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Der Mensch ist das mit Vernunft begabte Lebewesen, das animal rationale. So will es die philosophische Überlieferung. Geschichte und Gegenwart des Menschen legen jedoch die Vermutung nahe, dass in seinem Denken und Handeln mehr Unvernunft steckt, als ihm selbst lieb sein kann. Zwei Weltkriege und unzählige andere (menschliche) Katastrophen sowie die massive Zerstörung seines Lebensraums lassen den Menschen als »animal irrationale« erscheinen. Der Evolutionstheoretiker Franz M. Wuketits spürt die (natur-)historischen Wurzeln der Unvernunft auf und kommt zu dem Schluss, dass jene Portion Irrationalität, die sich der Steinzeitmensch leisten durfte, seinen Nachfahren in unserer komplexen Welt immer wieder zum Verhängnis wird.
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Seitenzahl: 163
Der Mensch ist das mit Vernunft begabte Lebewesen, das animal rationale.
So will es die philosophische Überlieferung. Geschichte und Gegenwart des Menschen legen jedoch die Vermutung nahe, dass in seinem Denken und Handeln mehr Unvernunft steckt, als ihm selbst lieb sein kann. Zwei Weltkriege und unzählige andere (menschliche) Katastrophen sowie die massive Zerstörung seines Lebensraums lassen den Menschen als animal irrationale erscheinen. Der Evolutionstheoretiker Franz M. Wuketits spürt die (natur)historischen Wurzeln der Unvernunft auf und kommt zu dem Schluss, dass jene Portion Irrationalität, die sich der Steinzeitmensch leisten durfte, seinen Nachfahren in unserer komplexen Welt immer wieder zum Verhängnis wird.
Franz M. Wuketits lehrt Wissenschaftstheorie mit dem Schwerpunkt Biowissenschaften an der Universität Wien.
Animal irrationaleEine kurze (Natur-)Geschichte der UnvernunftFranz M. Wuketits
Suhrkamp
Die edition unseld wird unterstützt durch eine Partnerschaft mit dem Nachrichtenportal Spiegel Online. www.spiegel.de
eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2013
edition unseld 49
Originalausgabe
© Suhrkamp Verlag Berlin 2013
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Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Umschlaggestaltung: Nina Vöge und Alexander Stublić
eISBN978-3-518-73198-7
www.suhrkamp.de
Inhalt
Vorwort
Einleitung: Das Märchen vom animalrationale
1
Die (Un-)Vernunft der Natur
Worauf es ankommt: Fressen, Schutz, Fortpflanzung
Strategien des Überlebens – (fast) alles ist möglich
Nichts ist vollkommen
Vom Überleben der Feiglinge
2
Die Natur der (Un-)Vernunft
Wahr ist, was sich bewährt
Angeborene Lehrmeister
Kognitive Welten der Tiere
Ist das Leben vernünftiger als die Vernunft?
3
Die Welt, aus der wir kommen
Kognitive Welten unserer prähistorischen Vorfahren
Unser Gehirn – auf Überleben programmiert
Eine Welt der mittleren Dimensionen
Wirklichkeit und Illusion
4
Aus Fehlern lernen, mit Fehlern leben
Alltägliche Pannen und Pleiten
Wenn sich die Vernunft als hinderlich erweist
Das Lernen aus Fehlern kommt manchmal zu spät
5
Das Scheitern am Komplexen
Ursache und Wirkung – der Hang zum monokausalen Denken
Triumph der politischen Unvernunft
Triumph der kollektiven Unvernunft
Triumph der ökonomischen Unvernunft
Zum Abschluss: Der Unvernunft ist längst zu viel …
Literatur
Personen- und Sachregister
Meinem Freund und Lehrer Erhard Oeser zum 75. Geburtstag gewidmet.
Ad multos annos.
»Soeben dachte ich, wie ich oft tue, darüber nach, was die menschliche Vernunft für ein willkürliches und unsicheres Werkzeug ist.«
Michel de Montaigne
»Wenn die Vernunft am Ende ist, dann hilft der Teufel weiter!«
Fjodor M. Dostojewskij
»Zwar hat die menschliche Unvernunft nicht zugenommen. Ruinös angestiegen ist jedoch die Zahl der Unvernünftigen.«
Hoimar von Ditfurth
Vorwort
Dass der Mensch das mit Vernunft begabte Lebewesen sei, ist inzwischen eine schon etwas abgedroschene, aber durchaus fragwürdige Phrase. Wie viel Vernunft steckt denn in einer Kreatur, die ihre Umwelt und mithin ihre eigenen Lebensgrundlagen systematisch zerstört? Wie viel Vernunft darf man einem Lebewesen zutrauen, das sich durch Kriege selbst größten Schaden zufügt? Wo bleibt die Vernunft angesichts politischer und religiöser Wahnideen? Es hat den Anschein, dass beim Menschen stets die Unvernunft triumphiert. Freilich kann nur ein Wesen mit Vernunft zugleich unvernünftig sein. Spätestens heute stellt sich aber ernsthaft die Frage, wie viel Unvernunft der Mensch verträgt, wie unvernünftig er – als Kollektiv – gerade noch handeln darf, um seine Gattung nicht in den Abgrund zu stürzen. Illusionen zu entwickeln und zu pflegen sowie beliebigen Unsinn zu glauben ist ein Privileg des Menschen, aber nicht jeder Glaube ist lebensfördernd.
