Atlantis 10: Das Talagon - Dietmar Schmidt - E-Book

Atlantis 10: Das Talagon E-Book

Dietmar Schmidt

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Beschreibung

Mehr als dreieinhalb Jahrtausende schon reisen die Menschen mit Raumschiffen durch das Weltall. Dennoch gibt es auf der Erde genügend Geheimnisse. Eines dieser Mysterien ist der Kontinent Atlantis, der gut 8000 Jahre vor Beginn der christlichen Zeitrechnung versunken ist. Gegen ihren Willen werden Perry Rhodan und seine Frau Sichu Dorksteiger in diese Vergangenheit geschleudert. Sie landen in der Zeit, in der die menschenähnlichen Arkoniden auf Atlantis eine Kolonie errichtet haben – gleichzeitig führen sie einen Krieg gegen die fremdartigen Maahks. Rhodan und Dorksteiger kommen Stück für Stück an die Informationen, die sie benötigen, um vielleicht in ihre Zeit zurückzukehren. Sie treffen sogar auf Atlan, den Rhodan eigentlich erst Jahrtausende in der Zukunft kennenlernen wird. Bei alledem dürfen die unfreiwilligen Zeitreisenden keinen Fehler begehen und ihre eigene Gegenwart verändern. Zudem ist eine kosmische Macht aktiv: das Raumschiff STRAHLKRAFT mit seiner beeindruckenden Technik. Es stellt sich heraus, dass Atlantis ein wichtiger Punkt für kosmische Geschehnisse ist. Dort kommt es zur Konfrontation zwischen den Menschen und dem Kommandanten der STRAHLKRAFT. Dieser öffnet DAS TALAGON ...

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Nr. 10

Das Talagon

Er steht im Dienst der Kosmokraten – seit Äonen folgt er seinem eigenen Plan

Dietmar Schmidt

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Arkonspitze – 17. April 8005 v. Chr.

1. Lotron – 196.516 v. Chr.

2.

3.

4. Lotron – 196.516 v. Chr.

5.

6. Lotron – 196.513 v. Chr.

7.

8. Lotron – 196.513 v. Chr.

9. Jahrtausende wie Staub vor dem Wind

10. Ynnig – einige Tausend Jahre zuvor

11.

12. Ammandul – 8006 v. Chr.

13. Atlantis – 17. April 8005 v. Chr.

Epilog: Weltenschoß – 17. April 8005 v. Chr.

Kommentar: Tolcai

Impressum

Mehr als dreieinhalb Jahrtausende schon reisen die Menschen mit Raumschiffen durch das Weltall. Dennoch gibt es auf der Erde genügend Geheimnisse. Eines dieser Mysterien ist der Kontinent Atlantis, der gut 8000 Jahre vor Beginn der christlichen Zeitrechnung versunken ist.

Gegen ihren Willen werden Perry Rhodan und seine Frau Sichu Dorksteiger in diese Vergangenheit geschleudert. Sie landen in der Zeit, in der die menschenähnlichen Arkoniden auf Atlantis eine Kolonie errichtet haben – gleichzeitig führen sie einen Krieg gegen die fremdartigen Maahks.

Rhodan und Dorksteiger kommen Stück für Stück an die Informationen, die sie benötigen, um vielleicht in ihre Zeit zurückzukehren. Sie treffen sogar auf Atlan, den Rhodan eigentlich erst Jahrtausende in der Zukunft kennenlernen wird. Bei alledem dürfen die unfreiwilligen Zeitreisenden keinen Fehler begehen und ihre eigene Gegenwart verändern.

Zudem ist eine kosmische Macht aktiv: das Raumschiff STRAHLKRAFT mit seiner beeindruckenden Technik. Es stellt sich heraus, dass Atlantis ein wichtiger Punkt für kosmische Geschehnisse ist.

Dort kommt es zur Konfrontation zwischen den Menschen und dem Kommandanten der STRAHLKRAFT. Dieser öffnet DAS TALAGON ...

Die Hauptpersonen des Romans

Tolcai – Der Diener der Kosmokraten erzählt seine Geschichte.

Perry Rhodan – Der Terraner lauscht einer kosmischen Geschichte.

Toshik – Der Gendesigner fühlt sich zwischen Arbeit und Familie zerrieben.

Joshiron – Der junge Takerer hat Schwierigkeiten mit seinem neuen Leben.

Caysey

Prolog

Arkonspitze – 17. April 8005 v. Chr.

