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Im Mittelpunkt dieses dreibändigen Buchs stehen drei in Archiven von Trier und Köln aufbewahrte handschriftliche Exemplare der Schriften der hl. Angela von Foligno, deren lateinische Texte im zweiten Band mit einer deutschen Übersetzung ediert wurden. Weil ihre Schriften, die gewöhnlich zusammenfassend als "Liber" bezeichnet werden, einen autobiographischen Teil (Memorial) und einen belehrenden Teil (Instruktionen) haben, erscheint der zweite Band dementsprechend in zwei Teilbänden. Doch um welche Handschriften handelt es sich? Bringen die Texte nur Altbekanntes oder auch Neues? Die Sensation ist perfekt! Es handelt sich um die frühesten Texte des "Liber" überhaupt. Die im Buch spannend beschriebene Spurensuche führt zu Ubertin von Casale und zum ehemaligen belgischen Kartäuserkloster Edingen. Die Indizien weisen darauf hin, dass Ubertins Nachlass dort verblieben ist. Salimbenes Worte, Ubertin sei in einem Kartäuserkloster verstorben, bestätigen sich so auf unerwartete Weise.
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Seitenzahl: 1201
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Vorwort und Einführung
Angela von Foligno – Instruktionen
(Edition und Übersetzung)
Instructiones Instruktionen
Instructio 18(1BBx) Instruktion 18(1BBx)
Instructio 22(2BBx) Instruktion 22(2BBx)
Instructio 7(3BBx) Instruktion 7(3BBx)
Instructio 9(4BBx) Instruktion 9 (4BBx)
Instructio 14(5BBx) Instruktion 14(5BBx)
Instructio 10(6BBx) Instruktion 10(6BBx)
Instructio 3(7BBx) Instruktion 3(7BBx)
(prima pars) (erster Teil)
(secunda pars) (zweiter Teil)
(tertia pars) (dritter Teil)
Instructio 6(8BBx) Instruktion 6(8BBx)
Instructio 4(9BBx) Instruktion 4(9BBx)
Instructio 11(10B) Instruktion 11(10B)
Instructio 26(11B,10Bx) Instruktion 26(11B,10Bx)
Instructio 8(12B,11Bx) Instruktion 8(12B,11Bx)
Instructio 28(13B,12Bx) Instruktion 28(13B,12Bx)
Instructio 31(14B,13Bx) Instruktion 31(14B,13Bx)
Instructio 29(15B,14Bx) Instruktion 29(15B,14Bx)
Instructio 27(16B,15Bx) Instruktion 27(16B,15Bx)
Instructio 5(17B,16Bx) Instruktion 5(17B,16Bx)
Instructio 2(18B,17Bx) Instruktion 2(18B,17Bx)
Instructio 30(19B,18Bx) Instruktion 30(19B,18Bx)
Instructio 32(20B,19Bx) Instruktion 32(20B,19Bx)
Instructio 34(21B,20Bx) Instruktion 34(21B,20Bx)
Instructio 35(22B,21Bx) Instruktion 35(22B,21Bx)
Instructio 36(23B,22Bx) Instruktion 36(23B,22Bx)
Notificatio Transitus Benachrichtigung des Heimgangs
Nota de sepultura et de Culto Hinweis zur Ruhestätte und Verehrung
Nota scriptoris Schlusswort des Schreibers
Endnoten
Anhang I: Die nicht in BBx stehenden Instruktionen
Instruktion 1 (EC404-409)
Instruktion 12 (EC554-557)
Instruktion 13 (EC558-561)
Instruktion 15 (EC566-569)
Instruktion 16 (EC570-571)
Instruktion 17 (EC572-575)
Instruktion 19 (EC586-591)
Instruktion 20 (EC592-595)
Instruktion 21 (EC596-599)
Instruktion 23 (EC612-617)
Instruktion 24 (EC618-619)
Instruktion 25 (EC620-623)
Instruktion 33 (EC678-679)
Peroratio (EC740-743)
Anhang II:
Daten zum Leben der hl. Angela von Foligno
Anhang III:
Die Verbreitung des „Liber" durch die Jahrhunderte
Anhang IV:
Die „kritische Edition" des „Liber" von 1985 (EC)
Literatur
Register
Register der Bibelstellen
Register der Orte, Städte, Länder
Register der Personennamen (auch Autorennamen)
Register der Sachwörter und Begriffe
Sonderregister
Register der zitierten Handschriften
Register des Memorials
Register der Instruktionen und der Peroratio
Das „Memoriale" der hl. Angela von Foligno wird gewöhnlich zusammen mit ihren „Instructiones" herausgegeben. Während die Bezeichnung „Memoriale" auf den Schreiber (frater scriptor) des Textes zurückgeht, ist die Bezeichnung „Instructiones" erst seit 1985 allgemein üblich, seitdem die Herausgeber der „kritischen Edition" (EC) alle nicht zum „Memorial" gehörenden Schreiben Angelas unter diesem Sammelnamen veröffentlichten.
Die Entscheidung für „Instructiones" fiel erst nach langen Überlegungen. Man hätte sich auch für „Exhortationes (Ermahnungen)" oder „Doctrina(e) (Lehren)" entscheiden können, zumal diese Bezeichnungen in etlichen Handschriften vorkommen, während „Instructiones" dort nur einmal vertreten ist. Wenn die Wahl schließlich auf „Instructiones (Unterweisungen)" fiel, dann deshalb, weil damit sowohl „Exhortationes" und „Doctrinae" als auch die unterschiedliche Art der Schreiben (Briefe, Traktate, Reflexionen) gut erfasst wird.
Fragt man, wie es zu den „Instruktionen" gekommen ist, kann die Antwort nur lauten: Ohne Angelas geistliche Söhne und Töchter würden sie nicht existieren. Zu diesen werden zunächst diejenigen gehört haben, die sich Angela und ihrer geistlichen Welt zutiefst verbunden fühlten, wie z.B. der „frater scriptor", die „duo fratres" und Ubertin von Casale, doch dann, nach der Veröffentlichung und Approbation des Memorials, viele andere, wozu in besonderer Weise die sogenannten „Incarcerati" zählen. Seit 1298 wird man von einem festen Kreis sprechen können, der sich um Angela gebildet hat und dessen „mystische Komponente" dann im Jahr 1300 in der Instruktion 4(8BBx) sehr anschaulich beschrieben wurde. Als Wortführer dieses Kreises und als Verbreiter ihrer Schriften kann man an die „duo fratres" denken.
Es liegt in der Natur der Sache, dass die „Instruktionen" sich an „alle" zum Kreis Gehörigen richten und nicht an „einzelne", sodass man jenen Texten, die sich nur an Einzelne richten, sehr kritisch gegenüberstehen muss. Nur die „Instruktionen" 18(1BBx) und 8(12B,11Bx) sind echte an Einzelpersonen gerichtete Schreiben Angelas, wie ihre Entstehungsgeschichte auch deutlich macht. Alle anderen in den „Instruktionen" erscheinenden persönlichen Schreiben sind späteren Datums (Instr. 12, 13, 15, 17), was auch für jene Texte gilt, die nur Angela persönlich betreffen und eigentlich im „Memorial" stehen müssten (Instr. 1, 19, 20, 21, 23, 24). Sodann gibt es „Instruktionen", bei denen schon existierende Texte mit Angelas Namen verbunden wurden (Instr. 16, 25, 33).
Die einzige Sammlung von „Instruktionen", die ausschließlich „authentische" Schreiben bringt, ist diejenige, die in BBx kopiert wurde, und bei der es sich nur um die ursprüngliche Sammlung IF handeln kann. Und genau die „Instruktionen" dieser Sammlung, die die genaue Anzahl und Reihenfolge derselben wiedergibt und eben in BBx überliefert wurde, sind es, die nunmehr hier im Band II/2 mit ihrem lateinischen Originaltext und einer deutschen Übersetzung veröffentlicht werden. Im Anschluss daran werden im „Anhang I" (ab S. 481) auch die nicht zur „authentischen Sammlung" gehörenden 13 „Instruktionen" samt „Peroratio" in lateinischer und deutscher Sprache wiedergegeben, gefolgt von „Anhang II" (Daten zu Angela), „Anhang III" (Daten zur Verbreitung des „Liber" im Lauf der Jahrhunderte), „Anhang IV" (Bericht zur Entstehung von EC).
Ein paar Worte zur Bedeutung der „Instruktionen" seien noch hinzugefügt. Einige „Instruktionen" sind zweifellos verfasst worden, um die zentralen Botschaften des „Memorials" in die Sprache und Begrifflichkeit einer „spirituellen Theologie" zu bringen, was in gewisser Weise an die Bedeutung der „Protoinstruktion" für die ersten 5 Schritte des Memorials erinnert. Andere bewegen sich weniger auf dieser grundsätzlichen Ebene, sondern wollen konkrete Orientierung für ein schon von den Botschaften des „Memorials" bestimmtes Leben geben. Beachtet man aber die Reihenfolge der „Instruktionen" und bringt sie mit dem Lauf der letzten 10 Lebensjahre Angelas in Verbindung, dann wird man aus ihnen auch manches zur Biographie Angelas von 1297-1309 erschließen können. Gerade für dieses Bemühen bietet die vorliegende Edition der „Instruktionen" samt dem in den Endnoten Gesagten tragfähige und solide Voraussetzungen.
