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Ein Mädchen, eine Mission und kein Zurück.
Name: Amanda Black
Stärken: Geschicklichkeit, Kraft, Rätsel lösen
Status: Schatzjägerin & Superheldin
Alarm in der Villa Black! Ausgerechnet ein gefährliches Amulett ist aus dem hochgesicherten Keller verschwunden. Schneller als ihr lieb ist, muss Amanda Black sich als Vermittlerin der besonderen Art beweisen.
Zusammen mit ihrem besten Freund Eric folgt sie der Spur des Artefakts bis in den Untergrund der Stadt. Aber kann Amanda die Geheimoperation erfolgreich zu Ende bringen? Oder spielt die Zeit gegen sie?
Der zweite Band der atemberaubenden Action-Abenteuer-Reihe von Bárbara Montes und dem Meister des Thrillers, Juan Gómez-Jurado
Alle Bände der
Amanda Black
-Reihe:
Amanda Black – Die Mission beginnt (Band 1)
Amanda Black – Geheimoperation im Untergrund (Band 2)
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Seitenzahl: 163
BÁRBARA MONTESJUAN GÓMEZ-JURADO
GEHEIMOPERATION IM UNTERGRUND
Aus dem Spanischen von Tamara Reisinger
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© 2024 der deutschsprachigen Ausgabe cbj Kinder- und Jugendbuchverlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Die spanische Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel »Amanda Black – El amuleto perdido« bei B de Blok, einem Imprint von Penguin Random House Grupo Editorial, S. A. U.
Text: © Bárbara Montes & Juan Gómez-Jurado 2021
Translation rights arranged by Antonia Kerrigan literary agency through SvH Literarische Agentur
Übersetzung: Tamara Reisinger
Umschlagillustration & Innenillustrationen: © David G. Forés 2021
Umschlaggestaltung: Guter Punkt GmbH & Co. KG
ah · Herstellung: aw/lh
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-32558-9V001
www.cbj-verlag.de
Bárbara Montes widmet dieses Buch Noah.Juan Gómez-Jurado widmet dieses Buch Andrea und Javi.
Amanda Black lebt bei ihrer Tante Paula, seit ihre Eltern kurz nach ihrer Geburt verschwunden sind. Erst jetzt, mit zwölf Jahren, hat sie die Wahrheit über ihre Herkunft herausgefunden: Sie ist die Nachfahrin von Mitgliedern eines Geheimbundes, der die altägyptische Göttin Maat verehrte. Ihre Aufgabe ist es, magische (und nicht ganz so magische) Objekte zu stehlen, die in den falschen Händen eine Gefahr für das Überleben der Menschheit sein könnten. Außerdem muss sie sich mit den typischen Problemen eines Teenagers herumschlagen, was nicht gerade wenige sind, und täglich ihre Kräfte trainieren, die an ihrem zwölften Geburtstag erwacht sind. Denn nur so kann sie ihr volles Potenzial ausschöpfen.
Tante Paula ist die Großtante von Amanda, außerdem ihre Mentorin und strenge Ausbilderin. Niemand weiß ihr genaues Alter, da sie aussieht, als könnte das irgendwo zwischen 35 und 55 Jahren liegen. Sie behauptet, nicht mehr in Form zu sein, doch Amanda ist überzeugt davon, dass das nicht unbedingt der Wahrheit entspricht. Sie hat ihre Tante während des täglichen Trainings beobachtet, und da hat sie echte Heldentaten vollbracht.
Paula würde alles für Amanda tun. Am wichtigsten ist es ihr, ihre junge Nichte vor sämtlichen Gefahren zu schützen, die das Vermächtnis mit sich bringen könnte, das sie an ihrem zwölften Geburtstag angenommen hat.