Auf dem Gipfel des Bergs stand ich, über mir der gewaltige kobaltblaue Zylinder der STRAHLKRAFT, als sie kamen, um mich zu besiegen: Perry Rhodan, Sichu Dorksteiger und Rowena da Gonozal.

Vom ersten Moment an hatte ich sie so gesehen, wie sie waren, obwohl Rhodan und Dorksteiger als Arkoniden getarnt waren. Ich durchschaute ihre primitiven Biomolplastmasken, blickte durch die lächerliche Verkleidung geradewegs auf Rhodans helles Gesicht und Dorksteigers grüne, von goldenen Linien- und Punktmustern überzogene Haut.

Sie näherten sich mir mit Waffen in den Händen. Wäre die Situation kritisch gewesen, hätte ich mich über die Dummheit meiner Zwergandroiden geärgert, auch wenn ich mir schon lange keine Illusionen mehr machte, was ihre Fähigkeiten betraf. Aber die Handstrahler der Neuankömmlinge waren harmlos. Und ich hatte ihnen den Schutzschirm geöffnet.

Gemeinsam mit RCO wartete ich auf sie, das Talagon deutlich sichtbar in der Hand. Ich wusste genau, welches Bild sich ihnen bot. Das Tal und das Meer, das im Sonnenschein hellblau funkelte, waren ein guter Hintergrund für mich und den Serviceroboter. Wind pfiff über die Hochebene. Wir standen ungerührt da, nur das Talagon pendelte an seiner Kette in den Böen.

Ich wollte sie begrüßen, doch bevor ich etwas sagen konnte, riss da Gonozal den Impulsstrahler hoch und schoss mir ins Gesicht.

Nur dass der Strahl mich nicht erreichte. Mein Schutzschirm absorbierte ihn spurlos. Für meine Kontrahenten musste das frustrierend wirken.

Die Arkonidin verdiente eine darüber hinausgehende Bestrafung, daher schnippte ich mit den Fingern, und sie brach zusammen, bäumte sich noch ein paarmal unter Schmerzen auf. Aber das würde sich legen. Dorksteiger sprang zu ihr. Aber wie wollte ihr die Frau mit der grünen Fraktalhaut helfen? Sie war eine Ator, hatte mir mein AUGE verraten. Verwandt mit den Hathor, einem zuschanden gekommenen Hilfsvolk der Kosmokraten? Darauf erhielt ich keine klare Sicht. Verbargen meine Herren und Meister wieder etwas vor mir?

»Wissen die Kosmokraten, dass du Leben auslöschst, statt es zu fördern?«, fragte mich Perry Rhodan.

Bleierne Müdigkeit legte sich über mich. Dieses öde Salbadern! Dieses ewig gleiche moralisierende Gejammer!

Also sah ich ihm in die Augen, während ich das Talagon mit einer beiläufigen Drehung öffnete. Das Ei, das eigentlich Leben symbolisierte, verbreitete nun Tod. Mir gefiel die Ironie.

Rhodan schrie auf. Er stürzte vor, besann sich, bevor er meinen Schutzschirm berührte. Sein Gesicht bot ein prächtiges Bild. Ich merkte ihm an, dass er sich einen Moment lang fragte, ob ich das Talagon allein seinetwegen geöffnet hatte, und diesen Augenblick genoss ich. Dann traf ihn die Erkenntnis, dass er versagt hatte, dass alles Leben in diesem Spiralarm erlöschen würde, weil er zu spät gekommen war.

*

Nur um Sekunden.

Perry Rhodan empfand nicht nur Tolcais mentalen Druck, sondern auch grenzenloses Entsetzen. Wäre er nur Sekunden früher eingetroffen ... Nein, sagte er sich. Tolcai war bereit. Er hat auf uns gewartet. Er hat uns den Schutzschirm geöffnet. Weil er ein Publikum wollte. Sein Entschluss stand schon lange fest.

Rhodan hatte das Rennen um die Waffe verloren, und Tolcai hatte sie geöffnet. Das zweieinhalb Meter große Roboterwesen, elegant und nach einem offenbar universellen ästhetischen Ideal geformt, hatte eine stumpfbraune Metallhaut, von der sich schroff die Augen abhoben, eines rot, das andere schwarz. Im Unterschied dazu waren die anderen Sinnesorgane im birnenförmigen Kopf nur als Schlitze angedeutet. Tolcai sah wie ein Ebenbild Laires aus, handelte aber nicht wie ein Kosmokratenroboter.