[EC576] [Bx2/86r] [Bx1/31v] [Bx(Köln)61vb] Desidero360 multum361fili mi (B5: fili) carissime quod omnem pigritiam et negligentiam a te penitus expellas, et quod renascaris et renoveris.362 Desidero etiam fili mi quod non minus ores non minus vigiles neque (B: non) minus alia bona opera (B2.3.5: opera bona) facias quando est tibi subtracta gratia (B1.2.3: esset subtracta tibi gratia, B4: esset subtracta gratia tibi, B5: esset tibi subtracta gratia), quam dum adest tibi ipsa divina gratia (B: quam si haberes ipsam gratiam divinam).
Bonum nempe est fili mi et multum deo acceptum si cum fervore divine gratie oras, vigilas (B1.2.3.5: oras et vigilas) et laboras et alia bona opera (B1.2.3.5: opera bona) facias, sed tunc fili mi [EC578] omnino est (B: est omnino) gratissimum deo et acceptissimum si cum gratia est tibi (Bx(Köln): tibi est) subtracta (B: quando in subtractione gratie sive quando esset tibi subtracta gratia quod) non minus oras, vigilas (Bx(Köln): ores, vigiles, B: ores) et non minus alia bona opera (B: opera bona) facias. Illa eadem operari sine gratia que operaris cum gratia.363
Unde fili mi si divinus fervor et (B: sive) calor impellit te et cogit aliquando ad orandum et vigilandum ad (Bx(Köln): et) exercitandum, cave ne in vacuum gratiam dei recipias (B: ne gratiam dei in vacuum recipias).364 Cum vero placet deo (Bx(Köln): deo placet) subtrahere tibi suum fervorem et calorem sive propter (B1.2.3.5: sive per) defectum tuum ut plurimum, sive ut gratiam suam in te magis (B1.2.3.5: magis in te, B4: magis) ampliet et augmentet, tunc coneris non minus orare, non minus vigilare [Bx(Köln)62ra] etnon minus omni bono operi insistere, etiam si aliquando tribulatio aut temptatio tibi evenerit (B: venirent) que purgare et punire habent dei filios (B1.2.3.5: punire et purgare habent dei filios, B4: punire et purgare habent filios dei) ut saltem tua continua oratione, tuis vigiliis, tuis lacrimis ettuis exercitiis et tua omnimoda importunitate cogas aliquando ipsum deum, ut dignetur tibi reddere fervorem et calorem sue gratie. Fac igitur fili quod tuum est (B: Facias tu quod tuum est fili
Ich wünsche sehr, mein viel geliebter Sohn, dass du alle Trägheit und Nachlässigkeit zutiefst aus dir vertreibst und wiedergeboren und erneuert wirst. Ich wünsche auch, Sohn, dass du nicht weniger betest, nicht weniger wachst und nicht weniger andere gute Werke tust, wenn dir die Gnade entzogen ist, als wenn die göttliche Gnade dir beisteht.
Gut ist es nämlich, mein Sohn, und Gott sehr willkommen, wenn du mit der Glut der göttlichen Gnade betest, wachst und arbeitest und andere gute Werke tust; doch dann ist es Gott am angenehmsten und am willkommensten, wenn du, während dir die Gnade entzogen ist, nicht weniger betest, wachst und andere gute Werke tust.
Deshalb, mein Sohn, wenn die göttliche Glut oder Wärme dich antreibt und bisweilen zum Beten, zum Wachen, zu geistlichen Übungen drängt, dann hüte dich, dass du die Gnade Gottes nicht vergebens empfängst. Wenn es Gott jedoch gefällt, dir seine Glut und Wärme zu entziehen, sei es wegen deiner Mängel, wie meistens, sei es, um seine Gnade in dir auszuweiten und zu vermehren, dann suche nicht weniger zu beten, nicht weniger zu wachen und jeglichem guten Werk zu obliegen, auch wenn bisweilen Drangsal und Versuchung, die die Kinder Gottes läutern und strafen sollen, über dich kommen, sodass du wenigstens durch dein beständiges Beten, durch dein Wachen, durch Tränen und Andachtsübungen und durch deine ganze Aufdringlichkeit Gott selbst bisweilen zwingst, dass er sich herablässt, dir die Glut und Wärme seiner Gnade wiederzugeben. Tu also, Sohn, was deine Sache ist, weil Gott schon tut, was seine Sache ist. Das gewaltsame und emsige Gebet ist Gott nämlich sehr, sehr genehm.
mi), quia deus bene facit quod suum est. Oratio enim efforsata, id est violenta et laboriosa365 multum est deo acceptissima (Bx(Köln): accepta), fili mi.
[EC580] Propter ineffabilem et dulcissimum et consolativum respectum quem ego habeo in isto increato deo366 ipse deus sua ineffabili bonitate facit meipsam redire et converti super te et respicere in te. Videtur mihi quod deus ostendat mihi (B: ostendit mihi deus) quasi quidquid (Bx(Köln): quicquid) est in te et interius et exterius, ita quod cum nova et (B4: nova) ineffabili omnino leticia alia facta sum in te, in tantum quod oculos meos a te avertere (Bx(Köln): avertere a te)367 non possum. Et scias fili mi quod iste amor est ita intensus, quod rogo illum qui fecit illum quatenus (B: quod) temperet eum quia (B: quod) videtur mihi quod non sum mea (Bx1: sum mea) sed tua.
Unde dico intra meipsam: Cui scribo aut (B: vel) quibus scribo cum vos sitis ego et ego sim vos?368 Si videres fili cor meum, esses omnino ligatus ad faciendum [Bx2/86v] omnia (B: facere) que vult ipse deus quia cor meum est cor dei et cor dei [Bx1/32r] est cor meum. Desidero fili quod risus qui incepit mihi de te quod crescat quia in paradiso erit complementum suum.
Illud quod magis firmat animam in deo et fortificat est amor, et illud quod eam facit (B: facit eam) magis teneram est amor. Quodlibet istorum habet suam convenientiam, sed quoniam credo te hec scire (B: hoc te scire, B3: hec te scire), [Bx(Köln)/62rb] ideo non explico.
Scias fili mi quod ego vivo cum maximo languore, et hoc facit amor, quia quanto aliquid plus (B: magis) diligitur tanto amplius (B: magis) desideratur haberi. Et ideo fili quia ego cum tota me (Bx(Köln): me tota) desidero te habere (B5:habere te) ante [EC582] istam maiestatem divinam, propterea ego langueo. Et (B: Adhuc fili mi) iste amor generat magnum zelum, qui zelus est multis penosus (B1.2.3.4: penosus et propterea iste zelus est penosus, B5: penosus) eo quod (B: quia continue) cum tota me timeo, quod in te (B1.2.4.5: in te non) sit aliquid quod impediat te in via dei.
Et ideo fili mi cum tota me rogo te quod non deponas vel amoveas oculos anime tue ab isto (B1.2.3.5: isto deo) homine passionato369, sed tene eos ibi, quia habet totam animam infocare sive (B: vel)
Wegen des unaussprechlichen und allersüßesten und trostvollen Blicks, den ich im unerschaffenen Gott habe, lässt Gott selbst in seiner unsagbaren Güte mich zurückgehen und umkehren zu dir und auf dich blicken. Mir scheint, dass Gott mir fast alles zeigt, was in dir ist, sowohl innerlich als auch äußerlich, sodass ich mit neuer und unaussprechlicher Freude eine andere in dir geworden bin, so sehr, dass ich meine Augen von dir nicht abwenden kann. Und wisse, mein Sohn, dass diese Liebe so intensiv ist, dass ich den, der sie gewirkt hat, bitte, dass er sie mäßige, denn mir scheint, ich bin nicht mein, sondern dein.
Daher spreche ich bei mir selbst: „Wem schreibe ich oder welchen schreibe ich, da ihr seid ich und ich bin ihr?" Wenn du, Sohn, mein Herz sähest, wärest du ganz und gar gebunden all das zu tun, was Gott will, denn mein Herz ist Gottes Herz und Gottes Herz ist mein Herz. Ich wünsche, Sohn, dass das glückseligeLachen, das in mir über dich begonnen hat, wachse, denn im Paradies wird seine Vollendung sein.
Das, was die Seele mehr in Gott festigt und stärkt, ist die Liebe, und das, was sie zarter macht, ist die Liebe. Das eine wie das andere hat seine Angemessenheit, aber da ich glaube, dass du diese kennst, deshalb erkläre ich sie nicht.
Wisse, mein Sohn, dass ich mit größtem Herzweh lebe, und das macht die Liebe; denn je mehr etwas geliebt wird, desto umfassender wird gewünscht, es zu haben. Und deshalb, Sohn, weil ich mit meiner ganzen Person wünsche, dich vor der göttlichen Majestät zu haben, deshalb leide ich dieses Weh. Und diese Liebe erzeugt großen Eifer, und dieser Eifer ist vielen peinvoll, weshalb ich mit meiner ganzen Person fürchte, dass in dir etwas ist, das dich auf dem Weg Gottes hindert.
Und deshalb, Sohn, bitte ich dich, wende die Augen deiner Seele nicht ab vom leidgequälten Menschen, sondern halte sie dort, denn
inflammare, quod si non teneas eos, coneris cum tota te tenere et figere eos ibi.
