Apostolische Konstitutionen und Kanones - Dr. Ferdinand Boxler - E-Book

Apostolische Konstitutionen und Kanones E-Book

Dr. Ferdinand Boxler

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Beschreibung

Die unter dem Namen "Constitutiones Apostolicae" bekannte Schrift kommt in ihrer gegenwärtigen Gestalt erst in der kirchlichen Literatur des vierten Jahrhunderts zum Vorschein. Sie umfaßt acht Bücher von ziemlich ungleichem Umfang, die in Kapitel eingeteilt sind. Die sechs ersten Bücher bilden sozusagen den Kristallisationskern der ganzen Sammlung, scheinen längere Zeit als selbstständiges Werk in Gebrauch gestanden zu haben und sind, inhaltlich betrachtet, in gewissem Sinn ein geschlossenes Ganzes, unabhängig von den zwei folgenden Büchern, die zum Teil Wiederholungen, ja sogar Widersprüche zu den sechs ersten darbieten. Zu Anfang des sechsten Jahrhunderts erschienen die apostolischen Kanonen bereits als 47. Kapitel des achten Buches der apostolischen Konstitutionen und bildeten den Schluß dieses Werkes . In den Kodizes der Konstitutionen sind unsere Kanones regelmäßig in 76 Nummern zerlegt, in den Handschriften der alten Canonensammlungen dagegen in 85, wie wir es schon bei Johannes Scholastikus vorfinden.

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Apostolische Konstitutionen und Kanones

 

DR. FERDINAND BOXLER

 

DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER

 

 

 

 

 

 

Apostolische Konstitutionen und Kanones, Dr. F. Boxler

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849660680

 

Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522

 

Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Einleitende Notizen. 2

Fußnoten. 9

1. Die apostolischen Konstitutionen.10

Erstes Buch: Von den Laien.10

Zweites Buch: Von dem Klerus.19

Drittes Buch: Von den Wittwen. 72

Viertes Buch: Von den Waisen.84

Fünftes Buch: Von den Martyrern.92

Sechstes Buch: Von den Schismatikern und Ketzern.114

Siebentes Buch: Vom christlichen Leben; verschiedene Gebete; Taufritus.141

Achtes Buch: Von den Gnadengaben; Liturgie des Opfers, der heiligen Weihen und des Stundengebetes; kirchliche Canonen.167

2. Die apostolischen Canonen.205

Fußnoten. 215

 

 

Apostolische Konstitutionen und Kanones

 

Bibliographische Angaben:

 

Titel Version: Einleitende Notizen Sprache: deutsch Bibliographie: Einleitende Notizen In: Die sogenannten Apostolischen Constitutionen und Canonen. Aus dem Urtexte übersetzt von Dr. Ferdinand Boxler. (Bibliothek der Kirchenväter, 1 Serie, Band 19), Kempten 1874. Unter der Mitarbeit von: Frans-Joris Fabri.

 

Titel Version: Apostolische Konstitutionen und Kanones (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Apostolische Konstitutionen und Kanones (Constitutiones Apostolorum) In: Die sogenannten Apostolischen Constitutionen und Canonen. Aus dem Urtexte übersetzt von Dr. Ferdinand Boxler. (Bibliothek der Kirchenväter, 1 Serie, Band 19), Kempten 1874. Unter der Mitarbeit von: Frans-Joris Fabri.

 

 

 

Einleitende Notizen

 

Die sogenannten Apostolischen Constitutionen u. Canonen

 Diese beiden Schriftwerke sind zwar apokryphisch und rühren in der Gestalt, in welcher sie auf uns kamen, weder von einem einzelnen der Apostel, noch von deren Gesammtheit her, wie der Inhalt klar ersehen läßt. Zwar las man die apostolischen Constitutionen in alter Zeit da und dort in den Kirchen öffentlich vor; allein schon Väter des 4. Jahrhunderts zogen deren apostolischen Ursprung zum mindesten in Zweifel oder stellten ihn auch geradezu in Abrede. Günstiger war — wenigstens im Orient — das Urtheil bezüglich der apostolischen Canonen.

Die griechische Synode im Trullo (zu Constantinopel) 692 erklärt: „Die hl. Synode beschließt, daß die 85 Canones der hl. Apostel jetzt und in Zukunft fest und unverrückt bleiben sollen. Weil uns aber in diesen geboten wird, auch die von Clemens gesammelten Constitutionen derselben Apostel anzunehmen, welche die Ketzer schon lange durch unächte der Kirche fremde Zusätze verdorben und dadurch das schöne und reine Bild göttlicher Dogmen verdunkelt haben, so haben wir für dienlich erachtet, diese Constitutionen aus der Zahl der hl. Schriften zu entfernen.„ Somit waren die Constitutionen im Gegensatze zu den Canones, welche man im Orient für ein Werk der „heiligen und ehrwürdigen Apostel“ hielt, auch in der morgenländischen Kirche officiell als unächt verworfen, und im Abendlande, wo schon das decretum Gelasianum sie kurzweg als Apokrypha erklärt hatte, geriethen sie fast ganz in Vergessenheit bis ins 16. Jahrhundert.

Im Abendlande hatte man auch die apostolischen Canonen, soweit sie dort verbreitet waren, schon früher als nichtapostolisch erkannt (Hefele, Concil. Gesch. Bd. I. S. 769). Als daher im 16. und 17. Jahrhundert wieder eingehendere Untersuchungen über die Constitutionen und Canonen angestellt wurden, ward deren apostolischer Ursprung nur mehr sehr vereinzelnt vertheidigt. Dermalen erscheint ihre Unächtheit als wissenschaftlich ausgemacht. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, daß vieles Einzelne in ihnen aus den Zeiten der Apostel kommen könne.

Beide Schriften kommen bald vereinigt vor, so daß die Canones dem achten Buche der Constitutionen als 47stes Kapitel angehängt sind, bald von einander getrennt, wie sie es auch der äußeren Form nach schon sind; wir ziehen dieselben in gegenwärtiger Einleitung ebenfalls gesondert in aller Kürze in Betracht.

 

1. Die apostolischen Konstitutionen.

Die unter dem Namen „constitutiones apostolicae“ (διαταγαί, διατάξεις oder auch διδαχαὶτῶνἀποστόλων) bekannte Schrift kommt in ihrer gegenwärtigen Gestalt erst in der kirchlichen Literatur des vierten Jahrhunderts zum Vorschein. Sie umfaßt 8 Bücher von ziemlich ungleichem Umfange, die in Kapitel zerfällt sind.

Die sechs ersten Bücher bilden so zu sagen den Krystallisationskern der ganzen Sammlung, scheinen längere Zeit als selbstständiges Werk in Gebrauch gestanden zu haben und sind, inhaltlich betrachtet, in gewissem Sinn ein geschlossenes Ganzes, unabhängig von den zwei folgenden Büchern, die zum Theil Wiederholungen, ja sogar Widersprüche zu den sechs ersten darbieten.

Das erste Buch (περὶλαϊκῶν) enthält in 10 Kapiteln Mahnungen gegen Geiz, Haß, Rachsucht, Luxus, Trägheit und gegen die Lectüre heidnischer Schriften; dagegen wird die Lesung der hl. Schriften dringlich empfohlen, sofort noch von den schlimmen und guten Eigenschaften der Frauen gehandelt.

Das zweite Buch verbreitet sich ohne feste Ordnung in 63 Kapiteln über die Eigenschaften und Pflichten hierarchischer Personen (περὶἐπισκόπων, πρεσβυτέρωνκαὶδιακόνων); es handelt besonder eingehend unter steter Bezugnahme auf die Paulinischen Pastoralbriefe von den Eigenschaften, der Stellung und Hirtenthätigkeit des Bischofs, zumal in Beziehung auf die Sünder; sehr ausführlich sodann auch von den Diakonen und ihrem Wirkungskreis, verhältnißmäßig kurz von den Priestern. Auch vom christlichen Gottesdienste und seiner Besorgung durch den Klerus ist in Kürze die Rede.

Das dritte Buch umfaßt 20 Kapitel, die zum großen Theil von den Wittwen handeln, den moralischen Eigenschaften, Pflichten und Rechten derselben, sowie von den liturgischen Functionen, deren Vornahme ihnen untersagt ist.

Kap. 16—18 verbreitet sich über die Taufe, Kap. 19 bis 20 über die Eigenschaften der Diakonen und die Ordination der Bischöfe.

