Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Im Mittelpunkt dieses dreibändigen Buchs stehen drei in Archiven von Trier und Köln aufbewahrte handschriftliche Exemplare der Schriften der hl. Angela von Foligno, deren lateinische Texte im zweiten Band mit einer deutschen Übersetzung ediert wurden. Weil ihre Schriften, die gewöhnlich zusammenfassend als "Liber" bezeichnet werden, einen autobiographischen Teil (Memorial) und einen belehrenden Teil (Instruktionen) haben, erscheint der zweite Band dementsprechend in zwei Teilbänden. Doch um welche Handschriften handelt es sich? Bringen die Texte nur Altbekanntes oder auch Neues? Die Sensation ist perfekt! Es handelt sich um die frühesten Texte des "Liber" überhaupt. Die im Buch spannend beschriebene Spurensuche führt zu Ubertin von Casale und zum ehemaligen belgischen Kartäuserkloster Edingen. Die Indizien weisen darauf hin, dass Ubertins Nachlass dort verblieben ist. Salimbenes Worte, Ubertin sei in einem Kartäuserkloster verstorben, bestätigen sich so auf unerwartete Weise.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 1202
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Vorwort
Einleitung
Erstes Kapitel:
Daten zum Leben, „Liber“ und Kult der hl. Angela
Zweites Kapitel:
Die Verbreitung des „Liber“ durch die Jahrhunderte
Drittes Kapitel:
Die „kritische Edition“ des „Liber“ von 1985 (EC)
Viertes Kapitel:
Das Memorial von EC und MM (E. Menestò) im Vergleich
Fünftes Kapitel:
Die „zwei Redaktionen“ des Memorials und ihre Autoren
Sechstes Kapitel:
Das endgültige Memorial (MF), die erste Kopie (CMF) und weitere Kopien
Siebtes Kapitel:
Der Weg von QF, MF, IF nach Belgien und deren Kopien
Achtes Kapitel:
Die Instruktionen
Neuntes Kapitel:
Die Position von E. Paoli gegen B als erste Redaktion des Memorials
Zehntes Kapitel:
Hinweise im Text von B, die für zwei Redaktionen des Memorials sprechen
Elftes Kapitel:
Kritische Analyse der Texte zur „Assisiwallfahrt“, zur „Wonnezeit in Foligno“ und zur „Reflexion über die Trinität“
Zwölftes Kapitel:
Die Aufteilung des Memorials aus textkritischer Sicht
Dreizehntes Kapitel:
Der „Pilgertext“
Vierzehntes Kapitel:
Der „Dunkelschautext“ und der „Quadam-vice-dixit-Text“
„Il Libro della beata Angela da Foligno“, unter diesem Titel erschien im Jahr 1985 die „edizione critica“ (EC) der Schriften der hl. Angela. Bei der Editionsarbeit spielte eine in Köln aufbewahrte Handschrift, der die Kennzeichnung Bx gegeben wurde, hin und wieder eine nicht ganz unbedeutende Rolle. Schon damals war mir klar, dass es sich um einen sehr alten Text handeln musste, und der Wunsch, der Sache weiter nachzugehen, war groß. Das Vorhaben verzögerte sich jedoch bis Ende 2012, als ich die Kölner Handschrift (Bx), hier im Buch jetzt als Bx(Köln) bezeichnet, wieder zur Hand nahm. Es dauerte einige Zeit, bis ich den Entschluss fasste, den Text in der lateinischen Originalsprache zusammen mit einer deutschen Übersetzung zu veröffentlichen.
Weil es sich, wie sich schnell herausstellte, bei der Kölner Handschrift (Bx(Köln)) von circa 1585 um die Kopie einer in Trier angefertigten und aufbewahrten Handschrift aus dem Jahr 1460 handelte (Bx2), von der im Jahr 1481 schon eine Kopie erstellt worden war (Bx1), die auch in Trier entstand und dort aufbewahrt wird, waren alle drei Handschriften bei der geplanten Edition zu berücksichtigen. Das Ergebnis ist die vorliegende Edition des „Memorials“ und der „Instruktionen“ Angelas, so wie die drei Handschriften Bx2, Bx1, Bx(Köln) den Text überliefern. Zu erwähnen ist noch, dass bei den „Instruktionen“ nicht nur der Text der „Trierer Handschriftengruppe“ (Bx), sondern auch der Text der „Brüsseler Handschriftengruppe“ (B) berücksichtigt und unverkürzt in den Textkorpus übernommen wurde, und zwar deshalb, weil bei den „Instruktionen“ anders als beim „Memorial“ der Text von Bx und B auf einer gemeinsamen Textvorlage (IF) beruht.
Auch wenn ich zunächst nur an die Edition des Textes der drei Handschriften Bx2, Bx1, Bx(Köln) dachte und nicht vorhatte, mich an der seit 1985 neu in Gang gekommenen Diskussion über die Bewertung der Handschriften des „Liber“ Angelas zu beteiligen, wurde mir allmählich klar, dass ich mich dieser Aufgabe weder entziehen konnte noch durfte. Dies umso mehr, als Enrico Menestò im Jahr 2013 den ersten Teil des „Liber“, also das „Memorial“, mit dem Anspruch veröffentlichte, damit eine neue und endgültige „editio critica“ (MM) zu liefern. Um hier Klarheit zu schaffen, entschied ich mich, die Texte von EC und MM kritisch zu vergleichen und das Ergebnis im vorliegenden Buch zu veröffentlichen.
Des Weiteren war eine Auseinandersetzung mit der Theorie von Emore Paoli aus dem Jahr 1999, mit der er die in EC vertretene Existenz einer „ersten“ und einer „zweiten Redaktion“ des „Memorials“ widerlegt zu haben glaubte, unumgänglich. Dies führte zu einer umfangreichen kritischen Analyse fast aller „Memorialtexte“, um mit den so gewonnenen Erkenntnissen – die Textentstehung und den Textinhalt betreffend – alle Einwände gegen die Existenz einer „ersten“ und einer „zweiten Redaktion“ des „Memorials“ zurückweisen zu können. Dabei ergaben sich auch neue Einblicke in die Textstruktur, was zusammen mit den vertieften Einsichten in die Textaussagen sowohl des „Memorials“ als auch der „Instruktionen“ nicht unerheblich zu einem besseren Verständnis des „Liber“ Angelas insgesamt führte.
Wegen drucktechnischer Zwänge war es notwendig, aber aus inhaltlichen Gründen auch angebracht, das Buch mit dem Obertitel: „Altes und Neues zur hl. Angela von Foligno“, in zwei Bänden zu veröffentlichen, wobei Band I mit dem Titel: „Der „Liber“ Angelas in Geschichte und Gegenwart“, unter anderem auch als Einleitung zum Band II mit dem Titel: „Der „Liber“ Angelas in den Handschriften von Trier und Köln“, gedacht ist, der übrigens in zwei Teilbänden erscheint (Band II/1: Memorial. Band II/2: Instruktionen, beide Bände mit den entsprechenden Kommentaren und Anmerkungen in den Endnoten).
Allen, die mir in irgendeiner Weise geholfen haben, das Buch zu realisieren und zu edieren, danke ich von Herzen. Ihnen und allen Leserinnen und Lesern wünsche ich, dass sie bei der Lektüre der Texte des „Memorials“ und der „Instruktionen“ von der unbeschreiblichen Liebe und Güte, die aus allem spricht, ergriffen werden und die Fürsprache der hl. Angela bei Gott spürbar erfahren.
Xanten, im Frühjahr 2022
Wer auf Handschriften trifft, deren Text weder veröffentlicht noch gründlich erforscht ist, wird sich als Erstes auf die Suche nach dem machen, was schon bekannt ist. Meistens sind es Beschreibungen in Archivkatalogen oder Zeitschriften, die einen ersten Zugang eröffnen. So ging es mir bei den Handschriften Bx2, Bx1, Bx(Köln), die im Folgenden zusammenfassend als „Bx-Gruppe“ oder „Trierer Handschriftengruppe“ (Bx) bezeichnet werden.
Von Anfang an standen zwei Fragen im Raum, deren Beantwortung für das Verständnis der erwähnten Handschriften besonders wichtig ist, und zwar zum einen die Frage, wann und wie die Textvorlage für die jetzigen Handschriften der „Bx-Gruppe“ nach Trier kam, und zum anderen, woher diese Textvorlage stammte. Beide Fragen haben dasselbe Ziel, nämlich den genauen Stellenwert und damit auch die Bedeutung der „Trierer Handschriftengruppe“ (Bx) im Gesamt der Handschriften des „Liber Angelae“ zu ermitteln.
Vorab sei jedoch betont, dass im gesamten Buch die zu besprechenden Texte sowohl in der lateinischen Originalsprache (im Normalfall zitiert nach EC) als auch in deutscher Übersetzung wiedergegeben werden. Und um den Lesern und Leserinnen die Lektüre zu erleichtern, werden die Texte fast immer in ihrem vollständigen Wortlaut und oft ausführlicher als nötig zitiert, dies auch deshalb, damit alle immer wieder das Vergnügen haben, Angela selbst in ihren ureigensten Worten zu begegnen.