Adhuc fili mi desidero et cupio ex (B: desidero cum)370 toto corde meo quod si mens tua est elevata ad videndum istum deum hominem passionatum, bene placet mihi, si autem mens tua non est elevata ad videndum istum deum hominem passionatum (Bx(Köln): Si autem mens tua non est elevata ad videndum eum, B: sed si non sit), redi et reincipe (B: reincipias) a capite vel a pede, et reambula371 omnes istas vias (Bx(Köln): vias istas) passionis et crucis istius dei hominis passionati. Quod si non potes rehabere et reinvenire (B: revenire) cum (B1.3.5: tamen) corde, dicas solicite et frequenter, cum ore dic, quia id (B: illud) quod frequenter cum ore dicitur (B: dicitur cum ore) dat cordi fervorem et calorem.
Rogo etiam te fili mi ego stulta quod mundus non sit tuum suppositorium nec appodies te mundo, quia quicumque se illi appodiaverit (B : appodiaverit se mundo) inveniet se deceptum, eo quod ipse mundus sit falsus (B: quia mundus est omnino falsus). Sed suppositorium tuum sit ipse deus homo (B: iste deus) passionatus. Unde quicumque videret istum deum hominem passionatum ita pauperrimum et plenissimum continuo dolore et ineffabili et ita despectissimum et omnino annihilatum, quod [EC584] videre datur per gratiam, certa sum quod sequeretur illum (B1.2.3.4: ipsum, B5: eum) per viam paupertatis, continui doloris, despectus et vilitatis (B: per paupertatem et per dolorem continuum et per despectum et vilitatem).372
De gratia divina nullus potest excusari quod non possit invenire [Bx2/87r] et [Bx(Köln)62va] habere eam (B: habere et invenire eam). Liberalissimus deus liberalissime omnibus suam gratiam largitur hoc est volentibus et querentibus illam.
Desidero etiam fili mi quod non impleas te nisi isto deo increato, et quod in mente [Bx1/32v] tua non sit alia impletura nisi ista, scilicet istius dei increati. Quod si istam (B: hanc) impleturam, scilicet istius (B4: istius) dei increati, habere non potes, teneas saltem et habeas illam quam supra diximus, scilicet impleturam istius dei hominis (B5: hominis dei) passionati. Si autem tibi utraque subtrahatur (B: quod si utraque, fili mi, subtraheretur tibi) non quiescas donec reinvenias (B: revenias) et rehabeas unam istarum impleturarum quia nullo modo est standum sine una istarum (B: earum).
er vermag die ganze Seele zu befeuern beziehungsweise zu entflammen.
Zudem, mein Sohn, wünsche ich und begehre aus meinem ganzen Herzen und habe mein Gefallen daran, wenn dein Geist in die Schau des leidgequälten Gottmenschen erhoben wird. Ist dein Geist aber nicht erhoben, den leidgequälten Gottmenschen zu sehen, geh zurück und fang wieder von Kopf oder von Fuß an und durchlaufe wieder alle diese Wege des Leidens und des Kreuzes des leidgequälten Gottmenschen. Wenn du dies nicht mit dem Herzen wiederhaben und wiederfinden kannst, sprich es eifrig und häufig aus, mit dem Mund sprich, denn was häufig mit dem Mund gesagt wird, gibt dem Herzen Glut und Wärme.
Ich bitte dich auch, Sohn, ich Törichte, dass sie, die Welt, nicht dein Halt sei und du dich nicht auf die Welt stützt; denn jeder, der auf sie sich stützt, wird sich getäuscht finden, deshalb weil die Welt falsch ist. Dein Halt sei vielmehr der leidgequälte Gottmensch. Deshalb, wer immer den leidgequälten Gottmenschen so gänzlich arm und erfüllt von ständigem und unsäglichem Schmerz und so ganz und gar verachtet und völlig zunichte gemacht sieht, und dieses Sehen wird gewährt durch Gnade, wird, dessen bin ich sicher, ihm folgen auf dem Weg der Armut, des ständigen Schmerzes, der Verachtung und der Erniedrigung.
Bezüglich der göttlichen Gnade kann keiner sich entschuldigen, dass er sie nicht finden und haben kann. Der allerfreigebigste Gott schenkt in aller Freigebigkeit all denen die Gnade, die sie wollen und suchen.
Ich wünsche auch, Sohn, dass du dich nur mit dem unerschaffenen Gott füllen mögest und dass in deinem Geist keine andere Fülle sei als diese, das heißt die Gnadenfülle des unerschaffenen Gottes, und dass, wenn du diese Fülle, nämlich des unerschaffenen Gottes, nicht haben kannst, du wenigstens jene Fülle festhalten und bewahren mögest, die wir oben genannt haben, nämlich die Fülle des leidgequälten Gottmenschen. Wenn dir aber beides entzogen ist, ruhe nicht, bis du eine dieser Füllen wiederfindest und zurückhast; denn ohne eine der beiden darf man auf keinen Fall bleiben.
Lumen373, amor et pax altissimi dei sit tecum fili mi. Benedictio altissimi dei (Bx1: dei altissimi) sit tecum eternaliter fili mi (B4 om.: Benedictio ...fili mi).
Vale in deo homine Christo et in virgine, matre eius. Et ora pro socia mea374 que est multuminfirmissima (B: infirma), et sollicite facit quod tibi promisit, et pro me vilissima creatura et pro omnibus fratribus et sororibus tuis.
In eternum sumus obligati (B: obligate) venerabili patri nostro et vestro fratri Ioanni generali ministro375, de tanto beneficio nobis impenso tam vilissimis et omnino abiectis personis. Ille cuius (B: cui) est retribuere retribuat sibi et tibi fili mi.
[EC600] O376 filii dei377 transformamini378 cum totis vobis in istum deum hominem passionatum, qui tantum vos dilexit o filii,qui tam ignominiosissima, dolorosissima et amarissima morte propter vos mori dignatus est (B: qui propter vos ignominiosissima, dolorosa et amarissima morte mori dignatus est) et hoc solum ob amorem tui, o homo. Unde istud est signum verum legitimorum filiorum dei: amare perfecte deum et proximum.
[EC602] Et qui multum amat serviri, multum omnino servit.379 Et quantum iste deus homo passionatus, o filii dei, purissime et fidelissime vos dilexit in nullo sibi (B: sui) miserans, seipsum totum impendens [Bx(Köln)62vb] solum ob tui amorem, o homo, hac amoris puritate hac (B: et) humilima fidelitate iuxta creature capacitatem a suis legitimis filiis vult omnino sibi quodammodo responderi (B: respondere), ut scilicet fide viva ipsi fidelissimo deo fidelissime serviant.380 Nunc autem o filii dei iste deus homo passionatus quasi mihi continue (Bx(KöIn): quasi mihi cotidie, B: quasi continue mihi) dicit ut vos admoneam, quatenus (B: ut) ei fidelissimo vos (B: vobis) fideles sitis. Et omnino qui fidelis est deo, fidelis est et proximo. Quomodo autem iste deus homo passionatus purissime et fidelissime [Bx2/87v] vos dilexerit (B: dilexit), et per suum ortum et per suam
Das Licht, die Liebe und der Friede des Allerhöchsten sei mit dir! Der Segen des allerhöchsten Gottes sei mit dir auf ewig, mein Sohn!
Leb wohl im Gottmenschen Christus und in der Jungfrau, seiner Mutter! Und bete für meine Gefährtin, die sehr krank ist und eifrig tut, was sie dir versprochen hat, und bete auch für mich, das allerniedrigste Geschöpf, und bete für alle deine Brüder und Schwestern.
Auf ewig sind wir verpflichtet unserem und eurem Vater, dem Bruder Johannes, Generalminister, für die so große uns erwiesene Wohltat, uns den allerniedrigsten und gänzlich verworfenen Personen. Der, dem es obliegt, zu vergelten, vergelte es ihm und dir, mein Sohn.
O Söhne Gottes, gestaltet euch mit eurer ganzen Person um in den leidgequälten Gottmenschen, der euch so sehr geliebt hat, der sich herabgelassen hat, euretwegen durch einen so schändlichen, schmerzvollen und bitteren Tod zu sterben, und dies allein aus Liebe zur dir, o Mensch! Deshalb ist dies das wahre Zeichen der legitimen Söhne Gottes: Vollkommen Gott zu lieben und den Nächsten!