Eric ist Amandas bester Freund. Sie besuchen nicht nur dieselbe Schule, Eric begleitet Amanda außerdem auf all ihren Missionen. Er ist ein wahres Computergenie und kann sich in jedes Netzwerk einhacken. Bevor er Amanda kennengelernt hat, war er ein Einzelgänger, den alle ständig ärgerten. Inzwischen hat er aber genug Selbstvertrauen, und nichts und niemand stellt sich ihm mehr in den Weg … Was natürlich keine Überraschung ist, wenn man sich regelmäßig Gefahren aussetzt, die einen das Leben kosten könnten. Sein Lieblingsmensch auf der Welt ist seine Mutter, gefolgt von Amanda (er mag aber auch ihre gemeinsame Freundin Esme sehr gern).
Benson ist der mysteriöse Butler der Familie Black. Er scheint Amandas Wünsche und Bedürfnisse zu erraten, noch bevor sie überhaupt den Mund aufgemacht hat. Er taucht aus dem Nichts auf und verschwindet genauso unbemerkt wieder. Außerdem scheint er schon länger in der Villa Black zu leben, als normal wäre: Amanda hat ein sehr altes Foto gefunden, auf dem Benson abgebildet war, und … er sah darauf aus wie jetzt!
Er kümmert sich um die Ausrüstung und denkt sich die ausgeklügeltsten Dinge aus. Zudem kann er alle Autos, Flugzeuge und Helis steuern, die in der Villa Black aufbewahrt werden, und bringt das nun auch Amanda und Eric bei. Für Amanda und Tante Paula zählt Benson zur Familie, und das haben sie ihm schon mehr als nur ein paarmal gezeigt.
Esme ist eine Mitschülerin von Eric und Amanda. Sie weiß von Amandas Erbe und greift ihrer Freundin wenn nötig unter die Arme. Sie würde Amanda und Eric nur zu gern auf ihren Missionen begleiten und hofft, dass sie sie eines Tages darum bitten. Bis dahin ist sie froh, die beiden als Freunde zu haben und dass sie ihr immer von ihren neuesten Abenteuern erzählen (sie mag Eric nämlich auch ein wenig).
Die Villa Black ist seit Hunderten von Jahren das Zuhause der Familie Black. Amanda hat die Villa und alles, was darin verwahrt wird, an ihrem zwölften Geburtstag geerbt. Auch wenn die Villa von außen gut erhalten zu sein scheint, ist das Innere eine ganz andere Nummer. Tante Paula, Benson und Amanda haben inzwischen ein paar der Zimmer für den täglichen Gebrauch herrichten können, aber der Großteil der Villa ist immer noch in einem heruntergekommenen und beinahe zerfallenen Zustand.
Die drei Bewohner versuchen, nach und nach auch diesem Rest zu seinem alten Glanz zurückzuverhelfen. Der Haken an der ganzen Sache: Amanda hat zwar das Vermögen ihrer Familie geerbt, doch leider können sie das Geld nicht für Renovierungsarbeiten nutzen. Denn dabei könnte jemand die Geheimnisse innerhalb der Mauern entdecken. Die Villa Black ist voller Geheimgänge, Zimmer, die aus dem Nichts erscheinen und wieder verschwinden, und ganz vieler anderer Dinge, die Amanda selbst noch nicht entdeckt hat.
In der Werkstatt – so wird der Keller der Villa Black genannt – wird alles für die Missionen von Amanda und Eric vorbereitet. Außerdem befindet sich dort die Galerie der Geheimnisse, in der die bei diesen Missionen gestohlenen Objekte aufbewahrt werden (und zwar so lange, wie sie eine Gefahr darstellen). Zudem gibt es in der Werkstatt: die leistungsfähigsten Computer; einen Hangar voller Luftfahrzeuge (darunter auch welche, die mit Überschallgeschwindigkeit fliegen), mit denen man in Rekordzeit zu Orten auf der ganzen Welt gelangt; ein riesiges Kleidungsarsenal, das von Kletteranzügen bis hin zu Abendkleidern reicht; eine Bibliothek; einen Bereich zum Lernen und einen Teil des Trainingsparcours, den Amanda täglich absolvieren muss (der zweite Teil ist im Garten der Villa Black aufgebaut – auch wenn die Bezeichnung »Garten« momentan ziemlich optimistisch ist).
Ich schlich so vorsichtig, wie ich nur konnte, durch den alten Tempel.