Je mehr ich mich mit dem Text der „Trierer Handschriftengruppe“ (Bx) befasste, desto deutlicher zeichnete sich ab, dass es Ubertin von Casale gewesen sein muss, mit dem die Handschriften, die als Kopiervorlage für Bx dienten, nach Belgien kamen, von wo aus sie, wohl nicht mehr zu Lebzeiten Ubertins, auf nachvollziehbare Weise, wie sich zeigte, nach Trier gelangten, wo sie im Jahr 1460 vom Kartäuser Eberhard von Ziegen kopiert wurden. Ein anderer Teil der Handschriften des „Liber“ aus Ubertins Nachlass verblieb jedoch in Belgien und wurde dort erstmals im Jahr 1409 vom Augustinerchorherrn Arnold Cortte und später von anderen kopiert, und ist heute als „Brüsseler Handschriftengruppe“ (B) bekannt. Damit ist aber gesagt, dass es sich um sehr, sehr alte Texte handeln muss, weil Ubertin wahrscheinlich Ende 1328 verstarb. Wie die Nachforschungen ergaben, muss es sich bei den Kopiervorlagen für B und Bx (BBx) um jene Originaltexte des „Memorials“ und der „Instruktionen“ handeln, die ursprünglich im Besitz des „frater scriptor“ in Foligno waren. Das Ganze ist alles in allem eine spannende Geschichte.
Angesichts des geschilderten Sachverhalts kommt den Handschriften BBx eine zentrale Bedeutung für die Rekonstruktion des ursprünglichen Textes des gesamten „Liber“ zu. Das heißt aber, dass mit der Edition der „Trierer Handschriftengruppe“ (Bx) ein Text zur Verfügung stehen wird, der neue Maßstäbe für die Bewertung aller Handschriften des „Liber“ setzt. Ähnliches gilt auch für die Handschriften der „Brüsseler Handschriftengruppe“ (B), deren Text übrigens schon in EC veröffentlicht wurde, und zwar in den dort in Normalschrift gesetzten Texten. Schon aus diesem Grund ist EC unverzichtbar für eine Beschäftigung mit den Schriften Angelas.
Nun ist EC aber nicht mehr die einzige „kritische Edition“, jedenfalls was das „Memorial“ angeht, seitdem Enrico Menestò im Jahr 2013 das „Memorial“ unter kritischem Gesichtspunkt edierte (MM). Weil im Hintergrund seiner Edition eine Auseinandersetzung mit EC steht, die seiner Meinung nach nicht dem Standard einer „kritischen Edition“ entspricht, bleibt nichts anderes übrig als EC und MM kritisch miteinander zu vergleichen, um mithilfe der so gewonnenen Argumente die beiden Editionen sachgerecht bewerten zu können. Bei der Auseinandersetzung zwischen EC und MM geht es im Wesentlichen um die Frage, ob der in Assisi aufbewahrten Handschrift (A) der Vorrang vor allen anderen Handschriften gebührt, wovon in MM ausgegangen wird. Um genau diesen Ansatz kritisch hinterfragen und ihm auch widersprechen zu können, müssen die strittigen Wörter oder Sätze in EC und MM einzeln und vor allem textkritisch miteinander verglichen werden.
Bei der Frage, wie dieser Vergleich konkret vonstattengehen sollte, sodass die Leser und Leserinnen diesen auch kontextbezogen und ohne zu ermüden nachvollziehen könnten, kam mir die Arbeit an der Edition der „Trierer Handschriftengruppe“ (Bx) zu Hilfe. So habe ich im edierten Text derselben (Band II/1: Memorial) jedes Wort, das in EC und MM nicht übereinstimmt, mit einer Endnotenzahl markiert und dann den zu besprechenden Sachverhalt in der entsprechenden Endnote erörtert. Auf diese Weise lieferte die Edition der „Trierer Handschriftengruppe“ (Bx) nicht nur eine passende textliche Grundlage für den Vergleich der zwischen EC und MM strittigen Wörter, vielmehr konnte so der Editionstext von Bx selbst als Kontext direkt auch in die textkritische Analyse der in Frage kommenden Wörter miteinbezogen werden.
Die Ergebnisse des Vergleichs der zwischen EC und MM strittigen Wörter habe ich dann in zwei Listen zusammengefasst, von denen die erste Liste die Ergebnisse des durchgeführten Vergleichs enthält (s. Band I, ab S. 29), und die zweite Liste jene Wörter auflistet, die in EC zu ändern sind (s. Band I, ab S. 45). Alles in allem zeigte sich, dass der in Assisi aufbewahrten Handschrift (A) bei einer kritischen Edition des „Liber“ kein Vorrang eingeräumt werden kann, sodass MM allein schon deshalb weit davon entfernt ist, den Ansprüchen einer „editio critica“ zu genügen.
Es gab jedoch einen weiteren Anlass, der es im Zusammenhang mit der Edition der „Trierer Handschriftengruppe“ (Bx) notwendig machte, sich alle sonstigen Handschriften, vor allem die der „Brüsseler-Handschriftengruppe“ (B), einmal genau anzuschauen. Mit dem Anlass ist die im Jahr 1999 veröffentlichte Theorie von Emore Paoli gemeint, der zufolge es sich beim Text der „Brüsseler-Handschriftengruppe“ (B) um eine im Geist der „Devotio moderna“ gekürzte Version eines längeren Textes des „Memorials“ handelt, wohingegen diese Handschriften B in EC bekanntlich als Text einer „ersten Redaktion“ bezeichnet werden. Und es ist kein Geheimnis, dass E. Paoli mit seiner Theorie die in EC vertretene Ansicht von einer „ersten“ und einer „zweiten Redaktion“ des „Memorials“ widerlegen wollte. Eine kritische Stellungnahme zur Auffassung von E. Paoli ist hier vor allem auch deshalb unausweichlich, weil im Zusammenhang mit der Edition der Handschriften der „Trierer-Handschriftengruppe“ (Bx) gerade auch den Handschriften der „Brüsseler-Handschriftengruppe“ (B) eine zentrale Bedeutung zukommt.
Es war klar, dass die erwähnte Stellungnahme letztlich den Nachweis bringen musste, dass es tatsächlich zwei Redaktionen des „Memorials“ gibt, so wie in EC davon die Rede ist. Weil in EC die Existenz derselben jedoch nicht hieb- und stichfest begründet worden war, musste dies nunmehr im Rahmen der Edition der Handschriften Bx und in Auseinandersetzung mit der Theorie von E. Paoli nachgeholt werden, was grundsätzlich auf zweifache Weise zu geschehen hatte. Neben einer gründlichen Recherche bezüglich der Frage, welche Texte auf welche Weise nach Belgien beziehungsweise Trier gekommen sein könnten und wer sich dort ihrer angenommen hat, war vor allem eine textkritische Analyse der Handschriften erforderlich, bei der der kürzere Text der Handschriften der „Brüsseler Handschriftengruppe“ (B) aus verschiedenen textkritischen Perspektiven mit dem längeren Text der wichtigsten anderen Handschriften (AIS etc.) zu vergleichen war.
Bei den diesbezüglichen Überlegungen standen dann zwei Fragen im Vordergrund, nämlich erstens die Frage, wer bei der Abfassung der „zweiten Redaktion“ (MF) mit Angela und dem „frater scriptor“ mitgewirkt hat, und zweitens die Frage, wann und unter welchen Umständen diese Redaktion zustande kam. Es war der Hinweis des „frater scriptor“ in der „Conclusio Memorialis“ auf die „duo fratres“, die nach Foligno kamen, um mit Angela den gesamten Text durchzusprechen, der Antwort auf beide Fragen gab.
Tatsächlich zeigt der Text des „Memorials“ denn auch, dass dort immer wieder klar und deutlich zwischen Beiträgen unterschieden wird, für die mal der „frater scriptor“ und mal ein „frater“ verantwortlich zeichnet. Und der „frater“ wird immer dann erwähnt, wenn es um Texte geht, die nicht in den Handschriften der „Brüsseler Handschriftengruppe“ (B) stehen, also nicht zum Text der „ersten Redaktion“ gehören. Dazu passt auch, dass gerade in den Texten, für die der „frater“ zuständig ist, sehr oft auch Masazuola, die Gefährtin Angelas, zu Wort kommt, was nur während einer Überarbeitung des „Memorials“, das heißt bei einer „zweiten Redaktion“, möglich war, und zudem berichtet Masazuola immer aus der Erinnerung, also zurückblickend. Ich habe mir die Mühe gemacht, alle Textstellen, in denen vom „frater scriptor“ bzw. vom „frater“ die Rede ist, in einer Liste zusammenzustellen und zu kommentieren (s. Band I, ab S. 85). Das Ergebnis lässt keinen Zweifel, dass die unterschiedliche Verwendung von „frater scriptor“ und „frater“ nur mit der Annahme einer „ersten“ und einer „zweiten Redaktion“ zu erklären ist.
Wenn man fragt, warum im „Memorial“ so deutlich zwischen „frater scriptor“ und „frater“ unterschieden wird, dann ist dies mit Blick auf die Mitglieder des Prüfungskomitees geschehen, denen der Text des „Memorials“ zur Begutachtung vorgelegt werden sollte. Für sie war es nicht unerheblich zu wissen, wer den jeweiligen Text verantwortete, und zudem war es von Vorteil, wenn die Aussagen des „Memorials“ grundsätzlich von zwei Zeugen bestätigt wurden. Für das Prüfungskomitee sind auch die vielen detaillierten Erklärungen in den Text eingefügt worden, die bezeichnenderweise fast alle in den Texten der „zweiten Redaktion“ stehen; denn für Angela und den „frater scriptor“ waren sie überflüssig, weshalb sie auch im Text der „ersten Redaktion“ weitgehend fehlen, und für kommende Leser und Leserinnen des „Memorials“ wird man sie sicher nicht verfasst haben.
Neben den soeben erwähnten Argumenten gibt es etliche andere, die für zwei Redaktionen sprechen, sodass man nicht umhinkommt, den Text des „Memorials“ im Licht zweier Redaktionen zu lesen, eben im Licht des von den Handschriften der „Brüsseler Handschriftengruppe“ (B) überlieferten Textes der „ersten Redaktion“ sowie im Licht des von den anderen Handschriften überlieferten Textes der „zweiten Redaktion“.
