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Seit mehr als dreieinhalb Jahrtausenden reisen die Menschen mit Raumschiffen durch das Weltall. Dennoch gibt es auf der Erde immer noch genügend Geheimnisse. Eines dieser Mysterien ist der Kontinent Atlantis, der gut 8000 Jahre vor Beginn der christlichen Zeitrechnung im Ozean versunken ist. Gegen ihren Willen werden Perry Rhodan und seine Frau Sichu Dorksteiger in die Vergangenheit geschleudert. Sie landen in genau der Zeit, in der die menschenähnlichen Arkoniden auf Atlantis eine Kolonie errichtet haben – und werden von einer Arkonidin gejagt, ohne den Grund dafür zu kennen. Ihre Flucht führt sie zuerst zur Venus, dann hinaus in die Weiten der Milchstraße. Dort erleiden sie mit ihrem kleinen Raumschiff, der BEST HOPE, Schiffbruch und geraten in Gefangenschaft. Sie werden nach Galkorrax gebracht, einer Welt, die von Maahks bewohnt ist – hier erfahren sie mehr über das geheimnisvolle Talagon, ein kosmisches Gebilde von großer Macht. Rhodan, seine Frau und die Atlanterin Caysey schaffen es, aus der Haft zu entfliehen. Während sie auf der Flucht sind, haben sie ein festes Ziel: Sie müssen das Talagon zerstören. Doch davor steht das Überleben IN DER METHANHÖLLE ...
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Seitenzahl: 152
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Nr. 6
In der Methanhölle
Wettlauf um das Talagon – wer bekommt die ultimative Waffe?
Dietmar Schmidt
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1. Galkorrax: Kirrkos-Werften
2. Unbekannter Ort
3. Galkorrax: Wildnis
4. Unbekanntes Raumschiff, unbekannter Ort
5. Galkorrax: Maahkbasis
6. Larsaf III: OMOTA
7. Galkorrax: Wildnis
8. Galkorrax: Loymnem
9. Larsaf III: OMOTA
10. Galkorrax: Loymnem
11. Larsaf III: OMOTA
12. Galkorrax: Loymnem und Kirrkos-Werften
13. Loymnem: Xenomedizinsche Klinik
14. Larsaf III: OMOTA
15. Galkorrax: Kirrkos-Werften
16.
17. Bericht Atlan
18.
19. Bericht Atlan
20.
21. Bericht Atlan
22.
23. Bericht Atlan
24.
25. Larsaf III: Attava-Wüste
26. Galkorrax: LT-IV
Kommentar: Die Maahks
Impressum
Seit mehr als dreieinhalb Jahrtausenden reisen die Menschen mit Raumschiffen durch das Weltall. Dennoch gibt es auf der Erde immer noch genügend Geheimnisse. Eines dieser Mysterien ist der Kontinent Atlantis, der gut 8000 Jahre vor Beginn der christlichen Zeitrechnung im Ozean versunken ist.
Gegen ihren Willen werden Perry Rhodan und seine Frau Sichu Dorksteiger in die Vergangenheit geschleudert. Sie landen in genau der Zeit, in der die menschenähnlichen Arkoniden auf Atlantis eine Kolonie errichtet haben – und werden von einer Arkonidin gejagt, ohne den Grund dafür zu kennen.
Ihre Flucht führt sie zuerst zur Venus, dann hinaus in die Weiten der Milchstraße. Dort erleiden sie mit ihrem kleinen Raumschiff, der BEST HOPE, Schiffbruch und geraten in Gefangenschaft. Sie werden nach Galkorrax gebracht, einer Welt, die von Maahks bewohnt ist – hier erfahren sie mehr über das geheimnisvolle Talagon, ein kosmisches Gebilde von großer Macht.
Rhodan, seine Frau und die Atlanterin Caysey schaffen es, aus der Haft zu entfliehen. Während sie auf der Flucht sind, haben sie ein festes Ziel: Sie müssen das Talagon zerstören. Doch davor steht das Überleben IN DER METHANHÖLLE ...
