Anahita - Sven Haupt - E-Book

Anahita E-Book

Sven Haupt

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Beschreibung

Glauben Sie mir, diese Meere sind tief. Niemand hat jemals herausgefunden wie tief. Vielleicht ist das auch das Geheimnis dieses Ortes. Die Meere haben hier einfach keinen Grund, sondern führen nur in immer fernere Welten und Zeiten. Unfassbarer, gefährlicher und dunkler als alles, was wir mit unserem kleinen Geist erfassen können. Wenn wir sehr viel Glück haben, dann begegnen wir dort unten in den Abgründen der Finsternis dem Göttlichen. Wenn wir Pech haben, finden wir das Böse - und es wird unser eigenes Gesicht tragen. Und wieder ein echtes Kunstwerk! Der neue Roman von Sven Haupt, zweimaliger Gewinner des Deutschen Sciencefiction-Preises (2021 und 2022).

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Seitenzahl: 476

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Anahita

 

von Sven Haupt

 

 

Sciencefiction

Vollständige E-Book-Ausgabe der Druckausgabe

 

ISBN 978-3-946348-46-7

ISBN 978-3-946348-45-0 (Print Ausgabe)

© Eridanus Verlag | Jana Hoffhenke

Hastedter Heerstr. 103 | 28207 Bremen

Alle Rechte vorbehalten

 

Lektorat: Helga Sadowski | Christine Jurasek

Korrektorat: Anke Tholl

Umschlaggestaltung | Illustration: Detlef Klewer

Satz | Gestaltung: Jana Hoffhenke

Ebook-Realisierung: Eridanus IT-Dienstleistungen

 

https://eridanusverlag.de

https://www.instagram.com/eridanus.verlag.sf

https://www.facebook.com/eridanusverlag

 

My fall will be for you,

My love will be in you,

If you be the one to cut me,

I will bleed forever.

 

[Nightwish – Ghost Love Score]

01 | Gegenwart

 

Wenn die Quallen des Nachts aus dem Meer steigen und ihr einsames Singen glockenhell zu den Sternen hinauf schallt, ist die Zeit gekommen, in der das Meer an seinem eigenen Blut ertrinkt.«

»Das klingt aber nicht schön, Großmutter«, kommentierte das Mädchen und verzog das Gesicht.

»So steht es in unserer Überlieferung, mein Schatz«, entgegnete die alte Frau und lächelte. »Es ist natürlich kein echtes Blut. Es sind winzige Tiere, die sich zu dieser Zeit sprunghaft vermehren und dann dicht unter der Oberfläche des Meeres sammeln. Sie sind …«

»Sie sind leuchtend rot gefärbt«, unterbrach sie das Mädchen. »Dadurch wird das Wasser rot und bekommt eine leicht ölige Qualität. Dies war dann das Signal für die Wale!«

Die alte Frau sah versonnen zum Fenster hinaus. Der Abend dämmerte und über der Bucht konnte man in der Ferne die Lichtpunkte der ersten Quallen erahnen. Wenn sie die Augen schloss, glaubte sie bereits das Klingen zu hören. Ein zarter Glockenhall, als würde jemand in ihrem Kopf sanft eine Klangschale anstoßen.

»Aber das ist lange her«, erklärte das Mädchen, als würde sie aus einem Skript ablesen. »Heute kommen die Wale nicht mehr zu uns. Aber du hast sie gesehen, nicht wahr, Großmutter«, fragte sie begierig, »als du jung warst?«

Die alte Frau nickte.

»Es war das letzte Mal.«

Sie verstummte.

»Am Tag der Befreiung?«, soufflierte das Mädchen mit leuchtenden Augen.

Die alte Frau schwieg und sah zum Fenster hinaus. Ihr Blick schwer unter dem Gewicht von einem halben Jahrhundert Erinnerungen.

»Sie kamen damals nur sehr selten, nicht wahr?«, plapperte das Mädchen unbeeindruckt weiter. Es hatte die Geschichte offensichtlich schon unzählige Male gehört und war fest entschlossen, sie noch einmal zu hören. Auch wenn es diese selbst erzählen musste. »Aber jetzt kommen sie nicht mehr. Die Göttin hat uns gerettet und dann verlassen.« Sie sprach im Tonfall des mühevoll auswendig Gelernten und brav Aufgesagten. »Sie hat die Hybris der Menschen nicht mehr ertragen.« Ihre Enkelin sprach es aus wie Hibrüs.

»So lernt ihr es heute in der Schule?«, fragte die alte Frau milde.

»Ja, aber mein Lehrer ist ein Idiot und weiß eigentlich überhaupt nichts«, erklärte das Mädchen im Brustton der Überzeugung, für den man vierzehn Jahre alt sein musste. »Er ist schockierend schlecht über unsere Traditionen informiert. Das kommt davon, wenn man Fremdweltler zu Lehrern macht.«

Die alte Frau sah auf, als würde sie ihr Gegenüber zum ersten Mal bemerken.

»Du hast gesagt, du würdest mir die Geschichte erzählen, wenn ich alt genug bin«, erklärte das Mädchen ernst.

Die alte Frau schwieg lange.

»Und?«, erwiderte sie irgendwann. »Bist du?«

Als hätte es nur auf den Moment gewartet, sprang das Mädchen auf und zog etwas aus der Rocktasche. Es entfaltete stolz das seidene Halstuch und hielt es der Großmutter hin. Die alte Frau betrachtete stumm die strahlenden Farben des bunten Blumenmusters und schüttelte langsam den Kopf, einen undeutbaren Ausdruck im Gesicht.

»Ist es wirklich schon so weit?«, fragte sie leise, sah zu ihrer Enkelin auf und zwang sich zu einem breiten Lächeln. »Es ist wunderschön, mein Schatz. Du kannst stolz sein.«

Das Mädchen strahlte und legte sich das Tuch um die Schultern.

»Soll ich dir deins auch holen, Großmutter?«, fragte es und wandte sich bereits einer alten Kommode zu, die in der Ecke des Raumes stand.

Die alte Frau sah schockiert zu ihr auf.

»Du weißt, wo mein Tuch ist?«, fragte sie.

»Ach, Großmutter!«, lachte das Mädchen und fischte bereits eine abgegriffene Pappschachtel aus der obersten Schublade. »Du trägst es an jedem einzelnen Tag der Befreiung, solange ich denken kann.« Mit diesen Worten hielt es ihr die Schachtel hin und sah erwartungsvoll darauf hinab.

Die alte Frau seufzte, drehte ihren Rollstuhl vom Fenster weg und wandte sich dem Mädchen zu.

»Tue ich das?«, fragte sie mit leiser Stimme. »Es fühlt sich immer an, als wäre ein Leben vergangen.«

Sie griff vorsichtig nach der Schachtel und entnahm ihr mit sorgfältigen Griffen ein Halstuch, bei dessen Anblick ihre Enkelin immer noch unwillkürlich den Atem anhielt. Es glänzte in einem so intensiven Blau und der Stoff glitt derart fließend durch die Finger der alten Frau, dass das Mädchen jedes Mal aufs Neue glaubte, jemand habe das Meer selbst in die Form eines Tuchs gewebt.

»Wasserseide«, hauchte das Mädchen hingerissen und fügte im Tonfall des Teenagers, der eine wichtige Information besaß, hinzu: »Die ist unglaublich wertvoll heutzutage, Großmutter. Weil wir sie nicht mehr herstellen können.«

Die alte Frau lächelte traurig.

»Als die Wale uns verließen, gingen viele andere Spezies mit ihnen und sind ebenfalls nicht wieder zurückgekehrt. Unter anderem die Seidenmuscheln.«

Sie ließ den schimmernden Stoff durch ihre Finger gleiten. Es sah so aus, als würde Wasser in der Luft zwischen ihren Händen fließen. Ein Schwarm winziger Quallen, mit hauchdünnen silbernen Fäden aufgestickt, schwamm mit der Strömung durch ihre Finger.

Ein fernes, klagendes Singen drang an ihre Ohren.

Das Mädchen fragte etwas, doch die alte Frau hörte es schon nicht mehr. Ihre Erinnerungen schwammen bereits mit den Quallen im Strom der Zeit.

Zurück zu dem Tag vor sechzig Jahren, als alles begann.

02 | Fallende Masken

 

Warum sind wir so tief, Vater?«, fragte Christine.

Die Landungsfähre flog dicht über dem Ozean auf die Küste zu und die Schubdüsen wirbelten das Wasser hinter ihnen zu einem langen, schaumigen weißen Streifen auf.

»Aus Respekt vor den Priesterinnen«, antwortete Langley. »Wenn unsere Fähren senkrecht von der Orbitalstation aus auf den Planeten fallen, empfinden sie es als respektlose Annäherung an ihren Haupttempel.«

»Sind wir deswegen so langsam?«

Ihr Vater nickte. Sein Gesicht blieb hinter seiner Maske verborgen, doch Christine kannte ihn lange genug, um die Sorge an seiner Körperhaltung ablesen zu können.

»Wir werden versuchen, möglichst zurückhaltend aufzutreten«, erklärte der große Mann neben ihr leise.

