Andere Leute und ich - Lu Bonin - E-Book

Andere Leute und ich E-Book

Lu Bonin

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Beschreibung

Geschichten - eine Sammlung Erlebtes festgehalten, Impressionen des Alltäglichen in Fiktionen umgesetzt, aus einer aktiven Lebenszeit in Jahren gesellschaftlichen Hinterfragens. Geschrieben für Menschen, die diese Zeit aus eigenem Erleben kennen und so, ähnlich oder ganz anders wahrgenommen haben. Dabei im Blick eine große Zeitspanne, die diese Generation geprägt hat, sich mit diesen Geschichten angesprochen fühlt. Eingeladen sind alle, mit diesen kurzweilig erzählten Lebensgeschichten eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu knüpfen.

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Inhaltsverzeichnis

Die Lesung

Leber und Salbei

Von der wunderbaren Retungeiner Erdbeertorte

Ein Tag, fast wie jeder andere

Nachspiel oder Zeichen aus dem Jenseits

Müssen wir alles tun, nur weil wir es können?

Warum ich wieder gern Bahn fahre

Familienfest

Schnelle Entschlüsse

Auftritt

Wie einer ein Außenseiter wurde-Monolog

Handschuhkauf

Filmball mit Besonderheiten

Ein besonderer Urlaub

Leseabend mit Fingerfood

Die Lesung

Jetzt geht’s los.

Sie waren nicht mehr zu halten in ihrer hausbackenen, kreativen Schreibgruppe in dieser Kleinstadt am Rande Berlins.

Endlich weg von „Leckerli-für-Pfiffi“- und „Wie-meine-Zwillinge-nacheinander-laufen-lernten“- Geschichten.

Auf zu neuen Ufern in die große Stadt!

Neue Leute treffen und, wonach es sie dürstete, Kontakte zu Verlagen knüpfen, um die richtigen Profis der Schreibkunst kennenzulernen.

Pia und Conny hatten sich fest vorgenommen, über den provinziellen Tellerrand hinaus am Fluidum der großstädtischen Schreibszene teilzuhaben.

Die neue Schreibwerkstatt in der Hauptstadt gab ihnen Hoffnung, inspirierte Träume in die Reihen der Literaturszene zu schlüpfen. Lesungen im eigenen Kreis, viel besser noch von Verlagen initiiert, sollten ungeahnte Chancen erschließen, endlich als die Schreibtalente entdeckt zu werden.

Was lag näher, als dorthin zu eilen, sich unter bedeutende Leute zu mischen und einen Hauch der großen, weiten Schreibwelt zu erhaschen.

An diesem Mittwoch vor Weihnachten ist es so weit.

Natürlich weiß Conny, wo die Veranstaltung stattfinden soll, hat zwar die Karte vom Kulturverein mit Termin und Anschrift auf dem Schreibtisch liegen lassen, doch schließlich hatte sie lange genug in der Großstadt gearbeitet, um sich auszukennen.

Auf dem Weg dorthin Pia von zu Hause abholen und dann ab ins Zentrum.

Während der Fahrt amüsieren sich beide über den Wettbewerb der Vorgartenilluminationskünstler, mit noch mehr Lichterketten, Weihnachtsfiguren, noch mehr Blink-Blink scheinbar einen

Preis gewinnen zu wollen. Vermutlich ausgelöst von einer amerikanischen Filmkomödie, die Clarkie, den amerikanischen Spießer in seinem Weihnachtswahn glossiert.

„Kennst du den anderen Film auch, in dem die gleiche Familie Urlaub in Europa macht?“, will Conny wissen und als Pia sich nicht genau erinnert, erzählt Conny kichernd die Szene, als sich die Amerikaner nach einem Besuch am Morgen von ihren vermeintlichen Verwandten in Deutschland verabschieden und der Hausherr seine noch immer verwirrte Frau fragt:

„Weißt du, wer die beiden waren?“

Die Fahrt vergeht kurzweilig.

Als Conny auf den Sehnsuchtsort gleich hinter dem Autobahnanschluss zusteuert, der bis vor einigen Jahren noch eine Großbäckerei war, protestiert Pia:

“Das ist nicht die ‚Backfabrik‘, da musst du noch ein Stück weiter fahren, die Umleitung entlang und dann wieder ein kleines Stück zurück.“

„Nein, nein, das weiß ich genau, da bin ich vor kurzem gerade mal vorbeigefahren, was du meinst, ist die ‚Brotfabrik‘“, versucht Conny aufzuklären.

