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Chris Kyle diente von 1999 bis 2009 bei den US Navy SEALs und verzeichnete in jener Zeit die höchste Zahl an tödlichen Treffern in der amerikanischen Militärgeschichte. 160 gezielte Liquidationen schreibt ihm das Pentagon offiziell zu. Seine Kameraden nannten ihn »Die Legende«, seine Feinde »Teufel« … In dieser eindringlichen Autobiografie erzählt der geborene Texaner, der 2013 erschossen wurde, die Geschichte seiner außergewöhnlichen Karriere. Nach dem 11. September 2001 wurde er im Kampf gegen den Terror an die Front geschickt und fand seine Berufung als Scharfschütze. Hart und ehrlich spricht Kyle über die Schattenseiten des Krieges und das brutale Handwerk des Tötens. Seine Frau Taya schildert in bewegenden Einschüben, wie der Krieg sich nicht nur auf ihre Ehe und ihre Kinder auswirkte, sondern auch auf ihren Mann. American Sniper ist das Psychogramm eines Scharfschützen und ein fesselnder Augenzeugenbericht aus dem Krieg, den nur ein Mann erzählen kann.
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Seitenzahl: 587
CHRIS KYLE
MIT SCOTT MCEWEN UND JIM DEFELICE
AMERICAN
DIE GESCHICHTE DES SCHARFSCHÜTZEN CHRIS KYLE
CHRIS KYLE
MIT SCOTT MCEWEN UND JIM DEFELICE
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6. Auflage 2024
© 2016 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Türkenstraße 89
80799 München
Tel.: 089 651285-0
© der deutschen Originalausgabe 2012 by riva Verlag
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2012 bei William Morrow, an imprint of HarperCollins Publishers, unter dem Titel American Sniper: The Autobiography of the Most Lethal Sniper in U.S. Military History. Copyright © 2012, 2013 by CT Legacy, LLC. All rights reserved. This edition published by arrangement with William Morrow, an imprint of HarperCollins Publishers, LLC.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Karte des Irak auf Seite 10: UN Cartographic Section
Umschlaggestaltung: Pamela Machleidt, München
Umschlagabbildung: Motion Picture Artwork © 2014 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.
Satz: Carsten Klein, München
ISBN Print 978-3-86883-583-0
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86413-801-0
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86413-802-7
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Ich widme dieses Buch meiner Frau Taya und meinen Kindern, die mir stets eine große Stütze waren. Danke dafür, dass ihr immer noch da seid, wenn ich nach Hause komme.
Ich möchte es außerdem meinen SEAL-Kameraden Marc und Ryan widmen, die unserem Land treu gedient haben. Bessere Freunde kann man sich nicht wünschen. Ich werde ihren Tod mein Leben lang beklagen.
Anmerkung des Autors
Prolog: Das Böse im Fadenkreuz
Kapitel 1: Pferde zureiten und andere Vergnügen
Kapitel 2: In Grund und Boden
Kapitel 3: Schiffsdurchsuchungen
Kapitel 4: Noch fünf Minuten zu leben
Kapitel 5: Scharfschütze
Kapitel 6: Den Tod im Marschgepäck
Kapitel 7: Knietief in der Scheiße
Kapitel 8: Familienangelegenheiten
Kapitel 9: Die Punisher
Kapitel 10: Der Teufel von Ramadi
Kapitel 11: Soldat angeschossen
Kapitel 12: Schwere Zeiten
Kapitel 13: Sterblichkeit
Kapitel 14: Ein neuer Lebensabschnitt
Danksagung
Bonusmaterial: Einblicke, Interviews und mehr
Die in diesem Buch geschilderten Ereignisse entsprechen der Wahrheit, ich habe sie nach bestem Wissen und Gewissen wiedergegeben. Das Verteidigungsministerium, darunter hochrangige Mitarbeiter der US Navy, prüften den Text vorab auf inhaltliche Richtigkeit und heikle Informationen. Auch wenn sie das Buch zur Veröffentlichung freigaben, heißt das nicht, dass ihnen alles gefiel, was sie zu lesen bekamen. Aber ich erzähle meine Geschichte, nicht die ihre. Wir haben die Dialoge aus der Erinnerung rekonstruiert, das heißt also, dass sie nicht immer dem genauen Wortlaut der tatsächlichen Gespräche entsprechen. Die Inhalte der Aussagen blieben jedoch unverändert.
Auf die Wiedergabe vertraulicher Informationen wird in diesem Buch verzichtet. Die Freigabestelle für sicherheitsrelevante Unterlagen des Pentagons und die Navy baten darum, aus Sicherheitsgründen gewisse Änderungen vorzunehmen. Diesem Wunsch kam ich entgegen.
Viele Männer, mit denen ich diente, sind nach wie vor als SEALs tätig. Andere versehen ihren Dienst mittlerweile in Regierungsbehörden und schützen unser Land auf diese Weise. Sie alle, mich selbst eingeschlossen, gelten in den Augen unserer Widersacher als Feinde. Deswegen gebe ich in diesem Buch ihre volle Identität nicht preis. Sie wissen, dass sie gemeint sind, und ich hoffe, sie wissen auch, wie sehr ich ihren persönlichen Einsatz schätze.
C. K.
Ende März 2003. In der Gegend von Nasiriyya, Irak
Ich blinzelte durch das Zielfernrohr des Scharfschützengewehrs und ließ meinen Blick über die Straße der irakischen Kleinstadt schweifen. In 45 Metern Entfernung erschien eine Frau in der Tür eines kleinen Hauses und trat mit ihrem Kind hinaus.
Ansonsten war die Straße menschenleer. Die Einwohner hatten sich verängstigt in ihren Häusern verbarrikadiert. Nur einige Neugierige lugten hinter Vorhängen hervor. Sie konnten das Donnern der herannahenden amerikanischen Einheit hören und warteten vorsichtig ab. Kurze Zeit später erschien eine Schar Marines auf der Straße; sie waren auf dem Weg nach Norden, um das Land von Saddam Hussein zu befreien.
Ich hatte die Aufgabe, sie zu beschützen. Bereits mehrere Stunden zuvor hatte mein Zug das Gebäude eingenommen und Stellung bezogen – um den Feind von einem Angriff gegen die Marines abzuhalten, deren Einmarsch wir erwarteten.
Diese Aufgabe schien nicht besonders schwierig – vor allem, weil die Marines ganz gut auf sich selbst aufpassen konnten. Ich kannte die Durchschlagskraft ihrer Waffen und hätte mich höchst ungern mit ihnen anlegen wollen. Die irakische Armee war chancenlos und schien die Gegend tatsächlich schon verlassen zu haben.
Der Krieg hatte vor etwa zwei Wochen begonnen. Mein Zug, »Charlie« (später »Cadillac«) vom SEAL-Team 3, leistete am frühen Morgen des 20. März seinen Beitrag dazu. Wir landeten auf der Halbinsel Faw und sicherten die dort gelegene Ölanlage, damit Saddam sie nicht wie im Ersten Golfkrieg in Brand setzen konnte. Nun hatten wir den Auftrag, den Marines zur Seite zu stehen, als diese in Richtung Bagdad marschierten. Ich war ein SEAL, ausgebildet für Spezialeinsätze der US Navy. SEAL steht für »SEa, Air, Land«, und das beschreibt ganz gut unsere vielfältigen Einsatzgebiete. In diesem Fall waren wir weit ins Landesinnere vorgedrungen, viel weiter als sonst. Doch dies sollte immer mehr zur Routine werden, je länger der Krieg dauerte. Ich hatte fast drei Jahre damit zugebracht, mich zum Krieger ausbilden zu lassen, und ich war bereit für diesen Einsatz – so bereit man eben für einen Krieg sein kann.
Mein Scharfschützengewehr war eine Repetierwaffe mit hoher Präzision, die meinem Zugführer gehörte und Patronen vom Kaliber .300 Winchester Magnum verschoss. Er hatte die Straße eine Zeit lang beobachtet und brauchte eine Pause. Ich empfand es als großen Vertrauensbeweis, dass er mich zu seinem Vertreter ernannt und mir das Gewehr überlassen hatte. Immerhin war ich der Neue im Team, ein Anfänger. Nach SEAL-Maßstäben hatte ich meine Feuerprobe noch nicht bestanden.
Zudem stand meine Ausbildung zum SEAL-Sniper noch aus. Ich wollte unbedingt ein Scharfschütze werden, hatte bis dahin aber noch einen weiten Weg vor mir. Indem er mir an jenem Morgen sein Gewehr überließ, wollte der Chief herausfinden, aus welchem Holz ich geschnitzt war. Wir befanden uns auf dem Dach eines alten, heruntergekommenen Gebäudes am Rande einer Stadt, welche die Marines durchqueren mussten. Der Wind wirbelte Staub und Papier über die mit Schlaglöchern übersäte Straße, die sich unter uns erstreckte. Der Ort stank nach Fäkalien – ein ekelhafter Geruch, an den ich mich niemals gewöhnen sollte.
»Marines im Anmarsch«, sagte mein Chief, als das Gebäude zu beben begann. »Augen offen halten.«
Ich sah durch das Zielfernrohr. Die einzigen Menschen, die sich im Freien bewegten, waren die Frau und vielleicht ein oder zwei Kinder in der Nähe. Ich sah zu, wie unsere Truppen eintrafen. Zehn junge, stolze Marines stiegen in voller Montur aus ihren Fahrzeugen und versammelten sich für eine Fußpatrouille. Während sie sich formierten, zog die Frau etwas unter ihrer Kleidung hervor und zerrte ruckartig daran.
