Andere Weihnachten - Marcel Maack - E-Book

Andere Weihnachten E-Book

Marcel Maack

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Beschreibung

"Jetzt in dem Moment, in dem Anana das Geschenkpapier von ihrem Schuhkarton entfernte, schien das kleine Mädchen nicht an das Martyrium zu denken, das es mehrfach über sich hatte ergehen lassen müssen ..." Um weihnachtliche Schicksale geht es in diesem Kurzgeschichten-Buch. Es soll zeigen, dass Weihnachten nicht gleichbedeutend ist mit Friede - Freude - Eierkuchen. Oft ist das Gegenteil der Fall, denn alltägliches Leid macht vorm Christfest nicht Halt, auch wenn die Meisten es gern so hätten. Kein Buch also zum Lachen. Zwar schildert es auch positive und lustige Momente, vieles jedoch ist alles andere als fröhlich. Kurzum: Ein Buch zum Nachdenken. "Regine biss die Zähne zusammen und dachte eine Sekunde daran, wie sie nachher mit ihrem Mann Felix und ihrem dreijährigen Sohn Luca vorm Tannenbaum sitzen würde. Eine Sekunde, mehr Zeit blieb ihr nicht ..."

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Ähnliche


Zu sehen, wie die Augen

unserer Kinder strahlen,

das ist das Schönste

an Weihnachten!

M.M.

INHALT

Vorwort

Lonely This Christmas

Auf Streife

Nur noch heute...

Tannenduft

Der Einbruch - Teil 1

Erich

Wo die Liebe hinfällt

Der Kunde ist König

Der Einbruch - Teil 2

Ein Geschenk für Anana

Weihnachtsabend - Lebensabend

Sehnsucht nach Sonja

Der Einbruch - Teil 3

Wegwerfgesellschaft

Flucht ins Kinderzimmer

Auszeit

Unter der Brücke

Kerzenlicht & Badeschaum

Ein glanzvoller Auftritt

Auf Kreuzfahrt

Sonnenschein statt Weihnachtsstress

Peters Paradies

Nachwort

VORWORT

Weihnachten ist schön! Die Familie sitzt vereint vorm Tannenbaum, alle haben sich lieb, jeder macht jedem Geschenke, es wird gegessen und getrunken, die Sorgen und Nöte der vergangenen Wochen haben sich in Luft aufgelöst...

Wenn es doch bloß so wäre! Tatsächlich sieht Weihnachten für viele Menschen anders aus: Der eine muss arbeiten, weil sein Chef das so will, ein anderer möchte Geschenke kaufen, doch sein Konto ist in den Miesen, in manchen Familien weint das Kind, weil die Eltern sich streiten, und hier und da ist Trauer angesagt, weil der Liebste nicht mehr da ist.

Um solche und ähnliche Schicksale geht es in diesem Buch. Stellen Sie sich also darauf ein, dass vieles von dem, was Sie gleich lesen werden, weder zum Lachen noch überhaupt in irgendeiner Form fröhlich ist, sondern schlichtweg zum Nachdenken anregen soll.

Was jedoch nicht heißt, dass alles in diesem Buch ernst und traurig ist. Hier und da werden Ihnen auch positive Momente begegnen.

Viel Positives wünsche ich auch Ihnen für’s bevorstehende Weihnachtsfest!

Marcel Maack

LONELY THIS CHRISTMAS

Es war nicht viel, was unter Roswithas Tannenbaum lag. Zwei kleine Päckchen nur. Eins grün, das andere rot mit goldenen Sternen drauf. Sie selbst hatte die Geschenke dorthin gelegt, liebevoll hatte sie hier einen grünen Tannenzweig, da einen kleinen Strohstern drumherum platziert.

Der Baum war in diesem Jahr viel kleiner als sonst. 50 Zentimeter hoch, in den Jahren zuvor waren’s mindestens 1,50 Meter. Kein Baum diesmal, nur ein Bäumchen. Keiner aus dem Wald, wo man gegen Gebühr einen Baum schlagen darf, wo einem das gute Stück in ein Netz verpackt und zum Fahrzeug getragen wird. Wo Volksfeststimmung herrscht. Gleich zwei Buden schlagen Jahr für Jahr dort auf, an der einen gibt’s Glühwein und heißen Kakao, an der anderen Bratwurst. Oft hatten sie dort Bekannte getroffen. „Na, auch auf der Suche nach ‘nem Prachtexemplar?“, hatte Ingrid ihr letztes Jahr von hinten über die Schulter gerufen. Ingrid. Das ganze Jahr über treffe ich Ingrid nicht und dann begegnet sie mir plötzlich draußen im Wald, hatte Roswitha seinerzeit gedacht.