Perry Rhodan – Der Terraner durchquert eine ganz besondere Hölle.
Atlan – Der arkonidische Admiral operiert an mehreren Fronten.
Geektor – Der Kommandeur der Maahks zweifelt an seinen Verbündeten.
Rowena – Die Kralasenin neigt wiederholt zu Extratouren.
Quartam da Quertamagin
1.
Galkorrax: Kirrkos-Werften
Bericht Atlan
»Inakzeptabel!«
Thartem da Holnor schnarrte das Wort mit einer Verachtung, wie sie nur ein arkonidischer Adelsspross aufzubringen vermochte, der sich aufgrund seiner Abstammung aus einem niederen Haus stets veranlasst fühlte, die eigene Bedeutung zu überhöhen.
Wie wir alle trug er einen druckfesten, wärmeisolierenden und für Wasserstoff undurchlässigen Schutzanzug mit Mikrogravitator. Er starrte durch die Helmscheibe, aber es schien, als stände er Nase an Nase mit seinem Gegenpart.
Eine Nase hatte dieser Gegenpart gar nicht, nur zwei eng beieinanderliegende, senkrechte Atemlöcher. Außerdem überragte der Maahk da Holnor um mehr als Haupteslänge. Dennoch schien der arkonidische Ingenieuroffizier im Rang eines Einplanetenträgers auf den Methan herabzublicken.
In dessen vier runden, sechs Zentimeter durchmessenden Augen mit den Schlitzpupillen zeigte sich keinerlei Regung. Sie saßen auf dem Kamm des breiten, halbmondförmigen Wulstschädels, der sich von einer Schulter zur anderen zog. Besagte Schultern waren einen ganzen Caita breit, und der Schädel ebenso, aber er erreichte nur die Höhe eines Drittels davon. Blassgraue Schuppen bedeckten die sichtbare Haut, und ich wusste, dass die Füße an den kurzen, kräftigen Beinen vier Zehen hatten.
In Gegenwart der Giftgasatmer überlief es mich trotz aller Hoffnungen angesichts der neuesten Entwicklungen noch immer kalt.
»Eine Zumutung jagt die andere!«, beschwerte sich da Holnor.
Ich blieb am Zentraleschott stehen, das wir durchquert hatten, nachdem wir aus dem Antigravlift getreten waren. Tarts und Geektor verharrten neben mir. Ich musterte den kreisrunden, elf Caita durchmessenden Raum, eigentlich das Nervenzentrum des Schiffes. Die LT-IV jedoch war ein Wrack, und entsprechend sah ihre Zentrale aus.
Unter der Kuppeldecke drängten sich Maahks in normaler Dienstkleidung und Arkoniden in Druckanzügen. Ein drahtloser Hochenergieleiter lag offen, sein Summen, das sonst von der Ummantelung absorbiert wurde, erfüllte den Raum. Konsolen waren ausgeweidet, Displays hingen aus ihren Halterungen genommen an Optokabeln. Am Überrangpult des Kommandanten warnte eine holografische Bildfolge aus Totenkopf und Raumhelm vor der giftigen Atmosphäre. Der Alarmton war zum Glück abgestellt.
Abmontierte Kontursessel reihten sich auf einer Seite vor den Pulten mit graugrünen Kisten maahkscher Fertigung voll Werkzeug, daneben lehnten abgenommene Deckenplatten und Wandverschalungen sowie ein Roboter mit durchschossener Brust. Der Kopf war angeschmolzen und halb abgerissen, aber seine Kennung war noch zu lesen: RCO-3342/B. Ein altes Modell, das zur LT-IV gepasst hatte.
»Statt Ihre Aufgabe zu erfüllen, zerlegen Sie das Schiff«, fuhr da Holnor fort. »So unbeschädigt ist Ihnen wohl noch keine arkonidische Einheit in die Hände gefallen?«
»Nicht alle verfügbaren Informationen zu sammeln wäre unlogisch«, versetzte der Maahk. Er trug eine einteilige Kombination mit dem Symbol des geteilten Eidotters, das ihn als Offizier auswies. Der Grek öffnete leicht die trichterförmigen Hände an den beiden tentakelartigen, bis zu den Knien reichenden Armen.