Sie hatte eine Handgranate gezündet. Ich erkannte das zuerst nicht.
»Das Ding ist gelb«, gab ich meine Beobachtung an den Chief weiter, während er sich selbst ein Bild machte. »Es ist gelb, der Kopf …«
»Sie hat eine Handgranate«, sagte der Chief. »Das ist ’ne chinesische Granate.«
»Mist!«
»Du musst schießen!«
»Aber …«
»Nun schieß endlich! Die Granate darf keinen Schaden anrichten. Die Marines …«
Ich zögerte. Jemand versuchte die Marines über Funk zu erreichen, aber ohne Erfolg. Sie schritten die Straße entlang, geradewegs auf die Frau zu. »Schieß!«, sagte der Chief.
Mein Zeigefinger umschloss den Abzug. Die Patrone verließ den Lauf. Ich feuerte. Die Granate fiel zu Boden. Ich schoss erneut und die Granate ging hoch.
Es war das erste Mal, dass ich jemanden mit einem Scharfschützengewehr tötete. Und das erste – und einzige – Mal, dass ich im Irak einen Angreifer unschädlich machte, der kein männlicher Kämpfer war.
Es war meine Pflicht, diesen Schuss abzugeben, und ich bereue es nicht. Die Frau hatte im Grunde Selbstmord begangen. Ich sorgte nur dafür, dass sie keine Marines mit in den Tod riss.
Es war klar, dass sie die Soldaten nicht nur töten wollte, sie scherte sich auch keinen Deut darum, ob unschuldige Personen in der Nähe in Stücke gerissen werden oder in dem anschließenden Schusswechsel umkommen könnten. Kinder auf der Straße, Anwohner aus den umliegenden Häusern, vielleicht ihr eigenes Kind …
In ihrem Wahn verschwendete sie keinen Gedanken daran. Sie wollte nur Amerikaner töten, um jeden Preis.
Es war das schiere, unbeschreibliche Böse, dem wir im Irak den Kampf angesagt hatten. Deswegen nannten viele Militärangehörige, ich eingeschlossen, unsere Feinde »Wilde«. Es gab kein anderes Wort, um treffender zu beschreiben, mit wem wir es zu tun hatten.
Ich werde häufig gefragt, wie viele Menschen ich getötet habe. Meine Standardantwort darauf lautet: »Sinke oder steige ich mit der genauen Anzahl in deinem Ansehen?«
Die Zahl spielt für mich keine Rolle. Ich bedaure nur, nicht noch mehr Feinde erschossen zu haben. Nicht, um damit prahlen zu können, sondern weil ich glaube, dass die Welt ein besserer Ort ist ohne diese Wilden, die einzig darauf aus sind, Amerikanern das Leben zu nehmen. Jeder, den ich im Irak erschoss, versuchte Amerikanern oder Irakern zu schaden, die auf der Seite der neuen Regierung standen.
Ich hatte als SEAL einen Auftrag. Ich tötete den Feind – einen Feind, der tagein, tagaus danach trachtete, meine Landsleute zu töten. Die Erfolge dieses Feindes lassen mich bis heute nicht zur Ruhe kommen. Es gab zwar nur wenige, aber selbst ein einzelnes Leben war ein Leben zu viel.
Ich mache mir keine Gedanken darüber, was andere Leute von mir denken. Das war eines der Dinge, die ich als Jugendlicher an meinem Vater bewunderte. Er scherte sich nicht darum, was andere von ihm dachten. Er war, wie er war. Dieser Eigenschaft habe ich es zu verdanken, dass ich zuweilen nicht den Verstand verlor.
Zu dem Zeitpunkt, als dieses Buch in Druck geht, fühle ich mich immer noch unwohl bei der Vorstellung, meine Lebensgeschichte zu veröffentlichen. Ich habe früher stets die Meinung vertreten, dass jeder, der wissen will, wie das Leben eines SEAL ist, sich selbst den Dreizack verdienen sollte: Erwirb erst einmal unser Abzeichen, das Symbol unserer Identität. Durchlaufe unsere Ausbildung, bringe dieselben physischen und psychischen Opfer. Nur dann wirst du es begreifen.
Der zweite und vielleicht wichtigere Punkt ist: Wen interessiert mein Leben überhaupt? Ich bin wirklich nichts Besonderes.
Ich habe ein paar richtig brenzlige Situationen erlebt. Mir wurde gesagt, dass das interessant ist, aber ich kann diese Haltung nicht ganz nachvollziehen. Der eine oder andere Schreiberling schlug mir bereits früher vor, meine Biografie zu verfassen oder ausgewählte Erlebnisse festzuhalten, die mir widerfahren sind. Ich finde das zwar seltsam, aber da es nun einmal mein Leben ist und meine Geschichte, halte ich es für besser, wenn ich sie selbst zu Papier bringe – und zwar genau so, wie sie sich tatsächlich ereignet hat. Außerdem kommen in meiner Geschichte viele Menschen vor, die große Anerkennung verdienen, aber unerwähnt bleiben könnten, wenn ich diese Geschichte nicht selbst niederschreibe. Diese Vorstellung missfällt mir zutiefst. Meine Kameraden verdienen mehr Lob als ich.
Die Navy schreibt mir mehr tödliche Schüsse zu als jedem anderen Angehörigen der amerikanischen Streitkräfte, der jemals gedient hat. Dann muss es wohl stimmen. Sie ändern die Zahl ständig. In einer Woche liegt sie bei 160 (die »offizielle« Angabe bei Redaktionsschluss, obwohl das nicht viel heißen muss), dann ist sie wieder wesentlich höher oder liegt irgendwo dazwischen. Wenn Sie eine Ziffer haben wollen, dann fragen Sie die Navy – mit etwas Glück sagt man Ihnen vielleicht sogar die Wahrheit. Jeder will immer eine konkrete Zahl hören. Selbst wenn es mir die Navy erlauben würde, würde ich sie nicht nennen. Ich hab’s nicht so mit Zahlen. SEALs sind schweigsame Krieger, und ich bin ein echter SEAL. Wenn Sie unbedingt wissen wollen, was das bedeutet, dann verdienen Sie sich selbst den Dreizack. Wenn Sie wissen wollen, wie ich so bin, dann fragen Sie meine ehemaligen Kameraden.
Falls es Sie hingegen interessiert, was ich zu sagen habe, dann lesen Sie weiter. Sie erfahren dann auch ein paar Dinge, die ich lieber für mich behalten hätte.
Ich habe schon immer gesagt, dass ich nicht der beste Soldat oder der beste Scharfschütze der Welt bin. Das sage ich nicht, weil ich gerne tiefstaple. Sondern ich habe hart an mir arbeiten müssen, um meine Fähigkeiten zu erlangen. Ich hatte das Privileg, ausgezeichnete Ausbilder zu haben, die eine Menge Anerkennung verdienen. Und auch meine Kameraden – meine SEAL-Kollegen, die Marines und die Soldaten der US Army, die gemeinsam mit mir in den Kampf zogen und mir halfen, meinen Auftrag zu erfüllen – haben alle zu meinem Erfolg beigetragen. Meine hohe Trefferquote und mein sogenannter »Ruf« haben aber auch viel mit dem Umstand zu tun, dass ich oft bis zum Hals im Dreck steckte.
Mit anderen Worten: Ich hatte allein schon deshalb mehr Gelegenheiten, Todesschüsse abzugeben als die meisten anderen, weil ich in der Zeit kurz vor dem Irakkrieg bis zu meinem Ausscheiden im Jahr 2009 ständig im Auslandseinsatz war. Und ich hatte das Glück, stets aktiv am Kampfgeschehen teilnehmen zu können.
Eine andere Frage, die ich immer wieder zu hören bekomme, ist: Hat es dich belastet, im Irak so viele Menschen getötet zu haben?
Eine Frage, die ich stets mit Nein beantworte.
Und das meine ich auch so. Wenn man das erste Mal jemanden erschießt, ist man aufgewühlt. Man denkt sich: Darf ich diesen Kerl wirklich umlegen? Ist das in Ordnung? Aber nachdem man den Feind getötet hat, merkt man, dass es nicht falsch ist.
Du tust es wieder. Und wieder. Du tust es, damit der Feind dich und deine Landsleute nicht töten kann. Du tust es, bis niemand mehr übrig ist, den du erschießen kannst.
So läuft das nun einmal im Krieg.
Ich habe keinerlei Probleme damit zu sagen, dass ich mochte, was ich tat. Auch heute noch. Unter anderen Umständen – wenn meine Familie mich nicht bräuchte – würde ich sofort zurückkehren. Ich lüge oder übertreibe nicht, wenn ich sage, dass mir meine Arbeit Spaß machte. Ich hatte eine tolle Zeit als SEAL.
Meine Mitmenschen versuchen immer, mich in eine Schublade zu stecken. Entweder bin ich ein Teufelskerl, ein aufrechter Südstaatler, ein Drecksack oder ein Scharfschütze, ein SEAL und möglicherweise noch viele andere Dinge, die lieber nicht gedruckt werden sollten. Je nach Tagesform kann jede der Beschreibungen auf mich zutreffen. Letztlich geht es in meiner Geschichte, ob sie nun im Irak spielt oder in der Zeit danach, um mehr als darum, Menschen zu töten oder für sein Land zu kämpfen. Es geht darum, ein Mann zu sein. Es geht um Liebe ebenso wie um Hass.