»Zurückhaltend?«, fragte seine Tochter. »Die Krone?«

Sie hatte das Wort in Zusammenhang mit dem Kaiser noch nie gehört. Ihr Vater musste ihren ratlosen Blick hinter ihrer eigenen schlichten, weißen Maske erahnt haben, denn er fuhr fort: »Es ist ein sehr wichtiger Ort für uns und die Lage ist, hm, kompliziert.«

»Gibt es denn hier keinen Konsul, der für den Hof spricht? Ich habe auf der Station niemanden gesehen.«

»Ja, gibt es. Ein Veteran namens Cameron. Aber er hält sich versteckt und verlässt die Orbitalstation niemals. Er mag kein Wasser.«

»Na, dann hat er sich aber keinen guten Ort ausgesucht«, murmelte Christine und trat noch näher an das Aussichtsfenster der Fähre heran. So nahe, dass ihre Maske fast das Dia­mantglas berührte. Sie erwischte sich immer wieder dabei, wie sie die Luft anhielt.

So viel Wasser.

Die Fähre flog seit einer Stunde über den endlosen Ozean. Über ihnen spannte sich ein absurd blauer Himmel, der jedoch einen Stich ins Violette hatte, was Christine fremdartig und bizarr vorkam. Eine vollkommen neue Welt lag zu ihren Füßen und sie konnte es trotzdem nicht fassen und wiederholte es immerzu.

Eine ganze Welt aus Wasser.

Ihr Vater riss sie aus ihren Gedanken, indem er mit einer seiner behutsamen Gesten zum Horizont deutete, wo gerade ein großer, schroffer Felsen in Sicht kam. Er sah aus, als hätte ihn ein Riese oder ein achtloser Gott direkt aus dem Himmel in das Meer fallen lassen. An einer Seite des schwarzen Steines klammerte sich ein Wald, der zum Wasser hin in Sandstrände mit einzelnen Palmen auslief.

»Ist das die Hauptinsel?«, fragte Christine. »Sie ist so klein.«

»Das sieht nur so aus«, erklärte ihr Vater, »weil der Stein der Göttin so groß ist. So nennen sie den Berg, der die Insel dominiert. Tatsächlich hat die Insel eine Fläche von zehntausend Quadratkilometern. Es gibt noch hunderte von weiteren Inseln, die allein über diesen Quadranten verstreut sind, die meisten davon tauchen auf keiner Karte auf.«

Die Fähre erreichte die Küste und flog kurz über dichten Urwald hinweg. Die größte Siedlung der Insel schien sich an den Berg zu schmiegen und lief von dort entlang des gewaltigen Felsmassivs zum Wasser hin aus. Palmen und niedrige Häuser aus dem gleichen schwarzen Stein wie der Felsen blitzten auf und waren schon wieder verschwunden. Christine hatte gerade noch Zeit, sich über den seltsamen Eindruck von Verlassenheit zu wundern, der von allen Bauwerken ausging, als sie auch schon langsamer wurden. Ihr fiel auf, dass die langen Blätter der Palmen einen Stich ins Blaue hatten und heftig im heißen Wind der Antriebsdüsen wehten. Zahlreiche niedrige Häuser aus Stein duckten sich zwischen die Palmen und wirkten seltsam leer unter ihrem forschenden Blick, während sich die Fähre elegant in der Luft drehte und auf einer unscheinbaren freien Fläche niederging.

Vor dem großen Aussichtsfenster drehte sich der Platz und eine Gruppe Menschen kam in Sicht, die offensichtlich auf ihre Ankunft gewartet hatten. Der Eindruck war nur flüchtig, bevor sich die Fähre in ihre finale Position drehte, doch Christine erspähte bunte Kleider und Standarten mit dem Zeichen des merkwürdigen dicken Fisches, welcher das Symbol für diesen Planeten war. Dann verschwand die Gruppe auch schon wieder aus ihrem Blickfeld. Sie wirkten nicht sehr beeindruckt. Christine fand dies erstaunlich. Sie war bereits Gast zahlreicher offizieller Empfänge auf der Erde gewesen und sie wusste, dass die offizielle Fähre des Botschafters der Krone einen imposanten Anblick bot. Eine mächtige Erscheinung in Form eines mythischen Ungeheuers in Schwarz und Gold, dazu geschaffen, Eindruck zu machen. Sie spürte, wie die Fähre aufsetzte und das dumpfe Fauchen der Triebwerke langsam erstarb.

»Willkommen auf unserem neuen Heimatplaneten, mein Schatz«, erklärte ihr Vater und klang dabei erstaunlich müde.

Kein Militär, keine bewaffnete Eskorte, dachte Christine.

Sie wollte ihrer Irritation gerade Ausdruck verleihen, als sich ihr Vater an den Kopf griff und den Verschluss seiner Maske löste. Das war so unerhört, dass es seiner Tochter glatt die Sprache verschlug.

Mit ruhigen Bewegungen nahm ihr Vater seine reichverzierte Maske ab, welche die stilisierte Version des gleichen bärtigen Gesichts zeigte, welche nun darunter zum Vorschein kam. Er atmete tief durch und rieb sich die Augen.

»Du kannst deine Maske abnehmen, Schatz. Wir sind da. Auf dieser Welt gelten die Regeln des Hofes nicht und wir sind angewiesen, uns der hiesigen Kultur nach Möglichkeit anzupassen.«

Christine zögerte, doch dann tat sie es ihrem Vater gleich und hob langsam die Hände zum Verschluss der schlichten weißen Maske, wie Frauen sie trugen, bis sie verheiratet wurden. Sie zögerte, die Finger auf dem Verschluss.

»Ich dachte«, begann sie langsam, »das diplomatische Corps benutzt Masken mit menschlichen Gesichtern, eben damit wir sie auch auf fremden Planeten tragen können, ohne die Bevölkerung zu erschrecken. So hat es mir mein Lehrer erklärt. Dafür hat der Kaiser extra den Sondererlass für die Ausnahme von den Tiermasken genehmigt.«

»Dieser Planet ist besonders«, entgegnete ihr Vater und half Christine, die Maske abzunehmen. »Diese Welt ist von immenser Bedeutung für das Reich. Der Planet ist sehr alt und der Kaiser will die Kontrolle über die Ressourcen haben, ohne dass die Probleme schlimmer werden.«

Ein Geräusch hinter ihnen ließ Christine erschrocken herumwirbeln.

Der Pilot der Fähre, erkennbar an der Rangverzierung seiner Vogelmaske, war respektvoll in den Raum getreten und verbeugte sich tief. Christine musste einen Impuls unterdrücken, sich die Hände auf das Gesicht zu pressen.

»Botschafter Langley. Wir sind gelandet. Die Gesandten warten.«

Christine sah nervös zu ihrem Vater hinüber. Sie hatte ihn noch nie außerhalb der Wohnräume ohne Maske gesehen. Schon gar nicht in Gesellschaft anderer Menschen. Das Gefühl war unangenehm. Es hatte etwas leicht Obszönes. Sie verschränkte die Arme und presste die Hände an den Körper, um den Impuls zu unterdrücken, sich die Maske wieder aufzusetzen.

Ihr Vater schien ihre Gedanken zu erraten.

»Lass die Maske hier, Schatz, wir werden sie zusammen mit dem Gepäck zur Botschaft bringen lassen. Ich muss sofort in Meetings mit den hiesigen Religionsführern, dem Befehlshaber der Streitkräfte und den Botschaftsvertretern. Du kannst dich derweil umsehen, wenn du möchtest. Du willst bestimmt das Meer sehen, nicht wahr?«

Christine nickte unwillkürlich. Sie wollte definitiv das Meer sehen. Sie zögerte.

»Wartet mein Begleitschutz draußen?«

»Du brauchst keinen Begleitschutz. Dies ist nicht die Erde.«

Sie schwieg und riss die Augen auf.

Keine Maske und kein Begleitschutz. Er könnte mich genauso gut bitten, ohne Kleidung durch die Straßen zu tanzen. Ich soll allein und nackt ans Meer gehen. Also weitestgehend unbekleidet. Also eigentlich nicht. Aber, … aber Gnade des Uhrmachers, was sollten die Leute sagen?

Sie schloss die Augen und schalt sich eine dumme Göre. Alle anderen Leute waren ja auch nackt und ohne Wächter.

Also nicht wirklich nackt, aber …

Ihre Gedanken verhedderten sich, als ihr Vater ihr einen sanften Schubs gab, um sie aus ihren Träumereien zu reißen.

Sie erschrak, zog instinktiv ihre schwarze Uniform gerade und stolperte zum Ausgang der Fähre. Dort zögerte sie noch einmal, während sich die Rampe senkte. Sie hatte sich immer gefragt, wann sie wohl alt genug sein würde, um zu den offiziellen Or­gien bei Hof eingeladen zu werden. Dort, wo Männer und Frauen ihre Masken abnahmen und einander beim Essen beobachteten und bei anderen Dingen auch. Es schien, als würde sie heute ihr Training dafür beginnen. Sie riss sich zusammen.

Christine tat einen Schritt aus dem klimatisierten Schiff hinaus auf die Rampe und stockte. Es fühlte sich an, als würde sie in einen Backofen laufen.

Sie wollte sich umdrehen, um ihrem Vater nachzusehen, doch Menschen ohne Maske nachzustarren, verstieß gegen die Etiquette und kam nicht infrage. Sie zwang sich, würdevoll einen Schritt nach dem anderen zu machen und bemerkte in ihrem Schock kaum, wie sie sich von der Fähre entfernte und langsam durch die Ausläufer der Siedlung wanderte. Das Meer zog sie instinktiv an. Christine fühlte sich entsetzlich nackt und verwundbar, merkte jedoch schnell, dass sie genauso gut unsichtbar hätte sein können. Die wenigen Menschen, die ihr begegneten, beachteten sie schlicht nicht. Sie war so damit beschäftigt, sich dafür zu schämen, weil man ihr Gesicht sehen konnte und sie wie eine Gewöhnliche keinerlei Begleitung hatte, dass ihr die Seitenblicke nicht einmal auffielen. Davon abgesehen war sie bei Hof trainiert worden, ungewünschte Aufmerksamkeit würdevoll zu ignorieren.