Als Benson, Tante Paula, Eric und ich die Mission vorbereitet hatten, hatten wir herausgefunden, dass der Tempel von Fallen nur so strotzte – und dass jede von ihnen natürlich tödlich war. Wie es aussah, war der Stamm der Ronita vorsichtig und von Natur aus misstrauisch. Er ließ seine Reliquien nicht einfach ungeschützt herumliegen, sodass jeder x-beliebige Mensch – in diesem Fall ich – sie stehlen konnte. Ich hatte bereits drei Fallen erfolgreich überwunden, aber ich wusste nicht, wie viele noch vor mir lagen, bis ich endlich den Saal erreichte, in dem das Artefakt – eine Holzfigur – aufbewahrt wurde. Das war mein Ziel.
Diese Holzfigur könnte in den falschen Händen ganze Naturkatastrophen auslösen. Deshalb hatten wir, die Mitglieder der Familie Black, geschworen, sie aus dem Verkehr zu ziehen.
Dieses »Wir« ist etwas kompliziert. Sagen wir einfach, das Erbe der Familie Black beinhaltet auch ein paar Schulden.
Meine Eltern und ihre Eltern vor ihnen hatten jahrelang nach dieser Holzfigur gesucht. Und vor einigen Wochen war es Eric – endlich – gelungen, ihren Aufenthaltsort herauszufinden. Das war sein Ziel gewesen, seit wir in einem der Räume in der Galerie der Geheimnisse ein staubiges Buch entdeckt hatten, in dem über diese Figur geschrieben wurde.
Eric hatte zum Stamm der Ronita recherchiert, zu seinen Traditionen und Siedlungsgebieten. Er hatte unzählige Quellen konsultiert und Stunden über Stunden damit verbracht, alte Dokumente aus vergessenen Bibliotheken zu lesen. Und das alles natürlich von den Computern in der Werkstatt der Villa Black aus.
Denn das ist seine Aufgabe.
Das hier ist meine.
Ich schlich weiter durch einen Gang. Dessen Mauern bestanden aus kaltgrauen Steinblöcken, die sich irgendwo in der Höhe über mir verloren. In die glatte Oberfläche einiger Steinblöcke hatten die Ronita unterschiedliche Szenen eingeritzt. Ich näherte mich dem ersten Block und wischte den Staub mit dem Ärmel weg. Dann hielt ich meine Taschenlampe näher ran, um mehr erkennen zu können. Mit einem unterdrückten Schrei sprang ich zurück, weg von der geritzten Zeichnung. Ich brauchte ein paar Sekunden, um mich wieder zu fassen und erneut näher ranzugehen. Das musste ich mir noch mal ansehen.
Das Bild auf dem Stein zeigte ein Mädchen, das aufmerksam eine Mauer betrachtete. In der rechten Hand hielt sie einen seltsamen Gegenstand, aus dem ein paar Strahlen kamen … Er hatte Ähnlichkeit mit einer Taschenlampe, doch die Ronita waren ein alter Stamm. Damals, als sie diese Steine beschrieben hatten, hatte es noch keine Taschenlampen gegeben. Und dieses Mädchen war genauso gekleidet wie ich.
Das könnte echt ich sein.
»Aber … Was ist das?«, murmelte ich, während ich nach der nächsten Zeichnung suchte.
Ich trat näher heran. Sie zeigte das Mädchen, wie es durch den Gang schlich. Ich ging langsam weiter zur dritten Zeichnung. Sie bildete dasselbe Mädchen ab, wie es in der Mitte durchtrennt auf dem Boden lag, in einer Art Pfütze, die Blut sein könnte. Über ihr schwang eine gebogene Klinge.
Ein leichter Windhauch strich mir über die Wangen.
Ich warf mich mit dem Gesicht voran auf den Boden und bedeckte meinen Kopf mit den Händen.
Das tat ich, ohne darüber nachzudenken, ohne zu zögern.
Das war Teil meines Erbes.
Neben der Villa Black und einem Berg an Familienverpflichtungen hatte ich auch gewisse … besondere Fähigkeiten erhalten. Unglaubliche Reflexe, katzenhafte Wendigkeit, das Talent, jemandem die Uhr vom Handgelenk zu klauen, ohne dass die Person was davon mitbekommt.