Dieses Jahr war Roswitha nicht im Wald gewesen. Dieses Jahr musste ein kleiner Baum aus dem Supermarkt reichen. Kein Prachtexemplar. Kein Glühwein. Kein Kakao. Und keine Bratwurst. Stattdessen ein Kassenbon: 12,99 Euro. Für das Geld hätte sie im Wald einen doppelt so großen Baum bekommen. Wobei der Preis dort schlicht 13 Euro und nicht 12,99 Euro gelautet hätte. Im Wald wird nicht mit Cent-Beträgen hantiert, da gibt’s nur glatte Euros. Alles andere wäre zu umständlich.

Nein, diesmal war sie nicht im Wald gewesen. Sie hätte die gute Laune um sich herum nicht ertragen können. Dieser ganze Trubel an der Glühwein-Bude, wo jeder mit jedem klönt, egal ob man sich kennt oder nicht. Nein, diesmal war ihr der Supermarkt lieber gewesen. Die einzigen Formen der Kontaktaufnahme im Supermarkt bestehen darin, dass man der Kassierin „Guten Tag“ sagt und dass der Hintermann dem Vordermann in der Schlange den Einkaufswagen in die Hacken rammt. Das ist alles. Mehr hätte Roswitha dieses Jahr nicht ausgehalten.

Einen 1,50-Meter-Baum, wie sie ihn in den Jahren zuvor im Wald geschlagen hatten, hätte Roswitha dieses Jahr gar nicht transportieren können. Der Kombi war weg, geblieben war ihr nur der Ford Fiesta. Die kleine Rostlaube mit Schrammen und Beulen. Wie hätte Roswitha einen 1,50-Meter-Baum in ihrem Fiesta transportieren sollen!

Nun stand er also im Wohnzimmer, der kleine Zwergenbaum. Mit cremefarbenen Kerzen und Strohsternen.

Wie gut, dachte Roswitha, dass ich nur einen kleinen Baum gekauft habe. Unter einem großen würden die zwei Päckchen überhaupt nicht zur Geltung kommen. Unter einen großen Baum gehören mehr Geschenke. In den vergangenen Jahren hatten wir immer eine Menge Geschenke unter dem Baum liegen gehabt, erinnerte sich Roswitha zurück. Sie merkte, wie eine Träne über ihre rechte Wange lief.

Kurz nach halb fünf kochte sie Kaffee. Zwei Tassen. Eine für jetzt, die andere für nachher. Roswitha schaltete das Radio ein, suchte nach Weihnachtsmusik. Es war das erste Mal, dass sie Weihnachten nicht zur Kirche gegangen war. Sonst waren sie um diese Zeit gerade vom Gottesdienst zurückgekommen. Eine Stunde Gottesdienst, halb vier bis halb fünf. Dieses Jahr hätte sie das Brimborium nicht ertragen können. Zu viele bekannte Gesichter. Dieses Jahr wollte sie niemanden sehen.

Früher waren sie sogar schon um halb drei in die Kirche gegangen. Um halb drei fand immer der Kindergottesdienst statt. Mareike und Christian hatten jedes Mal viel Freude am Krippenspiel gehabt. Roswitha erinnerte sich, dass sie ihre Kinder zu Weihnachten immer hübsch angezogen hatte. Mareike hatte meist ein rotes oder rosafarbenes Kleidchen getragen, Christian eine dunkle Cordhose und ein weißes Hemd. Er liebte Cordhosen. Einmal hatte sie ihm eine braune Kinderkrawatte dazu gekauft. Da war er stolz wie Oskar gewesen!

Heute hatten Mareike und Christian selbst Kinder. Heute würden Mareike und Christian mit ihren Ehepartnern und ihren Kindern Weihnachten feiern. Weit weg. Ihre Berufe hatten sie in die Ferne verschlagen.

Nachdem Roswitha die zweite Tasse Kaffee getrunken hatte, ging sie ins Schlafzimmer zu ihrem Kleiderschrank. Sie zog die graue Stoffhose und den Strickpulli aus und entschied sich für den samt- roten Rock und eine weiße Bluse. Wieder im Wohnzimmer, dimmte sie das Deckenlicht und zündete die Kerzen am Tannenbaum an. Auf einem Kissen machte sie es sich vor dem Baum bequem.

