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Ein Mädchen, eine Mission und kein Zurück.
Name: Amanda Black
Stärken: Geschicklichkeit, Kraft, Rätsel lösen
Status: Schatzjägerin & Superheldin
Als Amanda Black sich bei einer Mission auf dem Dach eines fahrenden Zuges wiederfindet, wird ihr klar: Schlimmer geht immer! Bevor der Zug sein Ziel erreicht, müssen ihr Komplize Eric und sie eine tödliche Tontafel an sich gebracht haben. Gelingt ihnen das nicht, gerät die Menschheit in große Gefahr. Doch die Zeit vergeht viel zu schnell ... und ihr Gegenspieler ist stärker als gedacht.
Band 3 der atemberaubenden Action-Abenteuer-Reihe von Bárbara Montes und dem Meister des Thrillers Juan Gómez-Jurado für Kinder ab 9 Jahren
Alle Bände der Amanda Black-Reihe:
Amanda Black – Die Mission beginnt (Band 1)
Amanda Black – Geheimoperation im Untergrund (Band 2)
Amanda Black – Spiel gegen die Zeit (Band 3)
Amanda Black – Der Glockenschlag des Schicksals (Band 4)
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Seitenzahl: 151
Veröffentlichungsjahr: 2025
Bárbara MontesJuan Gómez-Jurado
SPIEL GEGEN DIE ZEIT
Aus dem Spanischen von Tamara Reisinger
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© 2025 der deutschsprachigen Ausgabe cbj Kinder- und Jugendbuchverlag
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Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Die spanische Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel »Amanda Black – El último minuto« bei B de Blok, einem Imprint von Penguin Random House Grupo Editorial, S. A. U.
Text: © Bárbara Montes & Juan Gómez-Jurado 2022
Translation rights arranged by Antonia Kerrigan literary agency through SvH Literarische Agentur
Übersetzung: Tamara Reisinger
Umschlagillustration & Innenillustrationen: © David G. Forés 2022
Umschlaggestaltung: Guter Punkt GmbH & Co. KG
ah · Herstellung: AW
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-33423-9V002
www.cbj-verlag.de
Bárbara Montes widmet dieses Buch ihrem Neffen Alejandro. Du bist der Beste, Kleiner.Juan Gómez-Jurado widmet dieses Buch Marco und Javi.
Amanda Black lebt bei ihrer Tante Paula, seit ihre Eltern kurz nach ihrer Geburt verschwunden sind. Erst jetzt, mit zwölf Jahren, hat sie die Wahrheit über ihre Herkunft herausgefunden: Sie ist die Nachfahrin von Mitgliedern eines Geheimbundes, der die altägyptische Göttin Maat verehrte. Ihre Aufgabe ist es, magische (und nicht ganz so magische) Objekte zu stehlen, die in den falschen Händen eine Gefahr für das Überleben der Menschheit sein könnten. Außerdem muss sie sich mit den typischen Problemen eines Teenagers herumschlagen, was nicht gerade wenige sind, und täglich ihre Kräfte trainieren, die an ihrem zwölften Geburtstag erwacht sind. Denn nur so kann sie ihr volles Potenzial ausschöpfen.
Tante Paula ist die Großtante von Amanda, außerdem ihre Mentorin und strenge Ausbilderin. Niemand weiß ihr genaues Alter, da sie aussieht, als könnte das irgendwo zwischen 35 und 55 Jahren liegen. Sie behauptet, nicht mehr in Form zu sein, doch Amanda ist überzeugt davon, dass das nicht unbedingt der Wahrheit entspricht. Sie hat ihre Tante während des täglichen Trainings beobachtet, und da hat sie echte Heldentaten vollbracht.
Paula würde alles für Amanda tun. Am wichtigsten ist es ihr, ihre junge Nichte vor sämtlichen Gefahren zu schützen, die das Vermächtnis mit sich bringen könnte, das sie an ihrem zwölften Geburtstag angenommen hat.
Eric ist Amandas bester Freund. Sie besuchen nicht nur dieselbe Schule, Eric begleitet Amanda außerdem auf all ihren Missionen. Er ist ein wahres Computergenie und kann sich in jedes Netzwerk einhacken. Bevor er Amanda kennengelernt hat, war er ein Einzelgänger, den alle ständig ärgerten. Inzwischen hat er aber genug Selbstvertrauen, und nichts und niemand stellt sich ihm mehr in den Weg … Was natürlich keine Überraschung ist, wenn man sich regelmäßig Gefahren aussetzt, die einen das Leben kosten könnten. Sein Lieblingsmensch auf der Welt ist seine Mutter, gefolgt von Amanda (er mag aber auch ihre gemeinsame Freundin Esme sehr gern).