»Wenn Sie die Informationen doch wenigstens selbst sammeln würden!«, schnarrte da Holnor. »Damit könnte ich leben. Aber Sie verlangen, dass ich als geheim klassifizierte Daten preisgebe? Wenn Sie unbedingt wissen wollen, weshalb unterhalb der Zentrale ein HE-Leiter verläuft, so finden Sie es doch selbst heraus!« Der Orbton atmete mehrmals durch. »Und ...«
Tere'athor Tarts da Rhegant wollte sich einschalten und da Holnor zur Ordnung rufen. Der Ingenieur gehörte wie die beiden Arbtane, die ihm zur Hand gingen, zur Besatzung der TOSOMA und unterstand meinem Lehrmeister, der mein Flaggschiff kommandierte.
Tarts war ein hochgewachsener Mann, der vom Alter ein wenig gebeugt ging, und nun sackten seine Schultern für einen Sekundenbruchteil leicht ab. Er fasste sich sofort und richtete sich wieder auf, aber in dem runzligen Gesicht blieb ein peinlich berührter Ausdruck zurück. Bei seinem Anblick sagte ich mir nicht zum ersten Mal, dass er eine weitere Zellauffrischung benötigte.
Ich legte ihm eine Hand auf den Arm, und er hielt inne. Ich wollte sehen, wie sich die Situation entwickelte.
Die LT-IV gehörte zu den veralteten Schiffen, die ich bei der Schlacht im Grxlirasystem hatte verheizen lassen – robotgesteuert natürlich. Genauer war der Kugelraumer mit 60 Metern Zellendurchmesser ein Großbeiboot der LOK TAI, eines der wenigen Schiffe mit arkonidischer Besatzung in dem Raumgefecht. Diese Besatzung war plangemäß mit der LT-IV entkommen, hatte aber eine Nachricht meiner Großcousine Rowena aufgefangen, aus der hervorging, dass ich lebte. Sie hatte das Larsafsystem erreicht, und in der Annahme, einer Verschwörung auf der Spur zu sein, hatte der Kommandant den dortigen Tato Kors da Masgadan unterrichtet. Allerdings war der arkonidische Militärgouverneur in Arkonis in den Plan eingeweiht und hatte die Sicherheitslücke geschlossen, indem er den Kommandanten und seine Mitwisser exekutierte.
Nach meiner Rückkehr ins Larsafsystem wäre darüber noch zu reden, aber der Tato hatte pragmatisch gehandelt, um unseren Plan zu retten, den wir nur eingeleitet hatten, um die Bedrohung durch das Talagon abzuwenden. Das Ark'Thektran durfte von der Existenz dieser mysteriösen Waffe, die einen ganzen Spiralarm der Öden Insel entvölkern konnte, nicht das Geringste ahnen.
Die Atlanterin Caysey, eine Bewohnerin des gegen meinen Willen von Tarts nach mir benannten Kontinents auf Larsaf III, war in Begleitung zweier zwielichtiger Arkoniden namens Nadohr Yrrep und Regeit Skrod-Uhcis mit der LT-IV auf den Maahkplaneten Galkorrax gelangt. Im Verhör hatte sie Rowena den Hinweis geliefert, das Talagon sei noch an Bord des verschrottungsreifen Schiffes. Wir hatten ihre Aussage insoweit verifizieren können, als wir den Orterimpuls aufgefangen hatten, den das Talagon verursachte. Wie immer ließ sich der Ursprung des Impulses aber nur mit großer Unschärfe lokalisieren.
Die Durchsuchung der LT-IV war sofort begonnen worden, aber das augenblickliche Melodram spielte sich nicht im Hangar des Schiffes ab, wo sich laut Cayseys Aussage das Talagon befand, sondern in der Zentrale.