Das vierte Buch handelt von den Armen und insbesondere von den Waisen, für deren Erziehung unter Leitung des Bischofes weise Obsorge zu tragen ist. Die Mittel zur Unterstützung der Armen und Waisen sind aus den kirchlichen Oblationen zu entnehmen, von deren Darbringung aber gewisse Gattungen Menschen grundsätzlich auszuschließen sind. (Kap. 1—10.) Zuletzt wird das Verhältniß von Eltern und Kindern, Herren und Knechten, Obrigkeit und Unterthanen (Kap. 11—13) besprochen und verhältnißmäßig kurz auch über den Stand der Virgines das Nöthigste bemerkt.

Im fünften Buch (περὶμαρτύρων) wird Kap. 1—12 die Sündhaftigkeit im Bekenntniß des Glaubens bis zum Blutvergießen nach Christi und seiner Heiligen Vorbild und im freudigen Hinblick auf die künftige Auferstehung verherrlichet, auch von dem Gegentheile, nämlich dem Glaubensverrath, sowie vor dem gewarnt, was zu ihm führt; auch wird den Verfolgern gegenüber Klugheit empfohlen.

Kap. 13—20 enthalten interessante Aufschlüsse über Festfeier und Fasten in altchristlicher Zeit.

Das sechste Buch (περὶσχισμάτων) spricht sich im Hinweis auf das jüdische und christliche Sektenwesen gegen alle Spaltungen aus und stellt den häretischen Verirrungen gegenüber die Lehre der Apostel als das hin, woran man fest zu halten habe (Kap. 1—14); dann werden noch einige specielle Irrthümer in Disciplinarsachen zurückgewiesen (15—16) und sofort in Kap. 17 von der Ehe und respective dem Cölibat der Geistlichen gehandelt. Nach wiederholter Warnung vor Häresie wird schließlich das Verhältnis des Christenthums speciell zum Judenthum (merkwürdige Auffassung des letzteren!) und zum Heidenthum des Näheren besprochen und vor jüdischen wie heidnischen Verirrungen gewarnt. (Kap. 18—30).

Diese ersten sechs Bücher sind ohne Zweifel das Werk eines Verfassers, welcher die Apostel sagen läßt, was er sagen wollte, und so die kirchlichen Einrichtungen, wie sie zur Zeit und in der Gegend des Verfassers waren, als bereits und in allweg von den Aposteln getroffen darstellt. „Er wollte ein Buch schreiben. aus welchem sich jeder Christ über seine Religion und über das Christenthum, wie es damals in der Wirklichkeit bestand, sollte belehren und von dem Einzelnen und Ganzen sich einen solchen Begriff verschaffen können, daß er verstände, was sich im Leben der Kirche bewegte und seinerseits darin einzugreifen fähig wäre; oder um es in der Sprache unserer modernen Büchertitel auszudrücken, er wollte ein Religionshandbuch für seine Zeit schreiben."1 Damit dieses um so größeres Ansehen genieße, fingirt er die Apostel als Verfasser, was ihm um so weniger als bedenklich erscheinen mochte, da er wohl der festen Ueberzeugung gewesen sein wird, die Einrichtungen u. s. w., die er beschreibe, stammen — wenn nicht alle, so doch zum größern Theil — aus der apostolischen Zeit. Drey ist auf Grund eingehender Untersuchungen bezüglich des Inhaltes der ersten sechs Bücher zu dem jetzt fast allgemein als richtig acceptirten Resultate gelangt, dieselben seien in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts und zwar in Syrien verfaßt worden. 2 Selbstverständlich ist, daß viele der Gesetze, Einrichtungen u. s. w., von denen sie uns berichten, in eine frühere Zeit hinaufreichen; nicht wenige mögen wirklich apostolischen Ursprunges sein. —

Im siebenten Buche werden von Kap. 1—21 die zwei Wege, der Weg des Todes und des Lebens, gekennzeichnet, die Sünden, welche der Christ meiden, die Tugenden, welche er üben soll, des Nähern besprochen; man hat diese erste Parthie des Buches ganz passend als Sittenspiegel der Christen bezeichnet. Der zweite Theil (Kap. 22—49) ist eine Art liturgisches Sammelsurium, enthält doppelten (Kap. 22 und zusammenhängend Kap. 39 bis 45) Bericht über die Taufe, dann zahlreiche Gebetsformularien, deren einige bei der Meßliturgie, andere außerhalb derselben in Anwendung gebracht werden konnten. Das ganze Buch trägt die passende Überschrift: περὶπολιτείας (= christliche Disciplin) καὶεὐχαριστίας (Opferfeier) καὶτῆςκατὰΧριστὸνμνήσεως (Katechumenat und Taufe), hat unstreitig einen anderen Verfasser als die ersten sechs Bücher und ist in der Zeit des Überganges vom Sabellianis- mus zum Arianismus, also zu Anfang des vierten Jahrhunderts verfaßt. (Drey a. a. O. S. 84—103.)

Das achte Buch kann man — abgesehen von einigen fremdartigen Zuthaten — als ein Pontificale der alten Kirche bezeichnen. Es enthält außer einem vollständigen Formular für die Meßliturgie auch Formularien für die Weihe von Bischöfen. Presbytern, Diakonen und Subdiakonen, Lektoren, Exorcisten, ein Formular für Öl- und Wasserweihe, den Ritus der Tagzeiten, welche öffentlich und feierlich gehalten werden (Matutin-, Laudes- und Lucernar- Vesper), auch Vorschriften über Erstlinge, Zehnten u. s. w.

Während die sechs ersten Bücher die Gestalt eines langen Sendschreibens haben, von welchem sich im Eingange die Apostel als Verfasser ankünden, im Übrigen aber die Rede ununterbrochen fortläuft wie in einem Briefe, woran das siebente Buch wie eine Fortsetzung sich anschließt, nimmt das achte Buch auf einmal die Gestalt von dem Protokoll einer gesetzgebenden Versammlung an. Die Apostel erscheinen als an einem Ort versammelt, und es tritt nun einer nach dem andern auf und macht ein Gesetz mit der Formel: Ich N. N. sage oder verordne. Die einzelnen Vorschriften des Buches präsentiren sich als διατάξεις der einzelnen, sich mit Namen nennenden Apostel. Schon diese, dem achten Buch ganz eigenthümliche Art der Conception läßt — von vielen andern Gründen ganz abgesehen —- mit Sicherheit erschließen, daß sein Verfasser resp. Redactor (denn es ist eine Sammlung) von dem der andern Bücher verschieden ist. In seiner gegenwärligen Gestalt dürfte das 8. Buch aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts zu datiren sein; übrigens gehören die mehreren seiner Bestandtheile sicherlich einer früheren Zeit an, was ganz besonders von der herrlichen Meßliturgie gilt, welche so recht als die kostbarste Perle der apostolischen Constitutionen erscheint und in ihren Grundzügen wirklich apostolischen Ursprungs sein dürfte. 3

Nach Drey hätte der Verfasser des 8. Buches auch die Verbindung desselben mit den sieben andern Büchern bewerkstelliget, und zwar bald nach der Mitte des 4. Jahrhunderts, und würden hiernach die apostolischen Constitutionen als Ganzes, als vollständige Sammlung aus der bezeichneten Zeit zu datiren sein.

„Für den Theologen und insbesondere für den Freund der Kirchengeschichte erscheinen die Constitutionen immer als ein Werk, welches eine so anschauliche Darstellung des kirchlichen Lebens und der kirchlichen Verhältnisse darbietet und darüber einen solchen Reichthum von Nachrichten enthält, wie kein anderes …. Der Kenner der Dogmengeschichte wird in der Dogmatik unserer Constitutionen ein getreues Bild von der Entwicklung des christlichen Lehrbegriffes finden, soweit sie unmittelbar vor dem Ausbruch des Arianismus gediehen war… Der Freund der Liturgie wird erfreut sein, das älteste Muster der christlichen Gottesverehrung, in seiner ganzen Gestalt vom Anfang des vierten Jahrhunderts, in seinen wesentlichen Elementen aber viel älter, vor sich zu haben und in der Anpassung dieser Liturgie an die besondern geistigen Bedürfnisse der verschiedenen Klassen von Menschen, in welche die Gemeinde zerfällt, in der Universalität und Mannigfaltigkeit, womit sie alle Arten der christlichen Andacht ausdrückt, sowie in der Weise, wodurch sie die Anwesenden zum Mitempfinden, Mitbeten, Mithandeln nöthigt, die schöpferische Kraft der Kirche bewundern. Der Forscher der Geschichte des Kirchenrechtes und der Kirchenverfassung sieht hier das Kirchenregiment in seiner ersten Einfachheit: den Körper der Kirche auf eine der damaligen, von außen bedrängten, von innen durch ächte christliche Bruderliebe und die Macht der Geduld starken Lage entsprechende Weise organisirt. Die Veränderung der Zeiten und Verhältnisse hat jene Organisation aufgelöst, und diese Auf- lösung hat ein Zerfließen in freier Selbstigkeit, aber dann auch ein Zerrinnen des christlichen wie des kirchlichen Gemeingeistes zur Folge gehabt. Um so theilnehmender verweilt der Blick bei jener Organisation, welche kaum mehr herzustellen und durch Nichts zu ersetzen ist. Im Ganzen aber stellen die Constilutionen das Bild der orientalischen Kirche von der Mitte des dritten bis gegen die Mitte des vierten Jahrhunderts dar: jünger ist von allen Einzelnheiten Nichts, älter aber natürlich Vieles, was sich aus Begleichung mit anderen alten Schriften finden läßt: was nicht in diese Klasse fällt, gehört der gedachten Periode an. Die Constitutionen füllen daher in der Reihe der kirchenhistorischen Quellen glücklich eine Lücke aus, indem es uns gerade von der Mitte des dritten bis gegen die Mitte des vierten Jahrhunderts daran am meisten fehlt.“ (Drey a. a. O. S. 198 ff.)