Frauen in bunten wehenden Kleidern und Männer in grober Arbeitskleidung eilten geschäftig durch die Straßen und würdigten sie dabei keines Blickes. Viele schienen mit dem Schmücken der Häuser und Straßen beschäftigt zu sein. Alle waren schlank und braun gebrannt von der Sonne, die wie eine Lötlampe über ihr am Himmel hing.

Christine erwog, tiefer in den Ort zu laufen, doch ohne den Schutz ihrer Eskorte und ihrer Maske war sie sich nur zu sehr bewusst, dass sie aussah wie ein verwirrter, blasser Geist zwischen all den braun gebrannten Menschen. Zu ihrem Entsetzen musste sie feststellen, dass die Menschen hier auch noch alle wunderschön waren. Ihr wurde elend. Großartig. Mein Auftritt wird in die Geschichtsbücher eingehen. Eine dürre, weiße und hässlich magere Schneeflocke, welcher der Schweiß in Strömen über das Gesicht läuft.

Sie beschloss, zum Strand zu gehen.

Ich wollte sowieso viel lieber das Meer sehen, entschied sie und glaubte es sogar fast.

Ihre Füße trugen sie schnell hinunter zum Wasser, wo sie lange einfach nur hingerissen auf die Wellen blickte, die überhaupt nicht mehr aufhören wollten.

Nach einer Weile sah sie sich verstohlen um und trat dann langsam mit ihren schwarzen Lederstiefeln ins Wasser.

Unwillkürlich musste sie lächeln und vergaß für eine Sekunde das absolut Unerhörte dieser Situation. Sie ging in die Knie und fühlte Wasser und Sand zwischen ihren Fingern. Das kühle Wasser spülte um ihre Hand und ließ sie auflachen.

Beim Uhrmacher, ich lache, dachte Christine, von sich selbst schockiert. Mit nackten Händen und ohne Maske oder männlicher Begleitung in der Öffentlichkeit. Wenn ich jetzt auch noch Wein trinke, kann ich auch anfangen, Geld für meine Gesellschaft zu nehmen.

Sie schmunzelte über ihre eigene Verwegenheit, doch ihre Erziehung antwortete umgehend.

Zuhause würdest du sofort von den Sittenwächtern verhaftet werden.

Dieser Gedanke brachte sie wieder schaudernd in die Realität zurück. Wie um sie abzuschrecken, rollten größere Wellen auf den Strand.

Wenn der Saum meiner Hose nass wird, werde ich vor Scham sterben.

Sie stand auf und trat ein paar Schritte zurück, als etwas gegen ihren Fuß stupste und ein überraschtes Fiepen ausstieß. Sie schrie auf und drehte sich erschrocken um.

Neben ihrem Stiefel lag ein kleiner roter Ball und piepte empört. Das Ding glänzte nass und sah beunruhigend organisch aus. Christine wich entsetzt zurück und starrte auf das fleischige, kugelige Etwas, das unbeeindruckt hinter ihr her rollte, sie auffordernd anstupste und dabei laut piepte. Sie überlegte panisch, um Hilfe zu rufen, doch der lebende Ball hatte kaum die Größe einer kleinen Melone und schien sie nicht angreifen zu wollen.

»Er will dir nichts tun«, erklärte eine warme Stimme hinter ihr. »Er hofft nur, dass du etwas zu essen für ihn hast.«

Christine wirbelte herum und wäre vor Schreck fast in das Wasser gefallen.

Im ersten Moment dachte sie, eine Frau würde vor ihr stehen, doch sie war sich sicher, die Stimme eines Mannes gehört zu haben.

Sie sah die langen, schwarzen Haare und den bunten Rock, doch das Hemd war aufgeknöpft und die Person trug nichts darunter. Der Oberkörper war schlank und nicht sehr muskulös, doch von zahllosen Tätowierungen bedeckt.

Ein Mann, dachte sie. Definitiv. Glaube ich. Bei der Güte des Uhrmachers, warum sind hier alle so verdammt attraktiv?

Zu ihrem Entsetzen bückte sich der Fremde nun und hob den kleinen, fleischigen Ball auf. Er schenkte ihr ein warmes Lächeln aus einem Gesicht, das weder männlich noch weiblich war und hielt ihr das eklige Kugelding hin.

»Sie sind sehr verspielt und neugierig. Er wollte dich nur kennenlernen.«

Christine blickte angewidert auf das bizarre Wesen herab. Bei näherer Betrachtung bestand seine Oberfläche aus dicken, faltigen Strängen, aus denen die Kugel aufgewickelt schien. Einen davon begann der Fremde nun mit einem Finger zu kraulen.

»Sie mögen es, wenn man sie streichelt.«

Das Wesen in seiner Hand fiepte zufrieden und begann sich auseinanderzufalten. Die faltigen Stränge entrollten sich und wurden zu einem Bündel dicker Arme, die unter einem kugeligen Kopf hingen. Zwei riesige runde Augen öffneten sich und musterten Christine neugierig. Die langen Arme des kleinen Kraken tasteten aufgeregt umher und bevor sie realisierte, was sie tat, hielt sie dem kleinen Wesen die Hand hin und beo­bachtete fasziniert, wie sich ein Tentakel um ihre Finger rollte.

»Sie sind vollkommen harmlos«, erklärte der Fremde und setzte den kleinen Oktopus wieder auf den Boden, wo er sich sofort zusammenkugelte und davonrollte.

Christine sah dem Wesen eine Weile lang verblüfft nach, bevor sie realisierte, dass der Fremde sie aufmerksam musterte.

»Du bist gerade erst gelandet, nicht wahr?«, fragte er.

Christine nickte.

»Mit der Diplomatenfähre«, antwortete sie und deutete unsinnigerweise Richtung Landeplatz. »Mein Vater ist der Botschafter der Krone.« Der Fremde warf ihr einen undeutbaren Blick zu. Das verunsicherte sie so sehr, dass sie direkt weiterplapperte. »Mein Vater arbeitet, und ich dachte, ich komme her, denn ich habe noch nie das Meer gesehen.«

»Noch nie das Meer gesehen«, echote der Fremde und sah sie weiter aus seinen dunklen Augen an.

Die langen Wimpern, seufzte Christine innerlich und hätte sofort vor Scham sterben können. Hör sofort auf, so zu klingen wie eine dumme Magd, Langley, fluchte sie innerlich.

»Es ist so unglaublich groß«, erklärte sie hilflos.

»Ja«, lachte er. »Und das ist erst der Anfang von allem, was hier groß ist.«

Wunderschöne weiße Zähne, dachte Christine. Sie mied seinen Blick und sah auf das Wasser hinaus. »Du hast so ein Glück, dass du hier lebst und an den Strand kommen kannst, wann immer du willst.« Sie sah aus den Augenwinkeln zu ihm hinüber und bemerkte, dass er langsam und nachdenklich nickte.

»Ich komme oft zum Beten hierher«, erklärte er ruhig.

Christine, die, seitdem sie laufen konnte, jeden Sonntag für mehrere Stunden in den Tempel des Uhrmachers geschleppt worden war, hatte diesen Satz dennoch noch nie gehört.

»Betest du viel?«, fragte sie lahm.

Der Fremde lachte leise in sich hinein, als wäre es eine ungewollt komische Frage.

»Ich lebe im Tempel«, erwiderte er, als wäre das etwas Normales, dass man an einem heißen Tag am Strand einfach so sagte.

Er deutete hinter sich, wo sich jenseits der Stadt die schroffen Felsen scharf gegen den Himmel abzeichneten.

»Das große Gebäude am Fuß der Klippen. Erstaunlich schwer zu übersehen.«

Er fuhr fort, sie seltsam anzusehen und erklärte irgendwann freundlich: »Ich war noch nie auf der Erde, aber in meiner Kultur stellen sich die Gäste als Erstes vor.«

»Wirklich?«, hauchte Christine und hätte sich sofort dafür ohrfeigen Können.

Ein bisschen Wasser und schwarze Augen und ich vergesse jedes verdammte Training, das ich jemals erhalten habe.

Sie zog die Absätze zusammen legte eine geschlossene Rechte auf ihr Herz und intonierte: »Mein Name ist Christine Langley, Tochter des Botschafters Brandon Langley, des obersten Gesandten ihrer Majestät des Kaisers. Sei gegrüßt im Namen der Krone.«

Der junge Mann legte den Kopf schief und lächelte vergnügt. Schließlich trat er an sie heran und reichte ihr eine Hand.

Christine hielt inne und starrte seine Rechte an, als hätte sie noch nie eine Hand gesehen.

»Wir reichen uns zur Begrüßung die Hand«, erklärte er hilfreich.

Sie fuhr fort, zu starren, als bestünde die Gefahr, seine Hand könne jederzeit explodieren.

»Aber ich trage keine Handschuhe«, murmelte sie hilflos.

