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Venedig, die Stadt der Träume … Der berührende Liebesroman »Als wir liebten« von Gabriel Barylli jetzt als eBook bei dotbooks. »Ihre Stimme wurde meine Heimat, und dann war die Zeit nur mehr ein Staunen und die Dunkelheit wie ein Stern …« Niemand weiß besser, wie zerbrechlich Glück sein kann, als der Architekt Martin. Als er eines Tages Maria begegnet, beginnt er jedoch trotz aller Enttäuschungen des Lebens wieder Hoffnung zu schöpfen. Gemeinsam reisen sie nach Venedig – es werden die kostbarsten Tage in Martins Leben. Während sie auf einer Gondel durch die verwunschene Lagune treiben, vertrauen sie einander ihre tiefsten Geheimnisse und kühnsten Träume an. Doch irgendwann neigen sich ihre Tage in Venedig dem Ende zu … Wird das zarte Band zwischen ihnen auch stark genug sein, um die Stürme des Alltags und der Wirklichkeit zu bestehen? Ein unwiderstehlicher Roman, dem ein feiner Zauber innewohnt – und eine Hommage an die wahre Liebe, die für die Ewigkeit ist. Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der poetische Liebesroman »Als wir liebten« von Bestseller-Autor Gabriel Barylli – auch bekannt unter dem Titel »Butterbrot«. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 293
Veröffentlichungsjahr: 2020
Über dieses Buch:
»Ihre Stimme wurde meine Heimat, und dann war die Zeit nur mehr ein Staunen und die Dunkelheit wie ein Stern …«
Niemand weiß besser, wie zerbrechlich Glück sein kann, als der Architekt Martin. Als er eines Tages Maria begegnet, beginnt er jedoch trotz aller Enttäuschungen des Lebens wieder Hoffnung zu schöpfen. Gemeinsam reisen sie nach Venedig – es werden die kostbarsten Tage in Martins Leben. Während sie auf einer Gondel durch die verwunschene Lagune treiben, vertrauen sie einander ihre tiefsten Geheimnisse und kühnsten Träume an. Doch irgendwann neigen sich ihre Tage in Venedig dem Ende zu … Wird das zarte Band zwischen ihnen auch stark genug sein, um die Stürme des Alltags und der Wirklichkeit zu bestehen?
Ein unwiderstehlicher Roman, dem ein feiner Zauber innewohnt – und eine Hommage an die wahre Liebe, die für die Ewigkeit ist.
Über den Autor:
Gabriel Barylli wurde 1957 als Sohn eines Wiener Philharmonikers und einer Sängerin geboren. Nach seiner Ausbildung am Wiener Reinhardt-Seminar folgten Engagements am Burgtheater und in Berlin sowie Salzburg. Neben seinen zahlreichen Rollen für Film und Fernsehen schrieb Gabriel Barylli Theaterstücke sowie Romane, die regelmäßig die Bestsellerlisten eroberten. Seinen gefeierten Debütroman »Als wir liebten«, auch bekannt unter dem Titel »Butterbrot«, verfilmte er erfolgreich selbst. Er ist der meistgespielte deutschsprachige Theaterautor der Gegenwart.
Bei dotbooks veröffentlicht Gabriel Barylli bereits seine Romane »Die Bar am Ende der Welt« und »Die Ewigkeit in jedem Kuss«.
Der Autor im Internet: www.gabrielbarylli.com/
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eBook-Neuausgabe August 2020
Dieses Buch erschien bereits 1989 unter dem Titel »Butterbrot« in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung.
Copyright © der Originalausgabe 1989 Nymphenburger Verlagshandlung in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München
Copyright © der Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Nikolay Antonov / Poznyakov / Paul Shuang / Charcompix / BABAROGA
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (tw)
ISBN 978-3-96148-959-6
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Gabriel Barylli
Als wir liebten
Roman
dotbooks.
FürInka, Garcia, Chicound ...
»Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.«
Niels Bohr
Frauen alles zu verzeihen, nur weil man mit ihnen ins Bett gehen möchte, ist Selbstmord.
Ich kenne keine einzige, die nicht genau wüßte, daß sie mit den Männern alles machen kann, was sie will – nur weil die begonnen haben, sich auf das Spiel einzulassen – und dieses Spiel der Spiele nennt man Liebe. Die Karten sind ungerecht verteilt, und das weiß jeder, der sich an den Tisch setzt, denn auch das gehört zu dieser Partie. Einer hat die Hände voller Asse, der andere hat nur Kreuz-Sieben.
Mein Gott, was soll's – ich habe aufgehört – ich will nicht mehr – der Jackpot ist geleert – ich geh' nach Haus.
Nach Haus ...
Ein schönes Wort – es stimmt nicht mehr, weil alles nicht mehr stimmt, wenn man anfängt, die Augen aufzumachen und der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Besser gesagt – wenn die Wahrheit einem die Augen öffnet, und man nicht mehr anders kann, als hinzusehen und zu erkennen, daß die Erde keine Scheibe ist.
Durchschaubar!
Es ist alles so durchschaubar.