Die beste der früheren Druckausgaben der apostolischen Constitutionen ist die von Cotelier (Cotelerius), Paris 1672 (später wiederholt gedruckt in Antwerpen und in Amsterdam); sie bietet den griechischen Originaltext sammt lateinischer Übersetzung und sehr gelehrten Anmerkungen. Neuestens wurden Ausgaben besorgt von Ültzen (1853) und von Lagarde (1863). Unserer Übersetzung ist die Ausgabe von Cotelier zu Grunde gelegt.

 

2. Die apostolischen Canonen.

Die lateinische Sammlung des Abtes Dionysius Exiguus (c. 500 n. Chr.) umfaßt nur 50 „canones, qui dicuntur apostolorum." Ungefähr 50 Jahre später gab Johannes Scholastikus von Antiochien, seit 565 Patriarch von Constantinopel, eine griechische Canonensammlung heraus, in welcher sich bereits 85 Canones finden, welche von den Aposteln herrühren und vom römischen Klemens redigirt sein sollen. Die Synode im Trullo (692) anerkannte diese 85 Canones nicht bloß als rechtskräftig für die orientalische Kirche, sondern erklärte sie, wie bereits oben erwähnt, auch ausdrücklich als apostolisch. Im Abendlande dagegen wurden die 50 Canones, welche die Sammlung des Dionysius enthielt, wenn nicht schon durch Gelasius, so spätestens durch Papst Hormisdas für apokryph erklärt. — Zu Anfang des sechsten Jahrhunderts erscheinen die apostolischen Canonen bereits als 47. Kapitel des achten Buches der apostolischen Constitutionen, den Schluß dieses Werkes bildend. In den Codices der Constitutionen sind unsere Canones regelmäßig in 76 Nummern zerlegt, in den Handschriften der alten Canonensammlungen dagegen in 85, wie wir es schon bei Johannes Scholastikus gefunden.

Was den Inhalt dieser 85 Canones betrifft, so beziehen sich nur wenige derselben auf die christlichen Laien, die allermeisten auf den Klerus, namentlich auf die Bischöfe, Priester und Diakonen; es wird in ihnen festgesetzt, welche Eigenschaften vom Empfang der genannten Ordines ausschließen, welche Sünden die Ausstoßung aus dem Klerus nach sich ziehen, in welcher Weise die hierarchischen Personen, zumal die Bischöfe ihres Amtes zu walten, was sie zu thun, was sorglich zu meiden haben u. s. w. — Viele dieser Canones sind unstreitig sehr alt, gewiß manche in der That apostolischen Ursprunges: nicht wenige scheinen aus den ersten sechs Büchern der apostolischen Constitutionen entnommen, andere Beschlüsse älterer Synoden zu sein. Nach Drey wären einzelne Canones aus den Akten der Concilien von Nicäa und Antiochia (341), ja sogar aus denen der allgemeinen Concilien von Ephesus (431) und Chalcedon (451) entlehnt; allein schon Bickel und neuestens Hefele (Conciliengesch. Bd. I. S. 771 ff.) haben gegen diese Annahme gewichtige Bedenken erhoben: jedenfalls bleibt noch sehr problematisch. was Drey behauptete, daß nämlich die erste Sammlung apostolischer Canonen (die fünfzig des Dionysius) erst nach der Mitte des fünften, die andere (die 35 späteren Nummern enthaltend) erst zu Anfang des sechsten Jahrhunderts entstanden sei.

Gedruckt erschienen die 50 Canonen der Dionysianischen Sammlung zuerst im Jahr 1523 (Merlin’sche Concilien-Sammlung); 1531 sodann gab Haloander und 1561 Hervetius den griechischen Tert (in 84 statt 85 Nummern) heraus, der sich gleich dem lateinischen auch in den Conciliensammlungen von Halduin (I. Bd.) und Mansi (I Bd.) findet. Auch Hefele hat in einem Anhang zum I. Band seiner Concilien-Geschichte den griechischen und lateinischen Text der apostolischen Canonen — und zwar in 85 Nummern zerfällt — aufgenommen. Unserer deutschen Übersetzung liegt der griechische Text und dessen Eintheilung nach der Ausgabe von Cotelier zu Grunde.

 

3. Zur Beachtung.

Es wurde schon oben S. 13 bemerkt, daß die apostolischen Canonen in den Codices der apostolischen Constitutionen regelmaßig in 76 Nummern, anderwärts bald in 84, bald in 85 Nummern zerfällt sind. Bei der Citation hat man auf diesen Unterschied in der Zählung zu achten.

Nachstehendes Schema stell die verschiedenen Texteszerfällungen übersichtlich dar.

Zerfällung in 76 Kap. Kap. 1, 2, 3—11, 12, 13—16, 17, 18—34, 35, 36—76.

Zerfällung in 84 Kap. Kap. 1—2, 3— 4, 5—13, 14—15, 16—19, 20—23, 24—40, 41—42, 43—84.

Zerfällung in 85 Kap. (n. Hefele) Kap. 1—2, 3—5, 6—14, 15—16, 17—20, 21—24, 25*4—41, 42—43, 44—85.

 

 

 

 

Fußnoten

 

1.       Vergl. Drey, Neue Untersuchungen über die Constitutionen und Kanones der Apostel, 1832, S. 42.

2.       Sie sind auch in syrischem (vom griechischen ziemlich abweichendem), arabischem und äthiopischem Text vorhanden.

3.       Vergl. Probst, Die Liturgie der ersten drei christlichen Jahrhunderte, S. 231 ff. Über das Verhältniß der apostolischen Constitutionen zu den sogenannten Canones des heiligen Hippolyt vgl. die Ausgabe der letztern von Haneberg pag. 13, sqq.

4.       Den Canon 25 (nach der ersten Zählung 18, nach der zweiten 24) zerfällt Hefele (im lateinischen Text) in zwei (25—26), weßhalb von da an bis zu Canon 39, den er im griechischen Text nicht eigens numerirt, die Zählung nach Hefele der zweiten Zählung um zwei Ziffern voraus ist.

 

 

 

1. Die apostolischen Konstitutionen.

 

Erstes Buch: Von den Laien.

 Die Apostel und die Priester an Alle, welche aus den Heiden an den Herrn Jesum Christum glauben: Gnade euch und Friede vom allmächtigen Gott durch unsern Herrn Jesum Christum, die Fülle in seiner Erkenntniß!

Die katholische Kirche ist Pflanzung Gottes, sein auserwählter Weinberg. 1Ihr Alle, welche ihr an die irrthumslose Religion Gottes glaubet, durch Glauben die Früchte seines ewigen Reiches genießet, die ihr seine Kraft und die Theilnahme am hl. Geist empfangen habet, ausgerüstet durch Jesum Christum und von seiner Furcht innerlich durchdrungen, theilhaft der Besprengung mit dem kostbaren und unschuldigen Blute Christi, die ihr vertrauensvoll dem allmächtigen Gott den Namen Vater gebet, als Miterwählte und Miterben seines liebenswürdigen Sohnes, höret die Lehre, welche mit seinen glorreichen Worten übereinstimmt, die ihr nach der Anordnung des Heilands an seiner Ver-  heissung fest haltet. Habet Acht, Kinder Gottes, daß ihr Alles in Gehorsam gegen Gott thuet, und seid in Allem Christo unserm Gott angenehm. Denn wenn Jemand der Ungerechtigkeit folgt und das thut, was dem Willen Gottes entgegengesetzt ist, so wird er von Gott einem Volke gleich geachtet werden, das ohne Gesetz und Sitte ist.