Und der sehr liebt, dass ihm gedient wird, hat samt und sonders viel gedient. Und wie sehr der leidgequälte Gottmensch, o Söhne Gottes, in reinster und treuester Weise euch geliebt hat, indem er, in keiner Weise sich schonend, sich selbst opferte, allein aus Liebe zu dir, o Mensch, so will er, dass ihm in dieser Reinheit der Liebe, in dieser allerdemütigsten Treue, entsprechend der Fähigkeit des Geschöpfes, auch von seinen legitimen Söhnen irgendwie gänzlich geantwortet wird, damit sie nämlich mit lebendigem Glauben ihm, dem treuesten Gott, in aller Treue dienen. Jetzt aber, o Söhne Gottes, sagt mir dieser leidgequälte Gottmensch beinahe ständig, euch zu mahnen, dass ihr ihm, dem Treuesten, treu seid. Und wer Gott ganz treu ist, ist es auch dem Nächsten. Wie aber dieser leidgequälte Gottmensch in reinster und treuester Weise euch geliebt hat, hat er euch sowohl
sanctissimam conversationem et per suam mortem apertissime vobis manifestavit (B: invocavit vobis veniam).381
Sed quia (B quoniam) infideles ei sumus, ideo eius pro nobis ortum pauperrimum (B3: pauperrimum et), dolorosissimum et despectissimum [Bx1/33r] vivere, continue (Bx(Köln): vivere cotidie, B: continue) non videmus.382 Sic eius pro nobis conversationem mitissimam, divinissimamet pauperrimam, humilimam, salutiferam et laboriosissimam cordialiter non cernimus, Propterea eius pro nobis mors [EC604] pauperrima, humilima, dolorosissima, amarissima et (B4: amarissima) ignominiosissima (B: ignominiosa) non facit continue nos totos mortuos. Et quis est qui huic pro nobis divinissime et fidelissime fidelitati saltem parvuncula viva et continua fide (B: fide viva et continua) respondeat? Immo quasi non sit factum nostrum post tergum nostrum omnia ista proicimus.383
Videte igitur (B: ergo) o filii cum totis vobis384 si isti fidelissimo nobis (B: in isto fidelissimo vobis) deo homini passionato fidelissimi esse debemus, qui non solum creaturis rationabilibus sed etiam ipsis irrationabilibus et insensibilibus creaturis humilime se totum subiecit, ob purissimum et fidelissimum amorem pro nobis. Quamvis enim ipse Deus omnia subiecerit (B: subiecit) rationali creature [Bx(Köln)63ra] sed propriissime sunt subiecta ipsi creatori; et ipse creator tantum solum ob tui amorem se adnihilavit, subiecit et deiecit et humiliavit (B: se humiliavit)385 quod non solum rationali creature sed etiam ipsis irrationabilibus et insensibilibus (B: insensibilibus et irrationabilibus) creaturis potestatem plenissimam (B: plenissimam potestatem) dedit, ut suum super eum exercerent officium.
[EC606] Dedit enim potestatem illis spinis intrandi et perforandi crudelissime illud divinissimum caput eius. Dedit potestatem ligaturis vel columnis ligandi et stringendi et tenendi ipsum in loco confixum (B4: crucifixum).
Letificate me386 o filii ut isti (B5: isto) fidelissimo vobis deo sitis fideles, et super hanc provobis (B4: nobis) humilimam (B: humiliatam) fidelitatem et fidelissimam humilitatem deviscerate vos ipsos totos.
Ecce quia solum propter te o homo ipse auctor omnis vite tantum seipsum deiecit ut te exaltaret, quod ipsa insensibilia ipsum auc-
durch seine Geburt und durch seinen heiligsten Lebenswandel als auch durch seinen Tod in aller Offenheit kundgetan.
Aber weil wir ihm untreu sind, deshalb sehen wir nicht beständig auf seine allerärmste Geburt, auf sein Leben in höchstem Schmerz und in höchster Verachtung. So schauen wir nicht von Herzen auf seinen in höchstem Maß sanftmütigen, göttlichen und armen, demütigen, heilsamen und mühseligen Lebenswandel. Deshalb lässt sein ärmster, demütigster, schmerzvollster, bitterster und schändlichster Tod uns alle nicht fortwährend tot sein. Ist da überhaupt einer, der auf diese uns erwiesene göttlichste und treueste Treue wenigstens mit einem winzigen lebendigen und beständigen Glauben antwortet? Mitnichten, so als wenn es uns nichts anginge, werfen wir dies alles hinter den Rücken.
Seht, also, o Söhne, ob wir nicht in höchstem Maß treu sein müssen diesem uns treuesten leidgequälten Gottmenschen, der sich nicht nur den vernunftbegabten Geschöpfen ganz unterwarf, sondern in demütigster Weise wegen seiner reinsten und treuesten Liebe zu uns auch den unvernünftigen und gefühllosen Geschöpfen. Obwohl Gott nämlich alle dem vernunftbegabten Geschöpf unterworfen hat, sind sie jedoch in ureigenster Weise dem Schöpfer selbst unterworfen. Und der Schöpfer selbst entäußerte sich, unterwarf sich und erniedrigte und verdemütigte sich so sehr aus Liebe zu dir, dass er nicht nur dem vernunftbegabten Geschöpf, sondern ebenso den unvernünftigen und gefühllosen Geschöpfen die vollste Macht gab, damit sie ihren Dienst über ihn ausübten.
Er gab nämlich den Dornen die Macht in sein göttliches Haupt einzudringen und es grausam zu durchbohren; er gab den Stricken und Säulen die Macht, ihn zu binden, zu schnüren und ihn an einer Stelle festzuhalten.
Erfreut mich, o Söhne, dass ihr diesem treuesten Gott treu seid und wegen dieser demütigsten Treue und treuesten Demut euch gegenüber euch selbst ganz zerreißt!
Denn sieh, allein deinetwegen, o Mensch, um dich zu erhöhen, hat der Urheber allen Lebens sich selbst so sehr erniedrigt, dass die gefühllosen Dinge diesen Urheber überall schlugen und zerfleisch-
torem per omnia percuterent (Bx(Köln): percuterent per omnia) et laniarent, et qui est omnino incircumscriptus loco fixus teneretur.387
Dedit potestatem velo (B5 : veli) illi ut velaret eum qui est omnino lux, a quo solo est omne lumen [Bx2/88r] et sine ipso totum est tenebra.388 Dedit potestatem illis fustibus ut eum diutissime verberarent (B: ut durissime verberarent ipsum). Dedit potestatem illis clavis perforandi et intrandi in suas manus et pedes (B1.3.4.5: in suis manibus et pedibus divinissimis, qui omnia fecit, B2: in suis manibus et pedibus divinissimis, qui fecit omnia).389 Dedit potestatem illi cruci (B: furce), que crux nominatur, taliter cruentatum et taliter perforatum suum factorem et dominum sustentare. Dedit potestatem spongie et aceto et felli et aliis insensibilibus plurimis [EC608] ut suo factori suo domino insultarent et plenum dominium super eum (B3: se) haberent. Dedit etiam potestatem lancee ut intraret, perforaret et aperiret (B: et aperiret et perforaret) illud [Bx(Köln)63rb] divinissimum latus eius.
Debebant enim ipse creature et poterant suo domino, suo scilicet factori propriissimo obedire, et non creature ipsis (B2.4: ipsius) abutenti. Ideo (B: Sed) profundissima et fidelissima et inusitata humilitas istius altissime maiestatis deprimat et confundat superbiam [Bx1/33v] nostre nihilitatis. Voluit enim esse subiectus et adnihilatus ipse auctor omnis vite, qui solus habet esse omnibus creaturis ipsis etiam insensibilibus ut tu qui eras mortuus et divinorum insensibilis factus per hanc humilimam eius deiectionem vitam haberes. Et tu, homo, qui nihil eras (B1.3.5: curas), tam fidelissime et purissime te dilexit.Ipse est qui solus ob tui amorem (B: Iste qui solus solum ob tui amorem) exinaniri voluit, ut tibi daret perfectum (B: perfectissimum) esse.390
Debebat enim ipsa lancea et poterat si ipse Christus voluisset391 se plicare et non obedire creature ipsa abutenti (B3: abutente), et non percutere nec (B: et non) perforare ipsum (B: illud) divinissimum latus sui proprii (B: propriissimi) domini et factoris. Sic et alia insensibilia (Bx1: sensibilia) poterant et debebant non obedire contra (B5: non obedire) suum dominum et factorem, nisi quia ab ipso potestatem acceperant super ipsum.
[EC610] Dedit enim diabolo potestatem ut tentaret eum (B: ipsum) et etiam circumduceret. Dedit potestatem plenariam ho-
ten, und ihn, der völlig unbegrenzt ist, an einem Ort festgebunden hielten!
Er gab Macht dem Velum, dass es ihn verhüllte, ihn, der das Licht ist, von dem allein das ganze Licht ist, und ohne den alles Dunkelheit ist. Er gab Macht den Geißeln, dass sie ihn sehr lange schlugen. Er gab Macht den Nägeln, seine Hände und Füße zu durchbohren und in sie einzudringen. Er gab Macht dem Kreuz, seinen so blutüberströmten und durchbohrten Schöpfer und Herrn zu tragen. Er gab Macht dem Schwamm und dem Essig und der Galle und mehreren anderen gefühllosen Dingen, dass sie ihren Schöpfer, ihren Herrn, verhöhnten und volle Herrschaft über ihn hatten. Er gab Macht auch der Lanze, dass sie in die göttliche Seite eindrang, sie durchbohrte und öffnete.
Denn diese Geschöpfe mussten und konnten ihrem Herrn, das heißt ihrem ureigensten Schöpfer, gehorchen und nicht dem sie missbrauchenden Geschöpf. Aber so hat die tiefste und treueste und ungewöhnliche Demut dieser höchsten Majestät den Stolz unserer Nichtigkeit bezwungen und zuschanden gemacht. Der Urheber allen Lebens, der allein das Sein hat, wollte nämlich allen Geschöpfen, auch den gefühllosen, unterworfen und durch sie zunichte gemacht sein, damit du, der du tot und den göttlichen Dingen gegenüber gefühllos geworden warst, durch diese seine demütigste Erniedrigung das Leben hast. Er ist es, der allein aus Liebe zu dir sich entäußern wollte, um dir das vollkommene Sein zu geben.
Es musste nämlich die Lanze und sie konnte, wenn Christus es gewollt hätte, sich falten und nicht dem sie missbrauchenden Geschöpf gehorchen und die göttliche Seite ihres eigenen Herrn und Schöpfers durchstoßen und durchbohren. So mussten auch die anderen gefühllosen Dinge gegen ihren Herrn und Schöpfer nicht gehorchen, außer weil sie von ihm Macht über ihn erhalten hatten.