Jede Geschichte hat einen Anfang.
Meine beginnt im nördlichzentralen Texas. Ich wuchs in Kleinstädten auf, in denen ich lernte, wie wichtig traditionelle Werte wie Patriotismus, Eigenständigkeit und die Verbundenheit mit Familie und Nachbarn sind. Ich kann mit Stolz sagen, dass diese Ideale nach wie vor mein Leben bestimmen. Ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Für mich gibt es nur Schwarz und Weiß. Grauschattierungen existieren für mich praktisch nicht. Ich bin der Überzeugung, dass es wichtig ist, andere zu beschützen. Ich scheue keine harte Arbeit. Ich amüsiere mich aber auch ganz gerne. Das Leben ist zu kurz, um auf die angenehmen Dinge zu verzichten.
Ich wuchs im christlichen Glauben auf und bin nach wie vor ein gläubiger Christ. Wenn ich meine Prioritäten setzen müsste, dann lägen sie bei Gott, Vaterland und Familie. Wobei man über die Reihenfolge der letzten beiden Punkte streiten könnte – mittlerweile vertrete ich die Auffassung, dass die Familie unter bestimmten Umständen wichtiger als das Vaterland ist. Aber sie liegen dicht beieinander.
Ich hatte seit jeher eine Vorliebe für Schusswaffen und die Jagd – man könnte gewissermaßen sagen, dass ich schon immer ein Cowboy war. Kaum konnte ich gehen, konnte ich auch schon reiten. Ich würde mich heute nicht mehr als echten Cowboy bezeichnen, weil es schon lange her ist, dass ich auf einer Ranch gearbeitet habe. Wahrscheinlich bin ich also nicht mehr so sattelfest wie früher. Aber wenn ich schon kein SEAL mehr bin, so bin ich doch zumindest im Herzen noch ein Cowboy, oder wäre zumindest gerne einer. Der Haken ist nur, dass man als Cowboy nicht genügend Geld verdient, um seine Familie ernähren zu können.
Ich erinnere mich nicht mehr, wann ich zum ersten Mal auf die Jagd ging, aber ich muss wohl ziemlich jung gewesen sein. Meine Familie hatte einige Kilometer von unserem Haus entfernt eine Jagdpacht und wir gingen jeden Winter jagen. (Es handelt sich dabei um ein Grundstück, auf dem der Eigentümer Jägern für einen bestimmten Zeitraum gegen eine Gebühr eine Jagderlaubnis erteilt. Die Bedingungen variieren von Ort zu Ort, aber so läuft es bei uns im Süden.) Neben Rotwild jagten wir Truthähne, Tauben und Wachteln – alles, was gerade Saison hatte. Mit »wir« meine ich meine Mutter, meinen Vater und meinen Bruder, der vier Jahre jünger ist als ich. Wir hausten an den Wochenenden in einem alten Wohnwagen. Er war nicht sehr groß, aber wir waren eine Familie, die immer eng zusammenhielt, und wir genossen die Zeit, die wir dort verbrachten.
Mein Vater arbeitete für Southwestern Bell und AT&T – im Laufe seiner Karriere trennten sich die Unternehmen und schlossen sich wieder zusammen. Er war im Management tätig und immer wenn er im Abstand von einigen Jahren befördert wurde, mussten wir umziehen. Ich wuchs also überall in Texas auf.
Obwohl mein Vater sehr erfolgreich war, verabscheute er seinen Job. Nicht die Arbeit selbst, sondern die damit verbundenen Umstände. Die Bürokratie. Die Tatsache, dass er in einem stickigen Büro sitzen musste. Er hatte eine tiefe Abneigung dagegen, jeden Tag Anzug und Krawatte tragen zu müssen.
»Es interessiert mich nicht, wie viel Geld du später einmal verdienst«, sagte mir mein Vater immer. »Es ist es nicht wert, unzufrieden zu sein.« Das ist der wertvollste Rat, den er mir jemals erteilte: Folge deiner Berufung. Bis zum heutigen Tag versuche ich, dieser Maxime treu zu sein. Als ich aufwuchs, war mein Vater in vielerlei Hinsicht mein bester Freund, aber seine umgängliche Art durchsetzte er mit einer großen Dosis väterlicher Disziplin. Es gab gewisse Grenzen, die man schlichtweg nicht überschreiten durfte. Ich wurde übers Knie gelegt, wenn ich es verdient hatte, aber ich wurde niemals unverhältnismäßig hart oder im Affekt gezüchtigt. Wenn mein Vater wütend war, nahm er sich einige Minuten Zeit, um sich zu beruhigen, bevor er mich bestrafte – und anschließend in den Arm nahm.
Mein Bruder würde wohl sagen, dass er und ich uns die meiste Zeit über in den Haaren lagen. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber wir gerieten oft aneinander. Er war jünger und kleiner als ich, aber er konnte ordentlich austeilen und gab niemals auf. Er ist ein zäher Kerl und bis zum heutigen Tag einer meiner engsten Vertrauten. Wir machten uns oft genug gegenseitig das Leben zur Hölle, hatten aber auch viel Spaß zusammen und wir wussten, dass wir uns immer aufeinander verlassen konnten.
Im Atrium unserer Highschool stand die Statue eines Panthers. Jedes Jahr versuchten die Jugendlichen aus der Oberstufe in einem Aufnahmeritual die neuen Neuntklässler auf den Panther zu setzen. Die Neuntklässler wehrten sich natürlich. Ich hatte die Schule bereits abgeschlossen, als mein Bruder dort anfing, aber an seinem ersten Schultag kehrte ich noch einmal zurück und bot jedem 100 Dollar an, der es schaffte, ihn auf die Statue zu setzen.
Die 100 Dollar habe ich immer noch.
Ich geriet zwar oft in Schlägereien, aber die meisten davon gingen nicht von mir aus. Mein Vater ließ keinen Zweifel daran, dass er mich ordentlich verprügeln würde, falls er jemals herausfand, dass ich ein Handgemenge begonnen hatte. Wir sollten stets über den Dingen stehen.
Selbstverteidigung stand jedoch auf einem anderen Blatt. Und meinen Bruder zu beschützen, war sogar noch besser – sobald jemand ihn provozierte, knöpfte ich ihn mir vor. Ich war der Einzige, der meinen kleinen Bruder verprügeln durfte.
Irgendwann einmal fing ich an, auch andere jüngere Kinder zu beschützen, die zur Zielscheibe von Rowdys geworden waren. Ich hatte das Gefühl, auf sie aufpassen zu müssen. Es wurde zu meiner Pflicht.
Vielleicht suchte ich auch nur nach einem Vorwand, mich zu prügeln, ohne dafür Konsequenzen fürchten zu müssen. Ich denke aber, dass mehr dahintersteckte; der Gerechtigkeitssinn und die Fairness meines Vaters beeinflussten mich schon damals mehr, als mir bewusst war. Und im Laufe der Jahre kamen diese Charakterzüge immer stärker zum Tragen. Aber was auch immer der eigentliche Grund war, ich hatte ausreichend Gelegenheit, mich mit anderen zu prügeln.
Meine Familie war sehr gläubig. Mein Vater war ein Diakon und meine Mutter Lehrerin an der Sonntagsschule. Ich erinnere mich, wie wir in meiner Kindheit jeden Sonntagmorgen, Sonntagabend und Mittwochabend in die Kirche gingen. Wir betrachteten uns nicht als übermäßig religiös, nur als anständige Bürger, die an Gott glaubten und sich in unserer Kirche engagierten. Ich muss allerdings zugeben, dass ich damals nicht besonders gerne hinging.
Mein Vater arbeitete immer sehr hart. Ich vermute, dass das in seinen Genen lag – sein Vater war ein Farmer aus Kansas und die Leute dort arbeiten alle unermüdlich. Ein Job reichte meinem Vater nie aus – in meiner Jugend hatte er eine Zeit lang einen Futterhandel und eine kleine Ranch, auf der wir alle mit anpackten. Er ist jetzt offiziell im Ruhestand, hilft aber immer noch bei einem Tierarzt aus, wenn er nicht gerade auf seiner Ranch arbeitet.
Auch meine Mutter schonte sich nie. Als mein Bruder und ich alt genug waren, um alleine auf uns aufzupassen, arbeitete sie als Beraterin in einer Jugendhaftanstalt. Es war allerdings nicht leicht für sie, den ganzen Tag mit verhaltensauffälligen Jugendlichen zu tun zu haben, weshalb sie die Stelle bald wechselte. Auch sie ist jetzt im Ruhestand, obwohl sie immer noch als Halbtagskraft beschäftigt ist und sich um ihre Enkelkinder kümmert.
Die Arbeit auf der Ranch nahm neben meinen schulischen Pflichten eine Menge Zeit ein. Mein Bruder und ich hatten nach der Schule und an den Wochenenden verschiedene Dinge zu erledigen: die Pferde füttern und versorgen, zu den Rindern reiten, die Zäune kontrollieren und vieles mehr.
Rinder können ganz schöne Probleme bereiten. Ich wurde von ihnen schon ans Bein getreten, in die Brust und, ja, auch dorthin, wo die Sonne nicht scheint. Den Kopf verschonten sie aber immer. Schade eigentlich. Vielleicht wäre ich nach einem solchen Tritt ja normal geworden.