 

1. Von der Habsucht.

Enthaltet euch daher von aller Habsucht und Ungerechtigkeit, denn im Gesetze steht geschrieben: „Du sollst nicht begehren das Weib deines Nächsten, noch seinen Acker, noch seinen Knecht, noch seine Magd, noch seinen Ochsen, noch sein Lastthier, noch was immer deinem Nächsten gehört," 2 weil jegliche Begierde nach diesen Sachen vom Übel ist. Denn wer das Weib oder den Knecht oder die Magd des Nächsten begehrt, ist schon im Geiste ein Ehebrecher und Dieb; wenn er nicht wieder bereut, so ist er verurtheilt von unserm Herrn Jesus Christus, durch welchen die Ehre Gott in Ewigkeit Amen. Denn er sagt im Evangelium, den Dekalog des Gesetzes recapitulirend. feststellend und erfüllend: „Es steht im Gesetze geschrieben: du sollst nicht ehebrechen. Ich aber sage euch, d. h. ich habe durch Moses im Gesetze gesprochen, jetzt aber sage ich eben dasselbe zu euch: Wer immer das Weib des Nächsten mit Begierde ansieht, hat mit ihr schon im Herzen die Ehe gebrochen." 3 Der, welcher solche Begierde im Herzen trägt, wird nach dem Geiste des Gesetzes verurtheilt. Wer aber den Ochsen oder den Esel begehrt, sinnt er nicht auf Stehlen und fremdes Eigenthum zu dem seinigen zu machen und wegzunehmen? Oder handelt der, welcher fremden Acker begehrt und diese Begierde unterhält, nicht ebenso verwerflich, wie Derjenige, welcher durch Versetzung der Marksteine den Besitzer zwingt, den Acker unentgeltlich ihm zu überlassen? Denn es sagt  ja irgendwo der Prophet: 4 „Wehe Denjenigen, welche Haus mit Haus verbinden und Acker mit Acker vereinigen, so daß sie Etwas vom Nächsten hinwegnehmen." Deßwegen sagt er: „Wohnet ihr allein auf Erden, denn Solches ist zu Ohren des Herrn Gott Sabaoth gekommen." Und an einer andern Stelle: „Verflucht sei, wer die Marksteine des Nächsten versetzt, und alles Volk spreche: Es geschehe." 5 Daher auch Moses sagt: „Du sollst nicht die Marksteine des Nachbars versetzen, welche deine Väter gesetzt haben." 6 Deßwegen sind von Gott über solche Menschen Furcht, Tod, Gericht, Verdammung verhängt; Denjenigen aber, welche Gott gehorchen, ist tief ins Herz geschrieben das einfache, wahre, lebendige Gesetz Gottes: „Sieh, daß du niemals einem Andern thust, was du nicht willst, daß dir von einem Andern widerfahre." 7 Du willst nicht, daß ein Anderer dein Weib nichtsnutzig zur Schändung ansehe, und du selbst sollst auf das Weib des Nächsten das Auge nicht bösen Sinnes hinrichten. Du willst nicht, daß dir durch Diebstahl das Oberkleid genommen werde: auch du sollst nicht das eines Andern hinwegnehmen. Du willst nicht geschlagen, gescholten, verhöhnt werden; füge auch du dem Andern solches nicht zu.

  

2. Man soll weder schmähen noch Rache üben.

Aber es verflucht dich Jemand? — “Du segne ihn, denn es steht im Buche Numeri 8 geschrieben: „Wer dich segnet, ist gesegnet, und wer dich verflucht, ist verflucht.” Ähnlich ist auch im Evangelium geschrieben: „Segnet Diejenigen, welche euch Böses wünschen." 9Ist euch Unrecht geschehen, so thut nicht wieder Unrecht, sondern duldet es, dieweilen die Schrift sagt: „Sag’ nicht: Ich will das Böse vergelten; wart’ auf den Herrn, der wird dir helfen." 10 Und wiederum  spricht der Herr im Evangelium: „Liebet eure Feinde, thut Gutes denen, die euch hassen, und betet für Die, so euch verfolgen und verläumden, damit ihr Kinder seid eueres Vaters, der im Himmel ist, welcher seine Sonne aufgehen läßt über die Guten und Bösen und regnen über die Gerechten und Ungerechten." 11 Beobachtet also, Geliebteste, diese Gebote, damit ihr in deren Erfüllung als Kinder des Lichtes erfunden werdet. Deßwegen ertraget euch wechselseitig als Knechte und Kinder Gottes. Der Mann sei gegen sein Weib nicht stolz, nicht anmaßend, sondern gütig und liebenswürdig; er suche nur seinem Weibe zu gefallen, und ihr ehrbar zu schmeicheln, bestrebt, ihr angenehm zu sein.

  

3. Vom Schmuck in der Kleidung und der daraus entspringenden Sünde.

Du sollst dich nicht schmücken, damit du nicht irgend einer Person Veranlassung zur Sünde werdest; denn entweder von ihr bezwungen wirst du gegen sie sündigen, und ewiger Tod wird von Gott über dich kommen, und du wirst mit herber Sinneskreuzigung bestraft werden; oder du begehest den Frevel nicht, sondern weisest das Weib zurück und versagst ihr die Einwilligung. In letzterem Falle hast du dennoch gesündigt, wenn du auch Nichts gethan, lediglich dadurch, daß du durch deinen Schmuck das Weib in die Schlinge gelockt, nach dir zu begehren; denn du hast bewirkt, daß sie auf diese Weise gereizt im Verlangen an dir Ehebruch beging. Übrigens vermindert sich deine Schuld, weil du dich Derjenigen, welche aus Lust zu dir entbrannte, nicht hingegeben hast; denn nicht du begehrtest ihrer, und du wirst, da du dich selbst ihr nicht hingegeben hast, von Gott dem Herrn Barmherzigkeit erlangen, der da gesagt hat: „Du sollst nicht ehebrechen, und du sollst nicht begehren." 12 Denn wenn jene Person dich angesehen hat oder zur Unzeit  dir begegnete, so wurde sie innerlich überwältigt und begehrte nach dir, du aber hast ihr’s versagt. Jene nun ist in ihrem Herzen durch den Anblick deiner jugendlichen Wohlgestalt und Zier sehr verwundet, so daß sie dich zu lieben anfing; du aber wirst der Schuld des Weibes schuldig erfunden als Urheber ihres Ärgernisses und Erbe des Wehe. Deßwegen sollst du Gott den Herrn bitten, daß er dir nichts Übles in dieser Beziehung auferlege; denn du mußt nicht zur Sünde den Menschen gefallen, sondern vielmehr Gott anhangen zur Heiligung des Lebens und zur Erlangung der ewigen Ruhe. Schmücke nicht die von der Natur und von Gott dir verliehene Schönheit noch darüber hinaus, sondern halte dieselbe vor den Menschen in bescheidenen Schranken, so daß du das Haupthaar nicht sorgfältig pflegest, vielmehr sollst du es beschneiden und vernichten, damit du nicht gekämmt und das Haupthaar geglättet oder mit Balsam bestrichen jene Weiber an dich zu ziehen suchest, welche so gefangen zu werden oder sich zu fangen pflegen. Auch nicht ausgesuchter Kleidung sollst du dich zur Verführung bedienen, noch sollst du Beinkleider oder Schuhe in böser Absicht anziehen, sondern nur, was Ehrbarkeit und Nothwendigkeit fordert. Auch sollst du nicht öffentlich goldene Ringe an deine Finger stecken, weil Dieß alles Zeichen eines buhlerischen Lebens sind, nach denen ohne Noth zu streben unrecht ist. Auch ist es dir als Gläubigem und Kind Gottes nicht erlaubt, das Haupthaar sorgfältig zu pflegen und in ein Geflecht zusammen zu fügen oder herabrollen zu lassen oder zu scheiteln, noch auch anschwellen zu machen, noch durch Brennen und Formen zu kräuseln oder blond zu machen, weil das Gesetz im Deuteronomium es verbietet mit den Worten: „Ihr sollt euch nicht gekräuselte Haare und sackartige Beinkleider machen." 13 Deßwegen soll man auch den Bart nicht verderben, noch die Gestalt des Menschen naturwidrig verändern, denn das Gesetz sagt: „Ihr sollt  euch nicht des Bartes berauben." Denn Gott der Schöpfer hat die Frauen zu ihrer Zierde mit keinem Bart versehen, für die Männer aber fand er den Bart geeignet. Du aber, der du aus Gefallsucht den Bart scheerest, widersetzest dich dem Gesetze 14 und bist verabscheuungswürdig vor Gott, der dich nach seinem Bild geschaffen hat. Wenn du daher Gott gefallen willst, steh ab von all’ dem, was verhaßt ist, und thue Nichts von dem, was ihm mißfällig ist.