Er gab auch dem Teufel Macht, damit er ihn versuchte und auch herumführte. Er gab den Menschen völlige Macht über ihn. Er gab
minibus super ipsum (B: eum). Dedit potestatem eorum cordibus cogitandi perversissima et mortifera contra eum (B: ipsum). Dedit potestatem eorum sensibus blasphemandi, consiliandi, ordinandi, percutiendi, lacerandi et dolorosissime ipsum configendi et crucifigendi et occidendi.
Ergo nunquam o filii dei deponatis nec amoveatis392 oculos vestros ab hac fidelissima humilitate, quam iste deus homo passionatus habuit [Bx(Köln)63va] propter vos. O quanta fidelissima fidelitate iste [Bx2/88v] deus increatus servivit creature, qui solum propter ipsam obediens fuit etiam ipsis insensibilibus creaturis. Obediens393 fuit solum propter te (B5: propter te solum) o homo in omnibus tribulationibus, obediens fuit solum propter te in omnibus iniuriis, obediens fuit solum propter teomnibus (Bx1 et B: in omnibus) opprobriis, obediens fuit solum propter teomni (Bx(Köln): in omni) pene, etobediens fuit solum propter teomni dolore (Bx(Köln): dolore, B: omni dolori), obediens fuit solum propter teusque ad mortem (B: omni morti o homo).394
[EC532] Ego395 sum obcecata (B1.2.3.5: excecata) et obtenebrata et sine veritate. Et ideo filioli mei omnia verba mea habeatis suspecta sicut a persona maligna, et omnia bene notetis (B: noscetis) et nullis verbis credatis nisi illis que (B1.2.3.4: qui) similantur vestigiis Jesu Christi.
Non me delectat modo scribere, sed propter multas litteras vestras quas mittitis cogor vobis (B1: vos) scribere. Hoc (B4: Hec) autem vobis scribo quod noviter impressum est cordi meo, scilicet quod cum illo vicio cum quo homo deum offendit cum illo eodem vicio debet ipse puniri.396
[EC534] Et primo dico de vicio superbie que est radix omnium malorum, quod cum (B: quod quando) anima per gratiam dei est humiliata omnibus viribus suis nititur (Bx(Köln): omnibus viribus nititur, B: cum omnibus viribus suis conatur) expellere superbiam a se, et quando anima renascitur et deo efficitur humilis desiderat ex (B: cum) toto corde suo esse sine superbia. Nihilominus tamen superbia
Macht ihren Herzen Schändlichstes und Todbringendes gegen ihn zu denken. Er gab Macht ihren Sinnen, um zu lästern, zu beratschlagen, zu befehlen, zu schlagen, zu zerreißen und ihn in schmerzhaftester Weise anzunageln, zu kreuzigen und zu töten.
Also, niemals, o Söhne Gottes, nehmt weg eure Augen, noch wendet sie ab von dieser treuesten Demut, die dieser leidgequälte Gottmensch um euretwillen hatte. O in welch treuester Treue diente dieser unerschaffene Gott dem Geschöpf, um dessentwillen allein er auch den gefühllosen Geschöpfen gegenüber gehorsam wurde! Gehorsam wurde er nur um deinetwillen, o Mensch, in allen Drangsalen, in allem Unrecht, in allen Schmähungen, in aller Pein und allem Schmerz bis zum Tod!
Ich bin verblendet und verfinstert und ohne Wahrheit. Und deshalb, meine Söhne, alle meine Worte haltet für verdächtig, wie von einer boshaften Person, und merkt euch alle gut, und glaubt keinen Worten, außer denen, die den Fußspuren Jesu Christi entsprechen.
Es macht mir jetzt keine Freude, zu schreiben; aber wegen eurer vielen Briefe, die ihr geschickt habt, bin ich gezwungen, euch zu schreiben. Dies nun schreibe ich euch, was jüngst meinem Herzen eingeprägt wurde, nämlich dass der Mensch mit dem Laster, mit dem er Gott beleidigt hat, mit demselben Laster muss er bestraft werden.
Und erstens spreche ich über das Laster des Stolzes (Hochmuts), der die Wurzel aller Übel ist, und sage, dass die Seele, wenn sie durch Gottes Gnade verdemütigt wird, mit allen Kräften danach strebt, den Stolz aus sich zu vertreiben, und wenn die Seele dann wiedergeboren und Gott gegenüber demütig wird, sie aus ganzem Herzen
(B4: superbia tamen) venit in eam (B: in ipsa venit) sine ipsa anima, et quando (B: sed quando) venit superbia cum placimento (B1 et Bx(Köln): placitamento, Bx(Köln) corr. ex: piacimento) vel cum delectatione efficitur culpa, quando vero sine placitamento anime ipsa anima efficitur (Bx1: efficitur culpa, B: efficitur culpa, sed veniendo [orig.: vivendo] sine placimento anime, anima efficitur) amaricata et afflicta. Et quando venit sine illo placitamento (B: placimento illo) anima tunc est posita (B4: posita est) in sede veritatis, [Bx1/34r] in qua ipsa anima non est capax alicuius superbie, sed ideo venit sine consensu anime ut puniat (B: ad puniendum) consensum qui preteriit. Et ideo filioli mei confortamini et recipite fortitudinem, quia deus vult punire in vobis defectum cum defectu.
Similiter (B: Et similiter) est de vicio avaritie, quia anima videndo abundantiam divinam efficitur larga et tamen est in illo [Bx(Köln)63vb] vicio stimulata ad puniendam (B: ad puniendum) culpam preteritam.
Et ita similiter (B: simili modo) de vicio carnali. Sed non solum debent puniri illi qui in operibus propriis carnaliter ceciderunt, sed etiam illi qui in tenuissimis cogitationibus propria sua (B4: propria) negligentia corruerunt (B: ceciderunt). Et ideo filioli mei carissimi non miremur si temptationibus punimur, quia omnis culpa de necessitate debet (Bx(Köln): debet de necessitate) puniri.
Nonne videtis quia (B: Et nonne videtis quod) vanam gloriam et hypocrisim non potest homo a se repellere (B: repellere a se)? Et hoc contingit propter culpam preteritam, aut (B: vel contingit) propter meritum anime. [Bx2/89r] Igitur (B: Ergo) quomodocumque contingat, contentemur si fuerimus (B: sumus) victores.
[EC536] Nonne (B: Et nonne) videtis filii quod dum (B: quando) aliquis dicit horas suas (B2.3.4: horas), et non stat totus in dicendo illas affligitur? Quia cum homo debeat (B: dicendo horas, quia quando homo debet) esse totus in illo qui est et tunc non est, dignum est ut puniatur. Et ideo quando sic dixit (B: quando dicit) horas suas dixit et non dixit (B: dicit et non dicit), quia non stetit ibi totus et ideo laborat et interdum a capite reiterat. Quia dignum est ut in tali labore puniatur. Et iterando vult meditari in eo quod dicit, et subito de illo (B2.4: subito) trahitur nec illius (B: et de illo non) recordatur. Et hoc
wünscht, ohne Stolz zu sein. Nichtsdestoweniger kommt der Stolz, ohne dass die Seele einwilligt, dennoch in sie. Kommt der Stolz jedoch mit Einwilligung oder mit Wonne, wird er zur Schuld; kommt er aber ohne Einwilligung der Seele, wird die Seele verbittert und betrübt. Und wenn er ohne Einwilligung kommt, dann befindet sich die Seele schon auf dem Sitz der Wahrheit, auf dem sie keines Stolzes mehr fähig ist; aber deshalb kommt er ohne Zustimmung der Seele, dass er die einstige Zustimmung straft. Und deshalb, meine Söhne, ermutigt euch und werdet stark, weil Gott in euch Mangel mit Mangel strafen will.
Entsprechendes gilt für das Laster des Geizes, weil, wenn die Seele den göttlichen Überfluss sieht, sie weit wird; und dennoch wird sie von diesem Laster gestachelt, um die vergangene Schuld zu strafen.
Und so ähnlich verhält es sich mit dem fleischlichen Laster. Doch müssen nicht nur diejenigen gestraft werden, die mit eigenen Taten auf fleischliche Weise gefallen sind, sondern auch diejenigen, die infolge eigener Nachlässigkeit durch geringfügigste Gedanken zu Fall kamen. Und deshalb, meine vielgeliebten Söhne, wundert euch nicht, wenn wir durch Versuchungen gestraft werden, denn jede Schuld muss notwendigerweise gestraft werden.
Seht ihr denn nicht, dass der Mensch Dünkel und Heuchelei von sich nicht zurückdrängen kann? Und das geschieht entweder wegen der vergangenen Schuld oder wegen des Verdienstes der Seele. Also, wie auch immer es geschieht, lasst uns zufrieden sein, wenn wir Sieger gewesen sind.