In meiner Jugend zog ich Ochsen und Jungkühe für die FFA auf, die Future Farmers of America. (Die jetzt offiziell unter dem Namen The National FFA Organization firmieren.) Ich mochte die FFA und verbrachte viel Zeit damit, Rinder zu pflegen und bei Veranstaltungen vorzuführen, obwohl die Arbeit mit den Tieren auch ziemlich frustrierend sein konnte. Sie trieben mich permanent zur Weißglut. Ich hielt mich damals für den Herrscher der Welt und war bekannt dafür, ihnen notfalls auch eins über ihre dicken Schädel zu ziehen, um sie zur Vernunft zu bringen. Dabei brach ich mir zweimal die Hand.
Wie gesagt, ein ordentlicher Tritt an den Kopf hätte mich möglicherweise zurechtgerückt.
Wenn es um Schusswaffen ging, behielt ich zwar stets die Fassung, aber ich war trotzdem Feuer und Flamme für sie. Wie bei vielen anderen Jungen auch war meine erste »Waffe« ein Luftgewehr der Marke Daisy mit Multi-Pump-System – je mehr man pumpte, umso stärker war der Druck. Später hatte ich einen CO2-Revolver, der aussah wie ein Colt Peacemaker aus dem Jahre 1860. Seither habe ich eine Schwäche für die Schusswaffen des Wilden Westens, weshalb ich nach meiner Entlassung aus der Navy anfing, einige sehr schöne Replikate zu sammeln. Mein Favorit ist der Nachbau eines Colt Navy Revolvers, Modell 1861, der auf einer originalen alten Drehbank aus jener Zeit hergestellt wurde.
Mein erstes echtes Gewehr bekam ich, als ich sieben oder acht Jahre alt war. Es war ein Karabiner im Kaliber 30-06. Es war ein ordentliches Gewehr – so »erwachsen«, dass ich am Anfang Angst hatte, damit zu schießen. Ich freundete mich mit dem Gewehr zwar rasch an, aber wenn ich zurückdenke, muss ich gestehen, dass es mich in Wirklichkeit zur Marlin 30-30 meines Bruders hinzog. Es war ein Unterhebel-Repetierer, wie die Cowboys sie früher benutzten.
Ja, ich hatte eine Schwäche für dieses Thema.
Du bist kein Cowboy, solange du kein Pferd zugeritten hast. Ich fing damit an, als ich in der Highschool war; am Anfang wusste ich allerdings noch nicht viel darüber. Es hieß nur: »Spring auf und reite den Gaul, bis er sich nicht mehr aufbäumt. Und versuche möglichst, nicht herunterzufallen.«
Im Laufe der Zeit lernte ich viele Feinheiten, aber am Anfang erwarb ich mein Wissen in der Berufspraxis – auf dem Pferd also. Das Pferd tat etwas, und ich reagierte darauf. Gemeinsam fanden wir irgendwann einen Konsens. Ich war von Natur aus ungeduldig, aber bei meiner Arbeit mit den Pferden musste ich mir genau diese Tugend aneignen – Geduld. In meinem späteren Leben als Scharfschütze sollte sich diese Eigenschaft noch als extrem hilfreich erweisen – ebenso wie beim Werben um meine Frau.
Im Gegensatz zu Rindern hatte ich nie einen Anlass, ein Pferd zu schlagen. Klar, ich musste sie so lange reiten, bis sie müde wurden und ihren Widerstand aufgaben. Es war enorm wichtig, so lange im Sattel zu bleiben, bis sie erkannten, wer das Sagen hatte. Aber ein Pferd schlagen? Dafür sah ich niemals einen Grund. Pferde sind klüger als Rinder. Man kann ein Pferd sehr wohl dazu bringen mitzuarbeiten, wenn man ihm nur genug Zeit lässt und die Ruhe bewahrt.
Ich wusste nicht, ob ich wirklich Talent dazu hatte, Pferde zu zähmen oder nicht, aber indem ich mich in ihrer Nähe aufhielt, wuchs mein Interesse am Lebensstil der Cowboys. Rückblickend ist es nicht weiter verwunderlich, dass ich schon während meiner Schulzeit an Rodeowettkämpfen teilnahm. In der Highschool war ich auch in der Baseball- und Footballmannschaft, aber nichts war so aufregend wie Rodeoreiten.
In jeder Highschool gibt es verschiedene Cliquen: die Sportler, die Streber und so weiter. Die Gruppe, der ich mich verbunden fühlte, waren die »Ropers«. Wir trugen Stiefel und Jeans und ahmten in Aussehen und Verhalten Cowboys nach. Ich war allerdings kein echter Roper – ich hätte damals kein Kalb mit einem Lasso einfangen können – was mich aber nicht davon abhielt, mich bereits im Alter von etwa 16 Jahren auf Rodeowettkämpfen herumzutreiben.
Nachdem es bei uns in der Nähe eine entsprechende Trainingsanlage gab, fing ich irgendwann an, Bullen und Pferde nach Rodeoart zu reiten. Man zahlte 20 Dollar und konnte dann so lange auf den bockenden Tieren reiten, wie man es aushielt. Allerdings musste man für seine eigene Ausrüstung sorgen – Sporen, Beinlinge, Zaumzeug. Diesem Zeitvertreib haftete nichts Glorreiches an: Man stieg auf, stürzte und stieg wieder auf. Mit der Zeit blieb ich immer länger im Sattel und irgendwann einmal war ich selbstbewusst genug, um an einigen kleineren Wettkämpfen in der Nähe teilzunehmen.
Einen Bullen zu reiten, ist mit dem Zähmen eines Pferdes nicht vergleichbar. Sie bocken zwar auf ähnliche Weise, aber ihre Haut ist so faltig und lose, dass man nicht nur nach vorne fällt, sondern auch noch seitlich hin- und herrutscht, wenn sie sich aufbäumen. Und Bullen können sich wirklich schnell im Kreis drehen. Sagen wir es einmal so: Es ist eine Kunst, nicht abgeworfen zu werden.
Ich ritt etwa ein Jahr lang Bullen und war nicht besonders erfolgreich damit. Endlich hatte ich ein Einsehen, sattelte im wahrsten Sinne des Wortes um und landete schließlich beim Pferderodeo. Das ist die Paradedisziplin, bei der man nicht nur mindestens acht Sekunden lang auf dem Pferd sitzen bleiben, sondern dabei auch noch souverän und elegant aussehen muss. Aus irgendeinem Grund schnitt ich besser ab als die anderen und so blieb ich eine Weile dabei, gewann eine Menge Gürtelschließen und auch den einen oder anderen aufwendig dekorierten Sattel. Ich war kein Champion, das nicht, aber gut genug, um es mir leisten zu können, einen Teil meiner Preisgelder in der einen oder anderen Bar auszugeben. Ich fiel auch den Groupies auf, die auf Rodeoveranstaltungen häufig zugegen sind. Alles lief bestens. Ich genoss es, von Stadt zu Stadt zu ziehen, zu feiern und zu reiten.
Kurzum: Ich führte das Leben eines modernen Cowboys.
Auch nachdem ich 1992 die Highschool abgeschlossen und mich am College der Tarleton State University in Stephenville, Texas, eingeschrieben hatte, ritt ich weiter. Für diejenigen unter Ihnen, die es nicht wissen: Tarleton wurde 1899 gegründet und schloss sich 1917 dem Texas-A&M-Universitätssystem an. Es ist die drittgrößte agrarwirtschaftliche Universität im Lande, und sie steht in dem Ruf, hervorragende Ranch- und Farmmanager sowie Lehrer für Agrarwirtschaft hervorzubringen.
Damals hatte ich noch vor, Ranchmanager zu werden. Vor der Immatrikulation hatte ich jedoch auch mit dem Gedanken gespielt, eine militärische Laufbahn einzuschlagen. Der Vater meiner Mutter war ein Pilot in der Army Air Force gewesen und ich liebäugelte eine Zeit lang damit, ebenfalls Pilot zu werden. Dann spielte ich mit dem Gedanken, zu den Marines zu gehen – ich wollte mitten hinein ins Schlachtgetümmel. Mir gefiel der Gedanke, an Kämpfen beteiligt zu sein. Ich hatte auch von diversen Spezialeinheiten gehört und dachte darüber nach, der Fernaufklärung des Marine Corps beizutreten, einer Elitekampftruppe. Aber meine Familie, vor allem meine Mutter, wollte, dass ich das College besuchte. Schließlich gab ich nach: Ich beschloss, zuerst eine akademische Ausbildung abzuschließen und dann zum Militär zu gehen. Ich dachte mir, dass ich auf diese Weise erst einmal eine Weile die Zügel schleifen lassen konnte, bevor der Ernst des Lebens losging.
Ich war immer noch ein Rodeoreiter – und mittlerweile sogar ein richtig guter. Aber meine Karriere fand gegen Ende meines ersten Studienjahres ein jähes Ende, als sich bei einem Wettkampf in Rendon, Texas, mein Pferd in der Startbucht überschlug und auf mich fiel. Die umstehenden Helfer konnten aufgrund der ungünstigen Position des Tieres zunächst das Gatter nicht öffnen, sondern mussten es erst wieder auf die Beine stellen. Ich hatte immer noch einen Fuß im Steigbügel, wurde über den Boden gezogen, mehrmals kräftig getreten und verlor schließlich das Bewusstsein. Erst im Rettungshubschrauber, der mich ins Krankenhaus brachte, kam ich wieder zu mir. Meine gebrochenen Handgelenke mussten verschraubt werden, ich hatte mir eine Schulter ausgekugelt, mehrere Rippenbrüche zugezogen sowie einen Lungenflügel und eine Niere gequetscht.