Man sieht jede Bewegung und jedes Zucken in den Wimpern, jeden Ansatz eines Lächelns im Gesicht eines anderen. Man sieht sogar den Ursprung des Gedankens, der einem Lächeln vorausgeht – die Morgenröte jeder Empfindung liegt auf einem silbernen Tablett zum Greifen nah. Aber man kommt nicht hin, man kommt nicht hin, denn das, wodurch man den anderen sieht, ist Panzerglas – spiegelfreies Panzerglas, hinter dem man jede Lüge offen verbergen kann – und dieses Panzerglas heißt Nähe.
Wozu?
Wozu das Ganze?
Um nicht allein zu sein?
In jeder Einsamkeit hat man zumindest einen Partner – sich selbst. Wenn man sich aber über die Reling beugt, um zu dem anderen Schiff eine Hand hinüberzustrecken, stürzt man ab und landet im Meer.
Es liegt alles am Anfang –
die erste Millionstelsekunde eines Anfangs zwischen einem Mann und einer Frau trägt schon wie ein Samenkorn die ganze Geschichte einer Begegnung in sich – alles – alles – alles liegt in dieser Filmdose zusammengerollt bereit, und man hat sogar die Möglichkeit der Ahnung – des Wissens – des Sehens ... Irgend etwas in einem selbst kennt den ganzen Film, der da aufgerollt herangereicht wird, und das Herz weiß alles – und trotzdem beginnt man schon in der zweiten Millionstelsekunde die Bilder nacheinander ablaufen zu lassen, obwohl man erkannt hat, wo der Filmriß einprogrammiert ist.
Man setzt die Scheuklappen auf und startet durch – als Mann, als Held, als Sieger.
Das wäre ja noch schöner, wenn man das Schicksal nicht geradebiegen könnte –
wenn man die hundert Meter nicht in vier Sekunden sprinten könnte –
die Erde nicht doch flachhämmern könnte.
Und das alles, weil man die Wahrheit nicht erträgt. Die Wahrheit, die in neunundneunzig von hundert Fällen ganz einfach ist. Ein tarnendes Lächeln, ein singender Gang, ein heißer Nachmittag, ein kluges Gespräch über Beirut, ein warmes Parfum voller Sehnsucht, ein Schweigen inmitten des Lärms.
Aber nein –
so einfach darf es nicht sein –
es muß ja – wenn schon – Liebe sein.
»Drum stürz dich rein und sag nicht nein zum ewig süßen, wilden Wein ...«
Es ist immer der Anfang.
Konkret –
da sitzt, da geht, da steht eine Frau – man sieht sie – die Attraktion – die Filmdose – die erste Millionstelsekunde, alles könnte ganz einfach sein – und schön – und gut.
Die Möglichkeit zur Hingabe an die Wahrheit schwebt im Raum.
Peng!
Ende – Aus – Beziehung – Wahnsinn – Schluß!
Es ist logisch, daß ein Mann mit einer Frau ins Bett möchte – und sie mit ihm.
Aber zuerst muß ihre Abwehr kommen, dann sein Drängen, dann ihre Versprechungen, dann seine Schwüre – gleichzeitig merkt er, daß er sicher nicht der einzige ist, der diese Insel umkreist – Haifischrückenflossen allerorten, und alle steuern sie diese kleine blonde, brünette, schwarze oder rote Insel an. Also muß man sein Tempo verdoppeln – also muß man der Beste sein, der Sieger, der Held – der einzige, der landen darf. Immer wieder beugt man sich über die eigene Reling und streckt die Hand aus, um die Handlung des Filmes zu verändern, in Richtung ewiges Glück – denn das wollen sie ja alle hören – alle – alle – alle.
Wer hat gesagt: »Die Frauen, die man nicht mit Geld kauft, die kauft man mit Liebe«?!
Ich hab es vergessen – nur daß es stimmt, kann man nicht vergessen, wenn man nicht als Einsiedler sterben will – als Eremit – als Krebs – als Stein.
Ja – und dann erobert man eben – mit so viel Druck und Kraft, daß man das Burgtor und die Burgmauer in einem niederreißt und, von dem Schwung getragen, bis in die Burgkapelle geschleudert wird, um dort das »Jawort« abzuliefern.
Denn wenn man schon so viel Lebenskraft investiert hat, dann will man auch ganz sicher sein, daß einem diese Eroberung niemand mehr wegnehmen kann. Dann hat man endlich unter Dach und Fach, was in Wahrheit ein wunderbarer Abend gewesen wäre, eine wunderbare sanfte Welle am Strand des eigenen Lebens – auf die im ewigen Rhythmus andere folgen.
Konkret –
Ich bin seit fünf Jahren verheiratet und kann die Hände nicht mehr vor die Augen, die Ohren und den Mund halten. Egal wohin das führen wird – ein Zurück ist nicht mehr möglich – ich bin erwacht.
Mein Gott, Lilly!
Unser erster Abend war so schön.
Ich war dreißig Jahre alt geworden, und es gab eigentlich nichts mehr, was mich erschrecken konnte. Ich hatte von meinem Vater einen Schuhmacherladen übernommen und hatte ihn zum »ersten Haus am Platz« gemacht.
Ich liebe diesen Ausdruck – mein Vater hat zu mir gesagt: »Mach unseren Laden zum ersten Haus am Platz – wenn es einer kann, dann du.«
Ich hatte Freude an diesem Geschäft, vor allem – ich konnte riechen, wohin der Trend gehen würde. Es ist so wie Pilze suchen, eigentlich ist das kein Suchen, sondern ein Finden. Man weiß nicht, wieso man im Wald um die Tanne rechts biegt – obwohl man auch nach links biegen könnte. Egal – man biegt um die Tanne rechts und steht vor einer Gruppe zarter Champignons. Es ist fast so, als hätten sie einen gerufen und man hätte es gehört, ... ja – fast möchte ich sagen: der Champignon im eigenen Herzen hört das Rufen hinter der Tanne, die da rechts steht.