Seht ihr nicht, Söhne, dass einer, während er sein Stundengebet betet und beim Sprechen nicht ganz dabei ist, bedrängt wird? Denn, weil der Mensch beim Beten ganz bei Dem sein muss, der Ist, dann aber nicht ist, verdient er es, gestraft zu werden. Und deshalb, wenn er so sein Stundengebet hersagte, hersagte und nicht sagte, weil er nicht ganz dabei war, eben deshalb müht er sich und wiederholt es mitunter von Anfang an. Denn er verdient es, durch solche Mühe gestraft zu werden. Und beim Wiederholen will er bedenken, was er sagt, und plötzlich wird er davon abgelenkt und erinnert sich nicht
fit ad vindictam nostre malicie, quia cum oramus deus vult ut (B: quod) integre oremus et non divisim (B: divise). Et ideo in oratione habeamus cor integrum ad deum (B: cor integrum habeamus in deo) et non divisum, quod si divisum fuerit amittimus fructum orationis (B: quia si divisum cor habemus fructum orationis ammittimus).
In aliis autem (B: vero) exercitiis que agimus non debemus esse integri (B: integri esse non debemus) scilicet comedendo, bibendo, eundo, veniendoet (Bx(Köln): vel) alia negocia faciendo, sed dum talia exterius operamur cor integrum in deo habeamus si fructum vere orationis sentire desideramus. Nam ideo in oratione temptamur, quia cor integrum ibi (B: in oratione) non habemus.
Cum temptamur debemus duo considerare (B: Sed cum temptamur duo consideremus). Primo iustitiam dei que operatur in nobis vindictam suam, et in hoc gaudeamus multum (B1.2.3: multum gaudemus, B4.5: multum gaudeamus) videndo [Bx(Köln)64ra] scilicet dei iustitiam, que quicquid operatur iustissime facit (B: iustitiam dei que quidquid operatur in nobis iustissime operatur). Secundo consideremus quia iuste propter propriam culpam temptamur unde dolere debemus eo quod turpiter deum offendimus (B: Secundo cum temptamur consideremus quod iuste temptamur quia culpa propria temptamur et de hoc multum doleamus quia deum turpiter offendimus).
[EC538] Si volumtus (Bx(Köln): Si voluerimus, B: Sed si volumus) a temptationibus liberari debemus totaliter in istum deum amantem transformari et eius voluntatem inquirere et inquirendo debemus cum illa (B: ei) uniri et uniendo debemus omnesproprietates eius (B: eius proprietates) [Bx1/34v] scrutari et scrutando debemus in ipsis proprietatibus nos totaliter exercere et viriliter in ipsis exercitati (B4: exercitati in ipsis), et sic in nobis nullum vicium poterit remanere.
Tres autem sunt proprietates (B1.2.3.5: autem proprietates sunt, B4: sunt proprietates) necessarie amantibus.397
Prima est transformatum esse (B: esse transformatum) in voluntatem amati. Voluntas autem amati videtur mihi quod sit via quam ostendit nobis per seipsum (B: semetipsum), nobis enim ostendit (B: quia ostendit nobis) paupertatem, dolorem et despectum et veram obedientiam (B: obedientiam veram). Et cum totaliter est in istis
mehr daran. Und das geschieht als Vergeltung für unsere Schlechtigkeit; denn Gott will, dass wir, wenn wir beten, ganz (ganzheitlich, integriert) beten und nicht geteilt. Und deshalb lasst uns beim Gebet das Herz ganz bei Gott haben und nicht geteilt; denn wenn es geteilt ist, verlieren wir die Frucht des Gebets.
Bei anderen Verrichtungen aber, die wir ausüben, nämlich beim Essen, Trinken, Gehen und beim Ausüben anderer Tätigkeiten, dürfen wir nicht ganz dabei sein, sondern sollen, während wir solche Dinge äußerlich tun, das Herz ganz bei Gott haben, wenn wir die Frucht des wahren Gebets auch im Alltag zu verspüren wünschen. Denn eben deshalb werden wir im Gebet versucht, weil wir das Herz nicht ganz daselbst haben.
Wenn wir versucht werden, müssen wir zweierlei bedenken. Erstens die Gerechtigkeit Gottes, die in uns ihre Vergeltung vollzieht, und gerade darüber sollen wir sehr froh sein, das heißt wenn wir die Gerechtigkeit Gottes sehen, die alles, was sie tut, in gerechtester Weise tut. Zweitens sollen wir bedenken, dass, weil wir wegen der eigenen Schuld zu Recht versucht werden, wir auchleiden müssen, weil wir Gott schmählich beleidigt haben.
Wenn wir jedoch von unseren Versuchungen befreit werden wollen, müssen wir gänzlich in den liebenden Gott umgestaltet werden und seinen Willen erkunden, und bei der Erkundung müssen wir uns mit diesem Willen vereinen, bei der Vereinigung dessen Eigenschaften erforschen, und bei der Erforschung uns gänzlich in denselben Eigenschaften betätigen, und so kann in uns kein Laster bleiben.
Drei Eigenschaften aber gibt es, die denen, die lieben, notwendig sind.
Die erste Eigenschaft dessen, der liebt, ist die Umgestaltung in den Willen des Geliebten. Der Wille des Geliebten aber scheint mir der Weg zu sein, den er uns durch sich selbst gezeigt hat; er zeigte uns nämlich Armut, Schmerz, Verachtung und wahren Gehorsam. Und
exercitata (B: anima exercitata in istis), nullum vicium aut (B et nulla) temptatio potest in eam (B: in ea) intrare.
Secunda proprietas amantis est (B: transformatio est) quando anima (B4: quando) cupit cum magno affectu (B: desiderio) se studiose transformare in proprietates amati. Proprietates autem amati nolo vobis dicere nisi tres, quia illas scitis melius quam ego (B: me).
Prima est [EC540] amor, hoc est diligere omnes creaturas secundum convenientias earum (Bx1 et B4: eorum). [Bx2/89v] Alia proprietas est esse vere humilem et benignum, alia vero (B: Alia proprietas est) quam deus dat (B1.5: dat deus) suis filiis legitimis (B: minimis filiis suis) et est immutabilitas. Nam quanto anima est (Bx1: est anima) deo propinquior (B: proximior deo), tanto in se pauciores recipit mutabilitates (B: minores in se mutabilitates recipit). Et ideo erubescimus (B: non verecundatur) quando aliqua res vilis movet nos (B: nos movet), et in hoc cognoscimus nostram miseriam (B: miseriam nostram).
Tertia proprietas amantis (B: transformatio) est esse totaliter transformatum intus in deum, et tunc est extra [Bx(Köln)64rb] omnes temptationes, quia tunc non est in se, sed in illo qui est. Sed cum (B: quando) revertimur ad nostram miseriam, custodiamus nos ab omnibus creaturis et a nobis ipsis.
Rogo (B: Et rogo) vos filioli ut sitis vestri et nolite vos ipsos dare aut (B: nec) prestare in totum ulli (B: alicui) creature sed date vos totos illi qui est.
Et398dum (B: quando) aliquis vestrum predicat, vel audit confessionem aut consilium prebet alicui (B: confessionem audit vel aliis consilium prebet), mens sua non sit cum ipsis creaturis (B1.3.5: cum creaturis, B2.4: creaturis) sed cum creatore (B4: creatore suo) neque faciamus ad modum fatui, cuius ubi est oculus, ibi est cor suum (B: et non faciamus sicut faciunt fatui quia ubi est oculus fatui ibi est totum cor suum). Et si quando venitis homines [Bx1: ad homines] vobis blandientes dicendo (Bx(Köln): invenitis homines blandientes vobis dicendo, B: invenietis (B4: invenitis) blanditores homines vel mulieres quando dicunt vobis): O frater micarissime propter tua verba (Bx(Köln): verba tua) ego sum conversus aut conversa ad [EC542] penitentiam, nolite attendere ad ipsas creaturas (B: respicere illas creaturas), sed attendite et respicite in creatorem gratias agentes (B:
wenn die Seele ganz in diese eingeübt ist, kann weder Laster noch Versuchung in sie eintreten.
Die zweite Eigenschaft dessen, der liebt, ist gegeben, wenn die Seele mit großer Leidenschaft begehrt, sich in die Eigenschaften des Geliebten umzugestalten. Von den Eigenschaften des Geliebten will ich euch jedoch nur drei nennen, denn ihr kennt diese besser als ich.
Die erste ist die Liebe, das heißt alle Geschöpfe in der ihnen angemessenen Weise lieben. Die andere ist, demütig und gütig sein. Eine andere aber ist die Unveränderlichkeit, die Gott seinen legitimen Söhnen gibt; denn je näher die Seele Gott ist, desto weniger Veränderungen erfährt sie. Und deshalb schämen wir uns, wenn irgendeine niedrige Sache uns bewegt. Und darin erkennen wir unser Elend.
Die dritte Eigenschaft dessen, der liebt, ist, ganz in Gott umgestaltet zu werden. Und dann ist er außerhalb aller Versuchungen, denn dann ist er nicht in sich, sondern in Dem, der Ist. Aber wenn wir zurückkehren zu unserer Erbärmlichkeit, mögen wir uns vor allen Geschöpfen und vor uns selbst hüten.
Ich bitte euch, Söhne, dass ihr ihr seid, und gebt oder gewährt euch selbst nicht ganz irgendeinem Geschöpf, sondern gebt euch Dem, der Ist.