Die größten Probleme während meiner Genesung bereiteten mir die Schrauben. Sie waren etwa einen halben Zentimeter dick und ragten auf jeder Seite meiner Handgelenke einige Zentimeter aus der Haut hervor. Das Ganze ähnelte dem Hals von Frankensteins Monster. Die lästigen Dinger juckten und sahen seltsam aus, aber immerhin hielten sie meine Hände zusammen.
Einige Wochen nach meinem Unfall beschloss ich, ein Mädchen anzurufen, mit dem ich schon lange ausgehen wollte. Schließlich wollte ich mir von den Metallstiften in meinen Händen nicht die Laune verderben lassen. Während der Autofahrt blieb allerdings eine der langen Metallschrauben mehrfach am Blinkerhebel hängen. Das ärgerte mich so sehr, dass ich das Ding schließlich dicht an der Haut abbrach. Ich schätze, das machte nicht allzu großen Eindruck auf die junge Dame. Die Verabredung endete vergleichsweise früh.
Meine Rodeokarriere war beendet, aber ich feierte trotzdem weiter, als wäre ich noch aktiv. Meine finanziellen Mittel schwanden ziemlich schnell dahin und so fing ich an, nach den College-Seminaren zu arbeiten. Auf einem Holzplatz fand ich Arbeit als Transporteur, das heißt, ich lieferte Holz und andere Materialien an.
Ich war ein guter Arbeiter und ich nehme an, das fiel auf. Eines Tages kam ein Kollege herein und sprach mich an.
»Ich kenne da einen Typen, der eine Ranch hat und einen Arbeiter sucht«, sagte er. »Vielleicht bist du ja interessiert.«
»Klar doch«, sagte ich. »Ich fahre gleich raus.«
Und so wurde ich Rancharbeiter – also doch so etwas wie ein echter Cowboy – obwohl ich eigentlich immer noch ein Vollzeit-Student war.
Ich arbeitete für David Landrum in Hood County, Texas, und stellte schnell fest, dass ich nicht annähernd der Cowboy war, für den ich mich hielt. David sorgte dafür, dass sich das schnell änderte. Er brachte mir alles bei, was man wissen musste, um eine Ranch am Laufen zu halten. Er war ein harter Bursche und konnte gelegentlich sehr laut werden. Wenn er allerdings mit meiner Arbeit zufrieden war, kam kein einziges Wort des Lobes über seine Lippen. Aber nach einer Weile fing ich wirklich an, den Kerl zu mögen.
Auf einer Ranch zu arbeiten, ist der Himmel auf Erden.
Es ist ein anstrengendes Leben, das einem viel abverlangt, aber dennoch ist es gleichzeitig ein wahres Vergnügen. Man ist die ganze Zeit im Freien. An den meisten Tagen ist man mit den Tieren allein. Man muss sich weder mit Menschen noch Büros oder irgendeinem anderen unwichtigen Mist herumschlagen. Man erledigt einfach seinen Job.
David besaß über 4000 Hektar Land. Es war eine echte Ranch, und sehr altmodisch – wenn wir im Frühjahr das Vieh zusammentrieben, hatten wir sogar einen von Pferden gezogenen Verpflegungswagen dabei.
Es war ein wirklich schöner Ort mit sanften Hügeln, Bächen und weiten Landstrichen, die das Herz höher schlagen ließen, sooft man hinsah. Das Kernstück der Ranch war ein altes Haus, das im 19. Jahrhundert wahrscheinlich ein Gasthof gewesen war. Es war ein großes Gebäude mit geschlossenen Veranden, geräumigen Zimmern und einem großen Kamin, der Körper und Seele wärmte.
Weil ich ein einfacher Rancharbeiter war, war meine Unterkunft natürlich etwas bescheidener. Ich hatte das, was man gemeinhin eine Schlafbaracke nennt, die nur etwas größer war als das Bett. Sie war ungefähr zwei mal vier Meter groß, und mein Bett nahm den meisten Platz darin ein. Es gab keinen Platz für eine Kommode, alle meine Kleidungsstücke, einschließlich der Unterwäsche, musste ich an einer Stange aufhängen.
Außerdem waren die Wände nicht isoliert. Zentraltexas kann im Winter ganz schön kalt sein, und obwohl der Gasofen lief und zusätzlich ein elektrischer Heizer neben dem Bett aufgestellt war, pflegte ich in meiner Kleidung zu schlafen. Aber das Schlimmste war, dass es unter dem Fußboden kein Fundament gab. Ich führte einen Kleinkrieg mit Waschbären und Gürteltieren, die es sich direkt unter meinem Bett gemütlich machen wollten. Die Waschbären waren streitlustig und aggressiv; ich musste an die 20 erschießen, bis bei ihnen schließlich der Groschen fiel und sie begriffen, dass sie unter meiner Schlafstatt nicht willkommen waren. Ich fuhr zunächst Traktoren und pflanzte im Winter Weizen für das Vieh.
Dann übernahm ich die Fütterung der Rinder. Als David schließlich zu der Überzeugung gelangt war, dass ich wohl bleiben würde, übertrug er mir verantwortungsvollere Aufgaben. Er erhöhte meinen Lohn auf 400 Dollar im Monat.
Wenn mein letztes Seminar gegen 14 Uhr zu Ende ging, fuhr ich hinüber zur Ranch. Dort arbeitete ich bis Sonnenuntergang, danach lernte ich und ging schlafen. Am Morgen fütterte ich als Allererstes alle Pferde und ging dann zum Unterricht. Der Sommer war das Beste, denn dann konnte ich von 5 Uhr morgens bis 9 Uhr abends im Sattel sitzen.
Schließlich wurde ich ein sogenannter Zweijahresmann, ich trainierte speziell fürs Viehtreiben geschulte Pferde und machte sie bereit für die Auktion. Diese sogenannten Cutting Horses helfen den Cowboys dabei, Kühe von der Herde zu trennen. Als Arbeitstiere sind sie enorm wichtig für eine Ranch und ein gutes Pferd kann viel Geld einbringen.
Erst hier lernte ich wirklich, mit Pferden umzugehen; und ich wurde viel geduldiger. Wenn man bei einem Pferd die Geduld verliert, kann man es dauerhaft ruinieren. Deshalb disziplinierte ich mich selbst dazu, mir Zeit zu lassen und sachte mit ihnen umzugehen.
Pferde sind wahnsinnig intelligent. Sie lernen schnell – wenn man es richtig macht. Man zeigt ihnen eine Kleinigkeit, gönnt ihnen eine Pause und wiederholt das Gezeigte ein zweites Mal. Wenn ein Pferd etwas Neues lernt, leckt es seine Lippen. Auf dieses Zeichen achtete ich. Man beendet die Lektion mit etwas Positivem und macht am nächsten Tag weiter. Natürlich dauerte es eine ganze Weile, bis ich all dieses Wissen erworben hatte, und es gab immer wieder auch Fehlschläge. Immer wenn ich Mist gebaut hatte, ließ mich David das auch spüren. Er fuhr mich sofort an und beschimpfte mich aufs Übelste. Aber ich trug es ihm nie nach. Ich dachte mir nur: Ich weiß, ich kann’s besser und ich werde es dir beweisen.
Genau diese Einstellung ist zufällig genau das, was man braucht, um ein SEAL zu werden.
Da draußen in den weiten Landstrichen hatte ich viel Zeit und Platz, um über meine Zukunft nachzudenken. Lernen und Seminare besuchen waren nicht meine Welt. Nachdem meine Rodeokarriere zu Ende gegangen war, beschloss ich, das College abzubrechen, mit der Rancharbeit aufzuhören und zu meinem ursprünglichen Plan zurückzukehren: nämlich eine militärische Laufbahn einzuschlagen und Soldat zu werden. Da dies mein ursprünglicher Wunsch gewesen war, sah ich nicht ein, noch länger zu warten.
Und so suchte ich eines schönen Tages im Jahre 1996 die Rekrutierungsstelle der US-Streitkräfte auf, um mich zu verpflichten.
Diese Rekrutierungsstelle glich einer kleinen Einkaufspassage. Fein säuberlich nebeneinander aufgereiht befanden sich die einzelnen Büros der Army, der Navy, des Marine Corps und der Air Force. Wenn man eintrat, folgten einem sofort mehrere Augenpaare. Es war klar: Hier herrschte Konkurrenz, und nicht unbedingt eine der sportlich-freundschaftlichen Art.
Ich ging zuerst zur Tür des Marine Corps, aber der Anwerber war gerade beim Mittagessen und nicht anwesend. Als ich mich umdrehte, um wieder zu gehen, sprach mich der Army-Rekrutierer vom anderen Ende des Flurs an.
»Hey«, sagte er. »Warum schauen Sie nicht bei mir vorbei?«, fragte er.
Spricht ja nichts dagegen, dachte ich. Also ging ich hin.
»Warum wollen Sie zum Militär?«, fragte er.