  

4. Man soll nicht mit Vergnügen den Fehlern Anderer nachspüren, sondern sich seinen eigenen Geschäften widmen.

Du sollst nicht herumflankiren und lustwandeln und zwecklos in den Straßen herumschweifen, ein unzeitgemäßer Beobachter übel Lebender, sondern richte deine Aufmerksamkeit auf deine Kunst und dein Geschäft und bestrebe dich, das zu thun, was Gott angenehm ist. Erinnere dich an die Aussprüche Christi und betrachte sie fleissig. Denn dir sagt die Schrift: „In seinem Gesetze sollst du betrachten Tag und Nacht, du magst auf dem Acker gehen und zu Hause sitzen, wenn du dich niederlegst, und wenn du aufstehst, damit du in Allem weise seiest." 15 Selbst wenn du reich bist und deine Kunst, welche dich nährt, nicht nöthig hast, sollst du nicht herumschweifen und ohne Zweck hin und her gehen, sondern du magst entweder zu den Gläubigen gehen oder zu Gleichgesinnten, und im Verkehr mit ihnen streue heilsame Lehren aus.

  

5. Welche Bücher der hl. Schrift man lesen soll.

Wenn du dein Haus nicht verlassen willst, so setze dich daselbst nieder und lies das Gesetz, die Bücher der Könige,  die Propheten, singe die Psalmen Davids und durchforsche fleissig die Erfüllung davon, nämlich das Evangelium.

  

6. Alle heidnischen Bücher muß man meiden.

Von allen Büchern der Heiden enthalte dich; denn was hast du von fremden Reden oder Gesetzen oder falschen Propheten, was doch nur die Leichtsinnigen vom Glauben abführt? Denn was vermissest du im Gesetze Gottes, daß du den Geist zu jenen Fabeln der Heiden hinwendest? Denn wenn du entweder Historisches erforschen willst, so hast du die Bücher der Könige, oder Sophistisches und Poetisches, hast du die Propheten, Job und die Sprüchwörter, in welchen du mehr Verständniß aller Poesie und Sophistik finden wirst, weil es des Herrn, des allein weisen Gottes Stimmen sind; oder verlangst du nach Lyrischem, so hast du die Psalmen, oder nach alten Stammregistern, so hast du die Genesis, oder nach Gesetzen und Verordnungen, so hast du das berühmte Gesetz Gottes des Herrn. Enthalte dich daher standhaft von allen fremden und diabolischen Büchern; überdieß enthalte dich auch bei Lesung des Gesetzes von dem, was später hinzugefügt wurde, und wenn nicht von Allem, doch von Einigem, was auf das Buch Deuteronomium Bezug hat. Lies dies nur der historischen Wissenschaft halber, um es zu wissen und Gott zu loben, daß er dich von so lästigen bindenden Vorschriften befreit hat. Habe doch vor Augen, zu erkennen, was natürliches Gesetz und was spätere im Buche Deuteronomium enthaltene Zugaben seien, die da für jene gemacht wurden, welche in der Wüste sich ein Kalb gefertigt hatten. Denn das Gesetz besteht in Dem, was Gott der Herr gesprochen hat, ehevor das Volk in Götzendienst verfallen und jenes ägyptische Kalb Apis gemacht hatte, d. i. im Dekalog; die Fesseln aber, welche Jenen, nachdem sie gesündigt, aufgelegt wurden, sollst du dir nicht anlegen, denn unser Heiland kam in keiner andern Absicht, als um die Schuldigen vom verhängten Zorne zu befreien, das Gesetz und die Propheten zu erfüllen und jene Fesseln des Buches  Deuteronomium entweder wegzunehmen oder zu verändern. Denn deßwegen sprach er zu uns die einladenden Worte: „Kommet zu mir, ihr alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euck erquicken." 16 Wenn du also das mit dem Evangelium und den Propheten übereinstimmende Gesetz liesest, sollst du auch die Geschichte der Könige lesen, damit du daraus ersehen kannst, daß alle jene Könige, welche gerecht gewesen sind, durch Gott zu Ehren und Ansehen gelangten und durch ihn die Verheissung des ewigen Lebens erhielten. Jene Könige hingegen, welche durch Hurerei sich von Gott trennten, gingen in ihrem Abfall von Gott durch gerechtes Urtheil des Herrn bald zu Grunde, verloren ihr Leben, und statt Ruhe ward ewige Strafe ihr Loos. Dieses also wenn du liesest, wirst du im Glauben gestärkt und mit Christo, dessen Leib und Glied du bist, aufs Innigste verbunden.

Wenn du aber auf dem Marktplatz spaziren gehst und ein Bad zu nehmen wünschest, so benütze ein Männerbad, damit nicht, während du den Leib unanständig entblößt den Weibern zeigest, oder was den Männern nicht zu sehen geziemt, anschauest, entweder du in die Falle gelockt werdest oder du die auf solche Weise leicht zu fesselnden Weiber verführest. Hüte dich daher vor Diesem, damit deiner Seele keine Schlingen gelegt werden!

  

7. Von unzüchtigen Weibern.

Wir wollen nun vernehmen, was im Buche der Weisheit das hl. Wort sagt: „Sohn, bewahre meine Reden und hinterlege bei dir meine Gebote! Mein Sohn, bewahre meine Gebote und mein Gesetz wie deinen Augapfel, so wirst du leben. Bind’ es an deine Finger, schreib’ es auf die Tafel deines Herzens! Sag zu der Weisheit: Du bist meine Schwester, und nenne die Klugheit deine Freundin, damit  sie dich bewahre vor dem fremden Weibe und vor der Ausländerin, die süße Worte spricht. Denn ich schaute aus dem Fenster meines Hauses durch das Gitter und sah die jungen Leute und ward gewahr eines thörichten Jünglings, der auf der Straße vorbeiging am Ecke und nahe bei dem Wege ihres Hauses im Dunkeln dahinschritt, da der Tag sich geneiget in der finstern Nacht und in der Dunkelheit. Und siehe, ein Weib kam ihm entgegen im Hurenschmuck, geschickt die Seelen zu fangen, geschwätzig und flatterhaft, der Ruhe ungewohnt, da ihre Füße im Hause nicht weilen können, die jetzt draußen, jetzt auf den Straßen, jetzt an den Ecken lauert. Sie erfaßte den Jüngling und küßte ihn und schmeichelte ihm mit frecher Miene und sprach: „Ich habe Schlachtopfer gelobet für mein Heil und heute meine Gelübde bezahlt; darum bin ich dir entgegengegangen mit dem Verlangen, dich zu sehen, und ich fand dich. Ich habe mein Bett mit Bändern gezleret, mit bunten Teppichen aus Ägypten belegt, mit Mvrrhe, Aloe und Zimmet mein Schlafgemach besprengt. Komm, laß uns trunken werden von Liebe und der gewünschten Umarmungen genießen, bis der Tag anbricht.„ 17 Dann fügt die Schrift bei: „So verstrickte sie ihn mit vielen Reden und riß ihn fort durch die Schmeicheleien ihrer Lippen. Er folgte ihr alsbald nach, wie ein Ochs zur Schlachtbank geführt wird, und wie ein muthwilliges Lamm.“ Und anderswo steht geschrieben: „Merke nicht auf die Arglist des Weibes; denn wie träufelnder Honigseim sind die Lippen der Hure, und glätter als Öl ist ihre Kehle; aber ihr End’ ist bitter wie Wermuth und scharf wie ein zweischneidiges Schwert.„ 18 Und wiederum: „Laß dein Herz nicht hingezogen werden auf ihre Wege, und laß dich nicht täuschen von ihren Pfaden; denn Viele hat sie verwundet und gestürzt und auch die Stärksten getödtet.“ 19 Wenn du diese Warnung nicht hörst, „wirst  du zuletzt seufzen müssen, wenn du dein Fleisch und deinen Leib aufgezehrt hast, und sprechen: Warum hab’ ich die Zucht gehasset und hat mein Herz die Warnungen nicht angenommen, und warum hab’ ich auf die Stimme meiner Lehrer nicht gehört und hab’ mein Ohr nicht zu den Meistern geneigt? Ich bin fast in alles Unglück gekommen mitten in der Gemeinde und Versammlung.“ 20 Es ist überflüssig, noch weitere Zeugnisse aus der hl. Schrift anzuführen. Ihr alle, die ihr weise seid, werdet die hieher bezüglichen Stellen der hl. Schrift in ihrem Zusammenhange betrachten und hiedurch gekräftigt alles Böse meiden, damit ihr jenseits als Heilige auf ewig bei Gott Wohnung nehmen könnt.

