Altötting sehen und sterben - Anton Leiss-Huber - E-Book

Altötting sehen und sterben E-Book

Anton Leiss-Huber

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Beschreibung

Die Altöttinger Unternehmergattin Annamirl Leidl-Berggump wurde erschlagen. Der junge Oberkommissar Max Kramer und sein Kollege Polizeihauptmeister Fritz Fäustl sind umgehend zur Stelle und nehmen die Ermittlungen auf. Das Umfeld der Ermordeten und die letzten Telefonate sind die ersten Anhaltspunkte, denen beide nachgehen. Doch nur Stunden später steht die Ermordete leibhaftig vor Max Kramer. Sie ist von ihrem angeblichen Ableben ebenso überrascht wie der Kommissar. Wer war dann die Tote in Leidl-Berggumps Haus?

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Anton Leiss-Huber

Altötting sehen und sterben

Kriminalroman

Zum Buch

Patrona Bavariae Es herrscht Hochsaison im katholischen Epizentrum Bayerns. Weihnachten steht vor der Tür. Auf dem Kapellplatz befindet sich der schönste und besinnlichste Christkindlmarkt Deutschlands. Im Minutentakt halten Busse, und Horden internationaler Touristen stürmen den Platz. In dieses Spektakel platzt die Nachricht eines Mordes. Die ansässige Unternehmergattin Annamirl Leidl-Berggump wurde am helllichten Tag in ihrem Haus mit einem Nussknacker erschlagen. Der junge Oberkommissar Max Kramer beginnt mit den Ermittlungen. Doch wie aus dem Nichts steht die Ermordete wieder leibhaftig vor ihm. Sie selbst ist von ihrem angeblichen Ableben ebenso überrascht wie der Kommissar über ihre plötzliche Auferstehung. Schnell ist klar, die Tote ist eine Angestellte der Unternehmergattin und trug bei ihrem Tod ein Kleid der Hausherrin. Schwebt Annamirl Leidl-Berggump in Gefahr? Hatte der Mörder es auf die Hausherrin abgesehen? Max muss schnell herausfinden, ob eine Verwechslung vorliegt, bevor der Mörder erneut zuschlagen kann. Der Hilfe von Maria Evita kann er gewiss sein.

Anton Leiss-Huber wurde im oberbayerischen Altötting geboren. Er ist studierter Opernsänger und Schauspieler. Einem breiten Publikum wurde er in den letzten Jahren vor allem durch seine Auftritte im deutschen Fernsehen bekannt. Man kennt ihn aus der Musiksendung des BR-Fernsehens »Brettl-Spitzen«, der bayerischen Kultserie »Im Schleudergang«, verschiedenen Dokumentationen oder unterschiedlichen Radiosendungen auf BR-Heimat. »Altötting sehen und sterben« ist sein fünfter Kriminalroman um den jungen Oberkommissar Max Kramer und seine Jugendliebe, die Novizin Maria Evita.

Impressum

Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten aus meinem Lebenslauf und mit tatsächlich lebenden Menschen, Geschehnissen und Institutionen um mich herum ist rein zufällig.

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Alle Rechte vorbehalten

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © Hartmut / AdobeStock

ISBN 978-3-8392-7340-1

Zitate

»Neapel sehen und sterben!«

Johann Wolfgang von Goethe in seiner Italienischen Reise angelehnt an »Vedi Napoli e poi muori«

*

»Kaum hatte es das gesagt, da lag ein prächtig silbern Kleid vor ihm, Perlen, seidene Strümpfe mit silbernen Zwickeln und silberne Pantoffel und was sonst dazu gehörte.«

Aschenputtel Kinder- und Hausmärchen Band I, Brüder Grimm

Widmung

Für ganz Altötting

Gedicht

»Ihr Kinder stellt die Schuh’ hinaus«

unbekannter Verfasser (Volksgut)

Ihr Kinder, stellt die Schuh’ hinaus,

denn heute kommt der Nikolaus.

Und wart ihr immer gut und brav,

dann lohnt’s euch Nikolaus im Schlaf.

Er bringt euch Äpfel, Feigen, Nüss’

und gutes Backwerk, zuckersüß.

Doch für das böse, schlimme Kind

legt er die Rute hin geschwind.

Blutrot

Erstaunlich: Blut spritzte nicht, es floss. Die Spritzer entstanden lediglich durch die Auf- und Abwärtsbewegungen des Nussknackers, der dabei den Schädel zertrümmerte. Der erste Schlag betäubte sie. Beim zweiten ging sie zu Boden. Der dritte war bereits der entscheidende, die restlichen zur Sicherheit. Zurück blieb ein Berg aus Stoff auf dem Boden, der das warme Blut, welches aus ihrer Stirn quoll, wie ein Schwamm aufsog. Es bedeckte ihr Gesicht, ihre Ohren, ihren Hals und verwandelte die menschlichen Züge in eine rote Masse. Doch das überbordende Kleid vergrub den geschundenen Körper, sodass jedem Hereinkommenden der grauenerregende Anblick fürs Erste erspart blieb.