Fröhliche Weihnachten, flüsterte sie zu sich selbst. Da konnte sie den Schmerz mit einem Mal nicht mehr aushalten. Ein Meer aus Tränen ergoss sich über ihre Wangen, Roswitha ließ den Kopf in die Hände fallen. Ein einziges Tempo-Taschentuch hätte in diesem Moment nicht geholfen. Sie hätte ein ganzes Paket benötigt.

Sie heulte und vor ihrem inneren Auge lief das letzte Jahr ab. All die schlimmen Erinnerungen kamen in ihr hoch. Die anfänglichen Fragen. Die Unsicherheit. Das beginnende Misstrauen. Die Erkenntnis, dass ihr Mann Thomas sie über Monate hinweg angelogen hatte. Und schließlich die Gewissheit. Die Gewissheit, dass er eine Geliebte hatte!

Roswitha dachte daran zurück, dass ihr Mann abends immer später nach Hause gekommen war. Sie hatte ihm geglaubt, was er damals gesagt hatte: dass in der Firma so viel zu tun sei. Ob das nur ihn betreffe, hatte Roswitha daraufhin wissen wollen. Nein, auch die anderen müssten länger arbeiten. Ein großer Auftrag müsse erledigt werden. Thomas’ Chef hatte einen neuen Kunden an Land gezogen, der der Firma viel Geld einbringen würde. Bauzeichnungen für einen Discounter auf Expansionskurs. Da müssten alle Einsatz zeigen. Das waren Thomas’ Worte gewesen.

Alle? Hatten wirklich alle mehr arbeiten müssen? Diese Frage hatte sich Roswitha später gestellt, nachdem ihr im Supermarkt Klaus begegnet war. Thomas und Klaus waren seit jeher Bürokollegen. Warum hatte Klaus schon Feierabend gehabt und Thomas noch nicht? Als sie Thomas abends im Bett diese Frage gestellt hatte, war er ausgewichen. Roswitha war der Frage daraufhin nicht mehr weiter nachgegangen.

Erst als ihr Klaus ein zweites Mal im Supermarkt über den Weg gelaufen war, hatte sich Unsicherheit in ihr breit gemacht. Als sie Klaus schließlich ein drittes Mal getroffen hatte, während ihr Mann noch nicht zu Hause gewesen war, hatte sie den Kollegen angesprochen. Was sie nicht gemerkt hatte, war, dass Klaus geschluckt hatte; dass er einen Moment gebraucht hatte, um zu begreifen, was da offensichtlich abgelaufen war: Thomas hatte seine Frau angelogen.

„Thomas steckt am tiefsten in dem Auftrag drin. Er hat das meiste Fachwissen. Ich bleibe auch oft lange, aber Thomas muss am stärksten ran. Das kommt davon, wenn man gut ist. Wer gut ist, muss am meisten tun. Armer Thomas. Tut mir leid, Roswitha, dass er so wenig Zeit für dich hat. Aber tröste dich: Das wird schon wieder. Lass’ den Auftrag nur erst erledigt sein...“ Das war Klaus’ Antwort gewesen.

In den folgenden Wochen hatte Roswitha ihrem Mann verstärkt Fragen gestellt, worum es in dem Auftrag genau gehe: wie die Bauzeichnungen konkret aussähen, in welchen Orten die Gebäude entstehen würden. Sie hatte gemerkt, wie kurz angebunden Thomas ihr darauf geantwortet hatte. Ein paar allgemeine Floskeln, keine Details.

Wahrscheinlich will er mich in der wenigen Zeit, die wir zusammen haben, nicht mit seiner Arbeit nerven, hatte sie sich anfangs eingeredet.

Sie hatte es sich eingeredet, bis der Tag gekommen war, der alles verändern sollte. Frühmorgens, Thomas war gerade unter der Dusche und Roswitha bereits am Staubwischen gewesen, da war ihr Blick auf das Display seines Handys gefallen. Sie hatte das Telefon zur Seite legen wollen, um den Staub vom Nachttisch zu wischen, da hatte sie gesehen, dass auf dem Display eine SMS geöffnet gewesen war: „Heute Abend bei mir? Küsschen! Angela.“

„Natürlich habe ich auch heute Abend wieder viel zu tun, natürlich muss ich auch heute wieder bis spät an den Bauzeichnungen arbeiten.“ Mit diesen Worten hatte sich Thomas daraufhin zur Arbeit verabschiedet. Nachdem er nachts wieder nach Hause gekommen war, hatte Roswitha ihn zur Rede gestellt.