Das hat nichts mit Erfahrung zu tun – sondern mit Instinkt. Und diesen Instinkt hatte ich auch bei Schuhen.
Ich war der erste, der plötzlich wußte, welches Leder in welcher Farbe in welchem Schnitt im Kommen sein würde. Ich wußte, welche Höhe die Absätze haben würden, und bestellte extra flache in einer Zeit, als noch Hochhaus angesagt war.
Ich fuhr nach Italien, um in der Nähe von Perugia Handwerker aufzutreiben, die den doppelten Kreuzstich in Rindsledermokassins nähen konnten, in einer Zeit, als alle Welt einfachen Kreuzstich trug.
Meine Aktion mit den türkisen Aufnähern war unvergleichlich. In der ersten Woche wäre mein Lager leer gewesen, wenn ich nicht »in Pink« doppelt soviel bestellt hätte.
Tja – wir wurden das »erste Haus am Platz«, und ich war glücklich.
Mit den Frauen gab es überhaupt keine Probleme, weil ich immer genau wußte, wo die Demarkationslinie verläuft – außerdem konnte ich bei meinen Reisen nach Perugia immer wieder der Matrose sein, der in den Hafen nur einfährt, weil er weiß, daß das Schiff wieder ausläuft.
Ich hatte viele glückliche Momente in dieser Zeit – viele – Anna – Sophia – Charlotta.
Sie waren froh, daß ich kam, froh, daß ich blieb, und froh, daß ich wieder ging –
Nein, nein, nein – nicht, weil wir uns auf die Nerven gingen. Eben nicht. Sie waren froh, daß ich ging, »bevor« wir uns auf die Nerven gehen konnten. Und ich war froh – Erfolg im Beruf – Abwechslung in den Häfen – was wollte ich mehr.
Dann kam der Abend.
Ich war zu Freunden eingeladen, die eine »Scrambled-eggs«-Party gaben.
Eine »Scrambled-eggs«-Party ist eine Party, zu der nur Menschen eingeladen werden, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben, einander nicht kennen, einander nicht vorgestellt werden, aber einander kennenlernen wollen, um ihre Üblichkeiten hinter sich zu lassen.
Bei einer »Scrambled-eggs«-Party sitzt ein Teilchenphysiker neben einer Eisverkäuferin und lernt wieder, eine Sprache zu sprechen, die verständlich und einsichtig ist.
Ein »Becher zu vier« sind vier Kugeln, ein »Becher zu sechs« sind sechs Kugeln. Ohne Wenn und Aber und ohne Wahrscheinlichkeitsberechnungskurven, sonst schmilzt das Ganze zusammen, und man bekommt klebrige Finger.
Fußballer sitzen neben Souffleusen –
Dichter neben Hausfrauen –
und Lilly saß neben mir.
Besser gesagt – zuerst ging sie nur an mir vorbei, während ich dasaß und ihre Beine sehen konnte.
Sie hat so wunderschöne Beine, schlank und zart um die Knöchel und mit einer durchgehenden Linie über die Waden, das Knie, die Oberschenkel, über die Hüften bis zum Hals.
Ununterbrochen.
»Ununterbrochen«, dachte ich mir, als diese Beine an mir vorübergingen. In schwarzen, halbhohen Stöckelschuhen – genau solchen Schuhen, von denen ich wußte, daß sie erst wieder in zwei Jahren ...
Sie trug ein rotes Strickwollkleid, das ganz weich und fließend um ihren Körper herumgegossen war. Hochgeschlossen, mit kleinem runden Halsausschnitt und Ärmeln, die bis zum halben Unterarm reichten.
Es war diese Wolle – ich weiß nicht, wie sie heißt – von der so zarte, kleine Härchen wegstehen. Ganz kurz und zart und weich. Und wenn man die Hand auf den Rücken legt, spürt man die Wärme des anderen Körpers.
Fast ist es so, als würde dieses Kleid die Wärme nicht nur weiterleiten, sondern sogar verdoppeln. Die Haut wärmt das Kleid, das Kleid den Körper, und so weiter und so fort, bis sich eine Wolke der Wärme und der Glut einstellt, die einem fast den Atem nimmt.
Ich habe mit ihr getanzt, bevor wir unser erstes Gespräch begonnen haben.
Ich bin ihr einfach nachgegangen und habe gefragt: »Wollen wir tanzen?« –
Und sie hat gesagt: »Warum nicht?«
Gott sei Dank lief ein langsames Lied – ein alter, italienischer Schlager mit dem Titel »Genova per noi« –unsagbar – aber zum Tanzen wie geschaffen.
Wir haben getanzt, als hätten wir nur darauf gewartet, nein, nein, nein – es war nichts »Explosives« oder Tierhaftes – oder »aufgewühltes Verlangen«.
Es war – selbstverständlich.
Ja, das ist das Wort – es war selbstverständlich, daß wir zu dieser Party gekommen waren, selbstverständlich, daß ich sie gefragt hatte, und selbstverständlich, daß wir jetzt tanzten, wie wir tanzten.