I. Ihr Kinder

Fräulein Schosis Stimme dröhnte durch den Hausflur, als wäre sie eine Mischung aus Werwolf und Godzilla. Sie war in einen dunklen Umhang aus Fell und alten Jutesäcken gehüllt und hatte sich ihr Gesicht mit einem verkohlten Korken schwarz angestrichen. In ihren Händen hielt sie einen ebenfalls schwarzen Leinensack, der ein jämmerliches Schluchzen von sich gab, sobald sie ihn gegen eine Wand schleuderte. Fräulein Schosi hatte sich komplett verwandelt und jeglichen weiblichen Zug aus ihrem Auftreten gestrichen. Ihre Interpretation des Krampus’, als Begleiter des heiligen Nikolauses, hinterließ bei ihrem Arbeitgeber, dem emeritierten Stadtpfarrer Monsignore Hirlinger, einen versteinerten Gesichtsausdruck. So kannte er seine Haushälterin gar nicht. Hirlinger schwankte deshalb zwischen Faszination und Unbehagen. »Was haben Sie eigentlich in dem Sack da drinnen?«

»Einen Stofftieraffen, der auf Erschütterung reagiert und dann anfängt, solche quietschenden Laute von sich zu geben.«

»Wo hab’n S’ denn den her?«

»Vom Spielzeug Röber.«

»Aha.« Die Augen des Monsignore hafteten an dem wimmernden Sack. »Warum ham S’ denn des Stofftier um Gottes willen da drinnen?«

»Dass die Kinder auch glauben, dass ich sie sicher da reinstecke, wenn sie ned artig sind. Ganz einfach.«

Hirlinger konnte sich ein abschätziges Schmunzeln nicht verkneifen. »Sie machen den Kindern damit wirklich Angst, das is Ihnen schon klar?«

»Ah geh, papperlapapp, die sind nix mehr gewohnt. Alle zu sehr verhätschelt. Einmal im Jahr darf es schon ein bissal rauer zur Sache gehen. Hab’n Sie zufällig meine Rute gesehen?«

»Die haben Sie vorher neben der Haustüre abgelegt.«

»Ach ja, stimmt.« Fräulein Schosi stampfte Richtung Ausgang, bückte sich unter einem Ächzen, griff nach einem länglichen Reisigbündel und rappelte sich wieder auf. »Die zieht ganz schön«, sagte sie und schwang sie durch die Luft, dass Hirlinger angst und bange wurde.

»Sie wollen die Kinder doch ned etwa damit schlagen?«

»Die braven sicher nicht!«

»Auch die anderen nicht«, rief Hirlinger entsetzt.

Fräulein Schosi rollte mit den Augen. »Natürlich ned! Was glauben Sie denn von mir? Kinder verdrischt man erst ab zwölf.«

»Bitte?«

»Das war ein Witz, Monsignore.«

Hirlinger betete inständig, dass seine Haushälterin auch meinte, was sie sagte. »Na dann woll’ ma mal. Die Polizisten warten sicher schon auf uns.« Seine Hand wies zur Tür, und Fräulein Schosi trottete an ihm vorbei.

»Ham Sie scho’ a Taxi b’stellt, Monsignore?«

»Wartet unten. Bitte halten Sie sich bei den Kindern nachher a bissal zurück. Ich möchte nicht, dass es Tränen gibt.«

»Auch wenn es für mich eine Premiere ist, ich weiß schon, was ich tue. Keine Sorge.«

*

Es war von Anfang an eine Scheißidee! Aber was tat man nicht alles, wenn das Helferbedürfnis ansprang. Oberkommissar Max Kramer steckte in einem Nikolauskostüm, und die Mitra auf seinem Kopf rutschte dank seiner weißen Perücke hin und her. Alle paar Minuten fiel sie auf den Boden, und Max konnte sein Fluchen darüber nur mit Mühe unterdrücken. Am liebsten hätte er hemmungslos drauflosgeschimpft, aber da jederzeit ein Kind um die Ecke biegen konnte, durfte er keine Sekunde aus der Rolle des heiligen Mannes fallen. An seiner Seite tobte Fräulein Schosi als Krampus, die anscheinend in dieser Teufelsfigur ihre wahre Bestimmung gefunden hatte. Wild fuchtelte sie mit einer Rute durch die Gegend und zog mit der anderen einen schwarzen Sack hinter sich her, der bei jeder heftigen Erschütterung jämmerlich zu wimmern begann. Max war heilfroh, dass er in ihr auf die Schnelle Ersatz gefunden hatte, denn eigentlich war sein Kollege Fritz Fäustl als Nikolaus-Assistent vorgesehen gewesen. Der hatte sich allerdings in der Vorbereitungsphase krankgemeldet.