Sie einigen sich darauf, eine Schleife zu fahren, um sich zu überzeugen, wer richtig liegt.

Das Stück weiter ist die „Brotfabrik“. Doch ist die „Backfabrik“ auch nicht da, wo Conny sie vermutet.

Pia fällt ein: „Na, Mensch, die ist doch im Friedrichshain, nähe Stadtmitte, da, wo es über den Prenzelberg geht, am ehemaligen Modeinstitut, die Straße fängt mit ‚S‘ an, wie heißt die denn bloß?“

Die Zeit läuft.

Conny ruft die Telefonauskunft an, lässt sich die Adresse der „Backfabrik“ ansagen.

Nur noch die Prenzlauer hoch und natürlich erinnert sich jetzt auch Conny an den früher mit Mehlstaub überzogenen Klinkerbau, schließlich hatte sie etliche Jahre ganz in der Nähe gearbeitet und war daran oft genug vorbeigefahren.

Das nennt sich nun also „Backfabrik“.

Einparken in der Tiefgarage und zum Endspurt ansetzen.

Die Lesung sollte um 20.00 Uhr begonnen haben, jetzt ist es kurz danach.

Großer Innenhof, sechs Stockwerke, vierzig Firmen, kein Hinweis, wo das große Ereignis stattfindet.

Treppe ‘rauf, hin zu Räumen, deren Fenster erleuchtet sind. Wie selbstverständlich werden sie begrüßt, inmitten von schon beim zweiten oder dritten Aperitif angelangten Weihnachtsfeiernden, also falsch.

Treppe wieder runter, da drüben sind auch noch helle Fenster, ach so, hier tagt der Sparkassenverband, sorry.

Pia, die eingefleischte Werbefachfrau, beginnt inzwischen den Dilettantismus persönlich zu nehmen, dass hier kein Aushang ist, kein Hinweis auf die Veranstaltung.

Wo nun hin? Ach, ist ja interessant, stellt Conny für sich fest, hier dieses besondere Restaurant zu entdecken.

Gehört hatte sie schon davon, dass man hier alles im Dunkeln macht, also Essen und Trinken, um das sinnliche Erleben zu fördern. Die blinde Serviererin verneint die Frage nach einer Lesung: „Hier bei uns heute nicht, aber fragen Sie doch mal den Securitymenschen, der muss sowas wissen. Der sitzt an dem anderen Eingang, Tür rechts und klingeln.“

„Danke für den Tipp.“

Der Securitymann hat die ganze Nacht Zeit, er nähert sich sehr langsam der Tür.

“Lesung? Hier nicht, müsste ich wissen.“

„Danke!“

Pause - tiefes Luftholen.

„Bist du dir sicher, dass wirklich auf der Karte stand ‚Backfabrik‘, war es nicht doch die ‚Brotfabrik‘?“

In Pia breitet sich Ärger aus, den Weg hierher etwa umsonst gemacht zu haben.

Conny ist sich immer noch sicher, richtig gelesen zu haben, aber auch bereit, noch einmal bei der ‚Brotfabrik‘ vorbeizuschauen - liegt sowieso am Heimweg.

„Wir hätten ja auch erst mal dort fragen können.“ Pia ärgert sich wegen der vergessenen Einladungskarte.

Also zurück, über Nebenstraßen die Sackgasse suchen, in der neben der „Brotfabrik“ geparkt werden kann. Jetzt ist es schon fast neun Uhr. Sie gehen um das Haus herum, das mit vielen Plakaten für ebenso viele Filmvorführungen wirbt. Sie nehmen die Kneipe wahr, die kaum besucht ist, finden keinen Hinweis auf eine Lesung und gehen wieder zum Auto. Unfassbar, diesen großen Abend, die Möglichkeit der Begegnungen verpasst zu haben.

Conny schließt das Auto auf, will einsteigen.

Pia kann sich noch immer nicht abfinden: „Ich gehe jetzt noch einmal in die Kneipe fragen, das kann doch nicht sein!“

Conny schließt wieder zu, schlendert Pia hinterher, die käme ja sowieso gleich wieder, erreicht die Kneipe und sieht Pia hinter der großen Scheibe winken, sie solle hineinkommen.