Punkt – Schluß – Anfang.
Nicht mehr und nicht weniger.
Sie hatte eine weiche Art, sich in meinen Arm zu lehnen und ihre Hand auf meine Schultern zu legen, die mich fast ohnmächtig machte.
Ich hatte nach einer Weile das Gefühl, als würde meine Hand durch die Wärme ihres Kleides, durch die Wärme ihrer Haut in die Wärme ihres Körpers eintauchen und so warm und selbstverständlich dort bleiben, wie unsere Art zu tanzen selbstverständlich war.
Manchmal lächelte sie, als hätte ich etwas zu ihr gesagt, dabei redeten wir kein einziges Wort, solange diese Musik spielte.
Sie spielte sehr lange!
Ich glaube, diese Nummer dauert ungefähr dreihundertsiebenundvierzig Jahre und fünf Minuten.
Zimt, Orchideen, Vanille und warmer Pfeffer.
Das war die Summe des Duftes, der um sie herumlag wie ein warmer Sommerwind – und ihre Augen waren braun.
Irgendwann haben wir beschlossen, diese Party zu verlassen, und sind gegangen. Ich habe die Kassette mitgenommen und bin mit ihr in einen Park gefahren – habe sie eingelegt, die Türen aufgemacht, und wir haben ununterbrochen zu dieser Musik weitergetanzt, so, als gäbe es nichts anderes zu tun, als zu dieser Musik zu tanzen,
»Genova per noi«
Was für eine Nacht –
der Fehler war der Park.
Ich bin nämlich nicht gleich nach unserem ersten Tanz mit ihr da hingefahren – nein, nein – ich war fast klug – nach unserer ersten tanzenden Berührung.
Als die Nummer vorbei war, sind wir noch einige Sekunden gestanden, bevor wir uns wieder losgelassen haben.
Ich habe gewartet, bis sie ihre Augen wieder öffnet, und sie hat gewartet, bis ich wieder in die Welt schauen konnte. Dann habe ich »danke« gesagt und mich zart verabschiedet.
Ich habe mich zart verabschiedet.
Nun – das heißt – ich habe sie angelächelt, weil sie mich angelächelt hat. Und dann bin ich wieder zu meinem Platz gegangen, von dem ich ausgezogen war, um mit ihr zu tanzen. Eines war ganz deutlich in ihren Augen zu lesen – sie war überrascht und froh, daß ich sie nicht sofort zur Seite zog und ihr meine Sozialversicherungsnummer aufschrieb – und mein Monatseinkommen und meine Sechszimmerwohnung und meine Lebensversicherungen und mein Angebot, mit ihr auf einen Urlaub nach Barcelona zu fliegen – gleich morgen am besten – was heißt morgen – jetzt – hier – heute – sofort – gleich – ohne Umschweife –
Sie war froh, daß ich uns ausklingen ließ – zur Ruhe kommen nach dieser Expedition in unbekanntes Land, dachte ich.
Dann bin ich dagesessen und habe getrunken, etwas Whisky mit etwas Grand Marnier und etwas Eis und mit etwas Soda und mit einer guten Zigarette und mit etwas Wut im Bauch, weil sie nicht allein dasaß und an mich dachte.
Sie tanzte.
Irgendwie wollte ich es nicht glauben und habe einen zweiten Whisky mit etwas Hiervon und etwas Davon getrunken – und habe zugesehen.
Ich meine, es war nicht mehr »Genova per noi« – aber die Nummern, die danach kamen, waren auch nicht schlecht.
Ich konnte zusehen, wie die Musik in sie hineinfloß, wie der Wind in Birken hineinfließt und sie zum Schwingen bringt – und dieses Schwingen hielten dann irgendwelche anderen im Arm und konnten es genießen.
Ich hatte plötzlich Lust, irgend etwas kaputtzumachen – den Plattenspieler vielleicht oder die Sandwichtabletts oder den Idioten, der seine Hand langsam über ihre Hüfte gleiten ließ und sie dann so tief auf ihr liegen hatte, wie ich es nicht so schnell hatte tun wollen. Ich wußte auch nicht, ob dieses Lächeln auf ihrem Mund der Musik galt oder mir oder einem von den anderen –
»Vielleicht lächelt die immer so« – dachte ich kurz, vielleicht ist die einfach etwas blöd und lächelt immer so – wer weiß – na gut, dann hab ich dort nichts verloren und schau einmal nach, was sonst noch im Angebot ist –
Nichts –
Nichts war im Angebot – rein gar nichts.
Sie hatte einfach das unverschämte Glück, aus einem Margeritenbeet als Glockenblume herauszuragen – wer weiß, wie sie im Vergleich mit peruanischen Rosen gewirkt hätte. An diesem Abend jedenfalls war sie konkurrenzlos. Vielleicht war sie sogar eine Rose und nicht nur eine Glockenblume – egal – sie war auffallend, und ich war wütend.
Irgendein Fußballer zog sie dann zu sich auf ein Sofa und redete wie ein Wasserfall auf sie ein. Er hatte so eine unangenehme »Ich bin Mittelstürmer – ich treffe immer ins Netz«-Ausstrahlung, die bei fast allen Frauen irgendwie ankommt – vor allem bei denen, die es nicht zugeben.