In diesem Jahr fiel der sechste Dezember auf einen Samstag, und seine Kollegen hatten vorgeschlagen, die Weihnachtsfeier der Kriminalpolizeistation Mühldorf in eine vormittägliche Nikolausfeier umzuwandeln. Auf diese Weise könnten die Kollegen, die bereits Familie hatten, ihre Kinder mitbringen. Solange er mit der Organisation des Ganzen nicht behelligt worden war, hatte Max nichts dagegen gehabt. Er hatte die Idee anfangs sogar für gut befunden. Aber unerwartet hatte die Grippewelle bereits im November in der Kriminalpolizeistation um sich gegriffen, und auf einmal hatte sich Max an der Spitze des Orga-Teams wiedergefunden. Nicht freiwillig, sondern weil sein Chef Veit Kunfter ihn auf dem Gang um Hilfe gebeten hatte. Direkt angefleht hatte er ihn, um bei der Wahrheit zu bleiben. Nun steckte Max bis zum Kopf in diesem nach Mottenpapier müffelnden roten Bischofsgewand, das ihm Monsignore Hirlinger freundlicherweise von der Pfarrei besorgt hatte. Wütend trat er mit der Spitze seines Stiefels gegen die Bodenleiste und fluchte stumm vor sich hin. Es gab kein Zurück mehr. Max klemmte sich sein goldenes Buch unter die Achsel und umklammerte mit der anderen den goldenen Bischofsstab. Mehrere DIN-A4-Seiten mit guten und schlechten Taten befanden sich in der glänzenden Mappe. Alle Eltern hatten Max das Sündenregister ihrer Kinder zugesteckt, und nun würde er jedem einzelnen Polizeisprössling die Leviten lesen. Showtime! Er zwang sich zu einem Lächeln, welches man unter dem Rauschebart sicher eh nicht wahrnahm.

Sein Kollege Fritz Fäustl grinste ihm schadenfroh entgegen, als er den Saal des Gasthofs betrat, den sie für die Feier im nahen Pleiskirchen extra angemietet hatten. Dieser Nikolausaufzug war ihm so peinlich, dass er unter allen Umständen verhindern wollte, jemandem zufällig aus Altötting oder Mühldorf zu begegnen. Außerdem hatte er der gesamten anwesenden Kriminalpolizeistation das Filmen und Fotografieren untersagt.

Die Tische waren in einer Hufeisenform aufgereiht. Fäustl hatte mit seiner Freundin Evi, einer fränkischen vollbusigen Blondine, im hinteren Eck Platz genommen. Von dort konnte er die gesamte Szenerie genau im Blick behalten. Max schenkte ihm einen finsteren Blick. Die Nummer mit der Grippe nahm er ihm nicht ab. Fäustl wollte sich sicher nur vor der Aufgabe drücken. Sein dämliches Grinsen konnte sich Fäustl sonst wohin stecken. Manchmal war sein Kollege ein richtiger Arsch. Seine Genesung war verdächtig schnell gegangen. In diesem Moment wünschte er ihm einen Rückfall mit einundvierzig Grad Fieber.

Fräulein Schosi grunzte und stöhnte beim Eintreten, dass sich die ersten Kinder verschüchtert an ihre Eltern drückten.

»Nicht ganz so dick auftragen«, flüsterte Max ihr zu, da bereits nach den ersten Sekunden ihrer Anwesenheit manchem Kind das blanke Entsetzen im Gesicht stand.

Zwischen den Tischen hatten sich vier Mädchen und zwei Jungen postiert, die, so wusste Max, eine Kleinigkeit zur Begrüßung des Nikolauses vorbereitet hatten. Begleitet wurden die sechs von zwei weiteren Kindern mit Kurzhaarschnitt, die auf ihren Blockflöten bliesen und die dazugehörigen Noten am Ende der Tafel ausgebreitet hatten. »Heiliger Nikolaus, du braver Mo, i sing dir a Liadl so gut wia i ko…« Der Engelschor wies eindeutige Intonationsschwächen auf. »Sag zu deim Krampal glei, i bin no so kloa, er derf mi fei ja net in Sack eine doa.«

Ein Urschrei überkam Fräulein Schosi, und sie schleuderte den mitgebrachten Sack gegen den Stuhl, der eigentlich für den heiligen Nikolaus bereitgestellt worden war. Das Quietschen im Sack wurde von der Kakofonie der zweiten Strophe übertönt. Irgendwo begann ein Kind zu schluchzen, und Max vernahm eine mütterliche Stimme. »Der tut dir schon nix.« Hoffentlich fand Fräulein Schosi nicht noch mehr Gefallen an ihrer Rolle des finsteren Gesellen, sonst würde das hier in einer Heulorgie der Zwerge enden.

Der Chor war zuerst fertig, während die Flötenbläser noch um zwei Takte hinterherhinkten.