Das vorliegende Buch ist eine kurze Geschichte der Unvernunft als Ergebnis einer höchst bemerkenswerten Verquickung der Natur des Menschen mit seinen – dieser entsprungenen – mentalen Leistungen. Es spürt die Ursprünge des menschlichen Denkens auf und stellt zunächst heraus, dass es in der Natur, im Reich der Lebewesen stets (nur) um drei Dinge geht: Verfügbarkeit von Nahrung, Schutz vor den Unbilden der jeweiligen Umgebung, erfolgreiche Fortpflanzung. Dabei hat die Evolution unzählige Strategien hervorgebracht – bewährt hat sich stets nur, was mittel- bis langfristig dem Überleben diente. Der Mensch war die längste Zeit seiner Entwicklungsgeschichte praktisch in derselben Situation wie die anderen Tiere. Allerdings wurde er mit einem Gehirn ausgestattet, dessen (kognitive) Kapazität in den späteren Phasen seiner Evolution die aller anderen Gehirne bei Weitem übersteigt. Dieses Gehirn jedoch war von Anfang an lediglich darauf programmiert, seinem »Träger« das Überleben zu ermöglichen – und nicht etwa, die »Wahrheit« über diese Welt herauszufinden.
Unser Gehirn entwickelte sich unter steinzeitlichen Lebensbedingungen. Es ist darauf zugeschnitten, die Welt – im Dienste einer »Ökonomie des Überlebens« – zu vereinfachen; es ist anfällig für Illusionen und scheitert regelmäßig an der Bewältigung des Komplexen. Mit den kleinen Pannen, die uns im alltäglichen Denken und Handeln zustoßen, können wir in der Regel gut leben. Mit Störfällen in einem Atomkraftwerk aber ist ein sorgloses Leben nicht mehr gewährleistet. Kraft unseres Gehirns haben wir uns eine Welt geschaffen, die längst aus den Fugen zu geraten droht und die dasselbe Gehirn nicht mehr zu bewältigen vermag. Die »steinzeitliche Vernunft« verkehrt sich in Unvernunft.
Gerade unsere unmittelbare Gegenwart liefert (erschreckende) Beispiele für die Verwirrungen und Verirrungen eines Lebewesens, welches mit seiner Vernunft anscheinend nicht viel anzufangen weiß und sich der Unvernunft ausliefert. Wo objektive Erkenntnis und rationale Argumente vonnöten wären, greifen Wunschdenken, Fundamentalismus und Fanatismus um sich, und an die Stelle nüchterner Prognosen treten Horrorszenarien und apokalyptische Visionen. Religiöse Eiferer unterschiedlicher Provenienz haben Hochkonjunktur. Die Finanzkrise ist nicht zu bewältigen (außer drastischen Sparmaßnahmen auf Seiten der Bevölkerung und Seifenblasen, genannt »Schutzschirme«, fällt unseren politischen »Superhirnen« dazu nichts ein). Die großen ökologischen Probleme bleiben ungelöst (stattdessen überfluten uns die Bürokraten der Europäischen Union fortgesetzt mit überflüssigen und widersinnigen Verordnungen, vermeintlich im Interesse unseres Wohlergehens). Die Unvernunft triumphiert auf allen Ebenen – in der Politik, in der Wirtschaft, im kollektiven Handeln …
Dieses Buch soll zum einen Informationen über die menschliche Natur liefern, zum Zweiten aber auch (und vor allem) zu kritischem Nachdenken anregen. Es ist angereichert mit (teils amüsanten) Beispielen, welche die vertrackten Wege unseres Denkens beleuchten sollen, uns aber auch daran erinnern, als wie wenig erprobt sich unsere Vernunft gegenüber in Äonen zementierten, archaischen Denk- und Handlungsmustern erweist. Die, wenn man so will, »Botschaft« des Buches ist folgende: Unser Denken und Handeln ist – vor allem, wo es wirklich darauf ankommt (in der Politik, in der Wirtschaft, in der Gesetzgebung, im Bildungswesen und so weiter) – von so viel Irrationalität geprägt, dass bereits die Notbremse gezogen werden muss. Entweder wir beginnen wirklich »vernünftig« zu werden (was angesichts unserer stammesgeschichtlichen Bürden nicht einfach sein wird) oder wir entscheiden uns – »vernünftigerweise« – für eine einfachere Welt, in der beispielsweise Atomkraftwerke oder Finanztransaktionen, die jedes überschaubare Maß übersteigen, keinen Platz mehr finden. Eines könnten wir ja mittlerweile gelernt haben: Dass wir die mittel- bis langfristigen Folgen unseres Handelns in komplexen Systemen mit ziemlicher Regelmäßigkeit falsch einschätzen.
Vielleicht sollte ich an dieser Stelle vorausschicken, dass ich mich im vorliegenden Buch häufig einer metaphorischen Sprache bediene (»Vernunft/Unvernunft der Natur« und so weiter) und zumindest gelegentlich auf anthropomorphe Begriffe zurückgreife. Als »Entschuldigung« führe ich an, dass uns bei der Beschreibung und Erklärung komplexer Vorgänge nun einmal nichts anderes zur Verfügung steht als unsere Sprache (die deutsche oder eine der über sechstausend anderen). Metaphern und Anthropomorphismen mögen aber durchaus der Verständlichkeit dienen, und der kritische Leser wird sich von ihnen nicht in die Irre leiten lassen. Das Buch behandelt ein umfassendes Thema in Kurzform. Es war daher eine essayistische Darstellung vorzuziehen. Noch ein Wort zum Untertitel des Buches. Er soll nicht eine chronologische Auflistung unvernünftiger Handlungen in der Geschichte der Menschheit suggerieren, obwohl manche von ihnen selbstverständlich Erwähnung finden werden. Bezweckt ist in erster Linie eine Erörterung der Bedingungen und Auswüchse menschlicher Vernunftlosigkeit.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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