Diese »Mich beeindrucken nur geistige Werte«-Haltung von Frauen ist ja nur ein Abfangtest für Männer, die nicht wissen, daß das Tier in der Frau immer nur das Tier sucht – wegen der Fortpflanzung – wegen der Genetik!
Die Frau will nämlich immer spüren, daß das Männchen überlegen ist. Daß es einen Schutz bieten kann in der Natur und im Leben gegen die Gefahren und das Wetter und, und ... gegen alles ganz im allgemeinen.
»Gut«, dachte ich – »wenn sie auch so eine ist, dann kann sie sich ja von dem Linksaußen eine Flanke schießen lassen«, und zündete mir eine letzte Zigarette an, bevor ich gehen wollte.
In dem Moment stand sie auf und ging in die Küche – und ich hinterher.
Vielleicht war also nicht nur der Park der entscheidende Fehler – vielleicht war es vielmehr die Küche.
Ich kam gerade zurecht, als sie aus einer weißen Porzellanschüssel Karamelsoße schleckte. Sie nahm dazu den Zeige- und den Mittelfinger und schob sie wie einen Löffel in die dicke, cremige Karamelsoße und hob sie dann in ihren schönen, roten Mund. »Der Mund ist genauso rot wie ihr Kleid« – dachte ich – und hätte ihr ewig dabei zusehen können, wie sie diese dicke, cremige Karamelsoße schleckte. –
»Wahrscheinlich hat sie zwei Wochen lang nach dem Lippenstift gesucht« – dachte ich, während ich ihr zusah. Frauen können ja eine nicht zu glaubende Gradlinigkeit entwickeln, wenn es darum geht, einen Lippenstift zu finden, der in der Farbe zu dem neuen Kleid paßt, das seit zwei Wochen im Schrank rechts vorne hängt.
»Ganz unten müssen Birnen sein«, sagte ich und lächelte sie an, als sie sich erschrocken umdrehte.
»Ach was«, sagte sie mit vollem Karamelmund und lächelte mir direkt in die Augen – »Sie waren wohl auch schon heimlich hier.«
»Nein«, sagte ich – »aber ich kenne Elisabeth – wenn sie eine Party gibt, dann gibt es auch immer diese Wahnsinnscreme« –
»Mit Birnen« – lächelte sie.
»Mit Birnen.«
Was man für Blödsinn redet – dachte ich, während sie die Porzellanschüssel in den Eisschrank zurückstellte und sich sanft über ihre Lippen wischte, um die Reste der Karamelcreme zu verbergen. Gott sei Dank wissen erwachsene Menschen, daß nicht alles so blödsinnig ist, wie es sich anhört, was sie in dem Moment sagen, in dem ihre Stimme irgendwelche Sätze von sich wirft – Gott sei Dank sind diese Sätze nur zwei Prozent der Botschaft, die die Menschen einander zusenden, wenn sie in einer Küche stehen und jeder sich fragt, wie es weitergeht. Gott sei Dank sind achtundneunzig Prozent die unverbergbare Wahrheit dessen, was man tatsächlich denkt und fühlt. Und diese achtundneunzig Prozent hört der andere wirklich – sieht der andere wirklich.
Wie langsam sie die Schüssel zurückstellt – dachte es in mir – wie zart sich die Finger ihrer Hand von dem dicken Rand dieser weißen Porzellanschüssel lösen, und wie sanft sie die Eiskastentüre schließt und noch einmal eine halbe Sekunde lang nachdrückt, obwohl das überhaupt nicht nötig wäre – wie sie sich jetzt umdreht und auf die Tischkante setzt, ihre Beine wissen genau, daß ihr rotes Kleid dadurch eine Handbreit höher rutscht und daß ihre Oberschenkel durch das Holz unter ihr etwas breiter werden.
Sie stützt sich mit ausgestreckten Armen auf die Tischplatte, um nicht abzurutschen – ein Bein schlägt sie über das andere, und die schwarzen Strümpfe, die sie trägt, schimmern leicht durchsichtig und singen, wenn sie aneinanderreiben – ihr Hals ist leicht gebogen, und ihr Mund lächelt mit halb offenen Lippen – sie hat kurz mit ihren weißen Zähnen über ihre Unterlippe gestreift, und die ist jetzt noch ein bißchen feucht und glänzend wie ein Rosenteich im Serail, auf dem der Vollmond seinen Spiegel liebt.
»Im heißen Tempel deines Rosenmundes verbergich meine stille Glut –das Feuer deiner Kohlenaugen erweckt in mir desLöwen Mut ...«
sagt der Dichter –
Aus!
Schluß damit!
Nie wieder besoffen sein! Nie wieder zwischen den Zeilen lesen!
Nie wieder arabische Gedichte über eine alltägliche Küchensituation stülpen – nie wieder, nie wieder –nie!
Aber an diesem Abend war es so – und es war schön. Es war so schön – so schön! –
Ich stand an den Türbalken gelehnt und sah sie an und sagte nichts. Sie sah mich an, und wir schwiegen eine halbe Ewigkeit.
»Viele Menschen hier«, hörte ich auf einmal ihre Stimme, und dann zogen wir unsere Mäntel an, und ich nahm die Kassette mit »Genova per noi« und fuhr mit ihr durch die Stadt. Und dann landeten wir in diesem Park, in dem dieser kleine See liegt, in dem sich die gelben Parklampen so spiegeln, und dann machte ich die Autotüren auf, und dann tanzten wir zu unserem Lied, bis wir nicht mehr bemerkten, daß das Band abgelaufen war und es schon zu dämmern begann.