  

8. Von der Unterordnung des Weibes unter den Mann.

Das Weib aber soll ihrem Manne untergeordnet sein, weil der Mann das Haupt des Weibes ist. 21 Das Haupt des Mannes aber, der auf dem Wege der Gerechtigkeit wandelt, ist Cbristus. Das Haupt Christi aber ist Gott und sein Vater. Nach unserm allmächtigen Gott und Vater, dem Herrn der Gegenwart und Zukunft, dem Schöpfer jeglichen Geistes und der Kraft und nach seinem geliebten Sohn, unserm Herrn Jesus Christus, durch welchen Gott die Ehre, sollst du, o Weib, deinen Mann fürchten und ihn verehren; ihm allein suche zu gefallen und durch deinen Dienst ihm angenehm zu sein, damit auch deinetwegen selig gepriesen werde der Mann von der Weisheit, welche durch Salomon also spricht: „Wer wird ein starkes Weib finden? Ihr Werth ist wie Dinge, die weit herkommen, von den äussersten Grenzen. Es vertraut auf sie ihres Mannes Herz, und es wird ihm nicht an Ausbeute fehlen. Sie vergilt ihm Gutes und nicht Böses alle Tage ihres Lebens.  Sie suchet sich Wolle und Flachs und arbeitet nach der Kunst ihrer Hände. Sie ist wie ein Kaufmannsschiff, von fern her bringt sie ihr Brod. Sie stehet auf, wenn es noch Nacht ist, und gibt Errungenes ihren Hausleuten und Speise ihren Mägden. Sie schauet nach einem Acker und kauft ihn; von der Frucht ihrer Hände pflanzt sie einen Weinberg. Sie gürtet mit Kraft ihre Lenden und stärket ihre Arme. Sie fühlt und sieht, wie gut ihr Geschäft ist; es erlischt ihr Licht des Nachts nicht. Sie legt ihre Hand an große Dinge, und ihre Finger erfassen die Spindel. Sie öffnet ihre Hand dem Armen und strecket ihre Hände nach dem Dürftigen aus. Sie fürchtet nicht für ihr Haus des Schnees Kälte; denn alle ihre Hausleute sind doppelt gekleidet. Sie machet sich Decken, weiße Leinwand und Purpur ist ihr Kleid. Berühmt ist in den Thoren ihr Mann, wenn er sitzet mit den Räthen des Landes. Sie machet Hemden und verkauft sie und liefert Gürtel an den Chananiten. Kraft und Anmuth ist ihr Kleid; in den letzten Tagen wird sie lachen. Ihren Mund öffnet sie zur Weisheit, und das Gesetz der Milde ist auf ihrer Zunge. Sie hat Acht auf den Wandel ihres Hauses, und ißt ihr Brod nicht müssig. Ihre Kinder kommen empor und preisen sie überselig, und ihr Mann, er lobet sie. Viele Töchter haben sich Reichthümer gesammelt; du aber hast sie alle übertroffen! Betrüglich ist die Anmuth und eitel die Schönheit; ein Weib, das den Herrn fürchtet, das wird gelobt werden. Gebet ihr von den Früchten ihrer Hände, „es müssen sie loben in den Thoren ihre Werke!„ 22 Und wiederum: „Ein fleissiges Weib ist die Krone ihres Mannes.“ 23 „Ein weises Weib erbauet ihr Haus.„ 24

Ihr habt gehört, welche Lobpreisung ein verständiges und ihren Mann liebendes Weib von Gott dem Herrn erhält. Wenn du gläubig und genehm dem Herrn sein willst,  so sollst du dich nicht schmücken, um andern Männern zu gefallen; ahme nicht nach die Haarlocken oder Kleider oder Schuhe der Buhlerin, um nicht Diejenigen an dich zu locken, welche hierin sich verstricken. Denn wenn du auch nicht um zu sündigen solche schändliche Dinge thust, sondern lediglich zu deiner Zier, so wirst du doch der künftigen Strafe nicht entgehen, da du Jemanden zur Begierde nach dir verführt und nicht verhütet hast, daß du nicht selbst in die Sünde fallest und Andere kein Ärgerniß nehmen. Wenn du aber durch Selbsthingebung gesündigt und dich verfehlt hast, so mußt du für die Seele auch jenes Mannes einstehen; denn wenn du mit Einem gesündigt hast, wirst du hernach einmal an dir selbst verzweifeln und dich ohne Schamgefühl wieder mit Anderen verbinden, wie die hl. Schrift sagt: „Wenn der Gottlose in den Abgrund der Sünde kommt, verachtet er’s, aber es folgt ihm Schmach und Schande.“ 25 Denn ein solches Weib, jämmerlich verwundet, führt die Seelen der Thoren in die Schlingen. Sehen wir daher zu, wie die hl. Schrift solche aufführt: „Ein schönes und thörichtes Weib ist wie ein Schwein mit einem goldenen Ringe in der Nase.„ 26 „Ein Weib, welches Schmachwürdiges thut, ist wie Fäulniß in den Gebeinen des Mannes.“ 27 „Besser ist’s, im Winkel des Daches zu sitzen, als bei einem zänkischen Weibe sein und im gemeinsamen Hause.„ 28 „Besser ist’s in einer Wüste wohnen, als bei einem zänkischen und zornmüthigen Weibe.“ 29

Ihr, die ihr christliche Frauen seid, ahmet solche Weiber nicht nach! Willst du aber deinem Manne treu sein, so strebe, nur ihm zu gefallen. Auf den Straßen bedecke dein Angesicht, denn durch den Schleier verhüllst du vor den Neugierigen das Antlitz. Das Angesicht, welches dir Gott gegeben, sollst du nicht schmücken, denn es ist Nichts an  dir, das des Schmuckes bedarf. Alles, was Gott gemacht, ist überaus schön. Auch verhöhnt der übermäßige Schmuck am ohnehin Schönen die Huld des Künstlers. Du also gehe niedergeschlagenen Auges deine Wege und verhülle dich, wie es Frauen geziemt!

  

9. Das Weib soll nicht mit Männern baden.

Verhüte auch eine unschickliche Waschung im Bade mit Männern, denn das sind viele Netze der Sünde. Eine gläubige Frau soll nicht baden in einem Männern und Frauen gemeinschaftlichen Bade. Denn wenn eine Frau das Angesicht verhüllt und den Anblick fremder Männer aus sittlicher Scheu meidet, wie soll sie mit Männern in’s Bad gehen? Daher soll sie in einem Frauenbad sittsam, schamhaft und mit Mäßigung sich baden. Ferner soll sie die Waschung nicht allzuhäufig vornehmen, auch nicht am Mittag und wenn möglich nicht täglich. Als Stunde aber des rechtzeitigen Bades sei dir die zehnte bestimmt; denn da du gläubig bist, sollst du auf jede Weise und immer die vieläugige Neugierde fliehen.

  

10. Von streitsüchtigen und geschwätzigen Weibern.

Deine Streitsucht, o christliche Frau, sollst du sowohl gegen Jedermann, als auch insbesondere gegen deinen Mann ablegen, damit letzterer, wenn er ein Ungläubiger oder Heide ist, an dir sich nicht ärgere, Gott nicht lästere und du nicht als Erbe jenes „Weh" bei Gott erfunden werdest: „Wehe über Den, durch welchen mein Name gelästert wird unter den Heiden." 30 Wenn aber dein Mann gläubig ist, so wird er gezwungen, da er der hl. Schrift kündig ist, jenes Wort der Weisheit zu sprechen: „Besser ist’s in einer  Wüste wohnen als bei einem zänkischen und zornmüthigen Weibe." 31 Zeiget daher, ihr Frauen, des sittlichen Anstandes und der Sanftmuth willen Gottesfurcht, zur Bekehrung und Stärkung im Glauben für Alle, die noch ungläubig sind, Männer wie Frauen. Und wenn wir euch, o Schwestern und Töchter, als Glieder unserer Gemeinde durch diese kurze Ermahnung belehrt haben, so verharret in der Weisheit, ohne euren Wandel zu beflecken; bestrebet euch, jene Lehren kennen zu lernen, durch welche ihr mit Gottes Gnade in das Reich unseres Herrn gelangen und dort ewig ruhen könnet.

 

 

 

 

Zweites Buch: Von dem Klerus.