»Wir werden lernen, damit zu leben«, entgegnete er bestimmt und nahm vorsichtig ihre Rechte. Seine Hände waren sehr warm. Sie blickte in die schwarzen Augen, während wesentliche Teile ihres Inneren flüssig wurden.

»Willkommen in meiner Heimat, Christine. Mein Name ist Aven.«

»Aven«, flüsterte Christine. Sie versuchte den Blickkontakt zu halten, doch sah wieder auf die beiden Hände hinab. Es war schwer, den Blick von dem Kontrast zwischen seiner tiefbraunen und ihrer schneeweißen Haut zu nehmen. Ihr wurde schlagartig bewusst, dass sie noch nie in ihrem Leben die nackte Haut eines Mannes berührt hatte und spürte, wie sie heftig errötete.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte Aven und ließ ihre Hand los. »Du bist ganz rot im Gesicht.«

Für einen Moment glaubte sie, ihr Herz würde einfach stehenbleiben.

Er sieht dein Gesicht, schoss es ihr durch den Kopf.

Du trägst keine Maske!

Panik flutete durch ihren Kopf. Eine Sekunde lang überlegte sie, ohnmächtig zu werden, wie die Damen bei Hof, doch dann riss sie sich zusammen.

Ich bin doch keine der idiotischen Damen bei Hof, fluchte sie innerlich und tat das Offensichtliche. Wortlos stürmte sie an Aven vorbei und rannte den ganzen Weg zurück zur Botschaft.

03 | Vergessene Welt

 

Erst als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, erlaubte es sich Langley, auszuatmen. Sein Sekretär reichte ihm mit routinierter Geste ein Glas Whiskey sowie eine Zigarre und gab ihm Feuer. Langley trank das Glas in einem Zug leer und stöhnte leise.

»Das war unerfreulich, Anderson.«

»Dem würde ich zustimmen, Sir«, bestätigte sein Sekretär, rieb sich den kahlen Kopf und nickte, »und das, nachdem ich zwei Monate gebraucht habe, um dieses Treffen überhaupt anzusetzen.«

»Ich denke, wir haben erfolgreich etabliert«, fuhr Langley fort, während Anderson sein Glas nachfüllte, »dass uns die Hohepriesterin nicht ausstehen kann. Als Vertreter der Krone bin ich das natürlich gewohnt. Was habt Ihr in Euren zwei Monaten hier herausfinden können, während ich mir bei Hof die neuste Doktrin der Kirche anhören durfte?«

Anderson sah nachdenklich zu Boden.

»Die Lage ist äußerst angespannt, Sir. Der hiesige Tempel ist sehr empfindlich, wenn es um Einmischungen in die Religion der Göttin geht, und selbst das bloße Landen auf dieser Welt wird als Anmaßung verstanden.«

»Konntet Ihr herausfinden, warum bis vor einem Jahr niemand bei Hof von dieser Welt wusste?« Langley trat an die Bar, füllte ein zweites Glas und drückte es Anderson in die Hand. »Ich habe auf Eure verschlüsselte Nachricht hin die Archive mit der Pinzette durchsucht. Jemand scheint sich große Mühe gegeben zu haben, jeden Hinweis auf diese Welt verschwinden zu lassen.«

Anderson nickte und trank sein Glas ebenfalls in einem Zug leer.

»Wie es aussieht, Sir, hat unsere alte Königin, möge ihre gütige Seele den langen Weg zum Uhrmacher finden, die hiesige Hohepriesterin bereits zu ihrem Amtsantritt hier vor Ort besucht. Das muss vor einem halben Jahrhundert gewesen sein. Damals scheint es eine Art von Vereinbarung zwischen den beiden gegeben zu haben. In deren Folge dieser ganze Planet scheinbar offiziell, hm, vergessen wurde.«

»Ah«, machte Langley. »Das zumindest ergibt einen gewissen Sinn. Und es bedarf keines Meisters der Gilde der Astrologen, um den Grund zu ahnen.«

»Ich kann nur spekulieren, Sir«, entgegnete Anderson, »aber ich vermute, dass unsere geliebte Herrscherin genau wusste, was passieren würde, wenn der Hof von diesem Planeten erfährt. Besonders von seinen Ressourcen.«

»Und jetzt hat der Hof davon erfahren«, erklärte Langley seufzend und füllte sein eigenes Glas nach. Er sprach leise und wie zu sich selbst. »Auf dem Thron sitzt der neue Kaiser und träumt von einem gewaltigen Sternenreich zu Ehren des Uhrmachers und bekommt fortwährend neue Fantasien der Allmacht vom obersten Inquisitor der Kirche ins Ohr geflüstert.«

»Gefährliche Worte, Sir«, kommentierte Anderson ebenso leise, »selbst für den höchsten Vertreter der Diplomatengilde.«

Langley seufzte und rieb sich müde die Augen.

»Dann können wir uns ja glücklich schätzen, dass wir in dieser maskenlosen Wildnis hocken, bis wohin die unsichtbaren Ohren des Hofs noch nicht vorgedrungen sind.«

Er starrte eine Weile vor sich hin, bevor er schließlich fragte: »Wie ist die Stimmung in der hiesigen Bevölkerung, Anderson?«

Der Angesprochene stellte vorsichtig sein Glas auf der Bar ab und schien zu überlegen.

»Es ist schwer zu sagen, Sir. Diese ganze matriarchalische Gesellschaftsordnung ist äußerst fremdartig für jemanden von der Erde, selbst wenn er wie wir in die Gilde der Diplomaten geboren wurde. Die Menschen hier sind verschlossen wie Austern und das auch erst, wenn man sie denn mal findet. Die Bevölkerung lebt auf hunderten kleinen Inseln verstreut, die nirgendwo verzeichnet sind und alle stehen miteinander in Kontakt und niemand will mir erklären, wie. Es ist gespenstisch. Eines ist jedoch sicher, Sir. Die Ankunft der Orbitalstation wurde als massiver Affront aufgenommen. Ein Berg aus Stahl mit dem hell erleuchteten Ziffernblatt des Uhrmachers am Himmel über ihrem Ozean gilt hier als vorsätzliche Beleidigung der Göttin.«

Langley, der mit seinem Glas an das Fenster getreten war und mit bedächtigen Gesten rauchte, während er ausdruckslos in den blauen Himmel hinauf starrte, schüttelte langsam den Kopf.

»Es stellt sich heraus, dass anderen Menschen den eigenen Glauben aggressiv ins Gesicht zu pressen, keine Freunde macht. Wer hätte das gedacht. Es ist, als hätten wir ihm das schon vor zehn Jahren gesagt. Hat sich schon Widerstand in der Bevölkerung geformt?«

Der Sekretär zuckte mit den Schultern.

»Es ist unmöglich zu sagen, Sir. Wir sind an einem Ort, an dem nicht zu reden als religiöse Praxis gilt. Aber es gibt Anzeichen, dass sich unter der Oberfläche ein organisierter Unwille formt. Colonel Williams wird Euch später zu diesem Thema intensiver briefen.«

»Anzeichen wie das Symbol der stilisierten Walfluke, das ich an verschiedenen Häuserwänden gesehen habe?«

»Das ist wie immer ausgesprochen perzeptiv von Euch, Sir. Ich habe aber auch nichts anderes erwartet. Auch hier kann ich wieder nur spekulieren, aber ich würde vermuten, dass an einem Ort, an dem Menschen geradezu fanatisch einer schweigenden Göttin dienen, allein die öffentliche Existenz dieses Symbols einen fast schon extremistischen Trend zeigt.«

»Darf ich davon ausgehen«, fragte Langley ruhig, »dass der Brand an unserer neuen Anlegestelle in Zusammenhang mit dieser Vermutung steht?«

Der Sekretär nickte langsam.

»Der Vorfall wurde offiziell als Unfall eingestuft, jedoch blieben viele Fragen ungeklärt. Die Daten sahen … seltsam aus.«

Langley winkte ihm fortzufahren.

»Anderson, Ihr solltet nach all diesen Jahren wissen, dass ich Eure Initiative schätze. Was habt Ihr herausgefunden?«

»Nun, ich habe die Daten verschlüsselt an einen meiner Kontakte geschickt. Ein überaus kompetenter Hofalchemist. Es ist etwas, was nicht exakt innerhalb meiner Befugnisse liegt, aber sein Urteil war ebenso unzitierbar wie eindeutig.«

Langley schwieg einen Moment.

»Und das verschwundene Aufklärungsschiff?«

Anderson verzog das Gesicht.

»Ich kann an dieser Stelle nur darauf hinweisen, dass ich schon Wochen, bevor die Transportfähre mit den Bauteilen hier eintraf, mehrere eilige Meldungen gemacht habe, in denen ich in aller Deutlichkeit von diesem Plan abgeraten habe.«

»Ich weiß, Anderson, ich habe sie gelesen. Meine Meinung wurde jedoch zusammen mit Euren Mahnungen ignoriert.«

Er wandte sich seinem Sekretär zu.

»Wusstet Ihr bereits, dass es einen Anschlag geben würde?«

»Oh, das war kein Anschlag, Sir«, betonte Andersen.

»Es war keiner?« Langley zog die Brauen noch.

»Es ist der Ozean, Sir. Die Einwohner dieser Welt machen kein Geheimnis daraus. Wer nicht ihrer Göttin dient, den wird das Meer zu sich nehmen. Wartet auf den Bericht von Commander Willikins, Sir. Er wird Euch die Details geben.«

Langley sah lange auf seine Zigarre hinab, bevor er fortfuhr.