Bekanntlich besteht der „Liber“ aus zwei Teilen, dem „Memorial“ und den „Instruktionen“. Anders als beim Text des „Memorials“ geht es bei den Texten der „Instruktionen“ nicht um eine „erste“ und eine „zweite Redaktion“, sondern um die Frage, welche Handschrift sowohl die ursprüngliche Anzahl als auch ursprüngliche Reihenfolge der „Instruktionen“ enthält, bei denen es sich dann auch nur um „Instruktionen“ handeln kann, die zu Lebzeiten Angelas verfasst und mit ihrer Zustimmung veröffentlicht worden sind. Schon in EC wurde darauf hingewiesen, dass dafür nur jene Anzahl und Reihenfolge der „Instruktionen“ in Frage kommen kann, die in den Handschriften BBx verzeichnet sind, ohne dies dort jedoch ausführlich zu begründen.
Mit der Edition der Handschriften der „Trierer Handschriftengruppe“ (Bx) bot sich nunmehr die günstige Gelegenheit, entsprechende Untersuchungen durchzuführen, um die in EC vertretene Ansicht näher zu begründen, nämlich dass es sich bei der in den Handschriften BBx gegebenen Anzahl und Reihenfolge der „Instruktionen“ um die soeben erwähnte ursprüngliche Liste handelt. Das Ergebnis der diesbezüglichen Untersuchungen lässt kaum einen Zweifel, dass dies tatsächlich der Fall ist. Damit fällt neues Licht auch auf das „Memorial“ der Handschriften B und Bx. Denn wenn in beiden Handschriftengruppen die ursprüngliche Anordnung der „Instruktionen“ gegeben ist, stellt sich unweigerlich die Frage, ob es sich bei den Texten des „Memorials“ dieser beiden Gruppen nicht auch um ursprüngliche Texte handelt; denn es ist schwer vorstellbar, dass die Texte des „Memorials“ hier einer völlig anderen Kategorie angehören könnten als die Texte der „Instruktionen“.
Die „Instruktionen“ in BBx weisen somit indirekt darauf hin, dass auch das „Memorial“ dieser beiden Handschriftengruppen ursprüngliche Texte enthalten muss. Dazu passt, dass sich der „Memorialtext“ von B deutlich von dem der anderen Handschriften unterscheidet, nicht weil er gekürzt wurde, sondern weil er die ersten Aufzeichnungen enthält. Was durch die textkritische Analyse der Handschriften bezeugt wird, nämlich dass es eine „erste“ und eine „zweite Redaktion“ des „Memorials“ gibt, wird also auch durch die Liste der „Instruktionen“ in BBx bestätigt.
Betreffs der „Instruktionen“ möchte ich noch darauf hinweisen, dass das Fehlen einer „editio critica“ derselben immer wieder beklagt wird. So ganz ist diese Klage meiner Ansicht nach nicht berechtigt; denn EC bietet einen Text, der solchem Wunsch weitgehend entgegenkommt. Zudem wird dort mit den umfassend wiedergegebenen Varianten jedem Forscher die Möglichkeit gegeben, sich gegebenenfalls ein eigenes Bild vom jeweiligen Text zu machen. Wenn man bei der Forderung nach einer „editio critica“ allerdings weniger den Text als solchen im Blick hat, sondern davon die Antwort auf die Frage erwartet, welche Handschrift die ursprüngliche Liste der „Instruktionen“ bietet und wer diese verfasst hat, dann, so muss man sagen, ist die Forderung insofern berechtigt, als auch in EC diesbezüglich wirklich nachvollziehbare Begründungen fehlen.
Gerade mit Blick auf diese Begründungen wurde hier bei der Edition der „Trierer Handschriftengruppe“ (Bx) den „Instruktionen“ große Beachtung geschenkt. So habe ich das, was in EC schon gesagt wurde, nämlich dass die Handschriften BBx die ursprüngliche Anzahl und Reihenfolge der „Instruktionen“ enthalten, gründlich geprüft, indem ich jede „Instruktion“ diesbezüglich unter die Lupe genommen habe. Dabei kam auch die Verfasserschaft der einzelnen „Instruktionen“ besonders in den Blick, sodass diese Frage, die zahlreiche Forscher und Forscherinnen umtreibt, erstmals eine umfassende Antwort gefunden hat. Was sonst an Hinweisen zu den „Instruktionen“ zu geben war, nämlich textkritische, sachdienliche und inhaltliche Erklärungen, ist in den Endnoten nachzulesen (s. Band II/2). Alles in allem ist nicht daran zu rütteln, dass die in EC vertretene Position bezüglich der „Instruktionen“ den Tatsachen entspricht.
Auch wenn bei den im vorliegenden Buch mit dem Titel: „Altes und Neues zur hl. Angela von Foligno“, angestellten Überlegungen grundsätzlich textkritische Fragen zum „Liber“ im Mittelpunkt stehen, heißt das jedoch nicht, dass dabei die Aussagen desselben keine Rolle spielen. Im Gegenteil, textkritische und inhaltliche Überlegungen lassen sich nicht voneinander trennen, sie ergänzen sich vielmehr. Und so beschäftigen sich die Überlegungen streckenweise mehr mit dem Inhalt des „Liber“ als mit dem Text als solchem, ohne dabei jedoch das textkritische Anliegen außer Acht zu lassen. Es sind vor allem das 12., 13. und 14. Kapitel, in denen das, was das „Memorial“ zu sagen hat, auf vielfältige Weise „durchleuchtet“, erörtert und beschrieben wird.
Im 12. Kapitel unter der Überschrift: „Die Aufteilung des Memorials aus textkritischer Sicht“, geht es um die stufenweise Entwicklung des gesamten „Memorialtextes“. Es zeigt sich, dass der nach den sogenannten 19 Anfangsschritten stehende Text der 7 Ergänzungsschritte in drei gut zu unterscheidende Kompositionsabschnitte aufgeteilt werden muss. Dieses Textgefüge beachtend und die beiden Redaktionen berücksichtigend ergibt sich ein Durchblick, der den Werdegang und die jeweilige Aussageabsicht der einzelnen „Memorialtexte“ in einer ungeahnten Weise offenlegt.
Im 13. Kapitel unter der Überschrift: „Der Pilgertext“, geht es um einen Text aus dem 5. Ergänzungsschritt, der deshalb „Pilgertext“ genannt wird, weil am Anfang und am Ende vom „Pilger“ die Rede ist. Wie sich zeigt, handelt es sich bei diesem Text um eine Art Kurzfassung des „Memorials“, also um ein „Memorial“ im „Memorial“, ein Text, der zunächst ohne Mitwirkung des „frater scriptor“ entstanden ist, dann bei der „zweiten Redaktion“ ins „Memorial“ aufgenommen wurde. Die im „Pilgertext“ gegebene Beschreibung der Stufen sowie deren anderslautende Bezeichnung im „Inhaltsverzeichnis“ des Memorials ließen, was die Frage der Stufeneinteilung des kontemplativen Lebens insgesamt angeht, den Blick über den Rand sowohl des „Memorials“ als auch des „Pilgertextes“ hinausgehen und auf die Stufenschemata von Bruder Ägidius, von Thomas Gallus, von Bonaventura, von Mechtild von Magdeburg und von Klara von Montefalco schauen. Indem so das „Memorial“ in einen größeren Kontext gestellt wird, kommt einerseits seine besondere Bedeutung erst voll zum Vorschein, andererseits zeigt sich aber, dass das von Bruder Ägidius zuerst beschriebene und von Bonaventura übernommene und erweiterte Stufenschema als grundsätzlich maßgebend für alle entsprechenden Stufenwege angesehen werden kann, auch für den des „Memorials“ bzw. des „Pilgertextes“.
Im 14. Kapitel mit der Überschrift: „Der Dunkelschautext und der Quadam-vice-dixit-Text“, geht es um die Frage, wie die Texte des 7. Ergänzungsschritts zu verstehen sind. Eine eindeutige chronologische Reihenfolge der Aussagen scheint nicht gegeben, vielmehr hat man den Eindruck, dass die Texte sich überlagern. Alles wird jedoch verständlicher, wenn der sogenannte „Quadam-vice-dixit-Text“, der in EC als ein Text der „zweiten Redaktion“ verzeichnet ist, als ein Text der „ersten Redaktion“ angesehen wird, in den die „zweite Redaktion“ einige Gedanken aus dem „Dunkelschautext“ eingearbeitet hat. Wie sich zeigt, ist die Gegenüberstellung und Deutung der Aussagen des theozentrischen „Dunkelschautextes“ der „zweiten Redaktion“ und des christozentrischen „Quadam-vice-dixit-Textes“ der „ersten Redaktion“ bei gleichzeitiger Klärung der Bedeutung des Begriffs „Dunkelheit“ ein geeigneter Weg, um die verwickelten Zusammenhänge weitgehend aufzuschnüren und die im 7. Ergänzungsschritt vorherrschende „geistliche Dynamik“ erkennbar zu machen.
Bei der Edition einer Handschrift ist es unerlässlich, einen Überblick über die gesamte Handschriftenlage zu geben, um die besonderen Aspekte der zu edierenden Handschrift genau bestimmen zu können. Bei der vorliegenden Edition der Handschriften der „Trierer Handschriftengruppe“ (Bx) hielt ich es für sinnvoll, nicht nur einen allgemeinen Überblick über alle wichtigen Handschriften der Schriften Angelas zu geben, sondern auch über deren weltweite Rezeption von den Anfängen vor 700 Jahren bis in unsere Zeit (s. 2. Kapitel und Band II/2, Anhang III). Dabei dachte ich vor allem an die Leser und Leserinnen des deutschen Sprachraums, wo die hl. Angela und ihr Werk selbst in franziskanischen Kreisen bislang wenig bekannt sind, damit alle sich schnell ein Bild von der besonderen Art der Wirkungsgeschichte ihrer Schriften machen können.