Von den Auswirkungen seiner Tat war Rowena als Erste betroffen.

Wo Tolcais Waffe sie niedergestreckt hatte, krampfte sie sich zusammen. Entsetzen trat in ihr Gesicht. Sie schrie auf. Ihre Haut wurde dunkel, Runzeln bildeten sich, die sich zu Furchen vertieften, aus denen Fleisch hervorquoll, das sich schwärzlich verfärbte und granulierte. Nur wenige Sekunden dauerte es, und ihre Überreste waren nicht mehr als Rowena da Gonozal zu erkennen.

Das war das Schicksal, das ihnen bevorstand. Der ganzen Erde in der Vergangenheit. Dem Spiralarm. Das Schicksal, das die Menschheit auslöschen würde, bevor man überhaupt von einer Menschheit sprechen konnte.

Nukleotide Pest.

Bei allem Entsetzen fragte er sich, wie eine radikale Waffe aus dem lebensfeindlichen Arsenal der Chaotarchen in die Hände eines Kosmokratendieners gelangt sein konnte.

Er sah zu Sichu, die neben Rowenas Leiche kniete und vergeblich versuchte, sich aufzurichten. Seine Frau erwiderte seinen Blick mit Verzweiflung in ihrem Gesicht, das noch wie ihr Gesicht aussah. Weil sie meist in seiner Nähe war, half ihr die Vitalenergie aus Rhodans Zellaktivator, aber wie lange konnte er sie schützen? Ein paar Minuten? Kaum genug, um noch einen Ausweg zu finden.

Rhodan biss die Zähne zusammen und rief QUARTAM. Das Schiff, das einmal der arkonidische Wissenschaftler Quartam da Quertamagin gewesen war, stand als Einsatzreserve im Hangar der BEST HOPE. Sein Eingreifen war nun dringend erforderlich – aber würde er rechtzeitig eintreffen? Kaum.

Als Rhodan zu Sichu eilte, verursachte ihm die Bewegung leichten Schwindel; seine Beine fühlten sich an wie aus Gummi. Die Nukleotide Pest hatte auch ihn befallen. Sein Zellaktivator kämpfte dagegen an – in der linken Schulter, wo der Chip implantiert war, spürte er bereits ein Wärmegefühl. Noch schützte die gespeicherte Vitalenergie ihn ebenso wie Sichu, aber wie viel Zeit ihnen blieb – Minuten, Stunden oder Tage –, wusste der Terraner nicht zu sagen.

*

Ich weidete mich an ihrem Anblick.

Rhodan schloss Dorksteiger in die Arme. Bislang hatten sie überlebt, doch Rhodans Vitalenergiespeicher würde bald ausgelaugt sein, und für beide kam das Ende. Vermutlich würde der simple Zellaktivator Dorksteiger früher sterben lassen und seine letzten Impulse für seinen Träger aufsparen, eine pathetische und letztlich sinnlose Übung, denn beider Ende war unabwendbar.

Ich hatte erreicht, was ich mir vorgenommen hatte. Hinter mir lag ein langer Weg, und jetzt, am Ziel der Reise, fühlte ich mich seltsam leer. Meine wahren Gründe, das Talagon zu öffnen, hatte ich nie preisgegeben, auch nicht in meinem Gespräch mit Rhodan an Bord der STRAHLKRAFT. Niemand hatte sie erfahren dürfen – schon gar nicht meine kobaltblaue Walze.

RCO wandte sich mir zu. »Ich merke Ihnen Verdrossenheit an. Darf ich mich nach dem Grund dafür erkundigen?«

»Für eine primitive Maschine bist du recht aufmerksam, mein Kleiner«, knurrte ich.

»Ich möchte nur helfen. Und ich bin kein primitiver arkonidischer Serviceroboter mehr. Tuglans Haut der Heilung hat mich kosmokratisiert.«

»Das macht dich nicht zu meinesgleichen«, versetzte ich. Auch nicht das, was ich ihm darüber hinaus geschenkt hatte, ohne dass er davon wusste. »Um mir zu helfen, müsstest du mich verstehen, und dazu wäre erforderlich, dass du meine Vergangenheit kennst.«

Ich musste wirklich in meinem Innersten erschüttert sein, dass ich mich mit einem antiquierten Automaten abgab. Aber irgendwie erheiterte er mich.