„Hier ist die Lesung!“, triumphiert Pia verschmitzt. Freut sich, doch noch zum Ziel gekommen zu sein. Eilig gehen sie den Weg zum Hinterzimmer, werden von der Wirtin gewarnt, dass soeben eine Pause vorbei sei und bereits wieder gelesen werde.

Doch nichts hält sie jetzt mehr auf.

Pia öffnet mit Schwung die Tür, die dem Autor, der gerade aus seinem Roman vorträgt, in den Rücken schlägt, weil man nicht ohne Absicht die Tische nahe an den Eingang gestellt hatte.

Den Zwischenruf der Dame vom Präsidium, hier sei eine geschlossene Veranstaltung, übertönt Pia energisch mit den Worten: „Wir wollen zur Lesung!“

Kein weiterer Widerstand, nur der Hinweis, dass dort hinten noch Stühle seien.

Ein wenig bissig beruhigt eine der Präsidiumsdamen das gestörte Publikum mit den Worten, dass man am besten erst weiterlesen solle, wenn gänzlich Ruhe eingekehrt sei.

Conny und Pia setzen sich, jedes Geräusch vermeidend, vorsichtig auf die Stuhlkanten und lauschen dem leidenschaftlichen Vortrag des Romanautors, der einen Ausschnitt aus seinem neuesten Werk vorträgt.

An der spannendsten Stelle, als der Autor eine erotische Szene detailliert schildert, fehlt ihm zum Weiterlesen ein Blatt. Sein Manuskript war durcheinandergewirbelt, ein Blatt sogar unter den Tisch gesegelt, als Pia und Conny stürmisch den Raum betreten hatten.

Das Publikum raunt, hatte es doch gerade die Stimmung der Romanszene aufgenommen.

Es dauert etwas, bis der begabte Schreiber seinen Vortrag fortsetzen kann.

Indessen werden Pia und Conny missbilligend gemustert.

Die Damen im Präsidium sind wahrscheinlich die von der bedeutenden Verlagsgruppe. So selbstbewusst und urteilssicher, wie sie sich nach dem Vortrag zum Text äußern, müssen sie die angekündigten Lektorinnen sein.

Conny ärgert sich beiläufig über ihre Schusseligkeit, die Karte mit dem Veranstaltungsplan nicht richtig gelesen zu haben, lässt sich aber bald gefangen nehmen von der nun folgenden Diskussion, Textbewertung nach Segeberger Kreis.

Diskussion? Textarbeit? Es war doch eine Lesung.

Wo sind überhaupt die anderen von ihrer neuen Schreibwerkstatt, die wollten doch auch alle kommen?

Die Diskussion entwickelt sich zu einem intensiven Werkstattgespräch, wie Pia und Conny es aus ihrer Schreibgruppe kennen.

Wieso hat überhaupt ein Mann gelesen? Es war eine Autorin angekündigt.

Kaum wagt Conny, einen Blick zu Pia zu schicken, die merkwürdig angespannt auf ihrem Stuhl sitzt, den Kopf gesenkt, so dass ihre halblangen Haare das Gesicht verdecken.

Doch es hält Conny nicht mehr, sie flüstert fast tonlos zu Pia:

„Wir sind hier falsch!“

Nur Pias Haarspitzen antworten mit eine Wippen.

Unbemerkt den Raum zu verlassen, ginge nur mit Tarnkappen, die unsichtbar machen.

Aufstehen und gehen, mitten in der Diskussion, noch einmal stören, bekennen, dass hier zwei Landeier am falschen Ort gelandet sind – oh, nein!

Pia und Conny reicht ein Blick aus, sich über die Situation und das folgende Verhalten einig zu sein.

Nur ein spitzer Schrei, ein lautes Lachen könnten ihre Spannung lösen, beides bleibt ihnen in den Kehlen stecken. Bloß nicht platzen! Tonlos weghecheln den Druck.

Selbstbeherrschung aus ihrem Job gewöhnt, beantwortet Conny im Anschluss an die Diskussion die peinliche Frage eines Werkstattteilnehmers nach dem Anlass ihres Hierseins.