Um die Sache einigermaßen übersichtlich zu gestalten, entschloss ich mich, einen nach Ländern aufgeteilten Überblick zu geben. In Frage kamen letztlich nur jene Länder, in denen sich wichtige Handschriften des „Liber“ Angelas befinden bzw. wo ihre Schriften besonders rezipiert wurden. Damit kamen Italien, Frankreich, Spanien, Belgien und Deutschland (deutscher Sprachraum) in den Blick. Dem ist noch hinzuzufügen, dass die Auflistung der Publikationen von Angelas Schriften für Italien wegen der großen Zahl an Veröffentlichungen nur die für die weltweite Rezeption des „Liber“ wichtigsten Publikationen enthält, während für Belgien, Frankreich und Spanien diesbezüglich umfassende Listen erstellt wurden. Eine besondere Beachtung fanden die Veröffentlichungen der Schriften Angelas im deutschen Sprachraum, indem auch die Beweggründe für jede Veröffentlichung und andere Details und Umstände ausführlich vorgestellt wurden, sodass so etwas wie eine alles in allem spannende Geschichte der Rezeption der Schriften Angelas im deutschen Sprachraum entstanden ist.
Es stellte sich die Frage, ob ich auch die Entstehungsgeschichte von EC kurz beschreiben sollte, und zwar auf ähnliche Weise wie ich es für die im deutschen Sprachraum veröffentlichten Schriften Angelas getan habe. Ich hielt es nicht nur für sinnvoll, sondern in gewisser Weise auch für notwendig, damit alle besser einschätzen können, warum die „kritische Edition“ (EC) so ist, wie sie ist. Was ich dazu niederschrieb, ist also als Information zu verstehen, um manche Besonderheit von EC besser einordnen zu können (s. 3. Kapitel und Band II/2, Anhang IV). Für mich persönlich hatte dieser Rückblick nach 30 Jahren die Bedeutung, dass ich noch mehr als früher nur dankbar staunen konnte, wie damals alles gefügt wurde, wobei, da bin ich sicher, die hl. Angela selbst ihre Hand mit im Spiel hatte.
Damit alle Leser und Leserinnen schnell wissen können, mit wem sie es bei der hl. Angela von Foligno zu tun haben, habe ich mich entschlossen, eine Liste von Daten zur hl. Angela zu bringen, in der in chronologischer Reihenfolge ihr Leben und ihr Nachleben in der Geschichte kurz zusammengefasst verzeichnet ist (s. 1. Kapitel und Band II/2, Anhang II). In dieser Liste stehen auch etliche Angaben, die insofern neu sind, als sie mit Erkenntnissen zu tun haben, die erst bei der Arbeit an der vorliegenden Edition gewonnen wurden.
Die im Band II/2 im Anhang II gegebene Liste ist dreigeteilt und bringt im ersten Teil „Daten aus dem Leben der hl. Angela von ihrer Geburt bis zum Jahr 1300“; dann „Daten zum Leben der hl. Angela vom Jahr 1301 bis zu ihrem Tod (1309)“; schließlich „Daten zur hl. Angela für die Zeit nach ihrem Tod bis heute“. Diese Anordnung macht es möglich, dass man bei Fragen, die Angelas Biographie sowie die Entstehungszeit ihrer Schriften oder ihr Nachleben in der Geschichte betreffen, sich schnell informieren kann.
Hingewiesen sei auch noch auf die zahlreichen Register zu den drei Bänden dieses Buchs. Sie stehen am Ende von Band II/2.
Wer dieses Buch zur Hand nimmt, um es zu lesen, dem wird, so kann man vermuten, die hl. Angela nicht unbekannt sein, sodass sich die Frage stellt, ob es überhaupt notwendig ist, hier so etwas wie eine Kurzbiographie der Heiligen zu bringen. Für die Arbeit am Buch erwies es sich jedoch als hilfreich, eine chronologische Liste aller Angela und ihren „Liber“ betreffenden Daten stets schnell zur Verfügung zu haben. Das war der Grund, weshalb anfänglich eine Liste vieler diesbezüglich bekannter Daten erstellt wurde, die dann nach und nach vervollständigt wurde.
Schaut man sich an, was aus dieser zunächst nur für den privaten Gebrauch gedachten Liste geworden ist, kann man nur staunen. Denn die Liste mit den das Leben, den „Liber“ und die Verehrung betreffenden Daten der hl. Angela vom Zeitpunkt ihrer Geburt im Jahr 1248 bis zu ihrer Heiligsprechung im Jahr 2013 sucht ihresgleichen, zumindest im deutschen Sprachraum. In der Einleitung zu diesem Buch wurde die Liste schon vorgestellt und darauf hingewiesen, dass sie drei Teile umfasst, nämlich „die Zeit von 1248-1300“, dann „die Zeit von 1301-1309“, und danach „die Zeit von 1309-2013“.
Der Vorteil einer solchen Auflistung von Daten besteht unter anderem darin, dass diese wie bewegliche Bausätze in einer Struktur jederzeit schnell ausgetauscht, ergänzt und erweitert werden können. So könnte man dieser Liste jetzt wie selbstverständlich auch einen vierten Teil anfügen, in dem alle Daten ab 2013 verzeichnet werden. Das würde vom Standpunkt des Jahres 2022 aus gesehen z.B. auch dazu zwingen, sich zu fragen, welche Daten bezüglich der hl. Angela aus den letzten 10 Jahren als so relevant angesehen werden müssen, dass sie in der Liste nicht fehlen dürfen.
Wer die Liste in Augenschein nehmen möchte, findet sie im Band II/2, Anhang II, und zwar auf den Seiten 509-521 unter derselben Überschrift wie hier zum 1. Kapitel. Es waren verschiedene Gründe, die es notwendig machten bzw. auch als sinnvoll erscheinen ließen, die Liste nicht hier am Anfang von Band I, sondern an das Ende von Band II/2 zu setzen, was ja nichts an deren Inhalt oder Bedeutung ändert.
Die Daten zum Leben der hl. Angela und zu ihrem Werk lassen dreierlei erkennen. Als Erstes ist die Bedeutung zu erwähnen, die der hl. Franziskus für ihr Leben gehabt hat. Man muss sich stets vor Augen halten, dass sie in ihrem Umfeld mit Menschen zusammenlebte, die den hl. Franziskus noch persönlich gekannt hatten, die also Zeugen und Zeuginnen seines Lebens waren, ähnlich wie die Apostel Zeugen des Lebens Jesu. Eine „vermittelte Unmittelbarkeit“, so möchte man sagen, verband Angela also mit dem hl. Franziskus, und man hat den Eindruck, dass dieser sie stets wie ein treusorgender Schutzengel begleitete, belehrte und formte. Auch wenn allem Anschein nach nur ein kleiner Kreis franziskanisch gesinnter Personen damals ihre Botschaft und Sendung wirklich beherzigte, so waren doch sie es, die ihr Erbe hüteten, mit den Gläubigen ihrer Zeit teilten und für alle Zeit in das Leben der Kirche einbrachten.
Die Bedeutung Angelas für die franziskanische Familie ist das eine, ihre Bedeutung für das Glaubensleben aller Christgläubigen das andere, und damit wäre der zweite Punkt angesprochen. Wer ihren „Liber“ liest, wird angeleitet, den Glauben als einen Weg zu verstehen, der schrittweise auf himmelwärts führenden Stufen sich entfaltet, wobei die einzelnen Abschnitte sowie das endgültige Ziel klar beschrieben werden. Wer ihren Namen hört, wird immer daran erinnert, dass christliches Leben ein stetiges Wachstum im Glauben bedeutet, ein unaufhörlicher von Hoffnung geprägter Werdegang ist, ein von wahrer Selbst- und Gotteserkenntnis bestimmter Pilgerweg der Liebe sein muss.
Will man ihr geistliches Leben insgesamt in die Frömmigkeitsgeschichte der Kirche einordnen, dann kommt man drittens nicht an dem vorbei, was Mystik meint. Es zeigt sich dass ihr „mystisches Profil“ tief im sakramentalen Grund der Kirche wurzelt und die „theozentrischen Aspekte“ nie ohne „christologische Bezüge“ in Erscheinung treten.
Angelas „Liber“ ist mittlerweile in vielen Ländern der Erde bekannt, meistens in franziskanischen Kreisen oder bei Personen, die sich für die christliche Mystik interessieren. Somit ist ihre Stimme nicht wirklich verstummt, auch wenn ihre leibliche Stimme nicht mehr zu hören ist.
In den ersten fünf oder sechs Jahrzehnten nach ihrem Tod waren ihre Schriften nur in Umbrien bzw. Italien bekannt, so jedenfalls die bisher gängige Meinung. Doch bei dieser Annahme ließ man Ubertin von Casale außer Acht, der kurz nach Angelas Tod an die päpstliche Kurie gerufen wurde, und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch Angelas Schriften zunächst nach Avignon mitgenommen und später nach Belgien gebracht hat. Argumente dafür werden im vorliegenden Buch vorgestellt.
Nach Ubertins Tod (um 1328) in einem Kartäuserkloster, wohl im Kloster Edingen in Belgien, was man aufgrund sowohl geschichtlicher Angaben als auch stichhaltiger Indizien nicht bezweifeln sollte, sind seine Bücher und somit auch die in seinem Besitz befindlichen Handschriften des „Memorials“ und der „Instruktionen“ dort verblieben. Alles spricht jedoch dafür, dass spätestens um 1335 einige Handschriften des „Liber“ nach Trier (Deutschland) gelangten.