Das ist es, was wir Blacks sind.
Diebe.
Ein Rauschen kündigte die Klinge an, die an genau der Stelle die Luft zerschnitt, an der ich mich nur wenige Sekunden zuvor noch befunden hatte.
Das war haarscharf, dachte ich.
Ich kroch ein paar Zentimeter weiter, bis ich nicht mehr direkt unter der scharfen Klinge war, und stand auf. Dabei klopfte ich mir den Staub von der Kleidung. Das war knapp gewesen, aber ich musste trotzdem weitermachen.
Ich ging vorsichtig weiter, suchte überall nach Fallen, die sich die Ronita ausgedacht haben könnten. Die Ronita waren eine fast gänzlich unbekannte Zivilisation gewesen, die vor Jahrhunderten in einem vergessenen Teil des Amazonas lebte. Sie hatten sich beim Ausdenken tödlicher Fallen als echt kreativ erwiesen, aber irgendwann mussten auch ihnen die Ideen ausgegangen sein.
Das hoffte ich zumindest.
Ein Holzbogen, bemalt mit Farben, die im Laufe der Zeit ausgeblichen waren, versprach einen weiteren Saal am Ende des Ganges.
Ich ging hinein.
Auf einem Sockel vor mir befand sich die Figur.
Dafür, dass es ein sehr bedeutsames Artefakt sein sollte, muss ich zugeben, dass ich echt enttäuscht war. Es handelte sich bloß um eine kleine Holzpuppe. Nichts Spektakuläres oder Furchteinflößendes, nur eine Puppe ohne Gesichtszüge aus einem polierten und hellen Holz, das im Licht der Taschenlampe funkelte.
»Und wegen dem der ganze Aufwand?«, fragte ich in den leeren Raum hinein. »Du kommst mir nicht gerade gefährlich vor.«
Ich trat näher heran und nahm die Puppe hoch, um sie mir genauer ansehen zu können.
Es ertönte ein Klicken.
Ich hob erschrocken den Blick von der Holzfigur und sah mich nach der Ursache des Geräusches um.
Dieses Klicken konnte nur bedeuten, dass ich es vergeigt hatte.
Und zwar richtig vergeigt.
Der Boden des Raums gab unter mir nach und brach auseinander, stürzte in etwas, das aussah wie eine Grube voller spitzer Holzpflöcke. Die Wände fielen ein, und ich tat das Einzige, was ich noch tun konnte: Ich nahm die Beine in die Hand.
Alles um mich herum krachte in sich zusammen. Ich lief, so schnell ich konnte, und betete im Stillen, dass es keine Fallen gab, die ich auf dem Weg hierher übersehen hatte. Denn wenn ich jetzt noch eine auslöste, würde ich definitiv sterben.
Ich rannte durch Gänge und Säle, während große und schwere Steinblöcke drohten, mich unter sich zu begraben. Der Boden unter meinen Füßen brach immer schneller weg. Kaum trat ich auf eine der Steinfliesen, gab sie auch schon nach.
Ich wusste nicht, ob ich es bis zum Ausgang schaffen würde, bevor der ganze Tempel über mir einstürzte.
Ich kann nicht sagen, wie lange ich durch das ganze Chaos der Verwüstung rannte, aber irgendwann tauchte vor mir endlich ein Licht auf, das Rettung versprach.
Ich flehte meine Beine an, sich ein letztes Mal anzustrengen, und lief sogar noch etwas schneller. Dabei war ich eigentlich schon an dem Punkt gewesen, an dem ich glaubte, nicht noch schneller laufen zu können.
Ich musste es einfach schaffen. Ich hatte noch mein ganzes Leben vor mir und diese Holzfigur würde mich sicher nicht kleinkriegen.
Mit einem letzten Sprung katapultierte ich mich durch das Tor aus dem Tempel hinaus und rollte über das Gras.