RCO gab keine Ruhe. »Zu meinen Funktionen als Serviceroboter gehört auch die Verantwortung für das psychische Gleichgewicht meines Besitzers. So wurde ich programmiert, und ich vermag es nicht abzustreifen. Wenn Sie die Muße haben, erzählen Sie mir doch von Ihrem Leben. Ich habe momentan nichts zu tun, und Sie?«

Also wollte mich eine simple positronische Maschine therapieren, mich, der ich Superintelligenzen in die Schranken gewiesen hatte. Ungerührt sah ich zu, wie meine Zwergandroiden taumelten. Noch bewahrte sie ihre kosmokratische Aufladung vor dem Ende, aber schon bald würden sie sich in widerwärtige Karikaturen lebendiger Stofflichkeit verwandelten.

Wieso nicht?, dachte ich.

»Auch wenn du es nicht glauben wirst, meine Geschichte begann genau hier«, sagte ich, ohne RCO anzusehen. Was sollte ein Blickkontakt zwischen meinen Augen und seinen Sehzellen auch bedeuten? »Auf diesem insignifikanten Planeten. Auf genau diesem Berg. Fast zweihunderttausend Jahre ist es her.« Ich sah zur STRAHLKRAFT hoch, die über dem Berg stand, den Joshiron vor langer Zeit Tradracu getauft hatte.

1.

Lotron – 196.516 v. Chr.

Indem er sein Reich inspizierte, versuchte sich Direktor Toshik von den Sorgen abzulenken, die sein Sohn ihm bereitete.

Er vergewisserte sich, dass die Habitatzellen in dem Forschungskomplex, der ihm noch nicht lange unterstand, makellos sauber waren. Sie waren es, und es überraschte ihn wenig. Roboter kümmerten sich rund um die Uhr um die Tanks mit seinen Zuchtexperimenten.

Die vier Aspiranten, die ihn auf seiner Visite begleiteten, waren frisch auf Lotron eingetroffen, und sie hatten viele Fragen, die sie stellen mussten, ohne sich eine Blöße zu geben. Ein wenig genoss Toshik die Situation. Fast wie gestern erschien es ihm, dass er selbst Aspirant gewesen und auf Schritt und Tritt seine Klugheit hatte beweisen müssen. Wie gut, dass diese Zeiten vorbei waren – oder wenigstens, solange er nicht mit seinen Vorgesetzten zu tun hatte. Bei diesen Leuten musste man vorsichtig sein, sehr vorsichtig.

Sie blieben vor einem Käfig mit einem Exemplar stehen. Durch die transparente Scheibe sah man ein kleinwüchsiges, cappinoides Wesen, das teilnahmslos zurückstarrte.

»Dies ist eine autochthone Primatin Lotrons«, erklärte Toshik. »Wie Sie sehen, ist sie uns recht ähnlich, und obwohl sich die Spezies auf Steinzeitniveau befindet, besitzt sie ein gewisses Entwicklungspotenzial. Im nächsten Käfig ...« – er ging einige Schritte weiter – »präsentiert sich Ihnen ein Hybride, die wir hier als Konu bezeichnen.«

Das Wesen in der Nachbarzelle hatte Kopf, Brust und Arme eines Primaten, der in den Körper eines vierbeinigen Reittiers überging. »Es handelt sich um eine Kreuzung zwischen einem Morga und einem autochthonen Primaten Lotrons. Sie haben Potenzial, was unsere Ziele anbetrifft, und sind fortpflanzungsfähig – nicht nur mit anderen Konu, sondern auch mit den urtümlichen, getrennten Spezies.«

»Ihre Konu basieren also auf planetarem Genmaterial und können mit den indigenen Spezies der Urwelt weiterhin Nachkommen zeugen?«, fragte Katrop, ein spindeldürrer junger Kerl, dessen Haaransatz schon zurückwich. »Heißt das, Sie nutzen die planetare Gensphäre, um Probanden kostenlos zu vermehren?«

»Ganz recht«, antwortete Toshik knapp.

Katrop wollte nachhaken, aber Gonilda, eine schwarzhaarige Genetikerin mit stechenden Augen, deren Mund niemals lächelte, kam ihm zuvor. »Wie wird die Population gegebenenfalls eingedämmt?«

»In das Genom der Konu sind genetische Schalter eingebaut, die sich durch Hyperimpulse aktivieren lassen, und sogar durch gewisse Nahrungsmittel.«

»Und es wird Jagd auf sie gemacht«, sagte ein dritter Aspirant. In seinem breiten Gesicht stand unverhohlene Vorfreude.