Sie verweist mit Nonchalance auf die vermutlich fehlerhafte Information zum Ort der Lesung auf der Karte des Kulturvereins.

Sogar den Namen ihres Werkstattleiters und der Ansprechpartnerin bei der Volkshochschule will der Hobbyautor wissen, als sich die beiden ebenfalls als Freizeitschreiberinnen zu erkennen geben, worauf er wiederum einlenkt zu Inhalten der Werkstattarbeit und der Austauschmöglichkeiten beider Werkstätten...

Der Raum hat nur einen Ausgang.

Pia und Conny müssen sich noch der Begegnung mit einer Präsidiumsdame stellen, die in bester Zickenmanier parliert, dass man zukünftigen Zuspätkommern die Tür nicht mehr öffnen werde. Die vielen Störungen heute hätten das Maß gefüllt und wenn die beiden Neuen künftig kommen wollten, dann aber pünktlich um 19.30 Uhr und nicht fast zum Ende der Veranstaltung.

Pia und Conny haben nun noch die Kneipe zu passieren, in der die meisten Werkstattteilnehmer inzwischen auf Bier oder Tee zusammensitzen.

Im Hinausgehen hören sie jemand fragen: „Weißt du, wer die beiden waren?“

Auf dem übersichtlichen Vorplatz der „Brotfabrik“ wagen sie nicht, sich anzusehen, laufen so schnell es geht zum Auto und fahren schleunigst aus dem Blickfeld der Kneipe Richtung Heimat.

Sie können nicht widerstehen, noch einmal zu der ehemaligen Großbäckerei am Stadtrand zu fahren, die direkt auf dem Heimweg liegt, ob nicht irgendwo ein Hintereingang wäre mit einem Tor zu der versäumten Lesung, um ihren Irrtum wenigstens vor sich selbst zu rechtfertigen.

Als sie um das Gebäude herum fahren, hinter eine außer Betrieb gesetzte Schranke, um auch auf dem Hof nachzuschauen, schrillt eine Alarmanlage. Rote Lampen kreisen rhythmisch im Einklang mit dem Heulen einer Sirene.

Es ist endgültig Zeit, die Großstadt zu verlassen.

Im Rückspiegel sehen sie die Polizei mit Blaulicht auf die ehemalige Großbäckerei zu-fahren.

Auf Nachfrage am nächsten Tag in der „Backfabrik“ unter der auf der Einladungskarte angegebenen Adresse und Telefonnummer erhalten sie die Auskunft, dass die Leseabende mangels Beteiligung eingestellt worden seien und es wohl ein Versäumnis der Kulturverwaltung sein müsse, nicht rechtzeitig darüber informiert zu haben.

Leber und Salbei

Der Arbeitsaufenthalt in Köln war nicht sonderlich aufregend.

Einzig interessant an dieser Messe war, die Kollegen aus den verschiedenen Gegenden Deutschlands zu treffen und freundlich amüsiert wieder einmal bestätigt zu bekommen, dass landläufige Vorurteile über regionale Eigenschaften mitunter tatsächlich zutreffen.

Unser Kölner Kollege war ein echter Vertreter Rheinländischer Lebensart. Unterhaltsam seine Geschichten über zahlreiche Karnevalssessionen mit prominenten Vertretern aus der Zunft, sowie, was für ihn am wichtigsten ist, vor allem des Fernsehens. Mit diesen Feiern, deren Vor- und Nachbereitung fast das ganze Jahr beschäftigt, gab er uns das Gefühl, dass dies sein eigentlicher Lebensinhalt sei, nicht etwa die Arbeit, um derer willen wir hier zur Messe gekommen waren.

Herrn Tönnis Nase beeindruckte: Normale Größe, ihre Spitze sehr gut durchblutet, weshalb sie rot bis lila leuchtete und größer erschien als sie war.

Kombinierte man beide Beobachtungen, schien nur ein Schluss übrig: Er sprach scheinbar mit Verve allen Genüssen des Lebens zu, besonders dem Wein. Mit seinem sanften, angeborenen Charme bezog er uns für einige Tage in seine Art zu leben ein. Gern ließen wir uns eines Abends von ihm in ein Lokal führen, das er uns als Geheimtipp empfahl. Es befand sich gegenüber dem Theater des großen Sohnes und Ehrenbürgers der Stadt Köln, des Volksschauspielers Willi Millowitsch.