»Das habt ihr sehr schön gemacht«, sagte Max mit tiefer Stimme. Fäustl lachte laut auf. Der Blick, den Max ihm dafür zuwarf, war voller Verachtung. Aber da seine Perücke bis tief in die Stirn gerutscht war und der Rauschebart bis knapp unter die Nase ging, bekamen die Zuschauer davon nichts mit.

Nur Fäustl ahnte, dass sein Lacher beim heiligen Nikolaus keinen Begeisterungssturm hervorrief. Seine Freundin Evi hatte ihn in die Rippen gestoßen, und auch ihr Gesichtsausdruck sprach Bände. Entschuldigend hob er seine Kaffeetasse und prostete Max zu.

Es wurde Zeit, mit dem Programm zu beginnen. »Du da, wie heißt du?« Max deutete auf einen Jungen aus dem Chor.

»Lenz«, kam aus dem Angesprochenen eingeschüchtert hervor.

»Komm her, du darfst meinen Stab halten.«

Vorsichtig näherte sich Lenz und ergriff den Bischofsstab. Nach den ersten Sekunden, in denen es nicht so aussah, als ob Lenz die Situation genießen würde, bekamen seine Augen ein stolzes Glänzen. Max nickte ihm anerkennend zu, schlug das goldene Buch auf und erhob seine tiefe Stimme.

»Wo ist denn die kleine Hauser Leoni?«

Nichts rührte sich, also wiederholte Max seine Frage, und Fräulein Schosi schlug mit ihrer Gerte auf den Boden. Auf der rechten Seite erhob sich eine Mutter, die Max als Frau seines Kollegen Henri Hauser identifizierte. Sie bückte sich und steckte ihren Kopf unter das Tischtuch, das weit über die Kante nach unten hing und keinen Blick auf das Geschehen darunter zuließ. »Leoni, komm.«

»Nein«, brüllte eine Kinderstimme.

»Der Nikolaus ist ein ganz ein Lieber.«

»Nein!«

»Jetz’ komm halt, bitte.«

»Neiiiiiin!«

Fräulein Schosi war im Begriff, zu einem erneuten Schlag mit ihrer Rute auszuholen, aber Max hielt sie zurück. »Das ist jetzt echt kontraproduktiv«, flüsterte er ihr zu.

Frau Hauser bückte sich und zog ein Mädchen von ungefähr vier Jahren mit blonden Locken am ausgestreckten Arm aus ihrem Versteck hervor.

»Leoni, ich zähle jetzt bis drei, und dann bist du vorne beim Nikolaus, sonst darfst morgen nicht zur Oma! Hast mich verstanden?«

»Nein!«, brüllte Leoni und begann zu schluchzen.

»Eins!«

»Neiiiiiiin!«

»Zwei! Leoni, ich rufe die Oma an und sag ihr, dass wir sie morgen nicht besuchen werden.« Frau Hauser zog ein Mobiltelefon aus der Hosentasche.

Augenblicklich wandte sich das Mädchen um und eilte auf Max zu. Weinend hielt sie einen Schnuller in der Hand. Ihre Mutter setzte sich erleichtert zurück auf ihren Stuhl.

Max warf einen Blick in die Notizen. »Leoni, du willst also dem Nikolaus endlich deinen heimlichen Diddi schenken, den du seit einem Jahr in deinem Zimmer versteckst. Habe ich das in meinem goldenen Buch richtig gelesen?«

Mehr als ein weinerliches Nicken brachte Leoni als Antwort nicht zustande.

»Ich erinnere mich, dass du mir vor einem Jahr schon mal deine Diddis überreicht hast und dabei versprochen hast, dass du sie nimmer brauchen wirst.«

»Ja«, sagte Leoni zögerlich.

Fräulein Schosi erhob sich aus ihrer gebückten Haltung. »Dann hast du damals dem Nikolaus also ganz frech ins Gesicht gelogen, du kleine Laus, du. Ich steck dich gleich in meinen Sack rein und schüttel dich, dass dir Hören und Sehen vergeht.« Zum Zeichen, dass es ihr damit ernst war, schlug sie den Sack gegen ihre Hüfte. Die Bewegung löste erneut das Gewimmer des Stoffaffen aus, und Leoni wurde vor Schreck kreidebleich.

»Is da schon einer drinnen?«, fragte sie leise.

»Freilich. Ein ganz ein frecher Bub war des. Der hat den Nikolaus auch einfach angeschwindelt. Das macht der sicher kein zweites Mal. Der wird sicher nimmer …«

»Mama!«

Als hätte jemand für die Szene auf Vorspulen gedrückt, war Leoni auch schon wieder unter dem Tisch ihrer Mutter verschwunden. Nichts schien sie aufhalten zu können. Fräulein Schosi warf Max einen fragenden Blick zu. Er gab ihr durch ein Kopfschütteln zu verstehen, dass sie beim nächsten Kind weder Rute noch Sack zum Einsatz bringen sollte, um ähnliche Reaktionen zu verhindern. Max blätterte im goldenen Buch und las den nächsten Namen vor. »Felicitas Friedelmayer.«

Diesmal kam die Aufgerufene ohne das Zutun ihrer Eltern nach vorn und machte zur Begrüßung einen kleinen Knicks. Das Mädchen war höchstens sechs oder sieben Jahre alt und äußerst zierlich. Ihr rosafarbenes Tüllröckchen war komplett mit Schleifen verziert. Felicitas wirkte auf Max wie eine Puppe.