Besonders weh hatte Roswitha getan, dass ihr Mann in jenem Moment alles bejaht hatte. Er hatte so getan, als sei eine Geliebte das Selbstverständlichste von der Welt. „Ja, ich habe eine.“ - „Ja, wir treffen uns fast jeden Abend.“ - „Ja, wir schlafen miteinander.“ - Sogar: „Ja, ich liebe sie mehr als dich!“

Roswitha vergrub ihr Gesicht immer tiefer in ihren Händen.

Die Trennung im Herbst war schnell über die Bühne gegangen. Thomas hatte seine Sachen gepackt und war zu seiner Geliebten gezogen. Er hatte keine Möbel mitgenommen, bloß den Kombi. Gott sei Dank hatte es wegen dieser Dinge keinen Streit gegeben. Die Scheidung stand zwar noch aus, aber Probleme würde es keine geben. Was die finanziellen Dinge betraf, so hatten sie von Anfang an Einigkeit erzielt.

Roswitha merkte, dass sie aufgehört hatte zu weinen. Sie stand auf und holte Taschentücher. Im Radio lief „Lonely This Christmas“. Roswitha trocknete ihre Wangen und Hände.

Fröhliche Weihnachten, sagte sie sich erneut, nahm eines der beiden Geschenke, die sie sich selbst gekauft hatte, und begann vorsichtig, es zu öffnen.

AUF STREIFE

„Dann ma’ frohes Fest weiter!“ Britta und Klaus traten hinaus auf die Straße. „Mann, ist da schlechte Luft drin!“ - „Hast Recht, Klaus, ich konnte auch kaum atmen! Hast du übrigens den Tannenbaum gesehen?“ - „Klar hab’ ich den gesehen! Wenn schon Plastik, dann richtig: Das Ding ist nicht grün, das ist neon-grün!“

Britta und Klaus waren schon oft gemeinsam Streife gegangen. Aber Heiligabend? Nein, da waren sie noch nie zusammen unterwegs gewesen. Zwar hatten sie beide schon öfter an Heiligabend Dienst gehabt, aber nie gemeinsam. Und auch nicht immer auf der Straße. Letztes Jahr zum Beispiel hatte Britta im Büro gesessen. War das ein langweiliger Tag gewesen! Kaum Anrufe, nicht mal das Funkgerät hatte einen Pieps von sich gegeben!

Dieses Jahr waren sie zur gemeinsamen Streifentour eingeteilt worden. Die Polizei lief auch an Heiligabend Streife und dieses Mal hatte es Britta und Klaus erwischt.

Der neon-grüne Tannenbaum in „Paul’s Bierschänke“ hatte Eindruck bei den beiden hinterlassen: „Hey Britta, wär’ so ein Baum nichts für dich und deine Familie?“ - „Du spinnst ja wohl! Da verzichte ich lieber ganz auf Grünzeug und feiere Weihnachten im Bett!“

Die Zwei erreichten die nächste Kneipe. „Krümels Ecke“, genau so ein verruchter Schuppen wie eben „Paul’s Bierschänke“. Klaus öffnete die Tür.

„Oööy, wat woll’n denn die Bullen hier? Wollt’ ihr Stunk machen oder kommt ihr, um einen mitzutrinken?“ Ein Speckwanst mit Vollbart, der mit zwei ebenso dickwampigen, aber bartlosen Gestalten am ersten Tisch saß und Skat spielte, hatte die Lacher auf seiner Seite.

„Pass’ lieber auf, dass ich dir nicht die Asse aus dem Armel zieh’! Hast doch bestimmt ‘n paar drin versteckt!“, grinste Klaus und zog zwei Stühle ran. Britta und ihr Kollege setzten sich zu dem Trio. - „Ho, ho, ho“, raunte der Bärtige, „willst wohl wirklich Stunk machen, was?“ - „Nee, nur frohe Weihnachten wünschen“, antwortete Klaus und winkte den Wirt herbei. „Moin Krümel, mach uns mal zwei Cola fertig. Und für die Skatexperten hier drei Bier bitte!“

Da wussten sie, dass Klaus und Britta in friedlicher Mission unterwegs waren. Zwar warf Britta ihrem Kollegen einen missfälligen Blick zu, sie verstand es jedoch, das so dezent zu machen, dass die Skatkumpanen nichts davon mitbekamen. Klaus kannte diesen Blick bereits. Ab und an gab er „dem Bürger“, wie er immer zu sagen pflegte, ein Bier aus und jedesmal konnte Britta nicht ganz nachvollziehen, warum er das tat. Immer dann warf sie ihm besagten Blick zu. Hätte nicht auch diesmal ein normales Gespräch ohne Getränkerunde gereicht?