Ich sagte ihm, dass es mich zu den Spezialeinheiten zog, dass die Special Forces der Army einen guten Ruf hatten und ich gerne in diesem Zweig dienen würde – sofern ich denn der Army beitreten würde. (Special Forces oder kurz SF ist eine Eliteeinheit der Army, die eine Reihe von Sondereinsätzen ausführt. Der Begriff »Special Forces« wird manchmal fälschlicherweise verwendet, um alle SEK-Gruppen zu bezeichnen, wenn ich diesen Begriff jedoch verwende, meine ich ausschließlich die Einheit der Army.)
Damals musste man ein E5 – also ein Sergeant – sein, bevor man überhaupt den SF beitreten konnte. Ich hatte keine Lust, so lange zu warten, bis ich es mit den wirklich interessanten Dingen zu tun bekam. »Sie könnten auch zu den Rangern gehen«, schlug der Anwerber vor.
Ich wusste nicht viel über die Ranger, aber das, was er mir erzählte, klang ziemlich spannend – aus Flugzeugen springen, Ziele angreifen, ein Experte für Handfeuerwaffen werden. Er zeigte mir die Karrieremöglichkeiten auf, die vor mir lagen, konnte mich aber nicht wirklich restlos überzeugen.
»Ich denke darüber nach«, sagte ich, stand auf und wollte gehen.
Auf meinem Weg nach draußen rief mich der Navy-Typ vom anderen Ende des Flurs zu sich.
»Hey, Sie da«, sagte er. »Kommen Sie doch mal her.«
Ich ging zu ihm.
»Worüber haben Sie denn eben geredet?«, fragte er.
»Ich habe darüber nachgedacht, den SF beizutreten«, sagte ich. »Aber dafür muss man ein E5 sein. Also unterhielten wir uns über die Ranger.«
»Ach ja? Schon mal was von den SEALs gehört?«
Die SEALs waren damals noch relativ unbekannt. Ich hatte zwar schon von ihnen gehört, wusste aber nicht allzu viel. Ich glaube, ich zuckte mit den Achseln.
»Warum treten Sie nicht ein«, sagte der Navy-Mann, »dann erzähle ich Ihnen mehr.«
Er fing an, mir etwas über BUD/S, das Basic Underwater Demolition/ SEAL Training, zu erzählen, eine Kampfschwimmer-Grundausbildung, die jeder SEAL durchlaufen muss. Heutzutage gibt es Hunderte von Büchern und Filmen über SEALs und BUD/S; es gibt sogar einen ziemlich langen Artikel über unsere Ausbildung auf Wikipedia. Aber damals war BUD/S noch recht geheimnisumwittert, zumindest für mich. Als ich hörte, wie anstrengend dieses Training war, wie die Ausbilder die Anwärter fertigmachten, und dass weniger als zehn Prozent der Klasse den Kurs bestanden, war ich beeindruckt. Man musste schon ein verdammt zäher Hund sein, um dieses Programm zu bestehen.
Diese Herausforderung gefiel mir. Dann ging der Anwerber dazu über, mir von all den beeindruckenden Einsätzen zu berichten, die die SEALs und ihre Vorgänger, die UDTs, bestritten hatten. (UDTs waren die Mitglieder der Underwater Demolition Teams, die im und nach dem Zweiten Weltkrieg feindliche Strände ausgekundschaftet und Sondereinsätze ausgeführt hatten.) Er tischte mir die fesselndsten Erzählungen darüber auf, wie diese Elitesoldaten durch Hindernisse hindurchschwammen, um Strände zu stürmen, die fest in japanischer Hand waren, und in Vietnam hinter feindlichen Linien in heftige Scharmützel gerieten. Ich fand das alles richtig krass und als ich ging, wollte ich unbedingt ein SEAL werden.
Viele Anwerber, vor allem die guten, sind mit allen Wassern gewaschen, und mit genau einem solchen hatte ich es zu tun. Als ich wiederkam, um die Unterlagen zu unterschreiben, teilte er mir mit, dass ich auf die Eintrittsprämie verzichten müsse, wenn ich sichergehen wollte, als SEAL infrage zu kommen.
Ich ließ mich darauf ein.
Er hatte es natürlich faustdick hinter den Ohren. Mein Verzicht auf die Prämie ließ ihn sicher gut aussehen. Ich bin mir absolut sicher, dass diesem Rekrutierer noch eine blühende Karriere als Gebrauchtwagenhändler bevorsteht.
Die Navy versprach mir nicht, dass ich ein SEAL werden würde; ich musste mir dieses Privileg erarbeiten. Sie garantierte mir jedoch, dass ich die Chance erhielt, mich zu bewerben. Mir reichte das, weil ich mir sicher war, dass ich nicht scheitern würde.
Der einzige Haken daran war, dass ich nicht einmal die Chance erhielt zu scheitern.
Denn die Navy sortierte mich sofort aus, als ans Licht kam, dass ich seit dem Rodeounfall Metallschrauben in einem Arm hatte. Ich versuchte es mit Bitten und Betteln; nichts half. Ich bot sogar an, eine Einverständniserklärung zu unterschreiben, dass ich die Navy nicht haftbar machen würde, falls meinem Arm etwas zustieß.
Sie lehnte mich trotzdem ab.
Und das, folgerte ich, war das Ende meiner Militärkarriere.
Nachdem das Militär für mich nicht mehr infrage kam, konzentrierte ich mich wieder darauf, eine Laufbahn als Rancher einzuschlagen und Cowboy zu werden. Da ich bereits einen guten Job auf einer Ranch hatte, ergab es keinen Sinn, weiter aufs College zu gehen. Also brach ich das Studium ab, obwohl mir zum Abschluss nur noch wenige Bewertungseinheiten fehlten.
Da ich nun Vollzeit arbeitete, verdoppelte David meinen Lohn und übertrug mir immer größere Verantwortung. Bessere Angebote führten mich später auch zu anderen Ranchs, aber aus verschiedenen Gründen kehrte ich immer wieder zu meiner alten Stelle bei David zurück. Schließlich verschlug es mich kurz vor dem Winter 1997/1998 nach Colorado.
Ich nahm einen Job an, ohne zu wissen, worauf ich mich einließ, was sich im Nachhinein als großer Fehler herausstellte. Ich dachte, es sei sicher einmal eine angenehme Abwechslung, vom texanischen Flachland in die Berge zu ziehen.
Aber die Ranch, auf der ich meinen neuen Job antrat, lag ausgerechnet in der einzigen Gegend von Colorado, die noch flacher ist als Texas. Nur deutlich kälter. Es dauerte nicht lange, bis ich David anrief und ihn fragte, ob er zufällig noch Hilfe benötigte.
»Du kannst jederzeit zurückkommen, wenn du willst«, antwortete er.
Ich fing an zu packen, kam aber nicht weit. Kurz bevor ich zurück nach Texas ziehen konnte, erhielt ich einen Anruf von der Navy.
»Wollen Sie immer noch ein SEAL werden?«, fragte mich der Rekrutierer am anderen Ende der Leitung.
»Warum?«
»Weil wir Sie wollen«, sagte er.
»Was ist mit den Schrauben in meinem Arm?«
»Machen Sie sich darüber mal keine Sorgen.«
Das tat ich auch nicht. Ich fing sofort an, alle nötigen Vorkehrungen zu treffen.
»Runter! 100 Liegestützen! Sofort!«
Etwa 220 Männer in Tarnanzügen und frisch bemalten, grünen Helmen stürzten sich auf den Asphalt und fingen an zu pumpen. Dies war der Anfang unserer BUD/S-Ausbildung und wir waren hoch motiviert, aufgeregt und extrem nervös.
Es war klar, dass man uns hier richtig schleifen würde, aber wir waren so begeistert, dass uns das auch noch gefiel.
Der Ausbilder machte sich nicht einmal die Mühe, sein Büro zu verlassen, das sich in dem nahegelegenen Gebäude befand. Seine tiefe, leicht sadistische Stimme hallte aus dem Flur hinaus auf den Hof, auf dem wir uns versammelt hatten.
»Mehr Liegestützen! 40 Stück! Vieeerzig!«
Meine Arme hatten noch nicht angefangen zu brennen, als ich ein seltsames, zischendes Geräusch hörte. Ich blickte nach oben, um zu sehen, woher es kam.
Und prompt wurde ich für meine Neugier mit einem kräftigen Wasserstrahl belohnt, den man auf mein Gesicht richtete. In der Zwischenzeit waren einige andere Ausbilder erschienen, die uns nun mit Wasserschläuchen bearbeiteten. Jeder, der so dumm war nach oben zu sehen, bekam eine Fontäne ab.
Willkommen beim BUD/S.
»Schnelle Beinscheren! Los!«
BUD/S steht für Basic Underwater Demolition/SEAL. Es handelt sich dabei um einen Grundkurs, den alle Anwärter bestehen müssen, um in die Reihen der SEALs aufgenommen zu werden. Er wird zurzeit am Naval Special Warfare Center in Coronado, Kalifornien, abgehalten und beginnt mit der »Indoc« oder Indoktrination, die die Anwärter mit den Anforderungen vertraut macht, die an sie gestellt werden. Es folgen drei weitere Phasen: Fitnesstraining, Tauchen und Landkriegsführung.