»Damit wird zusätzlicher Selektionsdruck ausgeübt«, gab Toshik die offizielle Linie der Forschungskolonie wieder. Er verabscheute die Jagdgesellschaften, bei denen den Konu unter Verzicht auf Strahlwaffen vom Morga-Rücken mit primitiven Gerätschaften wie Pfeil und Bogen nachgestellt wurde.

»Mich interessiert die Aktivierung genetischer Schalter durch Nahrungsmittel«, sagte Aspirant Nummer vier, eine stille, leicht füllige junge Frau mit einem unsicheren Lächeln, die auf den Namen Alida hörte. »Ist daran gedacht worden, genetisches Material über Nahrungsmittel einzuführen?«

Toshik sah sie an, zog die Brauen hoch und schwieg. Sie schlug die Augen nieder, als ihr bewusst wurde, dass man ihre Frage als anmaßend auffassen konnte. Toshik fand das durchaus nicht, aber es konnte nicht schaden, die junge Forscherin ein wenig zurechtzustutzen. Falls er sie in seine Dienste nahm, müsste er sie ohnehin kleinhalten, damit sie möglichst lange Ergebnisse für ihn erbrachte, bevor sie zu selbstbewusst und unabhängig wurde.

Als ihr Schweißperlen auf die Stirn traten, ließ er sich zu einer Antwort herab. »Wir führen entsprechende Experimente durch, aber auf einem getrennten Kontinent, damit keinerlei unerwünschte Kontamination auftritt, die am Ende noch eine Immunität zur Folge hat.«

Sie gingen weiter und passierten ein Schott aus schwerem Panzerstahl.

»Was befindet sich dahinter?«, fragte der dritte Aspirant, dessen Namen sich Toshik nicht gemerkt hatte. »Es gibt doch auch noch diese einäugigen Kolosse.«

Toshik lächelte. »Was Sie meinen, ist ein auslaufendes Zuchtmuster, dem die nötige Intelligenz abgeht. Die Versuche damit wurden eingestellt. Was Sie hier vor sich sehen, ist Habitathalle C-vier. Darin befinden sich die Konu, zu deren Weiterentwicklung man mich als Leitenden Gendesigner mit dem Spezialgebiet der Dakkarimpuls-Stimulation eigens nach Lotron geholt hat. Sie entstammen der gleichen Linie wie die anderen, sind aber viel weiter von ihren Ursprüngen fortentwickelt worden. An ihre cappinoide Herkunft erinnert nur noch wenig.«

»Dann sind sie für das Ziel aber nicht nützlich?«, fragte Nummer drei, der sich immer mehr als phantasieloser Hohlkopf entpuppte.

»Im Gegenteil. Die mangelnde Ähnlichkeit ist durchaus wünschenswert, denn sie erleichtert die Verschleierung, wenn sie endlich bestimmungsgemäß eingesetzt werden können.«

»Können wir sie sehen?«

»Sie sind sehr gefährlich, aber auch streng geheim. Daher: nein.«

»Werden sie auch in die Biosphäre entlassen?«, fragte der breitgesichtige Hohlkopf. »Kann man sie jagen?«

Das war alles, was ihn interessierte. Toshik begriff, dass er sich den Namen aus gutem Grund nicht gemerkt hatte. Er würde nicht auf seiner Personalanforderungsliste auftauchen.

»Nein. Dazu sind sie zu wertvoll. Und zu gefährlich.« Mit ihnen konfrontiert, hätten die vergnügungssüchtigen Tagediebe eine böse Überraschung erlebt.

Er nahm die Meldungen der Techniker, untergeordneten Gendesigner und Roboter entgegnen. Nachdem er gesehen hatte, dass in seinen Habitathallen alles gut war, entließ Toshik die Aspiranten, kehrte ins Büro zurück und bestellte seinen Sohn zu sich.

*

Toshik hatte sich nicht lang geziert, als die Golamo versucht hatte, ihn für die Geheimstation auf Lotron abzuwerben, einem Planeten in einer fernen Galaxis, deren Name niemals fiel. Die Versetzung war der Neuanfang gewesen, den er nach Salvidas Tod dringend benötigt hatte.