Damit gab es schon früh zwei Zentren, nämlich Italien (AISMR etc.) und Belgien/Deutschland (BBx), die für sich in Anspruch nehmen konnten, über die ältesten Handschriften des „Liber“ zu verfügen. Dazu kam wahrscheinlich ein kurz vor 1400 vielleicht in Avignon wohl von einem Benediktiner verfasster Text, der sich einer der Handschriften Italiens bediente und aus dem „Memorial“ und den „Instruktionen“ ein Buch mit 70 nach thematischen Gesichtspunkten geordneten Kapiteln machte. Diese Handschrift, wurde mehrmals kopiert und war in Südfrankreich und Spanien verbreitet („Avignoneser Handschriftengruppe“ Md, Mz, Ma, Pa, Ba, Bb).
Die große Stunde dieser Handschrift kam, als der berühmte Kardinal Francisco Jiménez de Cisneros den Text 1505 in Toledo drucken ließ, der erste Buchdruck des „Liber“ überhaupt. Und es war dieser Text, der in der Folgezeit in ganz Europa und Übersee gelesen, kopiert und übersetzt wurde, und dies rund 400 Jahre lang, während die Handschriften Italiens und Belgiens bzw. Deutschlands nur lokal wirklich bekannt waren.
Dies änderte sich jedoch mit der Edition der Handschrift A (Assisi) 1924 in Frankreich und der Handschrift S (Subiaco) 1932 in Italien. Damit trat der „authentische Liber“ in den Vordergrund, und es begann eine Zeit intensiver Forschungen. Was jedoch fehlte, war eine „kritische Edition“ des „Liber“, die schließlich 1985 veröffentlicht wurde, wobei gleichzeitig auch die Handschrift M (Milano) ediert wurde.
Wer mehr über die Rezeption des „Liber“ während der 700 Jahre nach ihrem Tod wissen möchte, findet dazu eine detaillierte chronologische Auflistung und auch Beschreibung im Band II/2, Anhang III, und zwar auf den Seiten 523-590, unter derselben Überschrift, wie sie hier über dem 2. Kapitel steht. Weil wichtige Handschriften des „Liber“ sich nur in Archiven Italiens, Frankreichs, Belgiens, Spaniens und Deutschlands befinden und auch nur in diesen Ländern eine nennenswerte Rezeption der Schriften Angelas nachweisbar ist, wurden nur die Veröffentlichungen in diesen Ländern beschrieben, wobei die Publikationen im deutschen Sprachraum eine besondere Beachtung fanden.
Mittlerweile ist der „Liber“ auch im englischen Sprachraum bekannt geworden, vor allem durch Paul Lachance, der übrigens während der Entstehung der EC öfter nach Grottaferrata kam, um sich über den „Liber“ usw. zu informieren. Doch wie es scheint, sind Angela und ihr „Liber“ auch heute in vielen Ländern und Sprachen noch nicht wirklich „angekommen“.
Seit 700 Jahren gibt es den „Liber“ Angelas, überliefert in etlichen Handschriften, doch erst seit 37 Jahren existiert eine „kritische Edition“ (EC) derselben. Mit ihr wurde nicht nur der Text des „Liber“, sondern auch die Beschäftigung mit ihm auf eine solide Grundlage gestellt.
Mittlerweile ist viel über die EC geschrieben worden, wobei sich im Lauf der Zeit die Ansicht einiger Forscher durchgesetzt hat, die meinten, der EC den Wert einer „kritischen Edition“ mehr oder weniger absprechen zu müssen. Erstaunlich ist, wie willfährig man in wissenschaftlichen Kreisen dieser Ansicht folgte, sodass die EC insgesamt heute weitgehend als nicht zuverlässig hingestellt wird, obwohl die Kritik sich hauptsächlich auf den Text des Memorials und nicht so sehr auf den der Instruktionen bezog. Eine Stellungnahme ist längst überfällig und wird mit dem vorliegenden Buch gegeben.
Weil ich öfter gefragt worden bin, wie es zur „kritischen Edition“ des „Liber“ gekommen ist, hielt ich es für sinnvoll, die Entstehungsgeschichte derselben hier im Buch zu dokumentieren. Das Ergebnis ist im Band II/2, Anhang IV, und zwar auf den Seiten 591-599, unter der gleichlautenden Überschrift wie hier zum 3. Kapitel zu lesen.
Zu dem, was dort berichtet wird, könnte man noch hinzufügen, dass ich zum ersten Mal während meiner Tätigkeit an der damaligen Philosophisch-Theologischen Hochschule der Franziskaner und Kapuziner in Münster auf die Schriften der sel. Angela aufmerksam wurde. Bei der Vorbereitung einer Vorlesung über die Franziskanische Ordensgeschichte erweckten ihre Schriften mein besonderes Interesse. Doch in der Bibliothek war keine Edition des „Liber“ zu finden, obwohl es laut Karteikasten dort mehrere davon geben musste. So blieb es bei einem unerfüllten Wunsch.
Umso überraschter war ich, als ich Jahre später in Grottaferrata gebeten wurde, mir die Schriften Angelas zwecks einer möglichen „kritischen Edition“ anzusehen. Das Ganze kam mir vor wie eine wunderbare Fügung. Wunderbar nicht nur in dem Sinn, dass es unverhofft geschah, sondern auch deshalb, weil plötzlich ein Berg von Büchern und Pergamenten vor mir lag, die alle etwas mit dem Leben, den Schriften und der Spiritualität Angelas zu tun hatten. Jedenfalls war dieses Erlebnis der entscheidende Grund, weshalb ich mich für die Arbeit an der „kritischen Edition“ bereiterklärte und trotz der vielen Widrigkeiten mit großer Zuversicht und mithilfe der dankbar zu erwähnenden Mitarbeit von P. Abele Calufetti zu einem guten Abschluss bringen konnte. Wie sich die Arbeit an EC im Einzelnen gestaltete, darüber informiert der oben erwähnte Bericht im Anhang IV von Band II/2.
Eine ähnliche Situation wie damals in Grottaferrata war es, was mich im Jahr 2012 dazu brachte, die Handschriften des „Liber“ noch einmal in Augenschein zu nehmen. Auch diesmal erlebte ich das Ganze wie eine wunderbare Fügung. Nach und nach begriff ich, dass es in Wirklichkeit darum ging, die Arbeit an der EC von 1985 fortzusetzen, um das dort Geschriebene besser zu begründen, zu präzisieren, zu erweitern, zu vertiefen und, wo notwendig, auch zu korrigieren. Was daraus geworden ist, ist meiner Meinung nach mit dem Titel des vorliegenden Buchs: „Altes und Neues zur hl. Angela von Foligno“, zutreffend umschrieben. Summa summarum kann man sagen, dass die EC von 1985 durch die hier im Buch vorgebrachten Argumente nicht nur nicht entwertet oder nur neu bewertet wurde, sondern in einer Weise aufgewertet worden ist, dass ihre Gültigkeit jetzt als unumstößlich angesehen werden muss. Fazit: Die EC des Jahres 1985 ist grundsätzlich auch die EC von heute, nur eben besser und auf den neuesten Stand gebracht! Und was zu ändern ist, ist klar benannt worden, und kann oder sollte berücksichtigt werden.
Ich möchte die Überlegungen zur EC ein wenig poetisch beschließen: Wenn die EC von 1985 eine Abendgabe für die Selige war, dann ist dieses die EC von 1985 bestätigende und erhellende Buch von 2022 eine Morgengabe für die Heilige.
Im Jahr 2013 erschien, worauf schon im Vorwort und in der Einleitung hingewiesen wurde, ein Buch von Enrico Menestò mit dem Titel: Angela da Foligno, Memoriale, edizione critica (im Folgenden zitiert: MM). Wahrscheinlich wäre dieses Buch nicht verfasst worden, hätte es nicht die im vorhergehenden Kapitel beschriebene kritische Edition der Schriften Angelas von Ludger Thier und Abele Calu fetti aus dem Jahr 1985 gegeben mit dem Titel: Il Libro della beata Angela da Foligno, edizione critica (im Folgenden zitiert: EC).
Es war die wiederholt geäußerte Kritik an EC, die E. Menestò dazu brachte, seine Sicht der Dinge in einer neuen Edition zu präsentieren. Mittlerweile sind neun Jahre vergangen, seitdem das Buch (MM) erschienen ist, und manche Rezension ist schon geschrieben worden. Doch eine wirklich argumentative Auseinandersetzung mit MM hat bis heute nicht stattgefunden. Als einer der Mitherausgeber von EC sehe ich es als angemessen und notwendig an, MM kritisch unter die Lupe zu nehmen.
Vorab sei jedoch gesagt, dass die Opportunität von MM grundsätzlich in Frage zu stellen ist. Denn nachdem man rund 30 Jahre lang in allen Publikationen nach EC zitiert hat, ist mit MM dieses „Monopol“ gebrochen worden, was überhaupt nicht notwendig war. Denn anstelle einer neuen Edition des Memorials hätte es genügt, eine Liste mit jenen Wörtern, die in EC geändert werden sollten, zu erstellen, und die Änderungen in einem Artikel zu begründen. Die erwähnte Liste hätte man fotokopieren und in EC einlegen können. Dann wäre weiterhin einheitlich nur nach EC zitiert worden, und die jetzige Konfusion wäre allen erspart geblieben.
Um diesen unerfreulichen Zustand zu beheben, bleibt nichts anderes übrig, als nachzuweisen, dass MM in keiner Weise eine Alternative zu EC sein kann. Dazu ist eine erste Liste zu erstellen, in der jene Wörter des Memorials, die in EC und MM nicht übereinstimmen, der Reihe nach verzeichnet werden, und zwar auf die Weise, dass im Schriftbild deutlich wird, welches der jeweils miteinander verglichenen Wörter zum ursprünglichen Text gehört. Sodann ist bei jedem verglichenen Wortpaar mit einem Vermerk auf jenen Text (Endnote) hinzuweisen, der Auskunft darüber gibt, warum das eine und nicht das andere Wort als ursprünglich zu gelten hat.