Im Laufe der Jahre erschienen zahllose Berichte und Reportagen über das BUD/S und wie anstrengend es ist. Eine Menge von dem, was gesagt wurde, entspricht der Wahrheit. (Oder zumindest größtenteils. Natürlich nehmen die Navy und die Ausbilder für TV-Dokumentationen und andere Sendeformate schon einen Gang raus, aber selbst die Light-Version gibt bereits einen ganz guten Eindruck davon, wie es dabei zugeht.) Im Grunde genommen muss man es sich so vorstellen: Die Ausbilder machen dich fertig und legen dann noch einmal ordentlich nach. Und gleich im Anschluss daran treten sie nach und knüppeln dich ein weiteres Mal nieder. So ungefähr läuft es.
Ich fand es toll. Ich hasste, verabscheute und verfluchte es … aber fand es trotzdem toll.
Doch bis ich überhaupt an diesen Punkt kam, hatte es bereits etwa ein Jahr gedauert. Zunächst trat ich der Navy bei und meldete mich im Februar 1999 zur Grundausbildung. Das Boot Camp war ziemlich langweilig. Ich erinnere mich daran, wie ich einmal meinen Vater anrief und ihm erzählte, dass die Grundausbildung im Vergleich mit der Arbeit auf der Ranch ein Kinderspiel war. Das war nicht gut. Ich war der Navy beigetreten, um ein SEAL zu werden und mich einer echten Herausforderung zu stellen. Stattdessen nahm ich zu und geriet außer Form.
Das Boot Camp soll einen nämlich eigentlich darauf vorbereiten, anschließend auf einem Schiff herumzusitzen. Sie bringen dir eine Menge über die Marine bei, wogegen nichts einzuwenden ist, aber ich wollte eher so etwas wie die Grundausbildung der Marines – eine körperliche Herausforderung eben. Mein Bruder ging zum Marine Corps und verließ das Boot Camp als zäher, durchtrainierter Kämpfer. Ich hätte im BUD/S-Training vermutlich versagt, wenn ich es unmittelbar nach dem Navy Boot Camp absolviert hätte. Der Ablauf hat sich seither geändert. Es gibt jetzt ein eigenständiges BUD/S-Boot-Camp, in dem mehr Wert darauf gelegt wird, in Form zu kommen und auch zu bleiben.
Das BUD/S dauert über ein halbes Jahr und ist körperlich wie mental extrem fordernd; wie ich bereits erwähnt habe, kann die Durchfallquote über 90 Prozent betragen. Der berüchtigtste Teil des BUD/S ist die sogenannte Höllenwoche, die aus 132 Stunden Nonstop-Training und körperlicher Aktivität besteht. Einige Programmpunkte haben sich im Laufe der Jahre geändert und ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich auch künftig weiterentwickeln werden.
Aber die Höllenwoche ist immer noch so ziemlich die anspruchsvollste körperliche Prüfung und wird wohl auch in Zukunft ein Höhepunkt der SEAL-Ausbildung bleiben – oder ein Tiefpunkt – je nachdem, wie man die Sache sieht. Bei mir damals folgte die Höllenwoche gleich nach der ersten Phase. Aber mehr dazu später.
Zum Glück kam ich nicht direkt zum BUD/S. Ein Mangel an Ausbildern in den BUD/S-Kursen sorgte dafür, dass ich (wie auch viele andere Anwärter) eine Zeit lang verschont blieb und zunächst eine andere Ausbildung durchlief.
Laut Navy-Richtlinien musste ich mir einen Schwerpunkt aussuchen (auch bekannt als Military Occupation Speciality oder MOS) für den Fall, dass ich das BUD/S nicht schaffen und kein SEAL werden würde. Ich entschied mich für den Nachrichtendienst der Navy – in meiner Einfalt hoffte ich, dass ich wie James Bond durch die Welt jetten würde. Ich war damals wirklich ziemlich naiv.
In dieser Ausbildungsphase begann ich damit, etwas ernsthafter Sport zu treiben. Insgesamt drei Monate verbrachte ich damit, die grundlegenden Fähigkeiten eines künftigen Mitarbeiters des Navy-Nachrichtendienstes zu erwerben und, wichtiger noch, meinen Körper in Form zu bringen. Wie es der Zufall wollte, gab es auf unserem Stützpunkt eine Gruppe waschechter SEALs und ihr Vorbild motivierte mich zum Training. Ich ging in den Kraftraum und widmete mich allen Körperpartien: Beine, Brust, Trizeps, Bizeps usw. Außerdem fing ich an, dreimal in der Woche zu laufen, um die 6 bis 13 Kilometer pro Tag, wobei ich mein Pensum nach und nach in Schritten von jeweils 3 Kilometern erhöhte.
Das Laufen lag mir nicht sonderlich, aber ich eignete mir allmählich die richtige Einstellung eines SEAL an: Tu alles, was nötig ist.
Hier lernte ich auch zu schwimmen, oder zumindest besser zu schwimmen. Ich stamme aus einer Gegend von Texas, in der es weit und breit kein größeres Gewässer gibt. Unter anderem konnte ich – was für einen SEAL sehr wichtig ist – nicht kraulen, sodass ich mir auch das erst aneignen musste.
Als die Nachrichtendienst-Ausbildung endete, war ich schon ganz gut in Form, aber vermutlich immer noch nicht bereit für das BUD/S. Obwohl ich es damals nicht so sah, hatte ich Glück, dass es für das BUD/S zu wenig Ausbilder gab, denn dadurch kamen die Anwärter auf eine Warteliste. Die Navy beschloss, mich einige Wochen lang den SEAL-Detailern zuzuweisen, um ihnen zur Hand zu gehen, bis sich die Lage normalisiert hatte. (Detailer sind Militärangehörige, die sich verschiedener Personalfragen annehmen. Sie sind vergleichbar mit den Angestellten der Personalabteilung in großen Unternehmen.)
Ich arbeitete ungefähr den halben Tag mit ihnen, entweder von 8 bis 12 Uhr oder von 12 bis 16 Uhr. Außerhalb dieser Dienstzeiten trainierte ich mit den anderen SEAL-Anwärtern. Wir trieben Sport oder machten zwei Stunden lang irgendwelche Fitnessübungen – was Sportlehrer alten Schlags wohl als Gymnastik bezeichnen würden. Sie wissen schon: Klappmesser, Liegestützen, Kniebeugen.
Vom Hanteltraining ließen wir allerdings die Finger. Es ging darum, möglichst nicht zu viel Muskelmasse zuzulegen; wir wollten zwar stark sein, aber dabei trotzdem möglichst beweglich bleiben.
Dienstags und donnerstags schwammen wir bis zur völligen Erschöpfung – sozusagen bis zum Ertrinken. Freitags unternahmen wir lange Dauerläufe von 16 bis 19 Kilometern. Das war hart, aber für das BUD/S wird erwartet, dass man einen Halbmarathon bewältigen kann.
Meine Eltern erinnern sich noch gut an ein Gespräch, das wir zu dieser Zeit einmal miteinander führten. Ich versuchte sie auf das einzustimmen, was vor mir lag. Sie wussten nicht allzu viel über die SEALs, was vermutlich gut war.
Jemand hatte erwähnt, dass meine Identität aus den offiziellen Akten getilgt werden könnte. Als ich ihnen davon erzählte, konnte ich sehen, wie sie leicht zusammenzuckten.
Ich fragte sie, ob das für sie in Ordnung ginge. Wenngleich sie nicht wirklich ein Mitspracherecht hatten.
»Das ist schon in Ordnung«, versicherte mein Vater. Meine Mutter schwieg. Sie waren beide mehr als nur ein klein wenig besorgt, das konnte ich sehen; aber sie versuchten, sich nichts anmerken zu lassen, und äußerten mir gegenüber nie etwas, das mich möglicherweise davon abgehalten hätte, meinen Weg zu gehen.
Nach etwa sechs Monaten des Wartens, Trainierens und des weiteren Wartens war es dann endlich so weit, ich erhielt die Anweisung, mich zum BUD/S zu melden.
Ich stieg aus dem Taxi und rückte meine Ausgehuniform zurecht. Dann hob ich meine Tasche aus dem Wagen, schulterte sie, atmete tief durch und ging den Weg zum Achterdeck, dem Gebäude, in dem ich mich melden sollte. Ich war 24 Jahre alt und gerade dabei, meinen Lebenstraum zu erfüllen.
Und dabei eine volle Breitseite abzubekommen.
Es war bereits dunkel, aber noch nicht sonderlich spät – kurz nach 17 oder 18 Uhr. Ich hatte schon damit gerechnet, dass man mich anschrie, sobald ich durch die Tür kam. Es kursierten so viele Gerüchte über das BUD/S und wie hart es war, aber kaum jemand kannte die ganze Geschichte. Die Ungewissheit macht alles nur schlimmer.
Hinter einem Schreibtisch saß ein Mann. Ich trat an ihn heran und stellte mich vor. Er nahm meine Personalien auf, wies mir eine Unterkunft zu und wickelte den ganzen bürokratischen Mist mit mir ab, der erledigt werden musste.
Die ganze Zeit über hatte ich abwechselnd zwei Gedanken im Kopf. Erstens: So schlimm ist das hier ja gar nicht.
Und: Bestimmt greift mich gleich jemand an.
Entsprechend schwer fiel es mir, an diesem Abend einzuschlafen. Ich rechnete ständig damit, dass die Ausbilder hereinstürmten und mich in die Mangel nahmen. Dass dies nicht passierte, freute mich einerseits, machte mir zugleich aber auch ein wenig Sorgen.