Und während einer von euch predigt oder die Beichte hört oder jemandem einen Rat erteilt, sei euer Geist nicht bei diesen Geschöpfen, sondern beim Schöpfer, und lasst uns nicht handeln nach Art des Toren, dessen Herz dort ist, wo sein Auge ist. Und so auch wenn ihr Menschen begegnet, die euch schmeicheln, indem sie sagen: „0 teuerster Bruder, wegen deiner Worte bin ich ein zur Buße Bekehrter bzw. eine Bekehrte", beachtet diese Geschöpfe nicht, sondern beachtet und blickt auf den Schöpfer, ihmDank sagend für diese Wohltat. Viele nämlich sind Prediger der Falschheit, die mit Geiz predigen, das heißt um Ehre und Geld und Ruhm.
et regratiemini creatori) de hoc beneficio. Multi enim sunt predicatores falsitatis, qui cum avaritia predicant, scilicet honoris, pecunie et fame.
Sed o filioli carissimi ego cupio (B: desidero) cum tota me ut vos sitis predicatores sancte veritatis, et liber vester399 sit iste deus et homo et non dico vobis quod vestros libros (Bx(Köln) et B: libros vestros) dimittatis, sed sit voluntas vestra (B: vestra voluntas) in tenendo et dimittendo, et non cupio (B: desidero) ut sitis predicatores in verbis solius seiende, id est in siccis verbis recitetis (B: recitare) facta sanctorum, sed cum divino saporamento de illo eodem quod illi habuerunt quorum facta recitantur. Nam illi qui cum tali saporamento sunt bene predicati (Bx(Köln): bene predicaverunt, B: sunt bene predicati in se ipsis), sciunt aliis (B1.2.3.5: alios) bene predicare.400
Est et aliud singularissimum (Bx: singulare) remedium [Bx1/35r] contra omnes temptationes, scilicet recordari vivaciter illam virginitatem et honestatem (B: recordari vive de illa virginitate et de illa honestitate) que fuit in beata VirgineMaria gloriosissima matre dei, et meminisse (B: in gloriosissima matre dei et recordari) quomodo ista virginitas et ista honestas fuerint (B: fuerunt) amate et securate ab ea, et quomodo has virtutes ipsa perfecte diligit in omnibus filiis dei.
[Bx(Köln)64va] Et debemus etiam considerare (B: videre) quomodo iste virtutes fuerint (B: fuerunt) amate ab ipso (B: isto) deo homine. Hec consideratio (B: Et haec visio) duo facit (B1.2: fecit), unum videlicet quod repellit a nobis omnes temptationes, aliud autem quod docet nos (B4: nos docet) totaliter circumcidi intus et extra. Igitur filioli mei memoria istarum [Bx2/90r] virtutum matris dei sit semper in anima vestra (Bx1 et B: vestra. Amen).
[EC546] O carissimi anime mee401 desidero de vobis quod de me et de socia mea, ut semper idem sapiatis et non sint in vobis scismata,402 nam id (B: illud) quod omnes discordes cogit in unum consentire (B: facit consentire in unum) desidero quod sit in anima vestra, quod est esse parvulum. Et hoc scilicet esse parvulum non fa-
Aber, o vielgeliebte Söhne, ich wünsche mit meiner ganzen Person, dass ihr Prediger der heiligen Wahrheit seid, und euer Buch sei der Gottmensch. Ich sage nicht, dass ihr eure Bücher weggebt, sondern euer Wille sei unterschiedslos im Behalten und im Weggeben. Ich wünsche nicht, dass ihr Prediger allein in Worten der Wissenschaft seid, das heißt die Taten der Heiligen bloß in trockenen Worten vortragt, sondern mit eben der göttlichen Würze, die jene hatten, deren Taten vorgetragen werden. Denn jene, die mit solcher Würze sich selbst gut gepredigt haben, können anderen gut predigen.
Es gibt auch ein anderes einzigartiges Heilmittel gegen Versuchungen, nämlich in lebendiger Weise der Jungfräulichkeit und Ehrbarkeit zu gedenken, die der seligen Jungfrau Maria, der glorreichsten Gottesmutter, zu eigen war, und sich daran zu erinnern, wie diese Jungfräulichkeit und diese Ehrbarkeit von ihr geliebt und bewahrt wurden, und wie sie diese Tugenden in allen Kindern Gottes vollkommen geliebt hat.
Wir müssen auch erwägen, wie diese Tugenden vom Gottmenschen selbst geliebt wurden. Diese Erwägung bewirkt zweierlei, zum einen nämlich, dass sie die Versuchungen von uns zurückdrängt, zum anderen aber, dass sie uns lehrt, ganz beschnitten zu werden, innen und außen. Also, Söhne, das Gedächtnis dieser Tugenden der Gottesmutter sei immer in eurer Seele!
O Geliebteste meiner Seele, was für mich und meine Gefährtin ich wünsche, das auch für euch, dass ihr immer gleichgesinnt seid und es bei euch keine Spaltungen gibt. Denn das, was alle Uneinigen zwingt, übereinzustimmen, nämlich das Kleinsein, wünsche ich, dass es in eurer Seele sei. Und dieses Kleinsein lässt nämlich nicht
cit respicere ad aliquam sufficientiam scientie nec sensus naturalis, sed solum inclinat animam ad videndum defectus suos et miserias suas. Et cum seipso et contra seipsum questiones movet, ut convincat (B1.3: questiones movet nec committat, B2.4: quotiens monet nec committat) defectus suos eosque emendare (B3: commendare) conetur.
Hoc autem (B4: Hoc) esse parvulum nulli iniuriatur nec facit hominem onerosum aut (B: nec) contentiosum in verbis, quamvis vita sua omnes feriat huic parvulitati contrarios. Et hoc est quod de vobis cupio (B: desidero) o intimi mei ut vita vestra lingua tacente in via istius paupertatis et parvulitatis et zeli [EC548] discreti et discrete compassionis (B5: passionis) sit clarum speculum volentibus eam sequi, et sit spata acuta (B1.2.3.5: spaca et acuta, B4: spata et acuta) contrariis veritatis.
O intimi (B: intimati) mei parcatis mee superbie (Bx(Köln): superbie mee), quod ego superbissima et filia superbie audeam (B4: audiam) vos monere et ad viam veritatis inducere403 cum sim tota contraria ipsi veritati. [Bx(Köln)64vb] Sed zelus et securitas facit me sic loqui, nam secure vobis loquor (B: sic loquor vobis) sicut anime mee, et ideo quamvis superbe tamen quia confidenter locuta sum, ignoscite (B: parcatis) mihi obsecro.
O carissimi mei multum placaretur (B: pacaretur) anima mea, si audirem de vobis quod hoc esse parvulum fecisset vos unum cor esse et unam animam,404 sine qua unitate non video in veritate quod possitis placere deo (B: bene deo placere).405
[EC562] Non miremini filii [Bx1/35v] mei carissimi si non rescripsi vobis ad plures litteras vestras quas mihi misistis, quia taliter sum ligata quod vobis nec aliis litteras mittere possum nec dicere verba spiritualia nisi hec communia.406 Et in toto mundo non delectat me aliquid dicere nisi solum hec duo (Bx(Köln): hec duo solum), scilicet cognoscere deum et seipsum, hoc est iacere continue in carcere suo et nunquam inde (B1.2.3.5: de suo carcere, B4: de carcere suo) exire.407
auf irgendein Vorhandensein an Wissen oder natürlicher Begabung blicken, sondern neigt die Seele allein dahin, ihre Mängel und Erbärmlichkeit zu sehen, und stößt bei sich selbst und gegen sich selbst Fragen an, damit sie ihrer Mängel überführt wird und sie zu verbessern sucht.
Dieses Kleinsein aber schmäht niemanden, noch lässt es einen Menschen lästig oder streitsüchtig mit Worten sein, obgleich sein Leben alle verletzt, die im Gegensatz zu diesem Kleinsein sind. Und das ist es, was ich für euch, o meine Vertrautesten, wünsche, dass euer Leben, bei schweigender Zunge, auf dem Weg dieser Armut, dieses Kleinseins und des taktvollen Eifers und taktvollen Mitleids denen ein klarer Spiegel sei, die diesen Weg gehen wollen, und ein scharfes Schwert denen, die im Gegensatz zur Wahrheit sind.
O meine Vertrautesten, habt Nachsicht mit meinem Stolz, dass ich, die Allerstolzeste und Tochter des Stolzes, es wage, euch zu mahnen und zum Weg der Wahrheit hinzuführen, obwohl ich ganz entgegengesetzt der Wahrheit bin. Aber Eifer und Sicherheit lassen mich so sprechen. Ja so sicher spreche ich zu euch wie zu meiner Seele. Und deshalb, habt Nachsicht mit mir, ich flehe euch an, weil ich, obwohl stolz, dennoch voll Vertrauen gesprochen habe.
O meine Liebsten, viel Friede würde es meiner Seele bringen, wenn ich von euch hörte, dass euch dieses Kleinsein ein Herz und eine Seele werden ließ. Wahrlich, dass ihr ohne diese Einheit Gott gefallen könntet, sehe ich nicht.
Wundert euch nicht, liebste Söhne, wenn ich euch auf eure zahlreichen Briefe, die ihr mir geschickt habt, nicht zurückgeschrieben habe; denn ich bin dermaßen gebunden, dass ich euch und auch anderen keine Briefe schicken noch geistliche Worte sagen kann, außer diesen allgemeinen. Und in der ganzen Welt gibt es nur noch zwei Dinge, über die zu sprechen mich freut, nämlich Gott zu erkennen und sich selbst, das heißt fortwährend in seinem Kerker zu ruhen und von dort nie herauszugehen.