Benson ist der mysteriöse Butler der Familie Black. Er scheint Amandas Wünsche und Bedürfnisse zu erraten, noch bevor sie überhaupt den Mund aufgemacht hat. Er taucht wie aus dem Nichts auf und verschwindet genauso unbemerkt wieder. Außerdem scheint er schon länger in der Villa Black zu leben, als normal wäre: Amanda hat ein sehr altes Foto gefunden, auf dem Benson abgebildet war, und … er sah darauf aus wie jetzt!
Er kümmert sich um die Ausrüstung und denkt sich die ausgeklügeltsten Dinge aus. Zudem kann er alle Autos, Flugzeuge und Helis steuern, die in der Villa Black aufbewahrt werden, und bringt das nun auch Amanda und Eric bei. Für Amanda und Tante Paula zählt Benson zur Familie, und das haben sie ihm schon mehr als nur ein paarmal gezeigt.
Esme ist eine Mitschülerin von Eric und Amanda. Sie weiß von Amandas Erbe und greift ihrer Freundin wenn nötig unter die Arme. Sie würde Amanda und Eric nur zu gern auf ihren Missionen begleiten und hofft, dass sie sie eines Tages darum bitten. Bis dahin ist sie froh, die beiden als Freunde zu haben und dass sie ihr immer von ihren neuesten Abenteuern erzählen (sie mag Eric nämlich auch ein wenig).
Lord Thomas Thomsing ist ein englischer Lord, dessen Familie einst zu den mächtigsten Verbündeten der Blacks zählte. Sie wurde aus dem Geheimbund der Göttin Maat ausgeschlossen, nachdem einer seiner Vorfahren ein magisches Amulett benutzt hatte – mit schrecklichen Folgen. Da Lord Thomas seine Treue und seinen Mut bewiesen hat, haben die Thomsings inzwischen wieder ihren Platz an der Seite von Amandas Familie eingenommen. Was Tante Paula sehr freut (mit Betonung auf sehr).
Nora ist die aktuelle Vertreterin der Menschen im Untergrund, einer geheimen Gruppierung, die seit Jahrzehnten im Verborgenen unter Amandas Heimatstadt lebt. Nachdem die Menschen aus dem Untergrund daran gescheitert waren, Handelsbeziehungen zu den Menschen von oben (denen, die in der Stadt leben) aufzubauen, blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich dem Diebstahl zu verschreiben – wobei sie ihre Opfer immer unter den Wohlhabenden und Mächtigen suchen. Die Menschen im Untergrund haben unzählige Kontakte auf der ganzen Welt. Tante Paula versucht gerade, Nora als Verbündete der Familie Black zu gewinnen.
Die Villa Black ist seit Hunderten von Jahren das Zuhause der Familie Black. Amanda hat die Villa und alles, was darin verwahrt wird, an ihrem zwölften Geburtstag geerbt. Auch wenn die Villa von außen gut erhalten zu sein scheint, ist das Innere eine ganz andere Nummer. Tante Paula, Benson und Amanda haben inzwischen ein paar der Zimmer für den täglichen Gebrauch herrichten können, aber der Großteil der Villa ist immer noch in einem heruntergekommenen und beinahe zerfallenen Zustand.
Die drei Bewohner versuchen, nach und nach auch diesem Rest zu seinem alten Glanz zurückzuverhelfen. Der Haken an der ganzen Sache: Amanda hat zwar das Vermögen ihrer Familie geerbt, doch leider können sie das Geld nicht für Renovierungsarbeiten nutzen. Denn dabei könnte jemand die Geheimnisse innerhalb der Mauern entdecken. Die Villa Black ist voller Geheimgänge, Zimmer, die aus dem Nichts erscheinen und wieder verschwinden, und ganz vieler anderer Dinge, die Amanda selbst noch nicht entdeckt hat.