 

1. Der Bischof muß gelehrt und beredt sein.

 In Betreff der Bischöfe haben wir von unserm Herrn gehört, daß der Hirte, welcher als Bischof in irgend einer Kirche oder Gemeinde aufgestellt ist, unbescholten sein muß, tadellos, unberührt von jeglicher Ungerechtigkeit der Welt, 32 und nicht jünger als fünfzig Jahre, so daß er in jeglicher Weise die jugendlichen Zügellosigkeiten flieht und verschont bleibt von den Vorwürfen der Heiden und den gotteslästerlichen Beschuldigungen der falschen Brüder, welche sie gegen Viele schleudern, da sie das Wort des Herrn nicht kennen: „Ich sage euch aber, daß die Menschen über ein jedes unnütze Wort, das sie reden, am Tage des Gerichts Rechenschaft geben werden." 33 Und wiederum: „Aus deinen Wor-  ten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden." 34 Ein Bischof soll also gelehrt und beredt sein, wie es dem Alter zukommt. Wenn aber in einem kleinen Sprengel ein an Alter Vorgeschrittener nicht gefunden werden sollte, und es wird einem Jüngeren von seinen Mitgenossen das Zeugniß gegeben, daß er des Episcopats würdig sei, da er trotz seiner Jugend in Sanftmuth und Sittlichkeit Mannesproben abgelegt habe, so soll dieser auf solche Zeugnisse hin in Frieden aufgestellt werden: denn auch Salomon, 35zwölf Jahre alt, ist König von Israel gewesen, und ebenso war Josias schon in seinem siebenten Lebensjahre Beherrscher des Volkes. 36 Also wenn auch iung, so sei er doch milde, ehrwürdig und ruhig, denn Gott der Herr spricht durch Isaias: „Auf wen seh ich, als auf den Armen, der zerschlagenen Geistes ist und meine Worte mit Zittern hört?" 37 In ähnlicher Weise schreibt das Evangelium: „Selig sind die Sanftmüthigen, denn sie werden das Erdreich besitzen." 38 Er sei aber auch barmherzig, denn wiederum ist gesagt: „Selig die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen." Er soll sich aber auch bewußt sein, daß er von jeglicher Schlechtigkeit, Verderbtheit und Ungerechtigkeit rein sei; denn wie die Schrift sagt: Selig die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott anschauen.

  

2. Der Bischof muß ein tüchtiger Hausvater sein.

Der Bischof sei also auch nüchtern, keusch, ehrbar, charaktervoll, gesetzt, kein Weinsäufer, kein Raufbold, sondern bescheiden, nicht streitsüchtig, nicht geldgierig, nicht erst Christ geworden, damit er nicht hochmüthig gemacht ins Gericht komme und in die Schlinge des Teufels, 39 denn Jeder, der  sich selbst erhöht, wird erniedriget werden. 40 Der Bischof muß aber von folgender Beschaffenheit sein. Er sei der Mann eines einmal verheiratheten Weibes, der seinem Hause wohl vorsteht. Denn so soll er geprüft werden, wenn er die Handauflegung selbst empfängt und auf einen bischöflichen Stuhl gesetzt wird: ob er sei ehrwürdig, gläubig, ehrbar, ob er ein züchtiges, ehrbares, gläubiges Weib entweder habe oder gehabt habe, ob er die Kinder fromm auferzogen und in der Lehre des Herrn unterrichtet und vorwärts gebracht habe; ob die Angehörigen seines Hauses ihn fürchten und achten, und ob alle ihm gehorsam sind. Denn wenn die, welche dem Fleische nach zu ihm in Verwandtschaft stehen, gegen ihn sich auflehnen und ungehorsam sind, d. h. sich nicht belehren lassen, wie werden die, welche ihm fremd sind, sich ihm unterwerfen, da sie seiner Sorge und Obhut unterstellt werden?

  

3. Der Bischof soll sich nicht von Zornsucht und Verschwendung leiten lassen; er sei im Gegentheil liebevoll und gefällig gegen alle Menschen.

Es soll darüber Prüfung angestellt werden, ob der Bischof tadellos ist bezüglich seines Vorlebens, denn es steht geschrieben: „Sehet fleissig zu, daß keine Makel an Demjenigen sei, welcher zum Priesterthum auserwählt werden soll." 41 Er sei also nicht zum Zorne geneigt. Denn es sagt die Weisheit: „Der Zorn richtet auch den Klugen zu Grunde." 42Zudem sei er auch muthig, barmherzig und liebevoll. Denn es sagt der Herr: „Daran erkennen Alle, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebet." 43 Er sei auch freigebig, mitleidig gegen Wittwen, gastfreundlich, dienstbereit, unermüdlich bescheiden, endlich wisse er wohl zu unterscheiden, wer der Erhörung würdiger sei.

  

4. Die Mildthätigkeit des Bischofs berücksichtige besonders jene Wittwen, die der Unterstützung vorzüglich würdig sind. Lüderlichkeit und Trägheit soll von ihm nicht gepflegt werden.

Wenn irgendwo eine Wittwe sich findet, welche sich das zum Leben Nothwendige verschaffen kann, eine Andere aber, die nicht Wittwe ist, dürftig ist in Folge von Krankheit oder Menge der Kinder oder wegen Arbeitsunfähigkeit, so soll man dieser vor Allem die Hand reichen. Wenn aber ein Fresser oder Säufer oder Müssiggänger um Lebensunterhalt kommt, so ist er der Hilfe nicht würdig, selbst auch nicht der Gemeinschaft mit der Kirche; denn es spricht die Schrift sich darüber in folgenden Worten aus: „Der Faule verbirgt seine Hand unter der Achsel und bringt sie nicht an seinen Mund.“ 44 „Der Thor legt seine Hände zusammen und verzehrt sein Fleisch und spricht: Besser ist eine Hand voll mit Ruh’, als beide Hände voll mit Arbeit und Herzensqual." 45 „Die sich dem Saufen ergeben und Gastereien halten, zehren aus, und die Schläfrigkeit kleidet in Lumpen." 46 Und an anderer Stelle: „Sieh den Wein nicht an, wenn er so gelb ist, wenn seine Farbe im Glase glänzt; er schleicht lieblich hinunter, aber zuletzt sticht er wie eine Schlange und gießt sein Gift aus wie ein Basilisk. Deine Augen werden nach fremden Weibern sehen, und dein Herz wird Verkehrtes reden. Und du wirst wie Einer sein, der mitten auf dem Meere schläft, und wie ein schlummernder Steuermann, der das Ruder verloren." 47 Wahrlich die Trägheit ist die Mutter des Hungers.

  

5. Vor dem Bischof gelte kein Ansehen der Person; er sei fern von Aufwand und Vergnügungssucht.

Der Bischof soll kein Ansehen der Person gelten lassen, weder den Reichen über Gebühr ehren 48 oder schmeicheln,  noch den Armen verachten oder unterdrücken, denn Gott sagt zu Moses: „Du sollst kein Ansehen der Person des Reichen nehmen." „Auch sollst du dich des Armen im Gerichte nicht erbarmen." 49 Und wieder: „Es sei kein Unterschied der Person." 50 „Was recht ist, dem sollst du treu nachtrachten: damit du lebest und das Land besitzest, das der Herr dein Gott dir geben wird." 51 In Speis’ und Trank soll der Bischof einfach und genügsam sein, damit er den in der Lehre Unerfahrenen die Nüchternheit ans Herz legen könne. Er soll auch keinen Aufwand machen, kein Schwelger, kein Lebemann, kein Feinschmecker sein. Er sei auch standhaft, langmüthig in den Ermahnungen, er sei lehrfähig, betrachtend und studirend in den Büchern des Herrn, er lese viel darin, damit er die Schriften genau auslege, im Zusammenhange mit den Propheten und dem Gesetze das Evangelium erkläre, und ebenso sollen zum Evangelium die Erklärungen aus dem Gesetze und den Propheten stimmen. Denn der Herr Jesus sagt: „Erforschet die Schriften, denn sie sind es, welche von mir Zeugniß geben." 52 Und wiederum: „Denn von mir hat Moses geschrieben." 53 Vor Allem aber soll er Gesetz und Tradition genau auseinander zu halten wissen und zeigen, was Gesetz der Gläubigen sei und was Fesseln der Ungläubigen, damit nicht Jemand den Fesseln verfalle. Lege großen Werth, o Bischof, auf deine Worte, damit du dir Alles sprachgemäß erklären kannst und in vielfältigem Unterricht dein Volk reichlich nährest und erleuchtest mit dem Lichte des Gesetzes; denn Gott spricht: „Säet euch Gerechtigkeit und erntet Barmherzigkeit, brecht euch um ein neues Feld; denn Zeit ists den Herrn zu suchen, bis Der kommt, der euch Gerechtigkeit lehren wird." 54

  