»In Euren Berichten stand, dass die hiesige Fauna gefährlich ist. Deswegen hat die Gilde der Pioniere die bewaffneten Fregatten geschickt. Was ist aus den Schiffen geworden?«

»Commander Willikins wird es Euch erklären, Sir. Ihr würdet es mir nicht glauben.«

»Ist es so gefährlich hier?«

»Ihr wäret verblüfft, Sir. Gefährlich beginnt es nicht einmal zu beschreiben.«

In diesen Moment ertönte ein Gong und Anderson ließ routiniert seine Taschenuhr aufschnappen.

»Es tut mir leid Sir, aber Euer nächster Termin steht an, und es ist jemand, den wir nicht warten lassen sollten.«

Langley stöhnte leise.

»Bitte nicht der Irre mit der Uhr«, murmelte er.

Anderson überging dies und erklärte: »Seine Magnifizenz hat einen umgehenden Rapport gefordert, kaum dass Eure Fähre den Boden berührt hatte.«

»Ich bin am anderen Ende der verdammten Galaxie und werde unaufhörlich von religiösen Fanatikern belästigt«, murrte Langley leise. Er legte die Zigarre in einen großen Kristall-Aschenbecher und zog die Brauen zusammen.

»Moment, wieso Magnifizenz. Letzte Woche war er doch eine Eminenz.«

Anderson nickte.

»Die Inquisition hat jetzt auch die kaiserliche Hochschule übernommen. Somit ist er nun auch der Dekan der Universität von Britannien. Gerüchten zufolge hat er das nur getan, weil Magnifizenz noch wichtiger klingt als Eminenz.«

Langley schnaufte.

»Würde mich nicht im Geringsten überraschen. Ich hatte gehofft, die Verbindung wäre noch nicht hergestellt. Auf der Orbitalstation hat es schließlich auch noch nicht funktioniert.«

Sein Assistent lächelte schief.

»Ich vermute stark, Sir, dass die fehlende Funktionalität dort eher mit dem Unwillen des hiesigen Konsuls zu tun hat. Er hat keinerlei Intention, mit den Vertretern der Krone zu reden.«

»Ja, den Eindruck hatte ich auch. Es war sehr offensichtlich, dass der diensthabende Konsul kein Anhänger der neuen aggressiven Expansionspolitik bei Hof ist.«

»Er ist noch von der alten Garde, Sir. Unsere geliebte Königin hat den Einfluss der Kirche immer auf den Hof beschränkt und ihren Vertretern vor Ort freie Hand gelassen. Dies ist nicht die erste Kolonialwelt, auf der ein örtlicher Machthaber von der neuen Kirchendoktrin überrascht wurde.«

»Alte Garde trifft es gut. Ein überaus gewichtiger Mann, den Gerüchten zufolge.«

»Sein Name ist Cameron, Sir. Hochdotierter Veteran des Sumeru-Krieges.«

»Hat er jemals die Station verlassen?«

»Noch nie. Er lenkt die Exportangelegenheiten des Planeten vollständig von oben. Nun, bis jetzt gab es ja auch nicht viel Wirtschaft, die man hätte steuern müssen.«

Langley lachte.

»Kein Wunder, dass er diese Welt nicht mag. Er ist weit weg von seinem Zuhause.«

Anderson führte Langley in einen Nebenraum, der von einem mannshohen ovalen Spiegel mit breitem, reich verziertem Messingrand dominiert wurde. Langley hielt inne und starrte verblüfft.

»Gütiges Licht! Die Dinger werden immer größer. Ich erinnere mich noch, als die ersten Modelle kamen. Groß wie ein Handspiegel und ohne Ton. Gebärdensprache war zwei Generationen lang Pflicht in der Diplomatengilde. Es bedurfte einer ganzen Lagerhalle voll Ausrüstung und einem Dutzend Technomagier, um es ans Laufen zu bringen.« Er sah sich im Raum um und betrachtete die Messingrohre und dicken Kabelstränge, die im Boden verschwanden. »Wo ist der ganze Krempel überhaupt?«

»Er füllt alle Kellerräume der Botschaft«, erklärte Anderson. »Dort sind auch alle Techniker untergebracht.«

»Das ganze System muss ein Vermögen gekostet haben.«

»Die Botschaft ist unmissverständlich. Das besondere Augenmerk des Hofes ruht auf uns.«

»Weil mein Job ja noch nicht schwer genug ist«, murmelte Langley. »Wenn die Dinger noch größer werden, können wir irgendwann auch einfach Portale benutzen.«

»Der diensthabende Technomagier hat mir erklärt, dass es sich tatsächlich um abgespeckte Portaltechnologie handelt. Er sagt, ohne Materietransfer ist es einfach tausendfach billiger. Diese Modelle werden im Moment scheinbar auf allen Kolonialwelten installiert.«

»Der Hof meint es wirklich ernst«, kommentierte Langley bitter.

»Die Kirche möchte gerne einen engen Kontakt zu ihren Außenstellen unterhalten.«

»Ich frage mich, wie diese ganzen Gespräche koordiniert werden. Ich erinnere mich, dass es vor nicht einmal zehn Jahren völlig unmöglich war, mehr als eines der Setups zu unterhalten.«

»Meine Kontakte bei Hof haben mich wissen lassen, dass dafür eine neue Erfindung benutzt wird. Es nennt sich Automaten-Magie. Offenbar experimentiert der Hof mit denkenden Maschinen.«

»Charmant«, kommentierte Langley. »Weil, wir haben ja noch nicht genug Dämonen in Menschengestalt. Lasst uns sie auch noch in Maschinen stopfen. Verdammte Schwarzmagie.«

Anderson nahm seinem Chef vorsichtig den Whiskey aus der Hand und kontrollierte seine Taschenuhr. Er trat an ein gebogenes Messingrohr an der Wand heran und pfiff laut in den Trichter. Wie als Antwort darauf hörte man kurz darauf das ferne Knallen von elektrischen Entladungen.

»Kontakt in einer Minute, Sir.«

Langley seufzte tief.

»Es hilft ja alles nichts«, erklärte er und baute sich vor dem Spiegel auf. Weitere knisternde Entladungen folgten und kleine Blitze liefen am Rahmen des Spiegels entlang. Ein vibrierendes Summen erklang, welches den ganzen Raum erfasste. Langley konnte es durch die Sohlen seiner Stiefel spüren. Die Oberfläche des Spiegels verfärbte sich, als hätte jemand Tinte darauf geschüttet. Das Glas schien an Tiefe zu gewinnen und wirkte nun wie ein endloser Brunnenschacht. Wellen liefen über dessen Wände in die Unendlichkeit davon und es roch nach Ozon.

Langley stöhnte leise, als sich eine schemenhafte menschliche Form in der Ferne aus der Dunkelheit löste und langsam nach vorne trat. Schwarze Fäden aus Dunkelheit lösten sich widerstrebend von der wabernden Form und Schatten fielen zögerlich von ihr ab, während sie langsam Gestalt annahm.

»Wie in einem verdammten Albtraum«, murmelte Langley.

Die hochgewachsene Person gewann an Realität und Details ließen sich erkennen. Sie trug lange fließende Brokatgewänder mit aufwändigen Stickereien in Silber. Doch die meisten Menschen tendierten dazu, die Kleidung dieser Person nicht zu bemerken. Jeder Blick wanderte umgehend nach oben und die Aufmerksamkeit wurde vollständig vom Kopf der Gestalt in Beschlag genommen. Das stand zu erwarten, wenn man sich mit einer Person konfrontiert sah, die eine Uhr auf dem Kopf trug. Genauer gesagt eine Art Helm, welcher den ganzen Kopf umhüllte und dem Betrachter ein Zifferblatt präsentierte, dort, wo das Gesicht sein sollte.

Die Gestalt war im Spiegel direkt vor Langley stehengeblieben. Eine Sekunde lang überfiel ihn Panik bei dem Gedanken, es könne doch ein Portal sein und das bizarre Wesen würde ihn greifen und in die Dunkelheit hinter dem Spiegel zerren. Er hatte den starken Verdacht, dass die Gestalt genau diesen Eindruck bezweckte. Er sah auf, denn die seltsame Uhr schwebte mehr als eine Kopflänge über dem Diplomaten.

»Ton?«, fragte Langley leise und ohne die Lippen zu bewegen.

»Kommt gleich«, antwortete Anderson. »Die Entfernung ist sehr groß. Der Ton hinkt so weit draußen immer hinterher.«

»Gütiges Licht, hat er schon wieder eine neue Maske?«

»Achtung«, murmelte Anderson, dann hob er die Stimme.

»Erhebet Euch«, intonierte der Sekretär sinnloserweise die offizielle Formel. »Ehre Ihrer Magnifizenz Nicolas Eymerich, Chefinquisitor und oberster Patriarch der heiligen Kirche, der Wächter des Uhrwerks.«

Jetzt, wo der Ton funktionierte, konnte Langley tatsächlich auch das leise Ticken des Uhrwerks in der Maske des Inquisitors hören. Die Verarbeitung war über alle Maßen exquisit. Es gehörte zu seinem Beruf, monetäre Ausdrücke weltlicher Macht abschätzen zu können. Die Goldverzierung und die Elfenbeinintarsien der Maske allein waren mehr wert als sein Jahresgehalt.