Das alles waren achtundneunzig Prozent.
Und warum das alles – um sie zu erobern – um der einzige zu sein – um durch das Burgtor durchzubrechen – um sie zu spüren – um sie zu haben – allein zu haben – für immer zu haben –
Nie wieder – nie wieder achtundneunzig Prozent!!!
Keine Frau auf dieser Welt ist fähig zu antworten.
Ich meine – keine Frau auf dieser Welt ist fähig, in einem menschlichen Rhythmus auf Angebote ihrer Umwelt eine angemessene Reaktion zu setzen.
»Flexible response« heißt das –
Ich schieße eine Rakete –
Du schießt eine Rakete –
Das nenne ich angemessen – aber nein – sie tun nichts! Das heißt, wenn sie wenigstens »nichts« tun würden! Im Gegenteil – sie bieten sich an wie Holzenten!
Mit jeder Geste und jedem Wort – mit achtundneunzig Prozent plus zwei Prozent sagen sie: »Los – schieß alle deine Raketen auf einmal ab – mal sehen, was passiert!!!«
Und dann schießt man sie ab – alle auf einmal. Bloß, weil an so einem verfluchten Abend keine andere da ist, die auch ein paar Treffer erhalten möchte!
Ich weiß nicht, wann das begonnen hat, ich weiß es nicht –
Ich weiß nur – ich höre damit auf! Auf für immer und für ewig – für den Rest des Universums höre ich auf damit – weil dieses Verhalten eines denkenden Menschen unwürdig ist – und da liegt nämlich auch der Haken – beim Denken – Frauen können nämlich nicht denken – sie tun nur so, als könnten sie denken – und wenn sie einmal denken sollten – dann denken sie nur uns zuliebe, wie sie so tun könnten, als dächten sie – weil sie genau wissen, daß wir denken können – also tarnen sie sich mit denkähnlichen Äußerungen, damit wir meinen, sie seien Menschen – Frauen sind aber keine Menschen – sie sind nicht einmal Tiere – bei einem Tier erkenne ich ja schon von weitem: »Aha – ein Tier«!
Frauen aber sind menschenähnlich, und das ist das Teuflische – sie sind Teufelsfallen für Männer auf der Suche nach menschlichen Beziehungen!!!
Ich habe damit nichts mehr zu tun, ich bin darüber hinaus. Ich erkenne und ich weiß, daß ich aufgrund körperlicher Anziehungskraft mit einem Menschen mein Leben geteilt habe – besser gesagt – zerteilt habe, bis von dem, was ich bin, von dem, was mich ausmacht, nichts mehr übriggeblieben ist.
Ich habe mich über einen Korb mit Kätzchen gebeugt, um sie zu streicheln, und habe erkennen müssen, daß es ausgewachsene menschenfressende Berglöwen waren, die nach meinem Herz trachteten! Nach meinem Herz, nach meinem Wesen, nach meiner Seele! Ich habe den Hexenspuk durchschaut und drei Kreuze geschlagen. Auf und davon über den Fluß und in die Wälder, wo der Mann noch der Mensch ist, der er ist. Gut – von mir aus – vielleicht hätte ich sie nach dem Park nicht zu mir nehmen sollen – vielleicht war das nach der Küche und dem See der dritte Fehler – aber was wäre gewesen, wenn ich nicht nachgesetzt hätte? Ich kann es dir sagen, Martin – der Fußballer wäre am nächsten Tag vor ihrer Türe gestanden und hätte einen Elfmeter verwandelt.
So sieht es aus – weil Frauen, wie gesagt, nicht antworten können.
Sie sagen nicht: »Oh, dieser Abend war ein so traumhafter erster Schritt – ich möchte gerne ausatmen und dann von mir aus den nächsten Schritt tun« – nein, das sagen sie nicht!
Sie stehen da und sagen: »Oh, das war ein traumhafter Abend, aber vielleicht ist der Torschütze noch traumhafter – wer weiß?!«
Und so stehen sie am Waldesrand wie scheue Rehe und beobachten, wer von den beiden das größere Geweih hat – wer der Stärkere ist – der Sieger, mit einem Wort.
Frauen haben nämlich an der Entwicklung der Menschheit viel weniger teilgenommen als der Mann. Tief drinnen sind sie nach wie vor Tiere, die in ihrer Höhle warten, daß das Männchen Beute bringt – und wer die meiste Beute bringt, ist Sieger.
So war es – so ist es – und so wird es immer sein.
Oh mein Gott ... die Nacht mit ihr war wie im Paradies –
Ich hätte überhaupt nicht warten können auf ihren Antwort-Schritt – ich mußte mit ihr in einem Bett liegen und ihre warme Haut umarmen und ihre weichen Haare auf meiner Schulter liegen sehen und ihre tiefen, zärtlichen, herrlichen Augen küssen bis zum Wahnsinn, bis zur Ohnmacht. Ich konnte gar nicht anders, als mit ihr sein – bei ihr sein – in ihr sein – immer wieder und wieder bis zur Auflösung – bis zum Taumeln – bis zum Schweben – bis zum Fliegen – bis zum Heiratsantrag.
Na gut – ich hab sie geheiratet, und?