Aus dieser ersten Liste ist dann eine zweite Liste zu erstellen, in der nur jene Wortpaare aus der ersten Liste übernommen werden, von denen das aus MM stammende Wort als ursprünglich zu gelten hat und somit in den Text von EC anstelle des dort stehenden Wortes zu übernehmen ist. Diese zweite Liste kann fotokopiert und so in EC eingelegt werden. Mit diesem „Update“ ist dann der Text von EC nach 37 Jahren auf den neuesten Stand gebracht. Warum dieser Vorgang nicht umgekehrt möglich ist, also dass eine Liste von Wörtern aus EC als „Update“ in MM eingelegt werden kann, ist nunmehr im Folgenden zu begründen. Dann wird sich zeigen, dass MM in keiner Weise eine Alternative zu EC ist.
Es war eine mühsame Arbeit, alle in EC und MM stehenden Texte des Memorials miteinander zu vergleichen und die Unterschiede entsprechend zu vermerken. Der Vergleich ergab, dass es insgesamt rund 450 Wörter bzw. kurze Wortgruppen sind, die in EC und MM nicht übereinstimmen. Wortumstellungen (Transpositionen), z. B. „amor divinus“ anstelle von „divinus amor“, wurden dabei grundsätzlich nicht berücksichtigt, höchstens das eine oder andere Mal bei bestimmten textkritischen Überlegungen herangezogen.
Man kann darüber streiten, ob die Anzahl von rund 450 Wörtern, die in EC und MM nicht übereinstimmen, bei dem recht umfangreichen Text des Memorials (insgesamt rund 33.000 Wörter) viel oder wenig ist. Schaut man jedoch genauer hin, dann wird klar, dass die Texte des Memorials in EC und MM sich insgesamt nur minimal voneinander unterscheiden. Denn auf die Seitenzahlen des lateinischen Textes von EC umgerechnet, ergeben die 450 Wörter rund 3 Wörter pro Seite, und von diesen sind etwa 200 nicht oder kaum relevant für den Text, so z. B. Wörter wie „ego“ oder viele unbedeutende „et“. Etwa 100 Wörter haben nur selten eine gewisse den Textinhalt berührende Bedeutung, so z. B. nicht übereinstimmende Konjunktive oder Indikative. Die übrigen rund 150 Wörter betreffen mal mehr, mal weniger die Aussage des Textes, doch nur ganz wenige von diesen 150 Wörtern, nicht einmal 10, fallen wirklich so ins Gewicht, dass dadurch der Text in EC und MM sich wesentlich voneinander unterscheidet.
4.1.1 Für die konkrete Durchführung des Textvergleichs bot sich die schon länger in Betracht gezogene Edition der Handschriften der „Bx-Gruppe“ als ideale Möglichkeit an. Denn im Rahmen der Edition dieser Texte war es möglich, den erwähnten Vergleich zwischen den nicht übereinstimmenden Wörtern von EC und MM so zu handhaben, dass die Wörter nicht losgelöst vom Textganzen, sondern angebunden an den Memorial-Text, eben an den der „Bx-Gruppe“, miteinander verglichen werden konnten. Dies hatte zudem den Vorteil, dass so auch der „Bx-Text“ selbst direkt bei dem kritischen Vergleich der Wörter mitberücksichtigt werden konnte.
Was zu jedem in EC und MM miteinander zu vergleichenden Wort zu sagen war, ist dann in den Endnoten (abgekürzt En.) zum edierten Text von Bx niedergeschrieben worden. Weil es wegen der oft umfangreichen Erörterungen unmöglich war, beim Editionstext von Bx Fußnoten zu setzen, wurde auf das Verfahren mit Endnoten zurückgegriffen. Das hier Gesagte bezieht sich auf Band II, in dem der Text der „Bx-Gruppe“ ediert wurde (Band II/1: Memorial und Endnoten, und Band II/2: Instruktionen und Endnoten). Alles Weitere dazu ist in Band II/1, En.9 nachzulesen.
4.1.2 Bei jeder kritischen Edition geht es im Grunde um die Bewertung der in Betracht kommenden Handschriften, das heißt um die Frage, in welcher Handschrift der ursprüngliche Text am besten erhalten geblieben ist. Es ist offensichtlich, dass EC und MM sich in diesem Punkt grundsätzlich unterscheiden. Dazu wird an anderer Stelle, und zwar im Zusammenhang mit der Frage nach der Entstehung des Memorials sowie nach der „ersten“ und nach der „zweiten Redaktion“ desselben, noch manches, dem Editionsansatz von E. Menestò deutlich widersprechend, zu sagen sein.
Was jedoch bei MM von vorneherein auffällt, ist die Beschränkung auf die Handschriften AISROx. Erstaunt reibt man sich die Augen, dass die Handschriften BBxM überhaupt keine Rolle spielen. Der Grundsatz, dass bei einer kritischen Edition alle relevanten Handschriften zu berücksichtigen sind, wurde bei MM nicht beachtet, sodass MM schon von daher als kritische Edition in Frage gestellt werden muss. Die von E. Menestò zur Genüge betonte Ablehnung der in EC vertretenen Ansicht, dass in der „Brüsseler Handschriftengruppe“ B der Text einer „ersten Redaktion“ vorliegt, darf kein Grund sein, die Handschriften B deswegen als Quelle für eine kritische Edition auszusortieren, sie also zu disqualifizieren.
Es kann nicht sein, dass die Handschrift Ox für die Arbeit an einer kritischen Edition so groß herauskommt, die „Brüsseler Handschriftengruppe“ B demgegenüber jedoch völlig unter den Tisch fällt. Die unbedeutende Handschrift Ox kann man vergessen, nicht aber die überaus bedeutsamen Handschriften B. Dies umso mehr, als B nicht zu den Handschriften der „A-Gruppe“, zu der auch Ox zählt, gehört, sondern den Handschriften der „B-Gruppe“ zuzuordnen ist, die, wie im Verlauf der Darlegungen noch deutlich werden wird, einen ursprünglicheren Text wiedergeben als alle Handschriften der „A-Gruppe“ zusammen. Auch und gerade wegen der Ausgrenzung von B ist MM als kritische Edition grundsätzlich in Frage zu stellen. Was hier mit „A-Gruppe“ und „B-Gruppe“ gemeint ist und was die im Folgenden verwendeten Abkürzungen CMF, CMF2 usw. bedeuten, dazu s. unter 4.2.2.1 und 6.
4.1.3 Wundern muss man sich auch, dass R für den Text in MM berücksichtigt wurde, Bx jedoch völlig ignoriert worden ist. Wie die im Band II/1 vorliegende Edition der Handschriften der „Bx-Gruppe“ deutlich macht, enthalten diese Handschriften, wenn auch nur auf fragmentarische Weise, einen Text des Memorials, der nicht nur sehr alt ist, sondern direkt auf den ursprünglichen Text der „zweiten Redaktion“ des Memorials (MF) zurückgeht. Wenn die Handschrift R, die auch fragmentarisch ist und einen stark überarbeiteten Text anbietet, so sehr berücksichtigt wurde, dann hätte es ebenso mit Bx geschehen müssen. In EC ist Bx(Köln), eine der 3 Handschriften der „Bx-Gruppe“, wenigstens bei einigen wichtigen Textfragen zu Rate gezogen worden, was auch entsprechend vermerkt wurde. Bei einer Revision der EC, so hat E. Menestò seine Arbeit doch letztlich verstanden, hätte die in EC nicht umfassend durchgeführte Auswertung des Textes der „Bx-Gruppe“ erst recht geschehen müssen.
Wie E. Menestò zu erkennen gibt, war es die „Schlüsselerkenntnis“, dass R aus zwei (oder mehreren) Handschriften kopiert wurde, was ihm Klarheit hinsichtlich der Handschriftenlage des Memorials brachte. Es war die Erkenntnis, dass die eine Handschrift, in der zweifellos ein Text der „A-Gruppe“ gestanden hat, nämlich CMF3, sich deutlich vom Text der anderen Handschrift unterschied, doch wurde die Frage, um welche Handschrift es sich bei der zuletzt genannten gehandelt haben könnte, in MM nicht wirklich gestellt und somit auch nicht beantwortet. Deshalb sei hier umso deutlicher gesagt, dass es sich bei der zweiten Handschrift um eine Handschrift der „B-Gruppe“ (nämlich CMF, Kopie von MF) gehandelt hat (s. unter 6).
Dies gilt übrigens auch für die Handschrift S, für die deren Schreiber sowohl CMF als auch CMF3 und sogar noch andere Handschriften verwendet hat. Dieser S betreffende Sachverhalt, der bisher noch in keiner Publikation thematisiert wurde, ist bei einer kritischen Edition grundsätzlich zu berücksichtigen und in EC übrigens schon berücksichtigt worden, auch wenn es dort bei der Beschreibung der „ratio editionis“ im Einleitungsteil leider nicht deutlich vermerkt wurde. MM betreffend, stellen sich auch hier etliche Fragen.
4.1.4 Kaum nachzuvollziehen ist die Entscheidung von E. Menestò, die altitalienische Handschrift M nicht in seine kritische Arbeit mit einzubeziehen. Denn die Übersetzung ist so eng an den vorgegebenen lateinischen Text angelehnt, dass sie fast immer mühelos in diesen Text rückübersetzt werden kann, sodass der lateinische Text, der der Übersetzung zugrunde liegt, meistens klar hervortritt. Und wie die Rückübersetzung zeigt, geht M auf eine lateinische Vorlage zurück, nämlich CMF2, die als der Vorläufertext von CMF3 angesehen werden muss (dazu s. unter 4.2.2.1 und 6).