Unscheinbar, dieses Lokal direkt an der großen Aachener Straße im Erdgeschoß eines mehrstöckigen Bürgerhauses aus dem 19. Jahrhundert. Ein winziges Schild gab Auskunft über den Namen des Inhabers. Die Straßenfront des Lokals bestand lediglich aus einer großen Schaufensterscheibe, einem zurückgesetzten Eingang mit einer Holztür mit Glaseinlagen, deren etwas ramponierter Rahmen auf ihr Alter schließen ließ. Unsicher fragend sahen wir unseren Stadtführer an, vertrauten am Ende aber doch auf seine Erfahrung, schließlich wohnte er keine hundert Meter von diesem Ort entfernt, war hier Stammgast. Von der Eingangstür des Lokals aus zeigte er uns die Fenster seiner Wohnung.

Wir traten also durch die kleine Eingangstür in einen Raum, eine kleine Schankstube, sparsam möbliert mit sechs Tischen. Drei freie Stühle schienen auf uns gewartet zu haben, direkt an einem an die Wand gequetschten Tisch, gerade Platz für drei Teller und Gläser.

Die Wände des Raumes geweißt, schmucklos. Schlichte dunkle Holzstühle und eben solche Tische, mit weißen, ungestärkten Tischtüchern bedeckt, auf den ersten Blick ungepflegt. An der Wand neben dem Tresen eine schwarze Tafel: die Speisekarte, geschrieben mit weißer Kreide, einzusehen von jedem Platz des kleinen Gastraumes. Am Tresen fünf junge Männer, pomadefrisiert. Schlicht, doch sehr gepflegt mit schwarzen Hosen und weißen, am Hals offenen Hemden gekleidet. Viel Personal für diese kleine Gaststube. Sie hatten keine Eile, uns zu bedienen, ließen, so schien es, erst einmal die besondere Atmosphäre auf uns wirken.

Unser lokalkundiger Begleiter half uns bei der Auswahl unseres Menüs. Weniger, weil wir Hunger gehabt hätten, waren wir hier eingekehrt, mehr wegen der Geselligkeit.

Die Zeit des Wartens auf unser Essen füllten wir mit unseren Gesprächen über Gott und die Welt im allgemeinen und besonderen. Es war interessant, das Kommen und Gehen in diesem Lokal zu beobachten. Erstaunlich viele Leute fanden den Weg hierher. Sie verschwanden alle hinter einer Tür im Rücken des Tresens, wo es scheinbar noch weitere Räume gab, für Stammgäste vielleicht. Unser angeregtes Gespräch, die blumigen Schilderungen unseres Gastgebers ließen keine Langeweile aufkommen.

Versöhnt nach einiger Wartezeit auf unser Essen wurden wir mit einer traumhaften Bruschetta – der Speise der Römer, die jene schon zu Neros Zeiten bei Festspielen im Kolosseum zu sich nahmen. Ein Gedicht aus dem festen Fruchtfleisch der Tomate, vereint mit kleinsten, gerade noch mit der Zunge zu erahnenden Stückchen Knoblauchs, geschwenkt in duftendem Olivenöl und gekrönt mit frischem, gehacktem Basilikum. Alles zusammen fand seinen Platz auf handlichen, kross gerösteten und ebenfalls mit Olivenöl und Knoblauch behauchten Weißbrotscheiben. Über eine Serviette, nur mit einer Hand gehalten, führten wir unsere Bruschetta zum Mund, sorgsam darum bemüht, keinen noch so kleinen Krümel von dieser die Sinne anregenden Köstlichkeit zu verlieren. Keine Chance zu verhindern, dass das feine Olivenöl sich einen Weg entlang unserer Mundwinkel suchte. Schnell tat die Serviette ihren Dienst. Klares, kühles Wasser erfrischte nach dieser kaiserlichen Vorspeise Zunge und Gaumen.

Bis unsere Antipasti serviert wurden, labten wir uns an einem kühlen, leicht blumigen Soave, der Appetit machte auf die nun folgende körperwarme Komposition aus bissfest gegrillten Champignons, duftenden Zucchini und fein gegarten Auberginen sowie auf der Zunge zerschmelzenden, verschiedenen Paprikasorten.