Et si [Bx1 add.: de] carcere suo exit quis (B: Et si de suo carcere exit), cum dolore et cum vera contritione nitatur confestim illuc redire. Credo quod qui nondum scivit iacere et manere in suo carcere, non est ei bonum querere alienum, nec rimetur desuper se (B: conetur redire ad carcerem suum. Credo quod qui nescit iacere et stare in carcere suo (B5 trp.: et in suo carcere stare) non vadat et non habet bonum querere alienum et (B4 om.: et) non rimetur desuper se).408
[EC564] Nam (B: O filioli mei carissimi) quid facit omnis revelatio, omnis visio, omne sentimentum, omnis dulcedo, quid omnis sapientia, quid omnis elevatio et omnis contemplatio, nisi homo habeat veram cognitionem dei et sui? In veritate dico vobis quod nihil. Et ideo miror quomodo queritis meas litteras, quia ego non video quod mee littere (B: mea littera) nec mea verba debeant aut (B: nec) possint vos [Bx2/90v] consolari, nec video quomodo (B: quod) vos consolationem possitis recipere (B: recipere possitis) de illis (Bx(Köln)65ra) nisi de hac cognitione. Et de hoc delectat me dicere et non de alio. Et de omnibus impositum est (B1: impositum) mihi silentium nisi de hoc.
Rogo vos care ut rogetis (B4: rogetis vos) deum quatenus (B: ut) det istud lumen mihi et toti proli et faciat in hoc remanere semper.409
[EC550] Nihil est nobis necessarium (B: necesse) nisi deus.410 Invenire deum est mentem nostram in ipso recolligere. Et ut ad hoc (B: ad hoc ut) melius recolligatur mens, est detruncanda omnis superflua consuetudo (Bx(Köln): superflua solicitudo, consuetudo, Bx2 del.: solicitudo) et (B: vel) familiaritas, et omne superfluum colloquium (B: eloquium)411, et nolle scire multa nova.
Et breviter se separet homo (Bx1: separet se homo, B1.2.3: si dividat, B4.5: se dividat) ab omnibus a quibus mens spargitur (Bx1: spargitur, B4: mens spergitur) et intret ad cognoscendam (B: cognoscendum) abyssum miseriarum suarum, et cogitet quid operatus sit in tempore preterito, et quid operatur in presenti. Et videat bene quid boni poterit deo assignare, neque sinat preterire inane non sol-
Und wenn jemand aus seinem Kerker herausgeht, trachte er mit Schmerz und wahrer Zerknirschung danach, unverzüglich dorthin zurückzukehren. Ich glaube, dass es für denjenigen, der noch nicht versteht, in seinem Kerker zu ruhen und zu bleiben, nichts Gutes hat, einen fremden (Kerker) zu suchen; und Dinge über sich, durchforsche er nicht.
Denn was bringt jegliche Offenbarung, jegliche Schau, jegliches Gefühl, jegliche Süße, jegliche Weisheit, jegliche Erhebung und jegliche Kontemplation, wenn ein Mensch nicht die wahre Erkenntnis Gottes und seiner selbst hat? Wahrlich, ich sage euch, gar nichts! Und deshalb wundere ich mich, wieso ihr um Briefe von mir bittet, weil ich nicht sehe, dass meine Briefe noch meine Worte euch trösten sollten oder könnten, noch sehe ich, wie ihr durch sie Trost empfangen könntet, anstatt durch diese Erkenntnis. Und von ihr zu sprechen freut mich und nicht von anderem. Und über alles ist mir Schweigen auferlegt worden, nur darüber nicht.
Ich bitte euch, Gott zu bitten, dass er mir und dem ganzen Nachwuchs dieses Licht gebe, und bewirken möge, immer darin zu bleiben (weiterer Text s. En.409).
Nichts ist uns notwendig, außer Gott. Gott finden, heißt, unseren Geist in ihm zu sammeln. Und damit diesbezüglich der Geist besser gesammelt wird, muss man jegliche überflüssige Gewohnheit und Vertrautheit und jegliches überflüssige Gespräch abschneiden und nicht viel Neues wissen wollen.
Und kurz und bündig trenne sich der Mensch von allem, was den Geist zerstreut. Und er kehre ein, um den Abgrund seiner Erbärmlichkeit zu erkennen. Und er bedenke, was er in der vergangenen Zeit getan hat und was er in der Gegenwart tut. Und er sehe, was an Gutem er Gott zuschreiben kann. Und er lasse die Zeit nicht leer vorübergehen, dies nicht eifrig zu bedenken!
licite istud consideret (B: Et nulla dies sit quod non consideret [B4: considerat] istud; et si dies transeat, non transeat nox).412
Deinde (B: Et) volve te o anima ad cognoscendam (B: cognoscendum) divinam misericordiam, quomodo Jesus Christus tecum dispensavit in omnibus tuis miseriis (B: miseriis tuis). Et custodias bene tibi quomodo sis inde illi grata, nec huius tanti beneficii obliviscaris (B: Et custodias te bene ut sis grata et beneficii huius non obliviscaris).
Caveas tibi (B: Et custodias te) a superbia, et pugna contra spiritualem honorem (B: honorem spiritualem) ac etiam temporalem413et contra gulam et avaritiam (B2.3.4.5: et contra avaritiam). Et non habeas (B: Et noli habere) aliquid nec parum nec multum nec omnino [Bx1/36r] ullum quid (B: nec satis nec ullum quid) quod te faciat esse avarum. Et noli habere ullam curialitatem neque (B: et non) desideres aliquam sufficientiam, iste namque (B: enim) sunt filie superbie, que (B: quia) non permittunt animam elevari in altum.414
Pars prima: De dolore Jesu Christi
[EC442] In415 Christo fuit dolor ineffabilis, multiplex et occultus.416 Nam dolor fuit in Christo ineffabiliter acutissimus, qui fuit dispensabiliter ex ineffabili divina sapientia dispensatus in illo (B: in Christo). Hec enim divina dispensatio ineffabilis et eterna cum ipso Christo ineffabiliter [Bx(Köln)65rb] et eternaliter coniuncta417 summum dolorem reddebat sibi. Quanto enim divina dispensatio mirabilior, tanto in Christo acutior et intensior fuit dolor. Et tam acutissimus (B4: acutissimus fuit) hic dolor fuit et ineffabilis (B: et ineffabilis fuit) et summus ex ista divina (B4: ex ista) dispensatione resultans, quod nullus intellectus est ita capax et largus, qui unquam potuerit illum (B: quod unquam, B1.5: nunquam, illum potuerit) [EC444] comprehendere. Ista (B: Ita) enim divina dispensatio fuit fons et origo omnium dolorum Christi et in hac oriuntur [Bx2/91r] et finiuntur.
Fuit etiam in Christo dolor resultans ex ineffabili divino lumine sibi dato. Ipsum enim ineffabile lumen (B: Ipse enim deus ineffabile lumen) ineffabiliter Christum illuminans cum ista eterna dispensa-
Danach wende dich, o Seele, dahin, die göttliche Barmherzigkeit zu erkennen, wie Jesus Christus sie in all deiner Erbärmlichkeit sie dir erwiesen hat. Und achte gut darauf, wie du ihm deswegen dankbar bist, und dass du diese große Wohltat nie vergisst.
Hüte dich vor dem Stolz, und kämpfe gegen geistliche wie auch zeitliche Ehren, gegen Völlerei und Geiz. Und habe nichts, weder wenig noch viel noch überhaupt etwas, was dich geizig macht. Und habe keinerlei kuriales Amt, und wünsche auch nicht irgendeine Position. Das nämlich sind Töchter des Stolzes, die es der Seele nicht erlauben, sich zur Höhe zu erheben.
Erster Teil: Über den Schmerz Christi
In Christus war ein unaussprechlicher, vielfacher und verborgener Schmerz. Denn in Christus war ein auf unaussprechliche Weise akutester Schmerz, der als Heilsratschluss aus der unaussprechlichen göttlichen Weisheit ihm bestimmt wurde. Denn dieser unaussprechliche und ewige göttliche Ratschluss, in unaussprechlicher und ewiger Weise mit Christus verbunden, brachte ihm den höchsten Schmerz. Je wunderbarer nämlich der göttliche Ratschluss, umso akuter und intensiver war in Christus der Schmerz. Und so sehr war dieser Schmerz, der aus diesem göttlichen Ratschluss resultierte, der akuteste, unaussprechlich und der höchste, dass kein Verstand fähig und weit genug ist, ihn jemals begreifen zu können. Dieser göttliche Ratschluss war nämlich Quelle und Ursprung aller Schmerzen Christi und in diesem Ratschluss haben sie ihren Ursprung und ihr Ziel.
In Christus war auch ein Schmerz, der aus dem ihm gegebenen unbeschreiblichen göttlichen Licht resultierte. Denn dieses unbeschreibliche Licht, das Christus erleuchtend und ihn vereinend mit
tione illi ineffabiliter se uniente (B1.2.3.5: vivente, B4: uniente) et in ipso divino lumine transformata tantum sibi reddebat (B4: reddebat sibi) dolorem, quod totum est ineffabile (B: est ineffabile totum).418 Videbat enim Christus quandam (B: quamdam) ineffabilem mensuram sibi datam tam excessivi doloris, qui dolor sua ineffabilitate esset omni creature occultus. Istius enim doloris, scilicet divini luminis sibi dati, divina dispensatio fuit fons et origo.
Fuit etiam in Christo dolor (B: dolor in Christo) intensissimus et acutissimus (B: acutus) ex compassione supermirabili quam habuit de