Gerade deshalb hätte der italienische Text von M als unverzichtbares Kriterium für die Bewertung der lateinischen Texte, vor allem aber des Textes von A, mitberücksichtigt werden müssen. Zudem ist M nicht die Übersetzung von irgendeiner unbedeutenden Handschrift; denn wie an anderer Stelle dieses Buchs noch deutlich werden wird, wurde der Text von M von einem jener „duo fratres“ übersetzt, die zusammen mit dem „frater scriptor“ sowie mit Angela und ihrer Gefährtin Masazuola den endgültigen Text des Memorials (MF) erstellten (vgl. unter 5.2.2 usw.). Auch wegen dieser Nichtberücksichtigung von M ist MM grundsätzlich in Frage zu stellen.
4.1.5 Was jedoch am meisten gegen MM als kritische Edition spricht, ist die Bewertung der Handschrift A (Assisi) als „Leithandschrift“, an der dann alle anderen Handschriften gemessen werden. Dies hat dazu geführt, dass im Text von MM, etwas überspitzt gesagt, letztlich nur eine verbesserte Kopie von A vorliegt, sodass eine sachbezogene und textkritische Diskussion der zwischen EC und MM strittigen Wörter völlig fehlt. Es wird, nachdem A der absolute Vorrang eingeräumt wurde, systematisch und fast schematisch, bis auf einige Ausnahmen, durchgehend zugunsten von A entschieden, ohne zu hinterfragen, ob der Text in A womöglich doch nicht ursprünglich sein kann.
Die Bevorzugung von A wird unter anderem mit einer These von Attilio Bartoli Langeli begründet, nach der die Handschrift A noch zu Lebzeiten Angelas geschrieben worden ist.1 Diese Annahme ist jedoch nicht haltbar und wird auch dadurch nicht wahrer, dass sie mittlerweile von fast allen mit den Schriften Angelas beschäftigten Forschern ständig wiederholt wird. Dem Pergament, der Tinte und der Schrift nach ist A zwar die älteste der erhaltenen Handschriften und wird wahrscheinlich ein Jahr nach Angelas Tod verfasst worden sein; aber der Textinhalt ist alles andere als alt. Im Gegenteil, unter allen Handschriften der „A-Gruppe“ ist A diejenige, die sich textlich am weitesten vom Originaltext der „zweiten Redaktion“ (MF bzw. CMF) entfernt hat.
Das liegt daran, dass die Textvorlage, nämlich CMF3, aus der die jetzt vorliegende Handschrift A kopiert wurde, von jemandem erstellt worden ist, der sich nicht nur als Kopist seiner Vorlage CMF2, sondern weit mehr als Bearbeiter derselben verstanden hat, und zwar als ein Bearbeiter, der vor allem scheinbar missverständliche und unscharfe Formulierungen beseitigen und, wie es scheint, damit vor allem theologische Exaktheit garantieren wollte. Diesem Bemühen begegnet man dann auch noch in A auf Schritt und Tritt, sodass in A das, was in CMF3 begann, fortgesetzt wurde. Man hat manchmal den Eindruck, dass es sich bei dem für den Text CMF3 und bei dem für den Text A Verantwortlichen um ein und dieselbe Person gehandelt haben könnte (s. unter 6.3).
Inwieweit jedoch der Schreiber von A den Text bearbeitet und nicht nur kopiert hat, muss offenbleiben; doch sprechen etliche Fehler, die nur einem Kopisten und nicht einem Bearbeiter unterlaufen, eher gegen eine Bearbeitung des Textes durch den Schreiber, sodass für die Textänderungen in A der Auftraggeber der Handschrift anzusehen ist. Je mehr man sich nämlich den Text von A anschaut und manche darin durchgeführte Textkorrektur bedenkt, desto stärker wird der Eindruck, dass es der erwähnte Auftraggeber des Kopisten gewesen sein muss, auf den Formulierungen, die sich nur in A befinden, zurückgehen, und dieser könnte, wie oben schon gesagt, der Verfasser von CMF3 gewesen sein. Mehr dazu ist in jenen Endnoten (En.) nachzulesen, in denen die in EC und MM nicht übereinstimmenden Wörter des Memorials bezüglich der Frage, welches Wort zum ursprünglichen Text gehört hat, auf kritische Weise geklärt wird. Gerade dort zeigt sich, dass A unmöglich als Leithandschrift einer „kritischen Edition“ in Frage kommen kann.2
4.1.6 Auch wenn man bei der Bewertung einer kritischen Edition hinsichtlich der möglichen Fehler bei den Angaben zu den Varianten kein Erbsenzähler sein soll, so muss im Fall von MM doch auf die mangelnde Zuverlässigkeit bei der Angabe der Varianten hingewiesen werden. Jeder, der einmal in diesem „Geschäft“ tätig war, weiß, wie schnell da etwas übersehen und nicht oder falsch angegeben wird. Und so sollte man unaufgeregt einfach darauf hinweisen, damit es stillschweigend verbessert werden kann.
Nun hatte E. Menestò jedoch ausdrücklich auf die nach seiner Meinung nicht besonders fachmännische Wiedergabe der Varianten in EC hingewiesen, was aber mehr die Editionsmethode als die sachliche Gültigkeit betraf. So folgte er einem anderen Editionskonzept, dem entsprechend die gleichlautenden Varianten mehrerer Handschriften unter zusammenfassende Buchstaben, so z. B. x1, x2 usw., gebündelt werden, die er dann nach Bedarf unter den laufenden Text des Memorials setzte. Die praktische Durchführung lässt aber zu wünschen übrig; denn sehr oft sind in MM die in EC angegebenen Varianten unter dem laufenden Text nicht zu finden. Schaut man dann in den in der Einleitung von MM stehenden Listen der einzelnen Handschriften nach, ob sich wenigstens dort ein Hinweis auf die in EC verzeichnete Variante findet, wird man, wenn auch oft erst nach mühsamer Suche, gewöhnlich fündig, doch nicht selten, ja sogar häufig, ist nichts zu finden. Dann bleibt nichts anderes übrig, als in den Handschriften selbst nachzuschauen, was für die meisten Leser und Leserinnen allerdings ein Ding der Unmöglichkeit ist. Hat man aber die Möglichkeit und schaut im Zweifelsfall in den Handschriften nach, dann zeigt sich, dass mit ganz wenigen Ausnahmen die Angaben zu den Varianten in EC bestätigt werden, sodass man, je länger desto mehr, den Angaben zu den Varianten in MM nur noch mit Vorbehalt begegnet.
Verbesserungen gibt es in MM jedoch bezüglich einiger in EC gegebener Varianten der Handschrift A, weil E. Menestò den Text von A gründlicher als alle vor ihm gelesen hat. So konnten bisherige Lesefehler behoben werden, was mehr als erfreulich ist. Allerdings gibt es auch in MM noch einige Wörter, die nicht dem entsprechen, was in A steht. Wie es sich im Einzelnen verhält, ist in den schon oft erwähnten Endnoten verzeichnet.
Der Umgang mit den Varianten hat grundsätzlich immer etwas mit der für eine kritische Edition gewählten Editionsmethode zu tun. Was nun die von E. Menestò gewählte Methode angeht, so ist sie für eine kritische Edition des Memorials nicht besonders geeignet. Denn die komplizierte Handschriftenlage des Memorials kommt einer Bündelung von Varianten unter zusammenfassenden Signaturen nicht entgegen, weshalb für EC die Methode der direkten wortwörtlichen Wiedergabe der Varianten unter dem Text gewählt wurde. Weil E. Menestò jedoch den Text der Handschrift A für den ursprünglichsten hält und deshalb diesen Text zur Leithandschrift seiner Edition machte, kann man gut nachvollziehen, warum er sich für die von ihm angewandte Methode entschieden hat, zumal er B, Bx, M ignorierte, was alles vereinfachte. Einfach zu benutzen ist die Methode jedoch nicht, sodass man es umso mehr zu schätzen weiß, dass die Varianten in EC im Apparat unter dem Text einzeln angegeben sind und so schnell und ohne große Mühe direkt zu lesen sind. Bedenkt man zudem, dass der neben dem lateinischen Text stehende altitalienische Text M auch als eine Art Variante verstanden werden kann, dann sind, so gesehen, in EC alle Varianten von AIRSBM und teilweise auch schon von Bx(Köln) und manchmal auch von Ve und „Toledo“ in guter nachbarschaftlicher Gesellschaft.
4.1.7 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass MM keinesfalls als eine „kritische Edition“ des Memorials angesehen werden kann, und schon gar nicht als eine mit dem Anspruch, EC ablösen zu können. Dies nicht nur nicht wegen der im Vorhergehenden vorgebrachten Argumente, sondern auch wegen der Ergebnisse, die der Vergleich der im Text von EC und MM nicht übereinstimmenden Wörter erbracht hat, und wovon nunmehr die Rede sein muss.
Wenn bei vergleichbaren Handschriften Varianten auftauchen, ist nach den Gründen zu fragen, die sie hervorgebracht haben. Manche Varianten sind schnell als sogenannte stilistische Verbesserungen zu erkennen, die teils mit den Sprachgewohnheiten des Schreibers, teils mit einer Sprachentwicklung der im Text verwendeten Sprache erklärt werden können, wozu z.B. auch ein häufig gesetztes „et“ und „ego“ gehören. Solche Varianten sagen viel über die Rezeption eines Textes aus und lassen keinen Zweifel, dass der ursprüngliche Text anderswo zu suchen ist.