»Sehr brav«, lobte er. »So eine Begrüßung gefällt dem Nikolaus.« Er räusperte sich. »Was muss ich hier in meinem Buch über dich lesen, Felicitas? Du isst wie ein Spatz? Das ist nicht schön. Warum isst du denn so wenig?«

»Weil die Mama nicht kochen kann.«

Mit seiner freien Hand griff Max nach seinem Oberschenkel und drückte fest zu, bis der Schmerz kaum mehr auszuhalten war. Er musste sich zusammenreißen, nicht lauthals loszulachen. »Das ist bestimmt nicht wahr, Felicitas.«

»Doch«, bestand das Mädchen auf seiner Anschuldigung.

Durch das Publikum ging ein amüsiertes Raunen.

»Der Nikolaus wünscht sich, dass sich das bis zum nächsten Jahr bessert.«

Felicitas wandte ihren Kopf. »Hast g’hört, Mama? Du sollst bis zum nächsten Jahr Kochen lernen.«

Nun gab es für die Anwesenden kein Halten mehr. Die Menschen an den Tischen bogen sich vor Lachen. Max nutzte den Tumult, um der peinlichen Situation ein Ende zu setzen. Er gab Felicitas das vorbereitete Geschenk, welches ihm Fräulein Schosi reichte, und verabschiedete die Kleine mit einem Winken. Als wieder Ruhe eingekehrt war, rief Max den nächsten Namen aus dem goldenen Buch durch den Wirtshaussaal. Fließbandarbeit.

*

Im Unterprammer’schen Devotionalienhandel am Altöttinger Kapellplatz war Hochsaison. Die Pilger gaben sich buchstäblich die Klinke in die Hand, um, bewaffnet mit Christbaumschmuck, Krippenfiguren oder Mini-Kruzifixen, wieder die Heimreise anzutreten. Auf dem von Kirchen umsäumten Platz davor tobte der Christkindlmarkt, der Touristen aus der ganzen Welt anlockte und die Kleinstadt jedes Jahr in einen Ausnahmezustand versetzte.

Maria Evitas Schläfen wummerten, und sie wünschte dem Kinderchor, der aus den Lautsprechern in den Ecken dröhnte, den baldigen Stimmbruch. Es würde schon reichen, wenn die Musikanlage zeitnah ihren Geist aushauchte. Vielleicht sollte sie nach Ladenschluss heimlich mit einer Heimwerkerzange nachhelfen.

Ihre Tante war dabei, eine Ladung Rauschgoldengel auszuzeichnen, und summte jedes Lied mit. Was für die ältere Dame eine Freude war, war für Maria Evita die reinste Qual. Sie kannte die Playlist seit zehn Tagen auswendig. Nach »Ihr Kinderlein kommet« folgte »Heidschi Bumbeidschi« und danach »Tochter Zion« im vierstimmigen Satz. Die jubilierenden Kindertöne schmerzten in Maria Evitas Gehörgang. Jeder, der behauptete, dass die Vorweihnachtszeit eine der schönsten war, hatte noch nie auf einem Christkindlmarkt oder in einem Devotionalienhandel gearbeitet. Am liebsten hätte sie sich Kopfhörer aufgesetzt, die Lautstärke nach oben gedreht und mit ihrer Lieblings-Punkband einen Gegenangriff gestartet. Nur bitte keine Weihnachtslieder mehr! Nach zu viel Schokolade brauchte man saure Gurken, und nach zu viel Heidschi-Bumbeidschi-Gesäusel einfach einen guten Song mit Bass und Wumms.

»Wenn ich vier nehme, bekomme ich dann Rabatt?«

»Bitte?« Maria Evita hatte nicht mitbekommen, auf was die Frage des Kunden abzielte, der in Mantel und Hut vor ihr stand.

»Ja, von diesem Geflügel da.« Er deutete auf eine ganze Pyramide an Rauschgoldengeln, die ihre Tante, Frau Unterprammer, neben der Kasse drapiert hatte.

»Tante Traudl, gewähren wir Rabatt, wenn der Herr gleich vier Rauschgoldengel auf einmal kauft?«

»Aber selbstverständlich könn’ ma da a bissal was nachlassen. Zwei Euro.«

Der Kunde überlegte. »Also dann sechsundvierzig statt achtundvierzig?«

Maria Evita nickte zustimmend.

»Dann packen Sie mal vier von denen ein.« Aus der Manteltasche holte der Mann ein Portemonnaie und zückte einen Fünfzigeuroschein.

