Zeit säen
Sommer
13. Gemeinsam entscheiden
14. Fallen und aufstehen
Herbst
15. Abschied nehmen
16. Behütet und frei
Anhang
Anmerkungen
Nicht benötigte Kleidungsstücke liegen im Eingangsbereich am Boden herum, obwohl die Kinder bereits auf dem Schulweg sind. Den Fahrradhelm haben sie auch nicht auf, obwohl sie wissen: Sie setzen ihn nicht für ihre Eltern auf, sondern zu ihrem eigenen Schutz. Alltagssorgen? Typische kleine Alltagsdramen? Wie oft habe ich mich schon mit unerwünschtem Verhalten folgenlos auseinandergesetzt? Erziehen ist manchmal zum Verzweifeln, ein Kampf zwischen Natur und Kultur. Aber das Zusammenleben mit Nachkommen inspiriert auch und lässt einen reifer werden.
Dieses Büchlein schlägt für jeden Tagesabschnitt und jede Jahreszeit eine Auswahl von Impulsen zur Aneignung und Meditation für Eltern vor, die im Alltag stehen. Dabei orientiere ich mich an der Exerzitienspiritualität von Ignatius von Loyola (1491–1556). Ihr begegnete ich in Exerzitien im Alltag ein erstes Mal. Damals lernte unser zweites von drei Kindern gerade laufen. Heute ist es volljährig.
Wer von Sonnenaufgang bis -untergang mit einem Kind (oder mehreren) zusammen kocht, wäscht, putzt, ein bisschen genießt, ein bisschen sich sorgt, ein bisschen streitet, Abmachungen einhält und vielleicht sogar große Pläne verwirklicht wie einen Umzug oder Hausbau, der realisiert: Alltagsgestaltung mit eigenen Nachkommen ist weniger grau als es die Rede vom grauen Alltag suggeriert. Es kennzeichnet geradezu das Religiöse, hinter der Banalität des Alltags den Sinn des Lebens zu erspüren. Ist nicht in jedem noch so kleinen Einzelereignis das unermesslich reiche »All« präsent? Der Alltag eines Vaters, einer Mutter gleicht einem Kaleidoskop. Darin lassen sich unschwer große Lebensthemen erkennen wie Anfänge (Kapitel 1+9), Entfaltungen (Kap. 2–8; 10–14) und Abschiede (Kap. 15+16). Eigene Kinder helfen dabei, intensiv universelle Raum-Zeit zu erleben – oder eben: »alles im Tag«, das ganze All im Tag.
Der Vater des Existenzialismus, der Philosoph und Theologe Søren Kierkegaard (1813–1855) unterstreicht dies, wenn er sagt: »In jedem Kind ist etwas Ursprüngliches, welches bewirkt, dass alle abstrakten Prinzipien und Maximen mehr oder weniger daran scheitern. Man muß selber von vorn anfangen, oft mit viel Mühe und Not. Es liegt ein tiefer Sinn in dem chinesischen Sprichwort: ›Erziehe deine Kinder gut, so wirst du erfahren, was du deinen Eltern schuldig bist.‹ … Das ganze Leben wird in den Kindern noch einmal erlebt, nun erst versteht man beinahe sein eigenes Leben«.1
Tatsächlich bin ich überrascht, wie meine Kinder mich zu Selbstbeobachtung und -erkenntnis herausfordern, wenn ich sie nicht nur als zu erziehende, angehende Persönlichkeiten sehe, sondern als Lehrmeister akzeptiere, bei denen ich zeitweise zur Schule gehe. Denn wie jeder Mensch bin ich damit beschäftigt, meinen eigenen Weg des Umgangs mit Spannungen zu finden. Ich ringe mit vielen Stimmen und Stimmungen, mache mir Sorgen und bekomme es mit der Angst zu tun. So wende ich mich auch nicht mit Ratschlägen für ein besseres Leben an Sie, die Leserinnen und Leser. Das Einzige, was ich möchte, ist, mein Lernen von den Kindern mit Ihnen zu teilen.
Wenn Jesus sagt, seine Nachfolger sollten wie die Kinder werden, um das Reich Gottes zu erlangen, was nicht weniger bedeutet, als unvergängliche Lebendigkeit zu erreichen, dann meint er damit, dass ich als Erwachsener offen und wach sein soll für Kinder (Mk 10,14). Noch zugespitzter formuliert es das Thomasevangelium: »Ein Greis in hohem Alter wird nicht zögern, ein kleines Kind von sieben Tagen über das Wesen des Lebens zu befragen. Und er wird leben« (Logion 4).