Anders verhält es sich mit jenen Varianten, die grammatikalische Veränderungen beinhalten, was oben schon kurz angesprochen wurde. So ist es schon ein Unterschied, in welcher Zeitform zum Beispiel ein Verb geschrieben wurde oder in welcher Weise ein Satz konstruiert worden ist, und so stellt sich bei einem Vergleich die Frage, was ursprünglich und was Variante ist.
Wenn die soeben erwähnten Unterschiede die Textaussage gewöhnlich nur minimal berühren, so stimmen in den Handschriften jedoch öfter auch Wörter oder Formulierungen nicht überein, die den Sinn oder die Aussage eines Textes von Handschrift zu Handschrift teilweise oder völlig verändern. Gerade solche Varianten müssen besonders sorgfältig und kritisch miteinander verglichen werden, will man Gewissheit über die ursprüngliche Aussage des Textes erhalten.
Jeder kritische Vergleich von Handschriften setzt die Bestimmung und Bewertung jeder einzelnen Handschrift voraus, wobei manches zu beachten ist. So ist es z. B. ein immenser Unterschied, ob es sich bei einer Handschrift um einen Textentwurf handelt, um einen fertigen Text oder um einen mehr oder weniger kurzen Auszug daraus. Wie wichtig die richtige Bewertung einer Handschrift ist, lässt sich gut am Beispiel der Handschriftengruppe B des Memorials zeigen, deren Text in EC als „erste Redaktion“ des Memorials angesehen wird, von Kritikern der EC, ausdrücklich jedoch von E. Paoli, als ein späterer Auszug (lectio minor) aus einer endgültigen Fassung des Memorials (lectio maior) gedeutet wird, was an anderer Stelle noch auf ausführliche Weise zu besprechen sein wird.
Weitreichende Folgen für die Erstellung eines kritischen Textes sind auch dann gegeben, wenn unter den vorhandenen Handschriften eine derselben als Leithandschrift bestimmt wird. Denn mit einer solchen Entscheidung werden alle Wörter und Texte in den anderen Handschriften, die nicht mit dem Text der Leithandschrift übereinstimmen, zwangsläufig zunächst einmal als Varianten angesehen. E. Menestò wählte für MM diesen Weg, indem er die Handschrift A zur Leithandschrift erkor und diesen Text in fast allen Belangen bevorzugte.
Ganz anders verhält es sich mit EC. Nach der Analyse der Handschriften waren die Herausgeber zu dem Schluss gekommen, dass keine Handschrift als Leithandschrift in Betracht kommen konnte, dass es vielmehr zwei Überlieferungsstränge gab, die man am besten als Handschriften der „A-Gruppe“ bzw. der „B-Gruppe“ bezeichnen konnte, und dass es innerhalb dieser Gruppen auch eine deutliche Rangordnung der einzelnen Handschriften gab. Es war diese Einsicht, die grundsätzlich die Arbeit bei der Entstehung von EC bestimmte, auch wenn in der Einleitung von EC leider nur wenig dazu zu lesen ist.
Wie oben schon gesagt, war ein kritischer Vergleich des Textes von EC und MM unausweichlich, wenn man sich Klarheit verschaffen wollte, wie es sich mit dem ursprünglichen Text in den beiden Editionen verhält. Weil es dabei praktisch um einen Vergleich der in den einzelnen Handschriften verzeichneten Texte ging, war es unverzichtbar, sich zunächst einen Überblick über die in Frage kommenden Handschriften zu verschaffen, was auf die Erstellung eines „Stammbaums der Handschriften“ hinauslief. Mit der Feststellung, dass es im Grunde zwei verschiedene Handschriftengruppen des Memorials gibt, die hier im Buch als „A-Gruppe“ bzw. „B-Gruppe“ bezeichnen werden, war eine wichtige Voraussetzung gegeben, um den oben erwähnten Vergleich zwischen EC und MM durchzuführen.
Zur Orientierung aller, besonders jener, die sich eingehender mit der Begründung der in den Endnoten (En.) in Band II/1 (Memorial) gegebenen Ergebnisse beschäftigen wollen, sei der „Stammbaum der Handschriften“, der ausführlich unter 6 beschrieben wird, hier schon kurz vorgestellt, um die Zusammenhänge besser verstehen zu können und nicht jetzt schon unter 6 nachlesen zu müssen.
4.2.1.1 Zur sogenannten „B-Gruppe“ des Memorials gehören folgende Handschriften: QF („Quaderno Foligno“ oder „Quelle Foligno“), die frühe Textsammlung des „frater scriptor“, auch „erste Redaktion“ genannt, die in B erhalten ist. – MF („Memorial Foligno“), die erste Niederschrift des endgültigen Textes des Memorials, auch „zweite Redaktion“ genannt, die zum großen Teil noch in Bx erhalten ist. – S („Handschrift Subiaco“), deren Schreiber CMF („Copia Memorial Foligno“), die Kopie von MF, als Grundtext benutzte, sich gleichzeitig aber auch aus CMF3 und anderen Handschriften der „A-Gruppe“ bediente.
Zur sogenannten „A-Gruppe“ des Memorials gehören folgende Handschriften: CMF2, eine aus CMF nach deren Prüfung durch das Prüfungskomitee erstellten Kopie, in der der Text von CMF schon stark geändert wurde. Der lateinische Text von CMF2 ist zwar nicht mehr erhalten, doch gibt es eine altitalienische Übersetzung. Es ist der Text der Handschrift M (Handschrift „Milano“), eine ziemlich schlechte Kopie einer Übersetzung, von der die originale Handschrift nicht mehr erhalten ist. – Von CMF2 wurde noch eine weitere stark überarbeitete Kopie gemacht (CMF3), die zur Textgrundlage für A (Handschrift „Assisi“) und I (Handschrift „Sankt Isidoro Rom“) wurde. Textlich am weitesten von CMF2 entfernt ist zweifellos die Handschrift A (Handschrift „Assisi“). – Die Handschrift R (Handschrift „Rieti“), die neben 24 Instruktionen einen stark verkürzten und zum Teil überarbeiteten Text des Memorials enthält, hat als Grundschrift CMF3, doch bediente der Schreiber sich auch aus CMF, bekanntlich eine Handschrift der „B-Gruppe“.
Eng mit R verwandt ist jener Text, der 1505 in Toledo gedruckt wurde (im Buch immer als „Toledo“ bezeichnet), sodass man vermuten kann, dass R kein neu zusammengestellter Text ist, sondern sein Schreiber wie der Schreiber der für „Toledo“ benutzten Handschrift sich des Textes einer Handschrift bedient hat, die man als ROr (Rieti Original) bezeichnen kann, die als solche aber nicht mehr erhalten ist. So wie R bei der Erstellung des kritischen Textes stets berücksichtigt wird, so sollte sinnvollerweise auch „Toledo“ mitberücksichtigt werden, zumal „Toledo“ exemplarisch für alle Handschriften der „Avignoneser Handschriftengruppe“ steht, und auf diese Weise , das heißt vermittels „Toledo“, bei einer „kritischen Edition“ auch alle diese Handschriften Berücksichtigung finden. Ausführlich werden die Handschriften unter 6 beschrieben.
4.2.1.2 Beim kritischen Vergleich der in EC und MM nicht übereinstimmenden Wörter des Memorialtextes wurden stets die Texte aller hier aufgelisteten Handschriften berücksichtigt. Wie oben schon gesagt, wurde der erwähnte kritische Vergleich im Zusammenhang mit der „kritischen Edition“ der Handschriften der „Bx-Gruppe“ (Band II/1: Memorial) durchgeführt und die angestellten Überlegungen wie auch das Ergebnis dort in den entsprechenden Endnoten (En.) dokumentiert. Im Folgenden sind diese in den Endnoten (En.) stehenden Ergebnisse in zwei Listen zusammengefasst worden, wobei die erste Liste einen Überblick über alle verglichenen Wörter samt Ergebnis des Vergleichs gibt, während in der zweiten Liste jene Wörter aufgelistet sind, die man in EC ändern sollte.
In der ersten Liste (s. unter 4.2.3) sind alle in EC und MM nicht übereinstimmenden Wörter der Reihe nach aufgelistet worden. Bei jedem Wortpaar ist am Ende die entsprechende Nummer der Endnote (En.) angegeben worden, wo alle Einzelheiten zur jeweiligen Wortanalyse verzeichnet sind. Aus dieser ersten Liste ist die zweite Liste erstellt worden (s. unter 4.2.4), in der jene Wörter verzeichnet wurden, die in EC zu tilgen, zu ändern oder neu einzufügen sind.
In beiden Listen wurden die als ursprünglich anzusehenden Wörter fett gedruckt, doch manchmal blieb die Sache unentschieden, sodass dann beide zur Diskussion stehenden Wörter in Fettdruck erscheinen, wobei aber das wahrscheinlich weniger ursprüngliche Wort zwar auch in Fettschrift, aber zugleich in Klammern gesetzt wurde. In einigen Fällen wurde weder die Version von EC noch die von MM als ursprünglich angesehen, sodass hinter dem Wort Neu ein neues Wort beziehungsweise ein neuer Text (anstelle des Textes in EC und in MM) vorgeschlagen wurde (s. dazu auf der Seite 50f.) .
1. Kapitel des Memorials
EC132/13 Cum rogasset=Cum rogaret MM4/12 (Neu: Cum rogasset oder Propter quod rogavit, En.10) // EC134/22 diceret=dicebat MM4/21 (En.11) // EC134/25 sed=sed sentit MM4/24 (En.11) // EC134/38 immo et// EC134/43 que// EC136/53 videbam me offendisse=videbam me omnes offendisse MM5/52 (En.20) // EC136/57 cognoscebam// EC136/63 fuerat=fuerit MM6/62 (En.24) // EC136/71f.