Ich schleppte mich noch ein paar Meter weiter, um mich ja weit genug von dem Desaster zu entfernen. Da ließ mich ein lautes Brüllen in meinem Rücken erstarren. Langsam drehte ich mich um, stützte mich auf den Unterarmen ab und blickte dorthin, wo vor wenigen Augenblicken noch einer der Tempel der Ronita gestanden hatte.
Er war verschwunden, nicht die geringste Spur war von ihm zurückgeblieben. Es gab nur noch einen Abgrund, dunkel und tief, aus dem eine Staubwolke aufstieg.
Es war nicht einmal ein klitzekleines Steinchen von dem Bauwerk übrig. Gut gemacht, Amanda, dachte ich. Du hast gerade die letzten archäologischen Reste einer tausendjährigen Zivilisation zerstört.
Ich hatte keine Zeit, mich selbst zu bemitleiden. Hinter mir näherten sich schnelle Schritte. Ich sprang auf die Beine und sah mich nach einem Versteck um. Um mich herum waren nur Bäume.
Schnell griff ich nach einem der Äste und kletterte nach oben, um nicht entdeckt zu werden. Keine Sekunde später raschelte es in dem Gestrüpp, das den Ort hier umgab. Ich spannte meinen Körper an, um mich sofort auf den Eindringling zu stürzen, ihn auszuschalten und dann zu fliehen.
Eric trat aus dem Gestrüpp und rief meinen Namen.
»Amanda! Amanda! Wo bist du?«
Er klang, als wäre er den Tränen nahe. Deshalb ließ ich ihn nicht länger leiden und sprang vor seine Füße.
»Hier!«, sagte ich.
Falls du dich schon mal gefragt hast, ob sich auf einem menschlichen Gesicht gleichzeitig Erleichterung und Anzeichen von einem halben Herzinfarkt abzeichnen können, dann hätte dir Eric in diesem Moment bewiesen, dass das durchaus möglich ist.
»Geht es dir gut?«, fragte er, sobald er sich beruhigt hatte. »Wir haben über die Drohnen mitangesehen, wie der Tempel eingestürzt ist, und ich bin hergekommen, so schnell ich konnte … Geht es dir gut?!«
»Mir geht es gut, mach dir keine Sorgen … Und ich hab … das hier«, sagte ich und zeigte ihm die Holzfigur. Ich hatte sie fest in meiner Faust verborgen, um sie bei der Flucht nicht zu verlieren.
Eric betrachtete das enttäuschende Stück Holz, dann den Abgrund, den ich verursacht hatte, und schließlich wieder mich.
»Gratuliere?«
Wir kehrten zum Heli zurück, der uns nach Hause brachte. Dort sperrten wir die Figur sicher in der Galerie der Geheimnisse weg.
Mag sein, dass es keine große Sache war. Aber wir konnten diese Aufgabe endlich von der langen Liste an Schulden der Familie Black streichen. Und wir waren mit dem Leben davongekommen.
Jetzt stand uns eine ruhige Schulwoche fernab von Aufregung und Gefahren bevor.
Zumindest glaubten wir das.
Der Unterricht am Montag zog sich wie Gummi. Meine Muskeln hatten sich immer noch nicht von dem Wettlauf um Leben und Tod durch den Tempel der Ronita erholt und die Erschöpfung von dem Wochenende voller Abenteuer und Gefahren machte sich nun in meinem ganzen Körper bemerkbar. Aber Tante Paula war unnachgiebig gewesen: Ich durfte keinen einzigen Schultag verpassen. Das stand gar nicht erst zur Debatte.
Eric und ich schafften es irgendwie, die langweiligen Stunden, die Hänseleien von Sara und ihrer Clique und einen unangekündigten Test in Mathe zu überleben. Gegen Schulschluss wäre ich fast lieber wieder durch einstürzende Tempel gerannt.