Von einem Kind geht ein Glanz aus, der die Welt erneuert (Ex 24,16ff.; 2 Kor 3,18). Dieser Glanz hilft, tägliche Arbeitsroutinen in anderem Licht wahrzunehmen. Wenn ich realisiere: Meine Arbeit rennt nicht davon, wenn ich mit meinem Kind über den Regenbogen staune – der Regenbogen wartet aber nicht, bis ich mit meiner Arbeit fertig bin. Einsichten wie solchen folgen manchmal heilsame Wendungen. Dazu bieten sich Fragen an: Wovon lebe ich? Wie geschieht Befreiung? Aus Fehlern lernen? Mit einem Vorbild leben? Sterben, um Leben zu gewinnen?
Der Gründer des Jesuitenordens legte Lernenden in einem Brief nahe, sich darin zu üben, »die Gegenwart Gottes unseres Herrn in allen Dingen zu suchen, z.B. im Sprechen, im Gehen, Sehen, Schmecken, Hören, Denken, überhaupt in allem, was sie tun; ist ja Gottes Majestät in allen Dingen, durch seine Gegenwart, durch sein Wirken und sein Wesen«.2
Geistliche Impulse helfen, den Alltag geplant und spontan zu unterbrechen. Und umgekehrt: Sich bei Alltagsverrichtungen weniger von deren Dynamik beherrschen zu lassen, sondern von geistlichen Werten. Dafür orientiere ich mich an der biblischen Spruchweisheit, die auch Jesus nutzte (siehe im Anhang: Biblische Erziehungsleitlinien). In pädagogischen Zusammenhängen helfen solche weisen, knappen Sprüche, weil sie nicht umständlich argumentieren, sondern dank bildhafter Sprache anregen, eine als sinnvoll erkannte Haltung zu übernehmen (Eleonore Reuter). Am Ende jedes Kapitels finden sich außerdem Fragen. Sie sind dazu da, dass Sie als Leserin und Leser das Beschriebene mit eigenen Erfahrungen verbinden können.
Wie erklärte einst Meister Hora der kleinen Momo wahre Lebendigkeit? Jeder Mensch habe seine Zeit, sagte er. Und dann fuhr er fort: Nur solange die Zeit wirklich die seine ist, bleibt sie lebendig. So möchte ich Ihnen wünschen: Dass Sie sich aufs Ganze gesehen gut zurecht finden im Kaleidoskop Ihres Lebens! Und dass Sie beherzt, engagiert und geistesgegenwärtig die zahlreichen elterlichen Aufgaben meistern. Meinen schriftlichen Beitrag dazu halten Sie in Ihren Händen. Möge er Sie in Ihrem Alltag segensreich begleiten.
Unüberhörbar sind die Aufforderungen zum Singen in der Bibel. In allen Variationen und mit verschiedenen Fortsetzungen ertönt die Aufforderung: »Singt und jauchzt aus vollem Herzen!« (Eph 5,19). Singen und Sagen gehören von ihrem Ursprung her zusammen. Ein Kind lernt sprechen, indem es Laute nachahmt und mit lautsprachlichen Klängen spielt. Zu Beginn des Lebens werden zuerst Töne und dann die Sprache hervorgebracht.
Singen ist nicht jedem Erwachsenen gegeben. Doch jauchzen? Studien ergaben, dass die Hälfte der Versuchspersonen, denen gesagt wurde, sie sängen falsch, dies glaubten. In der Mittelschule hatte einmal eine Musiklehrerin zu Elvis Presley (1935–1977) gesagt, er könnte nicht singen. Glücklicherweise blieb Presley selbstbewusst genug, seine Gitarre mit in die Schule zu bringen und die Kritikerin mit einem Popsong eines Besseren zu belehren.
Die Aufforderung zu jauchzen und zu jodeln heißt im Hebräischen hallelu. Wenn das für den Gott JHWH getan wird, ruft man hallelu-ja. Dabei bricht ein Urlaut aus dem Inneren des Menschen durch die Kehle hervor. Entsprechend heißt es in den Psalmen 103 und 104 wiederholt: »Preise den Herrn, meine Kehle! Hallelu-ja!« Das hebräische Wort näfäsch bezeichnet zuerst einmal Kehle, was in der Regel mit Seele wiedergegeben wird.
Seit meinen Kindertagen gehören in die ersten Augenblicke des neuen Tages nicht Pläne und Sorgen, auch nicht das Vielerlei des Werktages, sondern das Singen. Meine eigene Geschichte des Singens ist die