Was hätte ich sonst tun sollen – angesichts der Tatsache, daß wir nur einmal leben, machen wir uns viel zu oft in die Hose.
Also hab ich sie geheiratet.
Was sonst soll man mit einer Frau machen, die so schön ist und so zärtlich und so anders als all die anderen – was?
Soll man sie laufenlassen –?
Soll man sie mit den anderen modernen Menschen in einer modernen Welt teilen?
Na also –
Frauen brauchen Kontinuität und Geborgenheit. Sie brauchen die Bestätigung, daß man sie liebt in der Außergewöhnlichkeit, die ihnen nur die Heirat bieten kann. Es fällt einfach die letzte Barriere, der letzte Schutzwall vor ihrem Allerheiligsten, wenn sie »ja« gesagt haben. Es ist einfach für eine Frau etwas anderes, wenn sie neben einem Mann aufwacht und ihr erster Gedanke ist: »Das ist mein Mann.«
Es löst einfach Urängste in ihr auf, die bis zu diesem erlösenden »Ja« in ihr schlummern und ihren Seelenfrieden zerfressen wie Piranhas ein junges Kalb in Mexikos Grenzflüssen.
Es ist auch so, daß jeder Mann das spürt. Er spürt dieses letzte der letzten Geheimnisse in der Frauenseele, das sich selbst dem geliebtesten Geliebten erst dann offenbart, wenn er vom Geliebten zum Mann geworden ist.
Man spürt als Mann, daß man es in der Hand hat, ob sich die Frau nur herschenkt oder ob sie sich hingibt.
Eine Geliebte schenkt sich her – die eigene Frau aber gibt sich hin –
So ist das, so war das, und so wird es immer sein.
Alles andere ist Partygeschwätz, um auf dem neuesten Trend zu liegen – die Vielfalt ist der Frauen Sache nicht – eher schon die Einfalt.
Ich meine die schlichte Einfalt und die edle Größe, das eine das einzige, das Göttliche in der Frau – die Madonna eben.
Es ist der Ausdruck des »Gelandetseins«, der auf den Zügen der Frau zu schimmern beginnt, wenn man sie aus dem Freien geholt hat und ihr eine Burg zu bauen beginnt. Ein seliges Weichwerden und Empfangsbereitsein für das eine und vor allem für den einen – den Sieger – den Helden – den Mann.
Frauen sind realistisch – sie halten sich an Fakten – und das Faktum, verheiratet zu sein, bedeutet ihnen immer noch mehr als jede noch so freie Liebe – im Gegenteil – Liebe ist für sie nur ein Sprungbrett in die Umzäunung des gesetzlich verankerten Zustandes der Ehrenhaftigkeit.
Woher soll die Frau denn auch wissen, daß der Mann sie nicht behandelt wie jede andere billige Hure, die sich für süße Worte und zarte Augenblicke besinnungslos herschenkt?!
Die Männer sind alle gleich – das wissen die Frauen – und sie wissen auch, daß jede andere genau solche Mittel einsetzen kann wie sie: weiche Kleider, süße Düfte, sanfte Blicke, feuchte Lippen usw. usw. Und die Frau hat ja erlebt, daß diese Blüten den Duft verströmen, der die Bienen anzieht. Wie also soll sie sicher sein, daß nicht schon morgen eine andere Blüte zu duften beginnt?!
Eben – aber die Heirat verändert alles ... alles – alles – alles – alles – alles – alles – alles!
Selbst wenn er dann den Kopf noch nach anderen Farben wendet und mit den Flügeln schlägt, ja sogar, wenn er einmal aus dem Bienenkorb hinausfliegen sollte – die andere ist niemals das, was sie ist –nämlich die einzige, die Herrin, die Siegerin, die Göttliche, die Mutter meiner noch zur Welt zu bringenden Söhne und Töchter, die allumfassende, schutzgewährende, hoch über allem unerreichbar sitzende, unvergleichliche Madonna der Madonnen.
Vor allem wollte ich nicht, daß sie nach mir noch mit anderen ins Bett geht.
Man muß den Mut zur Wahrheit haben, und das ist die Wahrheit – und ich möchte denjenigen sehen, der etwas anderes sagt.
»Lügner« – »Lügner«, würde ich ihm zurufen – »Lügner« – »Lügner«, und dann würde ich mich abwenden. Den Mann muß man mir zeigen, der es erträgt, daß ein anderer seine Geliebte berührt, seinen Honig saugt, seinen Schatz hebt, zu dem nur er die Karte besitzt.
Ich meine jetzt natürlich nicht die Abenteuer, die am Fenster der Seele vorbeifliegen wie Telefonmasten am Abteilfenster eines D-Zuges – nein – ich meine, wenn »es« geschehen ist ... das Unvergleichliche. Wenn man einmal wirklich und zum ersten Mal erlebt hat, daß sich das Herz zu öffnen beginnt bei einem Kuß, daß der Atem in der Nacht zu einem Atem wird, und daß man nicht mehr weiß, wo der eigene Körper endet und der andere beginnt – das meine ich – wenn man das erlebt hat, dann möchte ich denjenigen sehen, der bereit ist, so eine Frau, so eine Möglichkeit zu lieben mit anderen zu teilen –
Vordergründiges »Alles-ist-möglich-Geschwätz« von hingabeängstlichen Postmodernisten, die in der Panik, mit ihren Eltern verwechselt zu werden, gegen ihre Urgefühle antreten.