In der Werkstatt – so wird der Keller der Villa Black genannt – wird alles für die Missionen von Amanda und Eric vorbereitet. Außerdem befindet sich dort die Galerie der Geheimnisse, in der die bei diesen Missionen gestohlenen Objekte aufbewahrt werden (und zwar so lange, wie sie eine Gefahr darstellen). Zudem gibt es in der Werkstatt: die leistungsfähigsten Computer; einen Hangar voller Luftfahrzeuge (darunter auch welche, die mit Überschallgeschwindigkeit fliegen), mit denen man in Rekordzeit zu Orten auf der ganzen Welt gelangt; ein riesiges Kleidungsarsenal, das von Kletteranzügen bis hin zu Abendkleidern reicht; eine Bibliothek; einen Bereich zum Lernen und einen Teil des Trainingsparcours, den Amanda täglich absolvieren muss (der zweite Teil ist im Garten der Villa Black aufgebaut – auch wenn die Bezeichnung »Garten« momentan ziemlich optimistisch ist).
Zug in die Stadt Samstag, 15:20 Uhr
Ich hab keine Ahnung, was ich hier mache. Nein, im Ernst, ich hab absolut keine Ahnung. Was mache ich in diesem verfluchten Zug? Wie ist es überhaupt so weit gekommen? An welchem Punkt ist alles nur so aus dem Ruder gelaufen?
Aber greifen wir mal nicht zu viel vor, am besten fange ich von vorne an. Vor ein paar Stunden bin ich noch mit meinem eigenen Kram beschäftigt gewesen, hab mich fürs Shoppen fertig gemacht und an den Schulball gedacht, der heute Abend unter dem Motto »In letzter Minute« stattfindet. Das Motto bedeutet, dass wir erst am Tag des Balls – also heute – jemanden fragen dürfen, ob er oder sie mit uns hingehen möchte. Und ich weiß ganz genau, wen ich fragen will: nämlich Jason. Ich mag Jason echt seeeeeeeehr. Er sieht soooooooo gut aus, ist sooooooooo witzig, sooooooo klug, soooooooo sympathisch, soooo … alles! Er ist einfach perfekt! Zumindest in meinen Augen ist er das. Ich mag Jason richtig gern, falls das noch nicht klar geworden ist. Er hat große graue Augen, die von langen dunklen Wimpern umrandet sind. Wenn er zu mir sieht, kann ich ihn bloß anstarren … Und so etwas ist mir noch nie passiert.
Ich dachte ja, es wäre alles wie am Schnürchen gelaufen – zumindest so am Schnürchen, wie es in meinem Fall laufen kann, weil … Na gut, ich hatte mir noch kein schönes Kleid für den Ball aussuchen können, weil ich nachmittags immer trainieren und lernen muss und an den Wochenenden mit den unterschiedlichsten Missionen beschäftigt bin. Du weißt schon, weil ich ja die letzte Nachfahrin eines Geheimbundes zu Ehren der Göttin Maat bin, der bis ins alte Ägypten zurückgeht und es sich zur Aufgabe gemacht hat, für die Menschheit potenziell gefährliche Objekte zu stehlen und sicher zu verwahren. Aber das ist inzwischen Teil meines Alltags, daran hab ich mich gewöhnt. Und glaub nicht, dass das etwas Schlechtes ist! Mein Erbe beinhaltet nämlich ein paar … nennen wir sie mal »Fähigkeiten«, wie etwa übermenschliche Schnelligkeit, Intelligenz, Kraft und Geschicklichkeit. Doch übertreiben wir es nicht, ich bin deshalb keine Superheldin von der Art, die plötzlich fliegen kann, um im letzten Moment einer misslichen Lage zu entkommen.
Jedenfalls habe ich mich echt auf diesen Ball gefreut, nicht nur wegen Jason. Ich wollte unbedingt mit meinen Freunden ausgehen und wie jedes andere Mädchen in meinem Alter Spaß haben und tanzen. Ich bin noch nie auf einem Ball gewesen, und zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich Lust drauf gehabt, Shoppen zu gehen, mich schön herzurichten und etwas anderes anzuziehen als meinen alten Kapuzenpulli, Jeans und abgetragene Schuhe. Es würde mein erster Ball sein, und wer weiß, vielleicht konnte ich dort neue Freunde finden. Andere neben Eric und Esme, die … versteh mich nicht falsch, ich hab die beiden echt lieb, aber ich würde gern noch mehr Leute kennenlernen. Genau das hab ich auch zu Tante Paula gesagt. Und sie hat mir versprochen, dass ich an diesem Samstag, also heute, auf keine Mission muss, sondern dass sie mit mir shoppen geht.