»Die Krone grüßt Euch, Botschafter Langley«, begann die Gestalt. Sie sprach mit einer warmen, kultivierten Stimme. »Wie schätzt Ihr die hiesige Lage ein?«

»Eure Eminenz, ich bin gerade erst gelandet. Ich hatte kaum Gelegenheit, mit der Vertreterin der hiesigen Religion zu sprechen. Es ist jedoch nicht schwer zu erkennen, dass wir hier nicht sonderlich beliebt sind.«

»Es ist für uns keine Überraschung, Botschafter. Ihr werdet ohne Zweifel feststellen, dass die heidnischen Wilden auf dieser von allem Guten verlassenen, blasphemischen Wasserkugel einem teuflischen Irrglauben anhängen. Diese sogenannten Religionen verzweifeln immer angesichts der Größe des Uhrwerks. Es wird Eure Aufgabe sein, Botschafter, ihnen die Kenntnis von der Macht des Uhrmachers zu bringen.«

»Eure Magnifizenz verwechseln mich mit einem Vertreter der Missionare. Meine Aufgabe ist es, zu vermitteln.«

»Eure Aufgabe, Botschafter, ist es, als Bote den Willen des Kaisers zu kommunizieren. Die oberste Mission duldet keinen Aufschub. Der Kaiser hat den Ruf der Schöpfung vernommen und versteht, dass die Ressourcen dieser Welt eine Schlüsselrolle einnehmen in der Mission, die Suche nach dem Uhrmacher voranzutreiben.«

»Mit Verlaub, Eure Magnifizenz, wir verstehen nichts von dieser Welt und unsere bisherigen Bemühungen sind, vorsichtig formuliert, ins Leere gelaufen.«

»Die Krone hat einen langen und mächtigen Arm, Botschafter. Diese unsere Kolonialwelt wird dem Willen der Krone folgen. Wenn Zweifel an diesem Punkt bestehen, wird der Kaiser seine Ansichten gerne mit Truppenverlegungen verdeutlichen.«

»Eure Magnifizenz. Diese Welt ist nicht einmal vernünftig kartografiert. Die Gilde der Pioniere war noch nie hier. Wir haben jedoch bereits Schiffe verloren und die Bevölkerung gegen uns aufgebracht. Der Arm der Krone mag lang sein, aber dies ist eine Wasserwelt. Ungleich allem, was wir jemals gesehen haben, und ich möchte darauf hinweisen, dass es schon einige Generationen zurückliegt, seit Captain Hardeggen seine legendäre Seewolf gegen den Zaren geführt hat. Wir sind Meere nicht mehr gewohnt, und dies ist nicht der Ort, einen Konflikt zu provozieren. Diese Welt ist gefährlich, wenn man sie nicht versteht. Und wir verstehen im Moment absolut nichts.«

»Ihre Aufgabe, Botschafter, ist es, den Willen des Kaisers in die Kolonien zu tragen und der Wille des Kaisers spricht mit der Stimme der Kirche. Die von mir formulierten Ziele waren keine Bitten.«

»Und ich, Eure Magnifizenz, bin sehr sicher, dass die Gilde der Diplomaten nicht der Kirche untersteht. Wir dienen seit Jahrhunderten dem Frieden, und was wir in die Kolo­nien tragen, sind Worte, keine Waffen.«

»Ihr werdet möglicherweise genötigt sein, Euer Weltbild anzupassen, Botschafter. Ihr habt eine Woche. Der Kaiser wünscht Ergebnisse zu sehen. Unsere heilige Mission braucht Energie und unter diesen wilden, vom Uhrmacher vergessenen Wasserflächen voller ungläubiger Heiden liegt unser aller Zukunft greifbar vor uns.« Hier erhob er die Stimme. »Es ist das bestimmte Gefühl der Krone«, erklärte er würdevoll, »dass die gegenwärtige Expansion des heiligen Britanniens ein Schlüssel dazu sein wird, das Wort des Uhrmachers in die tiefsten Winkel des Universums zu tragen. Auf dass die gesamte Schöpfung vereint werden kann in Lob und Anbetung angesichts seiner Größe.«

Damit erlosch der Spiegel und Langley starrte nur noch in sein eigenes entsetztes Gesicht, während er tief durchatmete.

»Geisteskranker Irrer«, murmelte er.

04 | Verborgene Tempel

 

Christine steckte sich ein weiteres Stück von dem weißen Fruchtfleisch in den Mund und sah sich gedankenverloren kauend um. Überall waren Menschen damit beschäftigt, die Straßen mit Blumengirlanden zu schmücken, Stände aufzubauen und die Häuser zu schmücken.

Kleine Kinder liefen kreischend umher und jagten einander um die Häuser. Junge Frauen mit verblüffend vielen Babys standen angeregt schwatzend in Gruppen zusammen. Vereinzelt sah sie ältere Männer, denen ihre Jahre, abgesehen von grauen Haaren und zerfurchten Gesichtern, nicht anzumerken waren.

»Du hast wirklich noch nie Kokosfleisch gegessen?«, fragte Aven ungläubig. Sie saßen auf einer niedrigen Mauer neben einer Reihe von Ständen, die schon zur frühen Stunde Speisen und Getränke anboten. Die Stimmung um sie herum war aufgeräumt und das Lachen der jungen Frauen hing in der Luft.

Christine schüttelte den Kopf und wollte sich ein weiteres Stück in den Mund stecken, musste jedoch feststellen, dass ihre Schüssel bereits leer war. Sie sah verlegen zu Aven hinüber. Dieser lächelte und tauschte wortlos ihre Schüsseln. Er hatte seine Portion noch nicht angerührt.

Christine hatte den Mund schon wieder voll und sah sich weiter neugierig um. Ihr Blick blieb an einer der nahen Palmen hängen.

»Die Palmen in der Siedlung haben alle ein Gitter am Fuß des Stammes. Wozu ist das gut?«

»Es verhindert, dass die Kokoskrabben den Stamm hinaufklettern.«

Christine blinzelte ihn an, während ihr Mund offenstand.

»Krabben, die auf Bäume klettern?«

»Oh ja, sie mögen Kokosnüsse. Sie werfen sie auf die Felsen oder in diesem Fall Häuser, damit sie aufbrechen.«

»Ah, die Gitter sollen verhindern, dass jemand versehentlich von einer Nuss getroffen wird?«

»Nein, es soll verhindern, dass jemand mit voller Absicht von einer Nuss getroffen wird.«

Christine steckte sich ein Stück Kokos in den Mund, kaute einen Moment und starrte Aven dabei an.

»Waf?«, nuschelte sie.

»Wenn dich eine Kokosnuss aus der großen Höhe am Kopf trifft, bist du sofort tot. Das freut die Krabbe, denn dann kann sie herunterkommen und bringt alle ihr Freunde zu einem Festessen mit.«

Christine riss die Augen auf.

»Das ist ja schrecklich.«

»Nein, das ist schlau«, entgegnete Aven. »Alles auf dieser Welt dient der Göttin und sie mag ihre Kinder intelligent. Wer auf dieser Welt nicht schlau ist, hat nicht viel Zeit, dumm zu bleiben.«

Christine kaute sehr langsam und runzelte dabei die Stirn. Sie wollte gerade eine Frage dazu stellen, als ihr etwas sanft gegen den Kopf stupste. Sie drehte sich um und sah in die Augen eines kleinen Fischs, der direkt vor ihrem Gesicht schwebte. Ihr entfuhr ein kurzer Aufschrei und sie wäre fast hintenübergefallen, wenn Aven sie nicht gehalten hätte.

»Es tut mir leid«, lachte Aven. »Ich habe sie nicht kommen sehen. Sie sind sehr schnell und ein wenig zu aufdringlich.«

Das Wesen kreiste um Christines Kopf und blinzelte sie freundlich an. Es war klein, kugelig und hatte ein plattes Gesicht mit zwei großen Augen, welche sie interessiert musterten. Statt seiner Seitenflossen hatte der fliegende Fisch zwei Paar lange, durchsichtige Flügel, welche sich so schnell bewegten, dass sie kaum zu sehen waren. Das erlaubte ihm jedoch, mit einem hellen Sirren vor ihr in der Luft zu schweben und sie neugierig zu beobachten. Er brummte gelegentlich laut auf und kippte immer wieder nach vorne, um demonstrativ in ihre Schale zu blicken und sie dann wieder aufmunternd anzublinzeln.

»Ich glaube, sie würde sich über ein Stück Kokos freuen.«

»Sie?«

»Ja, es ist ein Weibchen. Sie nisten auf den Klippen in kleinen Höhlen, wo sie ihren weiblichen Nachwuchs aufziehen.«

»Nur die Weibchen?«, fragte Christine, die dem kleinen Fisch vorsichtig ein Stück Kokos entgegenhielt. Das kleine Wesen pickte das weiße Stück Fruchtfleisch überaus würdevoll aus ihren Fingern und flog überraschend schnell davon.

»Genau«, bestätigte Aven. »Sie sind vollkommen harmlos und sehr neugierig und werden gerne von kleinen Kindern eingefangen, welche sie dann als Haustiere halten. Sie binden Schnüre an ihnen fest und führen die Fische spazieren, wie einen lebenden Luftballon. Normalerweise jagt diese Spezies Insekten, doch sie haben schnell gelernt, dass es weit einfacher ist, den Menschen ihr Essen vom Teller zu stehlen. Oder unseren Abfall zu plündern. Sie sind überaus clever.«

Christine sah dem kleinen fliegenden Fisch noch immer nach.