Am liebsten hätte Maria Evita ein Massaker an den hässlichen goldenen Wesen mit dem krausen Haupthaar veranstaltet, während sie diese mit Papier umwickelte und für den Kunden in eine Tüte versenkte. Das hätte aber auch bedeutet, ihren Lebensunterhalt zu schmälern, denn seit den letzten Osterfeiertagen war sie wieder bei ihrer Tante im Laden angestellt und lebte zusammen mit ihr ein Stockwerk darüber. Ihr war nach dem Rauswurf als Novizin aus dem nahen Nonnenkloster nichts anderes übrig geblieben. Seither arbeitete sie täglich an ihrem Gleichmut. Der ehemalige Stadtpfarrer Monsignore Hirlinger, in Personalunion auch ihr Vertrauter und bester Freund, hatte ihr geraten, jedes Mal, wenn sie drohte, aus der Haut zu fahren, stumm eine mantrische Zahlenreihe aufzuzählen. So habe er auch all die Jahre mit seiner Haushälterin durchgestanden. Fräulein Schosi war eine lebenslange Geduldsprüfung, um die den Monsignore kein Altöttinger beneidete. Auf die Frage, ob er denn nie daran gedacht hatte, Fräulein Schosi zu entlassen, antwortete er grundsätzlich mit einem entschiedenen Nein, um nach einer kurzen Pause nachzuschießen, dass er durchaus Mord in Betracht gezogen habe. Dafür schäme er sich zwar, aber er sei halt auch nur ein Mensch.

Maria Evita überreichte dem Herrn seine Weihnachtseinkäufe und verabschiedete ihn mit einem »Gott segne Sie«. Ihre Tante hielt ihm die Türe auf. Kaum dass der Mann durch jene verschwunden war, betrat eine ältere Dame den Laden. Sie steckte in einem auffälligen blauen Lodenmantel mit Nerzbesatz. An ihren Armgelenken klimperten mehrere Reifen und Bettelarmbänder. Zielgerichtet steuerte sie auf Traudl Unterprammer zu und schien von Maria Evita nicht die geringste Notiz zu nehmen. Sie kehrte ihr den Rücken zu und spitzte die Lippen, um Frau Unterprammer einen Kuss links und einen rechts auf die Wange zu hauchen.

»Traudl, ich grüße dich. Du, ich hab’s grad furchtbar eilig. Ich brauche so einen Nussknacker, wie man ihn aus dem Märchen kennt. Weißt schon, so einen mit Bart und Hakennase, der mit seinem Mund die Nüsse aufbricht. Hast du grad so einen parat?«

»Ja, da bei den Krippenfiguren stehen noch drei weiße und zwei rote.« Frau Unterprammer deutete hinter Annamirl Leidl-Berggump, die sich daraufhin umdrehte.

»Ach, Schwester, das freut mich ja, Sie hier zu treffen«, sagte sie mit gespielter Überraschung, als sich Maria Evita in ihr Blickfeld schob.

»Ich bin keine Novizin mehr.«

»Ja, ich weiß schon, aber ich hab die Anrede immer noch so drin. Das ist schwer, von heut auf morgen abzulegen.«

»Ich bin bereits an Ostern rausgeflogen.«

»So lang is des schon wieder her? Schau an. Schau an. Und gibt’s kein Zurück mehr?«

Gerade als Maria Evita darauf antworten wollte, kam ihre Tante ihr zuvor.

»Na ja, der liebe Gott hat jetzt Konkurrenz bekommen.«

»Tante Traudl«, entrüstete sich Maria Evita.

Die Augenbrauen von Annamirl Leidl-Berggump hoben sich. »Ach, ist das so? Ich hab da ja schon was läuten hören beim Frauenbund. Alte Liebe rostet nicht, sag ich immer. Gell?« Ihr Blick glitt taxierend über Maria Evitas Körper und blieb an ihrer Oberweite hängen. »Man sieht aber noch nix.«

»Bitte?« Maria Evita war perplex. »Sie haben gehört, dass ich schwanger bin?«

»Mei, also ich bin die Letzte, die das verurteilt. Es hat schon schlimmere Gründe gegeben, warum Mädchen aus dem Kloster rausg’schmissen worden sind.«

»Jetzt rechnen S’ doch selber mal nach. Ausgezogen bin ich im April. Inzwischen ist es Dezember. Müsste ich da nicht schon niedergekommen oder zumindest kurz vorm Platzen sein?«

Der Blick von Annamirl Leidl-Berggump richtete sich nach innen, und man sah ihr an, dass sie ernsthaft überlegte. »Ist ja auch egal«, sagte sie und lachte affektiert. »Also zeigen S’ mir mal die Nussknacker.«