Sei’s drum, dachte Britta. Klaus liebte die Geselligkeit, das wusste sie, und bisher hatte er immer darauf geachtet, dass in seinem und ihrem Glas nie mehr als null Promille waren. Solange Klaus bei seiner Cola blieb und auch Britta nicht zum Bier greifen musste, sollte es ihr also egal sein. Schon oft hatte Klaus sich mit ihr zu Kneipengästen an den Tisch gesetzt, warum also nicht auch am Heiligen Abend!?

Krümel kam mit einem Tablett voller Getränke. „Danke, Herr Schutzmann!“, posaunte der Bärtige in Klaus’ Richtung. „Bisschen leiser wär’ auch ganz gut, sonst will gleich der ganze Saal ‘n Bier von uns haben“, entgegnete Klaus. Woraufhin der Bärtige tatsächlich zu flüstern begann: „Schon okay! Und danke auch an die Frau Schutzfrau!“ Sein Bart versank in der Schaumkrone. Britta lachte.

Das Gespräch entwickelte sich gut. Klaus und der Bärtige begannen darüber zu fachsimpeln, wie man am besten Karten zinkt, die Bartlosen schworen Britta, dass aber natürlich keiner von ihnen auch nur ein einziges Mal beim Skatspielen geschummelt habe. Die Karten seien immer im Originalzustand und Asse im Armel seien eine Todsünde und deshalb tabu. Britta wiederum musste eingestehen, dass sie noch nie im Leben Skat gespielt hatte, woraufhin der Bärtige Klaus links liegen ließ und sich ebenfalls Britta zuwandte: „Schätzchen, das können wir dir alles beibringen. Bleib’ hier und wir erklären dir das Spiel von A bis Z!“

„Nee, nee, Jungs, das kann ich nicht zulassen“, mischte sich nun Klaus wieder ins Gespräch, „als ihr Kollege muss ich strengstens aufpassen, dass sie den Dienstplan einhält und der sieht für heute Abend noch den gesamten Rest der Kneipenmeile vor. Anweisung vom obersten Dienstherrn, deshalb müssen wir jetzt auch gleich weiter.“

Die drei Kumpanen begannen gleichzeitig zu raunzen. „So’n Scheiß aber auch“, sagte ein Bartloser, „da hat man endlich mal nette Bullen am Tisch und dann verlangt der Oberbulle, dass sie wieder abhauen.“ Worauf der Bärtige schnaufte: „Nee, nicht ‚nette Bullen’. Hier sitzt nur ein Bulle am Tisch. Das andere ist ‘ne Frau, da darfste nich’ Bulle sagen! Sach ma’, Frau Schutzfrau, was is’ eigentlich die weibliche Form von Bulle? Bullin?“

„Wie wär’s mit Bullette?“, lachte Britta und gab Klaus ein Zeichen, dass es nun wohl wirklich an der Zeit sei, sich von der geselligen Runde zu verabschieden - bevor tatsächlich noch jemand Buletten spendiert haben wollte.

Britta und Klaus leerten ihre Colagläser, standen auf und ehe die Zwei sichs versahen, erhoben sich auch die drei Bäuchigen, denn eins wollten die sich nicht entgehen lassen: Sie wollten den beiden Uniformierten die Hände schütteln. Auf so nette Polizeibeamte stieß man nun mal nicht alle Tage! Und erst recht nicht am Heiligen Abend!

„Frohe Weihnachten weiter!“, sagte Klaus. „Frohe Weihnachten!“, sagte auch Britta. Die beiden gingen zum Ausgang. „Jau! Und ‘n guten Rutsch ins neue Jahr!“, rief ihnen der Bärtige hinterher.

Die drei Skatkumpanen standen da wie Weihnachtsmänner ohne rote Mäntel. Wie auf Kommando begannen sie gleichzeitig, Britta und Klaus hinterherzuwinken. Drei Asse lagen auf dem Tisch, vier weitere fielen ihnen beim Winken aus den Armeln...

NUR NOCH HEUTE...

Der Regen prasselte von draußen gegen die Scheibe. Langsam liefen die Tropfen das Glas herunter. In jedem Tropfen spiegelte sich das Rot der Leuchtreklame. Bis vor ein paar Wochen zeigte die Leuchtschrift noch das Wort HOTEL, jetzt erstrahlte nur noch HOT. Die hintere Neonröhre hatte ihren Geist aufgegeben und es dürfte ewig dauern, bis jemand eine Leiter ans Haus stellen und die Röhre austauschen würde.