6. Der Bischof soll nicht gewinnsüchtig sein, aber auch nicht Bürgschaft leisten oder den Anwalt machen.

Der Bischof suche nicht schmutzigen Gewinn und besonders nicht von den Heiden; er leide lieber Schaden, als daß er einen zufüge. Er sei nicht habsüchtig, kein Räuber, kein Betrüger, schmeichle nicht den Reichen und hasse nicht die Bettler: Andern rede er nichts Böses nach, gebe kein falsches Zeugniß, sei nicht zornig, nicht streitsüchtig — auch soll er sich nicht in weltliche Geschäfte verwickeln, er soll nicht Bürgschaft leisten oder in Geldgeschäften den Anwalt machen; er sei nicht herrschsüchtig, nicht schwankend, nicht zweizüngig, kein Gönner der Verläumder und Ehrabschneider, kein Heuchler, er trage kein Verlangen nach den Festen der Heiden und bleibe fern von eitlen Ergötzlichkeiten; er sei frei von Leidenschaft und nicht geizig, weil all Dieses Gott mißfällt und dem bösen Feinde Freude bereitet. Dieß alles aber soll der Bischof den Laien durch sein Beispiel fortwährend verkünden und sie anleiten, daß sie seine Lebensweise ihm nachahmen. „Lehret die Söhne Israels, daß sie meiden die Unreinigkeit." 55 Er sei ferner weise und demüthig, wohl bewandert in der Lehre des Herrn, er sei edler Gesinnung und entsage allen schlechten Bestrebungen der Welt und allen heidnischen Gelüsten. Er sei wohl darauf bedacht, schnell zu erkennen die Schlechten und sich vor ihnen zu hüten. Alle gleich liebend, sei er rechtlich und gerecht, und was immer Edles bei den Menschen ist oder sich findet, das soll der Bischof an sich haben, weil ein tadelloser Hirte seine Schüler durch den Umgang mit ihnen dahin zu bringen sucht, daß sie seine Handlungen nachahmen, wie auch der Prophet sagt: „Wie der Priester, so auch das Volk." 56 Denn auch unser Herr und Heiland Jesus Christus, der Sohn Gottes, begann zuerst zu handeln und zu wirken,  und dann zu lehren, wie irgendwo Lukas sagt: „Was Jesus vom Anfange that und lehrte." 57 Deßwegen sagt der göttliche Lehrer: „Wer es thut und lehrt, der wird groß heissen im Himmelreich." 58 Ihr Bischöfe müsset Aufsicht halten über das Volk, wie auch Ihr Christum als Aufseher habet. Und ihr sollet also sorgfältig Aufsicht führen über das Volk Gottes, denn der Herr spricht durch Ezechiel zu einem Jeden von euch: „Und nur, Menschensohn, dich habe ich zum Wächter gesetzt über das Haus Israel. Darum wenn du ein Wort aus meinem Munde hörest, verkünde es ihnen in meinem Namen. Wenn ich zu dem Gottlosen sage: Gottloser, du wirst des Todes sterben, und du sagest ihm das nicht, daß der Gottlose verlasse seinen Weg, so wird wohl der Gottlose selbst in seiner Missethat sterben, aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern. Hast du aber dem Gottlosen verkündigt, daß er sich bekehre von seinem Wege, und er bekehrt sich nicht von seinem Wege, so wird er selbst sterben in seiner Missethat, du aber hast gerettet deine Seele." 59 „Menschensohn! Rede zu den Söhnen deines Volkes und sprich zu ihnen: Wenn ich das Schwert über ein Land bringe und das Volk des Landes nimmt aus seinen Geringsten einen Mann und stellt ihn zu seinem Wächter auf, und er sieht das Schwert über das Land kommen und bläst in die Trompete und verkündigt es dem Volke; und Einer, wer es auch sei, höret den Klang der Trompete, aber nimmt sich nicht in Acht, und das Schwert kommt und rafft ihn weg: dieses Mannes Blut wird auf seinem Haupte sein. Er hat ja den Klang der Trompete gehört, aber nicht auf sich Acht gehabt, sein Blut soll auf ihm sein; hätte er auf sich Acht gehabt, so würde er seine Seele gerettet haben." 60 Unter dem Schwerte ist das Gericht zu verstehen und unter der Trompete das hl. Evangelium. Aufseher ist der in der Kirche angestellte Bischof, welcher vom  Gerichte predigen, durch Worte stärken und beschwören muß. Wenn ihr dem Volke nicht predigt und Zeugnis gebet, so wird die Sünde der Unwissenden über euch kommen. Daher ermahnet die Unwürdigen und überzeuget sie mit Freimuth. Die Unwissenden lehret, die Reifen bestärket, die Irrenden führet wieder zurück. Wenn wir auch, o Brüder, die gleichen Lehren mit den nämlichen Worten wiederholt vortragen, so wird uns dadurch kein Schaden zugehen, denn durch das oftmalige Anhören ist es wahrschemlich, daß einige Zuhörer sich bewegen lassen, etwas Gutes zu thun und eine böse Handlung zu unterlassen, und sei es auch nur ein einziges Mal. Denn Gott spricht durch den Propheten: „Sprich zu allen Städten Juda’s, aus denen man kommt, um anzubeten im Hause des Herrn, alle Worte, die ich dir gebiete zu ihnen zu reden; nimm kein Wort hinweg. Vielleicht, daß sie hören und sich bekehren." 61 Und wiederum: „Sprich also meine Worte zu ihnen, vielleicht, daß sie hören und ablassen." 62 „Geh hin, tritt hinein zu den Gefangenen, zu den Söhnen deines Volkes und rede mit ihnen und sprich zu ihnen: So spricht Gott der Herr! Vielleicht, daß sie hören und ablassen." 63 Und Moses sagte dem Volke: „Wenn du auf die Stimme des Herrn deines Gottes hörst und thust, was recht vor ihm ist, und seinen Geboten gehorchest und alle seine Gebote beobachtest, so will ich keine der Krankheiten, die ich auf Ägypten gelegt, über dich bringen." 64 Und: „Höre Israel, der Herr, unser Gott ist ein einiger Herr." 65 Und Jesus schärft Dies im Evangelium oft ein und sagt: „Höre, Israel, dein Gott ist der einzige Gott." 66 Und der weise Salomon sagt: „Höre, mein Sohn, auf die Lehre deines Vaters und verlaß nicht das Gesetz deiner Mutter." 67 Und sie hörten bis auf den heutigen Tag nicht, und wohl in der Meinung,  gehört zu haben, hörten sie nicht recht und verließen den einen und allein wahren Gott und verfielen in verderbliche und schreckliche Irrlehren, wovon später die Rede sein wird.

  

7. Über die Eigenschaften derer, welche die hl. Taufe empfangen haben.

Es sei euch, Geliebte, wohl bekannt, daß die, welche auf den Tod Jesu getauft sind, nicht mehr sündigen sollen. Denn wie die Todten zu sündigen unfähig sind, so sind auch die, welche mit Christo gestorben, der Sünde nicht zugänglich. Wir glauben also nicht, Brüder, daß Jemand, der durch das Bad des Lebens gewaschen, noch mit den Ausschweifungen der Bösen sich beflecke. Wer aber nach der Taufe gesündigt, wird, wenn er nicht wieder zur Einsicht kommt und bereut und zu sündigen aufhört, zur Hölle verurtheilt werden.

  

8. Von erlittenen Verläumdungen und Beschimpfungen.

Wenn Jemand von Seite der Ungläubigen, weil er nicht mehr mit ihnen den Lüsten und Begierden fröhnt, beschimpft und verläumdet wird, so soll er wissen, daß er selig ist vor Gott, wie auch der Herr im Evangelium sagt: „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen schmähen und verfolgen und alles Böse lügenhaft wider euch reden meinetwillen. Freuet euch und frohlocket, denn euer Lohn ist groß im Himmel." 68 Wer also durch Lüge verläumdet wird, der ist selig zu preisen, denn die Schrift sagt: „Selig der Mann, der die Prüfung aushält; wenn er bewährt ist. wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott Denen, die ihn lieben, bereitet hat. Niemand, der versucht wird, sage:  Ich werde von Gott versucht!" 69 Wenn aber Jemand überwiesen worden, Böses gethan zu haben, so schadete er nicht nur sich selbst, sondern fügte auch Schmach dem ganzen Leibe der Kirche und der hl. Lehre zu, weil wir das, was wir als gut erkennen, im Werke nicht ausführen, so daß wir aus dem Munde des Herrn mit Recht den Tadel vernehmen: „Sie sagen es und thun es nicht." 70 Daher soll der Bischof Solche, welche des Bösen oft überwiesen sind und ihren Lebenswandel nicht ändern, muthig und unerschrocken von der Kirche ausschließen.

  

9. Der Bischof soll unbestechlich sein.