Der Morgen brach ohne die leiseste Störung an. Erst dann stellte ich fest, dass ich noch gar nicht beim eigentlichen BUD/S war. Das hier war die Indoc – die Indoktrinationsphase. Indoc hieß, dass man auf das BUD/S vorbereitet wurde. Eine Art BUD/S mit Stützrädern. Wenn SEALs so etwas wie Stützräder benutzen würden.
Die Indoc dauerte einen Monat. Wir wurden zwar auch in dieser Phase manchmal angeschrien, aber lange nicht so häufig wie später beim BUD/S. Man brachte uns bei, was von uns erwartet wurde, zum Beispiel, wie man den Hindernisparcours zu durchlaufen hatte. Der Gedanke dabei war offenbar, uns zumindest mit den Sicherheitsvorkehrungen vertraut zu machen, bevor es dann losging. Während andere Klassen die eigentliche Ausbildung durchliefen, wurden wir auch schon einmal zu kleineren Hilfstätigkeiten herangezogen.
Alles in allem machte mir die Indoc Spaß. Mir gefiel es zu trainieren, mich an meine Grenzen zu bringen und meine körperlichen Fähigkeiten zu schulen. Gleichzeitig konnte ich beobachten, wie die Anwärter im BUD/S behandelt wurden und ich dachte mir: Oh Mist, ich sollte wirklich mal in die Gänge kommen und einen Zahn zulegen.
Ehe ich mich versah, begann dann auch für mich die erste Phase. Und unversehens war die Ausbildung kein Spaß mehr. Im Gegenteil, mir wurde gehörig in den Hintern getreten. Regelmäßig und mit sehr viel Hingabe. Was mich zurück zum Anfang dieses Kapitels bringt, als ich beim Training einen Wasserstrahl ins Gesicht bekam. Ich hatte schon seit Monaten hart trainiert und trotzdem war das, womit ich es jetzt zu tun hatte, ungleich härter. Obwohl ich mehr oder weniger wusste, was mich erwartete, war mir nicht richtig klar, wie schwer es werden würde. Bis man etwas wirklich am eigenen Leib erlebt, kann man einfach nicht mitreden.
Zu einem bestimmten Zeitpunkt an jenem Morgen dachte ich jedenfalls: Verdammter Mist, die Typen bringen mich um. Meine Arme fallen ab und ich zerbrösele einfach jetzt und hier auf dem Asphalt.
Aber irgendwie kämpfte ich mich durch.
Als mich der Wasserstrahl zum ersten Mal traf, wandte ich instinktiv mein Gesicht ab. Das brachte mir eine Menge Aufmerksamkeit ein – allerdings negativer Art.
»Nicht wegdrehen!«, schrie der Ausbilder, wobei er noch einige Wörter hinzufügte, die sich auf meine Charakterschwäche und mein mangelndes Können bezogen. »Sieh her und steck es weg!«
Ich tat, wie mir geheißen. Ich weiß nicht, wie viele Hunderte Liegestützen und andere Übungen wir an diesem Tag machten. Ich weiß nur noch, ich hatte damals das Gefühl, dass ich es nicht schaffen würde. Aber genau das spornte mich an – ich wollte auf keinen Fall durchfallen.
Ja, ich hatte Angst zu versagen, aber ich stellte mich dieser Angst jeden Tag aufs Neue und gelangte immer wieder zu derselben Erkenntnis; jeden Tag, manchmal sogar mehrmals täglich – ich wollte durchhalten.
Ich werde oft gefragt, wie anstrengend die Übungen waren, wie viele Liegestützen wir machen mussten oder wie viele Klappmesser. Um die erste Frage zu beantworten: Jeweils hundert Stück, aber die Zahlen sind eigentlich unwichtig. Wenn ich mich richtig erinnere, schaffte jeder Anwärter hundert Liegestützen oder auch die anderen Übungen. Es waren die ständigen Wiederholungen, der Druck, und vor allem die Schimpftiraden, denen man während der Übungen permanent ausgesetzt war, die das BUD/S so anstrengend machten. Ich schätze, das ist schwer nachzuvollziehen, wenn man es nicht selbst erlebt hat.
Es besteht der landläufige Irrtum, dass alle SEALs muskelbepackte Modellathleten in körperlicher Bestform sind. Aber nur der letzte Punkt trifft tatsächlich zu – jeder SEAL in jedem Team ist in hervorragender physischer Verfassung. Aber es gibt nicht den Durchschnitts-SEAL. Ich beispielsweise bin 1,88 Meter groß und wog damals 79 Kilogramm; es gab aber auch Kameraden, die 1,70 Meter oder 2,00 Meter groß waren. Uns verband weniger der Körperbau als vielmehr der Wille, alles zu tun, was nötig ist, um unser Ziel zu erreichen.
Das BUD/S zu schaffen und ein SEAL zu werden, ist vor allem eine Frage von mentaler Stärke. Auf stur zu schalten und sich weigern aufzugeben – das ist der Schlüssel zum Erfolg. Und ich bin heilfroh, dass mir das irgendwann bewusst geworden ist.
In jener ersten Woche verhielt ich mich möglichst unauffällig. Die Aufmerksamkeit der Ausbilder zu erregen, war einfach nicht gut. Ob nun beim Sport oder einer Übung, oder auch nur beim Strammstehen, schon die kleinste Kleinigkeit genügte, um ins Visier genommen zu werden. Wenn man beim Appell nicht ganz gerade stand, machten sie sich sofort über einen her. Bei jedem Befehl eines Ausbilders gab ich mir die größte Mühe, ihn so schnell und so gut als möglich zu befolgen. Ich merkte schnell: Wenn ich es richtig machte, ließen sie von mir ab und suchten sich ein anderes Opfer.
Ich schaffte es aber nicht völlig, auf Tauchstation zu gehen. Trotz des vielen Übens, Trainierens und Anstrengens hatte ich große Schwierigkeiten mit Klimmzügen.
Ich bin sicher, Sie kennen den Bewegungsablauf – man greift die Stange mit beiden Händen und zieht sich bis zur Brust hoch. Dann senkt man sich wieder ab. Immer und immer und immer wieder.
Das Besondere am BUD/S war, dass wir so lange an der Stange hängen mussten, bis der Ausbilder das Kommando erteilte, dass wir anfangen durften. Als unsere Klasse zum ersten Mal zum Klimmzug-Training antrat, stand er zufällig neben mir.
»Los!«, sagte er.
»Urghh«, ächzte ich und zog mich leidlich hoch.
Großer Fehler. Denn auf diese Weise hatte ich von Anfang an den Ruf weg, ein Schwächling zu sein.
Zu Beginn des BUD/S-Trainings schaffte ich nicht besonders viele Klimmzüge, vielleicht ein halbes Dutzend (was die Mindestvoraussetzung war). Da man mich nun aber mit jeder Menge Aufmerksamkeit bedachte, konnte ich mich nicht einfach so durchmogeln. Ich musste jetzt perfekte Klimmzüge ausführen. Und zwar viele. Die Ausbilder pickten mich heraus und ließen mich die Übung einzeln wiederholen, immer und immer wieder.
Das zeigte Wirkung. Meine Leistungen verbesserten sich zusehends und schon bald schaffte ich problemlos 30 Klimmzüge am Stück. Ich wurde zwar nicht Klassenbester, aber ich blamierte mich auch nicht mehr.
Und das Schwimmen? All die Arbeit, die ich vor dem BUD/S investiert hatte, machte sich bezahlt. Schwimmen wurde sogar meine beste Disziplin. Ich war einer der schnellsten, wenn nicht gar der schnellste Schwimmer meiner Klasse.
Und auch hier zeigte sich schnell: Die Mindestvoraussetzungen sind nicht sehr aussagekräftig. Um sich zu qualifizieren, musste man etwa einen Kilometer im Meer schwimmen. Beim BUD/S-Training ist man nach einem Kilometer gerade mal warm geworden. Man schwimmt die ganze Zeit. Drei Kilometer waren die Standarddistanz. Und dann gab es noch eine Übung, bei der man in Booten hinaus aufs Meer gebracht und mehrere Seemeilen vom Strand entfernt abgesetzt wurde.
»Es gibt nur einen Weg nach Hause, Jungs«, sagten die Ausbilder. »Also schwimmt los.«
Jeder, der sich schon einmal mit den SEALs beschäftigt hat, kennt wahrscheinlich den Begriff Höllenwoche. Das sind fünfeinhalb Tage Dauerstress mit dem Ziel herauszufinden, ob man die Ausdauer und den Durchhaltewillen besitzt, um ein Elitesoldat zu werden.
Jeder SEAL erlebt die Höllenwoche anders. Meine Geschichte beginnt ein oder zwei Tage vor der eigentlichen Tortur, draußen in der Brandungszone, auf einigen Felsen. Ich war mit einer Gruppe anderer Rekruten in einem kleinen Sechs-Mann-Schlauchboot unterwegs, das wir an den Felsen vorbei sicher zum Strand bringen mussten. Ich hatte die Aufgabe, als Erster aus dem Boot zu klettern und es festzuhalten, während alle anderen Insassen ausstiegen und es hochhoben.
Gerade als ich auf den Strand gesprungen war, kam eine große Welle, erfasste das Boot und ließ es auf meinen Fuß fallen. Erst tat es wahnsinnig weh und dann wurde der Fuß fast sofort taub.