*

Der schmiedeeiserne hohe Zaun samt Einfahrtstor zum Anwesen, wie sie das etwas zu groß geratene Einfamilienhaus ihrer Klienten nannte, war frisch gestrichen. Ein Schild wies jeden Besucher darauf hin, tunlichst seine Finger davonzulassen, wollte er oder sie nicht mit einem schwarzen Mal an den Händen enden. Es war ein Neubau, der einen Altbau imitierte, mitten in Altötting. Vorsichtig hatte sie den Schlüssel ins Schloss gesteckt und dabei die eingeklebten Messingschilder am Torpfosten, der bereits getrocknet war, von ihrem Klebeband-Farbschutz befreit. Dieser war nun nicht mehr nötig. Zielstrebig schritt sie über einen Plattenweg auf den Eingang zu, den Schlüssel immer noch in der Hand. Mit einem Klicken sprang die Haustüre auf. Gleich zu Beginn ihres Arbeitsverhältnisses als Pflegerin hatte sie vom Hausherrn einen Generalschlüssel überreicht bekommen. Mittlerweile goss Rita auch Blumen, wenn die Herrschaften im Urlaub waren, oder kürzte die Hosen von Herrn Berggump. In ihrem ersten Leben war sie Schneiderin gewesen, aber damit verdiente man kein Geld mehr.

»Hallo, ich bin’s nur«, rief sie durch das leere Haus, wie sie das immer tat, um der bettlägerigen Mutter von Herrn Berggump im ersten Stock keinen Schrecken einzujagen, wenn sie in der nächsten Minute bei ihr aufkreuzte. Rita zog die Jacke aus und hängte diese über den Haken eines Metallmonstrums, das sowohl Kunst als auch Garderobenständer war. Daneben hatten mehrere bunte Klecks-Bilder ihren Platz gefunden. Jedes einzelne Detail war hässlich, fand Rita. Weiterhin herrschte Stille im Anwesen, die nur von einem Surren unterbrochen wurde, das zum Kühlschrank in der Küche des Erdgeschosses gehörte.

Selten traf sie auf die Hausherrin oder eine der polnischen Pflegekräfte. Rita wurde das Gefühl nicht los, dass sie ihr bewusst aus dem Weg gingen. Alle paar Wochen begegnete sie dem Hausherrn, der sich über den Gesundheitszustand seiner Mutter Bericht erstatten ließ. Es schien, als ob sich die Familie untereinander nicht mehr viel zu sagen hatte. Ihre Erfahrungen mit Angehörigen waren unterschiedlich. Es gab die Besorgten oder die Bedrückten, dann noch die Überforderten oder die Ich-überspiele-meinen-Stress-mit-zu-viel-guter-Laune, aber so jemanden wie die Berggumps hatte Rita noch nicht erlebt.

Herr Berggump besaß einen Baustoffhandel und war für die IHK oft deutschlandweit unterwegs, und was seine Frau tat, das wusste Rita trotz der Jahre, die ihr Dienstverhältnis andauerte, immer noch nicht genau. Früher irgendwas mit Kunst. Manchmal stand Frau Leidl-Berggump auch wegen wohltätiger Dinge oder ihrem Engagement beim örtlichen Frauenbund in der Zeitung, aber höchstwahrscheinlich war sie Privatiere. Hausfrau wollte Rita sie nicht nennen, das würde ja implizieren, dass sich ihre Arbeitgeberin tatsächlich um Haushalt und Familie kümmern würde.

Die Treppenstufen, die nach oben führten, waren aus Sichtbeton und gaben kein Geräusch von sich, wenn man darauf trat. Ein weiterer Grund, warum Rita sich mit ihrer Stimme bemerkbar machte. »Na, wie geht’s uns denn heute? Draußen isses saukalt. Mit a bissal Glück bekommen wir heuer weiße Weihnachten. Der Heilige Abend wird halt erst durch Schnee richtig schön. Finden S’ nicht?« Eine Antwort würde Rita nicht erhalten, denn die alte Frau konnte seit ihrem Schlaganfall weder sprechen noch sich bewegen.

Oben angekommen lag das Apartment zu ihrer Rechten. Zuerst musste Rita durch ein Vorzimmer, das als begehbarer Kleiderschrank für die ganze Familie diente, und von dort führte eine Tür in das Zimmer der alten Frau Berggump, die seit Jahren vor sich hin vegetierte. »Ich bin gleich bei Ihnen.« Rita riskierte einen Blick in den Spiegel, der im oberen Vestibül hing. Ihr dunkler Kurzhaarschnitt brauchte am Ansatz dringend neue Farbe, stellte sie fest, denn das Grau darunter schielte deutlich hervor und ließ sie viel älter als ihr biologisches Alter von fünfzig Jahren aussehen. Rita hielt die Luft an und zog dabei ihren Bauch ein. Sie wollte bis zum Heiligen Abend noch ein paar Pfunde verlieren, aber Sport war neben der Arbeit einfach zu anstrengend. Abends fiel sie jeden Tag hundemüde ins Bett. Von früh bis spät rackerte sie sich ab und legte trotzdem an Gewicht zu. Mit ihrem Stoffwechsel stimmte etwas gewaltig nicht, da war sie sich sicher. Die Natur war nicht gerecht. »So, wie haben S’ denn heute geschlafen?«

Rita betrat den Vorraum mit den Einbauschränken und vollen Kleiderstangen. Ihr fiel sofort auf, dass die Tür zum Zimmer der alten Frau Berggump geschlossen und nicht wie sonst angelehnt war. Komisch, in all den Jahren war das noch nie vorgekommen. Kopfschüttelnd ließ Rita ihren Blick schweifen, der an einem überdimensionalen Haufen aus Tüll und blutroter Seide haften blieb. Achtlos hatte jemand die Textilien auf den Boden geworfen.