»Wie sehen die Männchen aus?«

»Die Männchen sind sehr klein und unscheinbar und verbleiben in großen Schwärmen im Meer. Die Weibchen sind viel größer und verlassen mit ihren Töchtern früh das Wasser. Außerhalb der Paarungszeit treffen die beiden Geschlechter niemals aufeinander. Wir dachten früher immer, es wären zwei völlig verschiedene Spezies.«

»Und wie habt ihr die Wahrheit erkannt?«

»Die Priesterinnen haben es uns gesagt. Sie lehren uns die Zusammenhänge und Mechanismen dieser Welt, das ist ihre Aufgabe.«

»Und woher wussten es die Priesterinnen?«

Aven sah sie erstaunt an

»Natürlich von der Göttin«, entgegnete er, als wäre es das Offensichtlichste der Welt.

»Von der Göttin?«, fragte Christine. »Die Göttin redet mit euch?«

Aven warf ihr einen seltsamen Blick zu.

»Natürlich redet sie mit uns«, erwiderte er und sprach langsam, als würde er mit einem Kind reden, »schließlich ist sie unsere Göttin.«

Christine sah ihn sprachlos an. Aven kniff die Augen zusammen.

»Redet euer Gott nicht mit euch?«

»Nein.«

»Was ist dann der Sinn eurer Religion?«

»Nun«, erklärte Christine langsam. »Wir versuchen, ihn zu finden.«

»Den Sinn?«

»Den Gott.«

»Entschuldigung, ihr sucht euren Gott? Aber woher wisst ihr dann, wie ihr ihm dienen sollt?«

»Das sagen uns die Priester«, erklärte Christine und ahnte schon, wohin diese Diskussion führen würde.

»Und woher«, fragte Aven, »wissen die Priester, was richtig und was falsch ist, wenn euer eigener Gott nicht mit euch redet?« Er schüttelte irritiert den Kopf. »Das klingt nicht wie ein sehr durchdachtes System, und auf dieser Grundlage unterwerft ihr ganze Welten?«

»Wir unterwerfen niemanden!«, empörte sich Christine.

»Wirklich? Dafür unterhält die Krone verblüffend viele Kolonialwelten.«

»Das Königreich ist groß und nicht alle Welten sind reich, aber sie alle brauchen Energie«, verkündete Christine und schämte sich, denn es klang auswendig gelernt.

»Und jetzt habt ihr unsere Welt gefunden … und unsere Wale.«

Christine blickte verlegen in ihre leere Schüssel.

»Die Runenmagier bei Hof sagen, dass die Walknochen bei den Energieritualen zehnmal so viel Energie freisetzen wie alle unsere bisherigen Artefakte.«

»Ich habe gehört«, entgegnete Aven vorsichtig, »dass die Energie auf der Erde bisher aus, … aus Würmern gewonnen wurde? Das klingt … überaus seltsam.«

»Hast du schon mal einen dieser Würmer gesehen?«

»Nein, die Priesterinnen sagen, diese Wesen vermeiden Wasser. Deswegen kennen wir sie nicht. Ich habe das nie verstanden. Wie kann es sein, dass sie Knochen haben? Es sind doch Würmer?«

Christine lächelte.

»Ja, das hat mich auch verwirrt. Aber ich habe in der Schule von einem Alchemie-Magier gelernt, dass es tatsächlich keine Würmer sind, sondern eine Schlangenart, die gelernt hat, unter Tage zu leben.«

»Menschen von der Erde sind seltsam. Ich habe mich immer gefragt, wie diese Wurmdinger so wichtig sein können. Ich meine, wie groß kann ein Knochen in einem Wurm werden?«

Christine lachte laut.

»Gütiger Uhrmacher, weißt du das wirklich nicht? Die Dinger werden riesig. Manche sind groß wie ein Dampfzug. Ihre Knochen sind groß wie ein Pferd. Und es ist das erste transdimensionale Wesen, welches die Menschen jemals gefunden haben. Es hat uns die Portaltechnologie ermöglicht.«

Aven schenkte ihr einen undeutbaren Blick.

»Du machst dir keine Vorstellung davon, wie groß das alles zu Hause ist«, erklärte Christine ernst.

Aven schwieg einen Moment, während er sie ruhig ansah.

»Größe beeindruckt dich also.«

Er stand auf und stellte ihre Schale wortlos auf der Mauer ab. Zu ihrem Entsetzen nahm er ihre Hand und führte sie durch die Häuser bergauf Richtung Tempel.

Christine sah sich hilflos um, während Aven sie durch die schmalen Gassen zwischen den Häusern zum Fuße des Berges zog, doch niemand schien ihr Beachtung zu schenken. Sie eilte dem schnell davonschreitenden Mann nach und ärgerte sich bereits darüber, dass sie heimlich hoffte, der Weg würde sich noch ewig hinziehen, während er ihre Hand hielt.

Der Tempel lag am äußersten Rand der kleinen Stadt und sie hatte schon mehrmals gedacht, dass er für einen Hauptsitz einer Religion nicht allzu beeindruckend wirkte.

Das eingeschossige Gebäude schmiegte sich dicht an den Berg aus zerklüfteten Felsen, die den hinteren Teil der Insel beherrschten und sich scharf und schwarz gegen den blauen Himmel abhoben. Er war weder besonders groß noch außergewöhnlich klein, lediglich seltsam … unscheinbar. Er hatte nicht mal Säulen am Eingang und eine vollständig schmucklose Fassade. Dafür fühlte sich die Luft im ersten Empfangsraum bereits deutlich kühler an als draußen. Die Atmosphäre war angenehm und es roch entfernt nach Räucherwerk.

Vielleicht hat man keine Zeit, beeindruckende Kirchen zu bauen, wenn man vom Meer lebt, dachte sie und erklärte:

»Die Kathedrale des Uhrmachers in London fasst zehntausend Menschen. Sie strahlt des Nachts wie eine Galaxie und enthält ein eigenes Sternenportal am Altar.«

»Das ist sehr beeindruckend«, entgegnete Aven und Christine kam sich sofort dumm vor. Als beide wenige Minuten später noch immer tiefer in den Berg hineingingen, hätte sie sich ohrfeigen können.

Natürlich, dachte Christine, während sie staunend durch lange, von kleinen Öllampen dürftig erhellte Felsengänge lief, kann man die ganze Tempelanlage auch einfach in den Fels schlagen. Ich und mein unüberlegtes und voreiliges Quasseln. Man sollte meinen, dass ich in den zehn Jahren unter Diplomaten besser trainiert worden sein müsste. Stattdessen wusste sie immerhin, wie tief man knickste, wenn man vor dem zweiten Cousin der Putzfrau des Kaisers stand. Ich muss verdammt noch mal aufhören, wie ein dummes Kind zu denken. Ich war entschieden zu lange unter den ganzen nutzlosen, kichernden Hofdamen. Deren Dummheit scheint eine ganze Ecke ansteckender zu sein als ich dachte. Gütiger Uhrmacher, hören diese Gänge denn niemals auf? Der Komplex muss riesig sein.

Für eine Sekunde hatte sie die Vision, dass sich die Gänge vor ihr bis in die Unendlichkeit erstreckten und sie für immer und ewig neuen Abzweigungen folgend durch die Dunkelheit laufen musste.

Was für eine furchtbare Vorstellung.

Sie sah auf ihre Hand hinab.

Auf der anderen Seite könnte ich für immer diese Hand halten. Sie verdrehte die Augen. Es musste irgendetwas in der Luft hier sein. Zuhause benahm sie sich doch auch nicht so. Sie atmete tief durch und starrte entschlossen in die Dunkelheit, bereit, sich jedem Albtraum zu stellen.

05 | Neue Wahrheiten

 

Okay, was ist der nächste Albtraum?«, fragte Langley und rieb sich die Augen.

»Der Commander der örtlichen Streitkräfte wartet auf Euch im Grünen Salon«, entgegnete Anderson.

»Ist das der Raum mit den Möbeln aus rotem Tropenholz, den jemand mit grünem Leder geflutet hat?«

»Genau dieser, Sir. Ich kann nur spekulieren, dass die Krone den Einheimischen einen unmissverständlichen Eindruck vermitteln wollte.«

»Den Eindruck, dass wir den Verstand verloren haben, weil jemand uns den Geschmack chirurgisch entfernt hat?«

»Ich bin sicher, dass Ihr das am besten beurteilen könnt, Sir.«

»Gebt mir Daten.«

»Ein kleiner drahtiger Mann namens Willikins, Sir. Gesicht wie ein alter Lederhandschuh. Major auf der Erde, jetzt Captain.«

»Er hat sich wahrscheinlich freiwillig gemeldet, hier Dienst für die Krone zu tun«, kommentierte Langley sarkastisch.

»Nicht ganz, Sir. Strafversetzt.«

»Schockierend.«

»Er sollte auf Zivilisten schießen lassen, die gegen die Religionsgesetze protestierten. Hat den Befehl verweigert.«

»Alte Schule?«

»Ganz alte. Generalsfamilie, Sir. Sie konnten ihn nicht wegsperren. Zu viel Kontakte bei Hof. Gerüchten zufolge ist er nicht ungern gegangen.«

Langley lehnte sich gegen die Wand und schloss die Augen.

»Anderson, wenn Ihr mein Leben retten wollt …«

»Ich bringe starken Kaffee, Sir.«

Langley seufzte dankbar.