Und das wollte ich unbedingt. Seit ich die Villa Black und alles, was sich darin befindet, geerbt habe, bin ich noch nicht ein einziges Mal shoppen gewesen. Ich wollte in jedes Geschäft auf der Hauptstraße der Stadt gehen und etwas von dem Geld ausgeben, das meine Eltern mir hinterlassen haben. Das habe ich mir verdient. Vergessen wir bitte nicht, dass ich an einem riesigen Gebäude hochklettern und den Schlüssel zur Galerie der Geheimnisse stehlen musste, um überhaupt an dieses Vermögen ranzukommen. Du weißt schon, die Galerie der Geheimnisse, das ist der Raum in der Kellerwerkstatt der Villa Black, in dem wir nicht nur die gefährlichen Objekte lagern, die wir gestohlen haben, sondern auch das Familienvermögen. Was beides nicht gerade wenig ist.
Also war ich heute Morgen echt glücklich, weil ich shoppen gehen würde.
Aber nein.
Meine Pläne für den Samstag mussten natürlich eine 180-Grad-Wende hinlegen. Doch als ich aufgewacht bin, wusste ich davon noch nichts.
Meine Tante ist direkt am Morgen in mein Zimmer gekommen. Sie war echt nervös und meinte, sie müsse mich um etwas bitten. Zu ihrer Verteidigung muss ich zugeben, dass sie mir die Wahl gelassen hat. Ich hätte diese Mission auch ablehnen können. Aber ich wäre keine Black, wenn ich den Auftrag nicht angenommen hätte. Und ich bin eine Black.
In erster Linie.
Es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Menschheit sicherer ist.
Das mache ich auch.
Und ich mache das nicht schlecht. Um ehrlich zu sein, habe ich sogar geglaubt, dass ich das ganz gut mache.
Bis zu dieser Mission, bei der bisher alles schiefgegangen ist, was nur schiefgehen konnte.
Aber lass mich der Reihe nach erzählen, wie es überhaupt so weit gekommen ist.
Villa Black Samstag, 8:00 Uhr
KLOPF, KLOPF, KLOPF.
»Herein«, sagte ich abwesend, während ich mich in meinem Zimmer im Spiegel betrachtete und überlegte, welche Jeans und welchen Kapuzenpulli ich zum Shoppen mit meiner Tante anziehen wollte.
Um ehrlich zu sein, war das keine besonders schwierige Entscheidung, da ich kaum Klamotten besaß. Heute wollten wir daher nicht nur ein Kleid für den Ball am Abend kaufen, sondern auch Sachen für die Schule.
Ich hatte es so satt, dass meine Erzfeindin Sara und ihre Freundinnen mich ständig wegen meiner alten Jeans, die längst nicht mehr cool waren, und meiner abgetragenen Kapuzenpullis und Schuhe aufzogen. Nein, heute gingen wir endlich shoppen und gaben das Vermögen aus, das meine Eltern mir neben der Aufgabe, die Menschheit mit meinen Diebesfähigkeiten zu schützen, hinterlassen hatten.
Tante Paula trat in mein Zimmer, und ich wusste sofort, dass etwas nicht stimmte.
»Amanda, Liebes, ich muss dich um etwas bitten.« Tante Paula knetete nervös ihre Finger. »Es wird dir nicht gefallen, und wenn du nicht willst, dann machen wir es auch nicht. Ehrlich, du kannst dich weigern, und ich werde nicht böse sein. Du hast ein Recht auf einen freien Samstag, an dem du Dinge tun kannst, die Kinder in deinem Alter tun.«
»Was ist los, Tante Paula? Langsam mach ich mir Sorgen.«
Meine Tante ging zu meinem Bett, das noch ganz zerwühlt war, und ließ sich darauf sinken. Sie klopfte ein paarmal neben sich, damit ich mich zu ihr setzte.
»Also, Liebes, wir haben einen Hinweis bekommen. Wir kennen den Ort, an dem sich etwas befindet, wonach wir seit Jahren suchen. Thomas … Ich meine, Lord Thomsing, hat mich gerade angerufen.« Bei dem Namen Lord Thomsing wurde meine Tante rot. Ich war mir sicher, dass sie diesen Mann ungefähr genauso sehr mochte wie ich Jason. »Ich würde dich nicht darum bitten, wenn wir genug Zeit hätten, aber die haben wir leider nicht. Dieser Gegenstand ist seit Jahrhunderten verschwunden, und nur durch reinen Zufall haben wir jetzt herausbekommen, wo er sein wird. Das Zeitfenster, in dem wir ihn stehlen können, ist allerdings sehr klein.«
Dann erzählte mir Tante Paula, dass ich für die Mission nach Carobria fahren müsste, also in eine andere Stadt im Nachbarland. Dort fand heute in unserer Botschaft ein Empfang mit sehr wichtigen Geschäftsleuten statt. Einer der Gäste würde eine Tontafel aus der Zeit der Sumerer mitbringen, auf der man die Formel zur Herstellung des Metalls vermutete, aus dem Gegenstände wie das Schwert des Achilles oder Teile der Bundeslade bestanden. Der Botschafter würde die Tafel in seinem Safe verwahren, bis der Geschäftsmann das Gebäude wieder verließ.