»Herrschaftszeiten«, entfuhr es ihr, denn Rita erkannte das große Abendkleid, das sie für Frau Leidl-Berggump letzte Woche geändert hatte. Das hatte schon im Laden eine Stange Geld gekostet. Sie hatte viele Stunden damit verbracht, jede einzelne Naht am Ausschnitt aufzutrennen und das Dekolleté auf den zarten Leidl-Berggump’schen Busen zu verkleinern. Sie seufzte: »Nix is mehr was wert.« Rita sah sich um und griff nach einem leeren Bügel, der an einem der Ständer hing. Sie konnte dieses Kleid nicht einfach auf dem Boden liegen lassen. Beim Silvesterball im Hotel zur Post wollte die Leidl-Berggump darin einen großen Auftritt vor der Altöttinger Hautevolee hinlegen, aber so zerknittert, wie es jetzt war, würde daraus nichts werden. Energisch griff Rita nach einer roten Schleife, die an der Taille angebracht war, aber nichts rührte sich. Die rote Seide glitt ihr einfach aus der Hand. Hatte jemand das Kleid am Boden festgeklebt? Rita bückte sich, um zu erkennen, was sie daran hinderte, das Kleid aufzuheben und zurück auf einen Bügel zu hängen. Plötzlich bemerkte sie einen bleichen Finger. Rita erstarrte, denn in dem sich aufbäumenden Stoff erkannte sie Annamirl Leidl-Berggump in einer Lache von Blut.

*

»Was is eigentlich in dem Sack da drinnen?« Ein rotblondes Mädchen mit ebenso roter Brille sah furchtlos Fräulein Schosi entgegen, während Max sich gerade konzentrierte und versuchte, alles auf seinem Blatt abzuarbeiten, was das Kind im letzten Jahr Gutes und vermeintlich Böses angestellt hatte. Annika Rumsauer war ihr Name, und Max’ Gedanken kreisten leider mehr um ihren Nachnamen, der getrennt geschrieben einen Cocktail ergab, als um seine Predigt als Nikolaus. Dieses Gedankenspiel fand er selbst albern. Er musste besser bei der Sache bleiben.

»Sei nicht so neugierig«, brummte Fräulein Schosi und drohte mit ihrer Rute. »Wer zu viel fragt, den steck ich in den Sack.«

»Meine Eltern sagen, dass man gar nicht genug fragen kann, weil man nur so die Welt entdeckt.«

Fräulein Schosis Augen weiteten sich, was durch ihr schwarz geschminktes Gesicht noch mehr auffiel. »Es gibt gescheite und dumme Fragen. Für dumme kommst du in den Sack, und dann nehm ich dich mit in die Hölle und schüttel dich dort aus. Dann sitzt du für immer und ewig im Fegefeuer.«

»Mist«, dachte Max, die Situation drohte ihm zu entgleiten, wenn Fräulein Schosi weiter so wirres Zeug faselte. In seinem Kopf flogen die Gedankenfetzen hin und her und er dachte über einen Ausweg nach. Gerade als er vorschlagen wollte, dass der Krampus vielleicht etwas frische Luft schnappen könnte, blickte er in Fäustls grinsendes Gesicht. Schlagartig war er nicht mehr auf Fräulein Schosi wütend, sondern auf seinen Kollegen.

Annika Rumsauer blinzelte Fräulein Schosi weiter fragend an. »Immer und ewig geht gar nicht.«

»Freilich! Wirst schon sehen, wenn du dann in der Glut hockst und dich nach Hause zu deinen Eltern wünschst.«

Annika rückte ihre Brille zurecht. »In so einem glühenden Haufen hat es mindestens fünftausend Grad, und mein Körper ist nach zwei Sekunden verdampft. Also kann das mit immer und ewig gar nicht stimmen.«

Fräulein Schosi blieb der Mund offen stehen. »Du bist ein ganz schönes Gscheidhaferl.«

»Das hat unser Lehrer im Heimat- und Sachunterricht erzählt, als wir über die Metallherstellung geredet haben.« Ihren Worten ließ Annika ein stolzes Nicken folgen, und Fäustl lachte beherzt auf.

Fräulein Schosi kräuselte ihre Lippen. »Also, das ist doch wohl …«