Der tödliche Gleiterunfall seiner Frau hatte ihrer längst schal gewordenen Beziehung ein passend banales Ende gesetzt, und Toshik war beinahe erleichtert gewesen. Seine Bekannten hatten von einem Schicksalsschlag gesprochen; er betrachtete es als einen Schnitt.

Sein Sohn sollte Teil von Toshiks neuem Leben fern der Heimat sein, aber Joshiron war an das Leben in einer Metropole gewöhnt. Schon lange fehlten ihm sein altes Zuhause, seine Freunde, seine Freizeitvergnügungen. Gut verkraftete er die Umstellung nicht.

Fast bereute Toshik, ihn nach Lotron mitgenommen zu haben. Doch hätte er ihn zurückgelassen, wäre die Bindung zwischen ihnen endgültig durchtrennt worden. Sie war zu schwach, um eine Entfernung von 35 Millionen Lichtjahren zu überdauern. Wäre Joshiron in Gruelfin zurückgeblieben, hätte Toshik ihn endgültig verloren.

*

Joshirons Augen zeigten die Farbe dunklen Bernsteins, wie man ihn auf Lotron fand. Nicht nur sie erinnerten Toshik an Salvida. Auch im Schnitt seiner Nase und der Art, wie er die Lippen zusammenpresste und spitzte, wenn ihm etwas gegen den Strich ging, erkannte Toshik seine tote Frau wieder.

Hätte er nur mehr von mir, dachte Toshik voll Bedauern. Dann wäre er nicht so verträumt und ziellos. Vielleicht hätte ich ihn nicht in diesem Umfang dem Einfluss Salvidas überlassen dürfen.

Seine Frau entstammte den höheren Kreisen der takerischen Gesellschaft, in denen man wusste, wie man das Leben genoss und sich die Zeit vertrieb, während Angehörige von Toshiks Klasse vor allem Arbeit kannten. Dass sie sich mit ihm verbunden hatte, war wie eine Schockwelle durch jene höheren Kreise gefahren. Schon eine Weile vor ihrem Tod hatte Toshik der Verdacht ereilt, dass es ihr dabei weniger um ihn und mehr um die Provokation gegangen war. Wäre sie nicht umgekommen, hätte sie ihn vermutlich in nicht allzu ferner Zukunft verstoßen. So oder so gehörte ihm von ihr nur noch die Erinnerung.

Mit baumelnden Armen, einer gewissen Schlaksigkeit, die die bevorstehende Pubertät ankündigte – wenn nicht sogar verriet, dass sie bereits eingesetzt hatte –, ließ sich Joshiron auf einen Besuchersessel in Toshiks Büro sinken.

»Büro« war eine Bezeichnung, die der Suite aus Arbeitsräumen kaum gerecht wurde. Von hier aus koordinierte Toshik die Tätigkeiten seiner Untergebenen. Der zentrale Nexus des positronischen Systems befand sich dort, und in übergeordneten Einschlussfeldern lagerten Toshiks wertvolle Vorräte an Sextagonium und anderen sechsdimensional strahlenden Quarzen, dazu eine winzige Menge Psi-Materie. Toshik untersuchte die Möglichkeiten, die Heranbildung der Pedopoleigenschaften in den Konu mithilfe von Dakkar- und Sextadim-Impulsen in die erwünschte Richtung zu lenken.

Diese Arbeiten waren von weit höherer Bedeutung als die Maßregelung eines Halbwüchsigen, der sich mit angeekelter Miene vor ihm fläzte.

»Ja, Vater? Du möchtest mich sprechen?« Er redete in dem gleichen trägen und zugleich sehr prononcierten Tonfall wie seine Mutter und alle aus ihrer Gesellschaftsschicht.

Du möchtest, dachte Toshik. Nicht: Du willst. Joshiron machte ihn schon durch die Wortwahl zum Bittsteller. Seine Mutter lebte in ihm fort.

Toshik wartete noch einige Herzschläge, bevor er den von Joshirons Seite undurchsichtigen Holoschirm zusammenfaltete, hinter dem er seinen Sohn beobachtet hatte.

»Pergo-Körnchen sind zugegeben ein weitverbreitetes Mittel zur Entspannung, aber sie eignen sich nicht für Jugendliche, die sich noch im Wachstum befinden.«

Joshiron sah ihn ungerührt an. »Kann sein. Aber wieso sagst du das zu ... mir?« Er besaß auch Salvidas Talent, allein durch winzige Pausen und Betonung maximale passive Aggressivität zu transportieren.