Der aktuelle Eigentümer hatte beschlossen, die Tafel an die Dagon Corporation zu verkaufen. Direkt nach dem Empfang würde er in unsere Stadt fliegen, wo sich der Hauptsitz der Familie Dagon befand. In nur wenigen Stunden würde der Verkauf abgeschlossen sein … Und das konnten wir Blacks nicht zulassen, denn Tante Paula erzählte mir außerdem, dass die Person, die im Besitz dieser Formel war, sehr mächtige und schreckliche Waffen produzieren konnte. Die Gefahr, die die Formel für die Menschheit darstellte, war unzumutbar. Mit diesem Metall könnte man ganze Regierungen zu Fall bringen und unzählige Menschenleben auslöschen. Und so, wie wir die Dagon Corporation kannten, wäre sie da ganz vorn mit dabei …
Oder Irma Dagon würde die Formel für ihre eigenen Zwecke nutzen. Diese Frau kannte keinerlei Skrupel. Das hatte sie schon mehrere Male bewiesen. Nach dem Verschwinden meiner Eltern hatte sie zum Beispiel irgendwie den Diamantschlüssel zur Galerie der Geheimnisse in die Finger bekommen. Und wenn ich sage »irgendwie«, meine ich, dass sie ihn gestohlen hat. Denn dieser Schlüssel ist in der Villa Black immer gut verwahrt gewesen. Irma Dagon hatte ihn also nur auf eine … wenig legale Art und Weise bekommen können. In der Galerie der Geheimnisse sperrten wir die Gegenstände weg, die die Blacks im Laufe der Jahre aus dem Verkehr gezogen hatten. Gegenstände mit großer Macht. Gegenstände, die eine tödliche Gefahr für die Menschheit darstellten, wenn man sie benutzte. Dass Irma Dagon sich den Diamantschlüssel unter den Nagel gerissen hatte, konnte also nur bedeuten, dass sie an einigen dieser Gegenstände interessiert war … oder an allen. Und bedachte man das Risiko, das mit ihnen verbunden war, wollte niemand einen von diesen Gegenständen – außer er oder sie wollte ihn benutzen.
Nein, wir durften nicht zulassen, dass dieser Verkauf stattfand.
Wir mussten die Tontafel stehlen und sie so in der Galerie der Geheimnisse verstecken, dass sie nie wieder ans Tageslicht kam.
»Alles gut, Tante Paula. Es scheint sehr wichtig zu sein, ich mach es«, antwortete ich entschieden. Ich schwieg kurz, während ich ausrechnete, wie viel Zeit ich für den Hin- und Rückweg brauchte. Als ich eine ungefähre Vorstellung hatte, fuhr ich fort: »Wenn ich unser Flugzeug nehme, bin ich in einer knappen Stunde dort. Der Diebstahl selbst wird nicht leicht werden, ich brauche den Grundriss der Botschaft und eine Liste der Sicherheitsmaßnahmen. Aber ich schätze, in einer Stunde oder anderthalb Stunden könnte ich die Tafel haben. Dann dauert es noch eine Stunde, nach Hause zu fliegen. Es bleibt mir also genug Zeit, um mich herzurichten und um sechs auf den Ball zu gehen. Das Einzige, was ich bräuchte, ist ein Kleid. Ich hab in einem der Geschäfte im Stadtzentrum eins gesehen, das wunderschön ist. Es ist violett, lang … Ich geb dir die Adresse. Kaufst du es mir? Bitte?«
»Du würdest das wirklich tun?« In der Stimme meiner Tante schwang Schmerz mit. »Ich dachte, dass du Nein sagst. Mir wäre es fast lieber, du hättest Nein gesagt. Amanda, du musst auch die Zeit haben, ein Kind zu sein. Ich … Es tut mir so leid, Liebes.« Sie senkte den Blick zu Boden. »Natürlich kaufe ich dir das Kleid. Und auch ein Paar schöne Schuhe dazu, wenn du willst. Ich kauf dir alles, was du dir wünschst.«