Das einzig Gute war, dass wir wegen der Schul-Olympiade erst nächsten Montag wieder Unterricht haben würden. Den Rest der Woche über würden Jungs und Mädchen aus allen Teilen der Welt gegeneinander antreten, um so herauszufinden, welche Schule in welchen Kategorien am besten war. Dieses Event fand nur alle vier Jahre statt, und dabei ging es nicht nur um Sport, sondern auch um Theateraufführungen und wissenschaftliche Experimente, und es gab sogar einen Fotografier-Wettbewerb. Die Schüler und Schülerinnen, die in keinem der Teams antraten, hatten frei, auch wenn das Rektorat sie – mit freundlichen Drohungen – gebeten hatte, zu den einzelnen Wettbewerben zu kommen und die Teilnehmenden anzufeuern.
Ich hatte nicht besonders viel Lust auf das Event, was vor allem daran lag, dass es von Herrn Lapin organisiert wurde. Er war nicht nur einer der mächtigsten Bauherren der Stadt und der Verantwortliche für Kultur und Sport im Stadtrat, sondern auch der Vater meiner Erzfeindin Sara. Und die gab nun den ganzen Tag vor jedem, der ihr zuhörte, damit an, dass wir diese unterrichtsfreie Woche ihrem Vater zu verdanken hätten. Klar also, dass Sara noch unausstehlicher war als sonst, und das war schon deutlich unausstehlicher, als uns lieb war.
Nach dem Unterricht verabschiedeten Eric und ich uns bis zum nächsten Tag, an dem wir wieder hier in der Schule aufschlagen und einem Haufen Menschen, die wir nicht kannten, applaudieren mussten. Aber das kümmerte uns in diesem Moment nicht besonders. Wir wollten nur noch nach Hause und uns ausruhen …
Gut, ausruhen konnte er sich. Ich hatte zusätzlich zu den Hausaufgaben das Training bei Tante Paula vor mir. Tatsächlich hatte sie mir damals die Wahl gelassen, und ich hatte beschlossen, das Erbe der Familie Black anzunehmen – mit allen Konsequenzen. Und zusammen mit einer staubigen Villa, Verpflichtungen und besonderen Fähigkeiten hatte ich auch haufenweise Training geerbt.
Wir Blacks werden seit Tausenden von Jahren ausgebildet. Unsere Familiengeschichte reicht bis ins Alte Ägypten zurück. Zumindest, soweit wir wissen. Natürlich hießen wir damals noch nicht Black. Zu dieser Zeit wurde unser Nachname hieroglyphisch mit einem Flügel und einer nach vorne blickenden Eule dargestellt, was so viel wie »Schwarz« bedeutete.
Ich hab schon erwähnt, dass wir Diebe sind, oder?
Nein, nicht die Art von Dieben, die bei dir einbrechen, wenn du nicht da bist, und deine Videokonsole klauen. Nein.
Wir Blacks sind die letzten Mitglieder eines altägyptischen Geheimbundes, der die Göttin Maat verehrte und es sich zur Aufgabe gemacht hat, Objekte aus dem Verkehr zu ziehen, die in den falschen Händen eine Gefahr für die Menschheit darstellen könnten.
Wie zum Beispiel, fragst du dich?
Na ja, zum Beispiel Objekte, die als Werkzeug dienen könnten, um Götter aus dunklen Dimensionen heraufzubeschwören oder um eine Armee von lebenden Toten freizulassen. Solche Dinge eben.
Es gibt in deiner Nachbarschaft keine lebenden Toten?
Tja, jetzt weißt du, wem du das zu verdanken hast.
Tante Paula und ich waren gerade dabei, nach dem Abendessen, das bei uns immer pünktlich um halb acht stattfindet, den Tisch abzuräumen, als ein Klingeln an der Tür Besuch ankündigte.
Benson, der schon weitaus länger als die zwölf Jahre, die ich nun auf der Welt bin, der Butler der Familie Black ist, trat an den Bildschirm, mit dem man die Tür öffnen konnte. Er rief das Bild desjenigen auf, der zu dieser Uhrzeit zu uns wollte, wechselte ein paar Worte mit der Person und wandte sich dann zu Tante Paula um.
»Lord Thomsing möchte Sie sehen.«
»Danke, Benson. Bitten Sie ihn herein. Wir empfangen ihn im Cafézimmer«, sagte meine Tante schnaubend. Sie wirkte nicht besonders glücklich über den Besuch von diesem Lord Thomsing.