Wie wäre das denn wirklich, wenn man so eine Frau nach so einer Nacht wieder ziehen läßt – nach dem Grundsatz: »Der Wind weht, wo er will«, wie wäre das?!
Den möchte ich sehen, der dann nicht versucht, sie am nächsten Abend anzurufen, um sie wiederzusehen – um das Herrliche wieder zu erleben – und – was macht er dann, wenn das Telefon läutet und sie nicht abhebt – wie?! – »Gut«, wird er sich sagen – »es ist erst zwanzig Uhr – vielleicht ist sie bei einer Freundin, ich versuche es später« dann wird er in die Küche gehen und sich ein Sandwich machen und wird sich wundern, wieso er die Mayonnaise danebenklatscht – seltsamerweise danebenklatscht – anstatt auf den Schinken, unter dem er die Butter vergessen hat, es wird ihm gar nicht schmecken – sein Sandwich – und um zwanzig Uhr dreißig wird er wieder anrufen, und dann sagt er sich – »Gut – sie sind ins Kino gegangen« – und dann setzt er sich vor den Fernseher und trinkt ein Bier aus der Flasche und verschluckt sich, weil er irgendwie zu hastig trinkt und den Krimi, der da läuft, schon kennt. Um zweiundzwanzig Uhr ist sie dann immer noch nicht da und um dreiundzwanzig Uhr und um vierundzwanzig Uhr und um ein Uhr und zwei Uhr und zwei Uhr dreißig ... und dann steht er in der Küche und wird einsam. Denn woher soll er wissen, daß sie nicht tatsächlich ihre Freiheit genießt – so wie man es locker dahingeplaudert hat – und dann sieht er auf einmal irgendeinen Sportler über sie gebeugt und hört sie seufzen und sieht den zarten, feuchten Schleier auf ihrer Brust und sieht, wie sie ihre Nägel in einen anderen Rücken gräbt und überhaupt nicht an ihn denkt – denn das wäre ja nicht ein freies »Hier-und-Jetzt-Sein« – oh – da wird ihm übel werden, unserem Freund, der so viel von den freien Vibrationen zwischen autonomen Individuen zu erzählen wußte, solange er noch nicht verliebt war – ja verliebt.
Denn das ist er plötzlich und bereut es grauenhaft, sie nicht in der ersten gemeinsamen, traumhaften Nacht mit diesen drei lächerlichen kleinen Worten an sich gebunden zu haben –
Ich liebe dich –
Ist das so schwer – ist das so unaussprechlich – wo es doch ohnehin zum Greifen nah im Raum schwebt und wo es doch beide erleben in einer wirklichen Liebesnacht – ich meine eine wirkliche Liebesnacht und keine vorbeifliegenden Telefonmasten –
Na also –
Eng wird ihm werden, unserem Freigeist – weil er seinen Körper gefühlt hat und die eigene Glut und ihre Glut – und das packt jetzt ein anderer an –?!
Ha, ha, ha –
ich lache jedem ins Gesicht, der da behauptet, es krampfe ihm nicht den Solarplexus auf Mausehirngröße zusammen und ziehe ihm nicht die Mundwinkel zu den Fersen –
ha, ha, ha.
Durch diese Schule müssen alle gehen, die Liebe mit einer Philosophiestunde für Anfänger verwechseln. Im Kleinhirn sitzt noch das Krokodil in uns, und wenn im Dunkeln eine Türe quietscht, stellen sich unsere Haare auf, und ausgerechnet in unserer elementarsten Tierhaftigkeit tun wir so, als würde die Sonne nicht mehr oben sein und die Nacht nicht mehr finster und schwarz?!
Haben muß man sie – haben und besitzen und dem anderen einen Stoß vor die Brust geben, wenn er es nicht erwartet.
Zack –
Peng –
Aus und Sieg.
So ist das, meine Herren – und so habe ich es gemacht. Am nächsten Morgen habe ich eine Reise für zwei Personen ins Morgenland gebucht, und eine Woche später hatte sie ihren Heiratsantrag zu Füßen der Pyramiden in der Tasche – oder war es zu Füßen der Sphinx, das weiß ich nicht mehr so genau – fünf Jahre sind eine lange Zeit.
Warum Ägypten, wird man sich fragen.
Weil es so weit weg ist – werde ich antworten.
Außerdem liebe ich die Hitze und die Hotelzimmer in Assuan, an deren Decke sich silberne Ventilatoren drehen, und die Palmen auf der Hotelterrasse und die Ägypter in roter Pagenlivree, die den Kaffee servieren – Ich liebe den Sand und die Stille und den Sonnenaufgang in der Wüste und die unsagbare Ewigkeit, die einen ergreift, wenn man Hand in Hand auf einer Sanddüne steht und in die Einöde blickt.
Gelbe Wellen unter einem dröhnend blauen Himmelsmeer und mittendrin ein C-Dur-Akkord, der brüllend heiß seine Bahn beschreibt.
Im Rücken den Nil mit seinen grünen Ufern und auf den Wellen ein Fellache, der mit seinem Segelboot auf die Rückkehr seiner zwei Passagiere wartet.
Das hatte Stil –
Das fällt einem Sportler nicht so schnell ein –
und für Lilly war das Beste das, was ihr gerade noch entsprach.