»Ihr seid ein Engel an einem unwahrscheinlichen Ort.«

»Zweifelhaft, Sir. Weiße Flügel stehen mir nicht, ich bin ein Herbsttyp.«

Langley nickte abwesend, dann zögerte er und zog die Brauen zusammen.

»Flügel?«

»Nach neuster Kirchendoktrin haben Engel weiße Flügel, Sir.«

»Auf dem Kopf? An den Füßen?«

»Nein auf dem Rücken, Sir. Wie Vögel.«

Langley starrte einen Moment ins Leere.

»Es wird schwerer und schwerer, dem Hof als Diplomat zu dienen.«

»Sehr wohl, Sir.«

Langley riss sich zusammen, stand gerade und zog seine Uniform zurecht, bevor er den Salon betrat. Ein drahtiger Mann stand in der Mitte des Raumes wie eine gespannte Feder. Langley registrierte die abgetragene, aber sehr saubere Uniform und seine perfekte Haltung. Der Mann salutierte präzise und intonierte: »Die Sonne im Herzen des Uhrwerks scheint blendend auf den Moment unserer Begegnung. Die Weisheit des Schöpfers …«

»Ja, ja«, unterbrach Langley ihn und winkte müde ab. »Können wir den formalen Teil vielleicht überspringen, sonst sitzen wir morgen noch hier.«

Der Soldat schwieg und fixierte den Botschafter aus zusammengekniffenen Augen.

Langley schenkte ihm ein kleines Lächeln.

»Ich habe das letzte Mal geschlafen, als wir noch am anderen Ende der verdammten Galaxis waren. Auch wenn wir auf dem Transfer durch ein Dutzend Portale nicht einmal zwei Tage verloren haben, bin ich dennoch zuversichtlich, dass die formalen Begrüßungsformeln bei Hof in der Zwischenzeit wieder eine Seite länger geworden sind.« Er beugte sich vor und öffnete eine auf dem Beistelltisch stehende, edel verzierte Holzschatulle, entnahm ihr eine Zigarre und bedeutete dem Soldaten, das Gleiche zu tun.

»Die Krone«, kommentierte der Soldat trocken, »hat den Anbau, Besitz und Konsum von Tabak in allen Kolonien verboten.«

»Wie interessant«, entgegnete Langley. »Die Krone hat auch mal geschworen, unschuldiges Leben zu schützen, … Captain.«

Der Soldat sah weiter zögernd auf den offenen Humidor.

»Jetzt machen Sie schon, Mann«, forderte Langley. »Oder wollen Sie mir erzählen, dass Sie der erste Soldat der Krone sind, der nicht raucht? Was soll ich machen: Sie von den Soldaten verhaften lassen, die unter Ihrem eigenen Kommando stehen?«

Für eine Sekunde zeigte der Soldat ein winziges, schiefes Lächeln, das Langley mehr über die Stellung des Mannes und den Respekt seiner Männer verriet als jede offizielle Untersuchung.

Kurz darauf saßen die Männer in weichen Ledersesseln, pafften schweigend und taxierten einander durch weiße Rauchwolken hindurch.

Anderson betrat lautlos den Raum mit einem Tablett Kaffee und einem Teller edler Kuchenstücke.

»Geben Sie dem Commander einen großen Becher, schwarz, ohne Zucker«, erklärte Langley, ohne den Soldaten aus den Augen zu lassen.

»Geben Sie dem Botschafter eine kleine Tasse. Milch und zwei Zucker«, konterte Willikins. »Er kommt nicht zum Essen und braucht die Energie.«

Beide Männer lächelten.

Sie warteten, bis Anderson den Raum verlassen hatte, dann fragte Langley.

»Wie ist die Stimmung, Commander?«

»Schlecht.«

»Wirklich? Erstaunlich. Dabei ist es in allen anderen Kolonien so fröhlich.«

Wieder das schiefe, kurze Lächeln.

»Was waren Ihre Anweisungen bisher, Willikins?«

»In wenigen Worten, Sir? Präsenz zeigen, Kontakt zur Bevölkerung aufnehmen. Respekt vor der Krone schaffen.«

»Was haben Sie erreicht?«

»Sehr genau das Gegenteil.«

»Schockierend. Überall sonst funktioniert die Strategie perfekt. Steht zumindest in den offiziellen Stellungnahmen.« Er schien eine Weile nachzudenken. »Welche Mittel hat der Hof bereitgestellt?«

»Wir wurden mit drei schnellen Dampffregatten ausgestattet.«

Langley nickte langsam.

»Es muss enorm aufwändig gewesen sein, das ganze Material aus dem Orbit runterzubekommen.«

»Der Hof hat keine Mühe gescheut, technische Überlegenheit zu demonstrieren.«

»Ja, das ist der Standard-Ansatz, nicht wahr. Und wo sind diese Fregatten jetzt, Commander?«

»Zwei sind spurlos verschwunden und eine liegt am Grunde der Bucht, dicht neben dem Landungssteg der großen Werfthalle, die wir gebaut haben.«

»Wie steht es um Ihre Männer?«

»Wir haben mit sechzig Mann begonnen, nun sind wir noch fünfzehn.«

»Fünfzehn!«, rief Langley und richtete sich im Sessel auf. »Wieso weiß ich das nicht?«

»Steht alles in meinen Berichten«, entgegnete der Soldat kühl.

»Daran zweifle ich nicht«, erwiderte Langley. »Ich kann mir auch vorstellen, wo sie sind. Der Hof verfügt mittlerweile über drei verschiedene Geheimdienste. Zwei davon berichten ausschließlich an die Inquisition.« Er sah nachdenklich auf seine Zigarrenspitze, bevor er beiläufig erklärte: »Das hiesige Meer ist also nicht ganz einfach zu befahren? Ich habe Gerüchte gehört.«

»Es ist ein verdammter Albtraum, Sir. Alles ist zehnmal so groß wie auf der Erde. Alles greift augenblicklich an, und was Sie nicht auf dem Meer umbringt, das verfolgt Sie bis an Land.«

»Erzählen Sie mir von den Schiffen, und gehen Sie mal davon aus, dass ich nicht weiß, was passiert ist.«

Der Mann holte tief Luft. Es klang wie ein schweres Seufzen, nur rückwärts.

»Die ersten beiden Schiffe verschwanden in der Woche ihrer Fertigstellung. Wir wussten zwar, dass niemand auf diesem Planeten Schiffe mit Motoren benutzt, nur leider nicht, warum. Scheinbar sind die Motoren zu laut und die Tiere haben Angst davor, reagieren verwirrt oder wie im Falle der heimischen Raubfische … aggressiv.«

»Das Schiff wurde angegriffen?«, fragte Langley.

»Es wurde von einem Hai angegriffen.«

»Entschuldigung? Einem? Wie kann ein einzelnes Exemplar einer gepanzerten Fregatte gefährlich werden?«

»Wenn er größer ist als das Schiff, Sir. Das Tier hat die Fregatte glatt in zwei Teile gebissen. Der Angriff erfolgte nur wenige hundert Meter vor der Bucht. Vielleicht sind Sir bei Hof besser über die Geografie geschult worden, doch ich bin nur ein einfacher Soldat. Mir wurde erklärt, dass dies hier eine Vulkaninsel ist. Der Meeresboden fällt auf allen Seiten steil ab und erreicht schnell mehrere hundert Meter Tiefe. Man muss sich nicht weit entfernen, um in große Schwierigkeiten zu geraten. Und was für beeindruckende Schwierigkeiten! Wir konnten es gut durch die Fernrohre sehen. Das Schiff ist in Sekunden gesunken. Zusammen mit zwanzig Mann Besetzung.« Er pausierte und trank aus seinem Kaffeebecher. »Danach haben wir den Maschinenraum umgebaut. Massive Schallisolierung. Leiserer Motor. Entkoppelter Antrieb. Federgelagert. Frei schwingende Achse. Alles, um Vibrationen und Schall zu vermeiden. Es gab auch nur eine Kernmannschaft aus zehn Männern. So gelang es uns tatsächlich, die Haie zu vermeiden, und wir wurden mutiger.«

»Was ist passiert?«

»Wir wissen es nicht. Wir glauben, ein Krake hat das Schiff in die Tiefe gezogen.«

Langley ließ die Zigarre sinken und starrte den Mann an.

»Es gab keine Augenzeugen. Ein paar Tage später wurden Wrackteile angespült. Etwas hat die Stahlbleche der Außenverkleidung zerrissen, als bestünden sie aus Papier. Wir haben Abdrücke von Saugnäpfen gefunden, die das Stahlblech verbogen haben.«

»Wie groß?«, fragte Langley.

Der Soldat zeigte mit seiner Zigarre auf den Teller mit Kuchenstücken. »Die dritte Fregatte«, fuhr Willikins fort, während Langley noch immer den Teller anstarrte, »hat die Bucht nicht einmal verlassen. Sie sank, weil etwas Löcher in den Rumpf gefressen hatte. Einer meiner mutigeren, um nicht zu sagen lebensmüderen Männer ist hinuntergetaucht und hat sich den Rumpf angesehen. Die Löcher im Stahl sind nur so groß wie eine kleine Kupfermünze, doch er sagt, es gäbe hunderte davon.«

»Haben Sie herausgefunden, was …?«

»Ich habe nicht die geringste Idee und ich bin absolut bereit, auch ohne dieses Wissen zu leben.«

Langley schwieg eine Weile, während er in seine Kaffeetasse starrte.