Der Maahk unterbrach da Holnor: »Sie haben weitere Beschwerden?«
»Ja, habe ich. Dass Sie die gute Atemluft in diesem arkonidischen Schiff durch Ihr stinkendes Giftgemisch ersetzt haben und wir als Arkoniden in unserem Schiff Druckanzüge tragen müssen, während Sie frei umhergehen können! Dabei kann ich das stinkende Ammoniak Ihrer Ausscheidungen sogar noch in meinem Anzug riechen!«
»Eine technische Unzulänglichkeit Ihrer Ausrüstung ist uns nicht anzulasten«, entgegnete der Maahk. »Falls es Ihnen an den chemischen Grundkenntnissen mangeln sollte: Ammoniak ist eine Base; ein saurer Anzugfilter bindet das Gas zuverlässig. Und seien Sie versichert, Ihre toxische Sauerstoffatmosphäre wurde in Drucktanks gepumpt. Nichts wurde verschwendet. Im Übrigen sind wir in der Mehrzahl. Es ist nur logisch, dass wir Vorrang genießen.«
»Manchmal ist nicht die Logik das entscheidende Kriterium, sondern der Wille.«
»Das ist eine kindische Haltung«, versetzte der Wasserstoff-Methanatmer.
Maahks bevorzugten eine Schwerkraft von zweieinhalb- bis dreifacher Arkongravitation und Temperaturen knapp unterhalb des Siedepunkts von Wasser bei Normaldruck, bei denen Arkoniden rasch gestorben wären. Naturphilosophen hatten sich Gedanken zu dem Umstand gemacht, wie sehr die maahksche Atemluft der Uratmosphäre auf jungen Planeten ähnelte, bevor eine Mutation zur Entstehung Sauerstoff produzierender Organismen führte, welche die ganze Chemie der Welt auf den Kopf stellten. Doch in Zeiten wie denen, in denen wir lebten, betrachtete man solche Überlegungen als verschwendete Energie.
Wir führten einen Vernichtungskrieg gegen die Methans, den wir gewinnen mussten, wollten wir als Volk überleben.
Auch wenn wir uns mit den Maahks unter dem Befehl von Geektor zu einem unbehaglichen Zweckbündnis zusammengefunden hatten, waren alle von uns im Methankrieg aufgewachsen. Anerzogene Feindseligkeit ließ sich nicht so leicht abstreifen wie eine schmutzige Kombination.
»Kindisch?« Da Holnors Stimme steigerte sich ins Falsett, und seine Hand näherte sich dem Holster an seiner Hüfte, in dem sein Kombistrahler steckte.
Wir waren als angebliche Kriegsgefangene nach Galkorrax gebracht worden, aber in den Kirrkos-Werften, wo die LT-IV stand, wusste jeder, was wir wirklich waren. Als Zeichen unserer Freiheit hingen Handstrahler an unseren Koppeln.
Und zur Selbstvergewisserung, spöttelte mein Extrasinn.
Ich musste dem Logiksektor recht geben. Als bedeutete es in der absolut tödlichen Umgebung, angesichts einer erdrückenden Übermacht von Maahks irgendetwas, dass man notfalls mit dem Thermostrahler um sich schießen konnte, bevor man starb. Sauerstoff, Kühlung und Schwerkraftreduktion waren entscheidend für unser Überleben, Magazine für Strahlenwaffen Energieverschwendung.
Trotzdem trugen wir Waffen, und da Holnor, dieser Narr, griff danach, als hätte sein gesunder Arkonidenverstand ausgesetzt.
Der Maahk bemerkte genau, welche Bewegung da Holnor begann. Sein Tentakelarm schoss vor und umfasste das Handgelenk des Orbtons, bevor dessen Finger den Pistolengriff berührten. Mit der anderen Hand versuchte da Holnor, die Trichterhand abzustreifen, aber gegen die Körperkraft des Maahks hatte er keine Chance.
Die beiden Arbtanen neben da Holnor griffen ebenfalls zu den Waffen.
Tarts entging es genauso wenig wie mir – oder den Methans. Er blickte mich kurz an, ich nickte knapp, er trat vor und brüllte: »Breheb-toor!«
Die Arbtanen befolgten sofort den Befehl stillzustehen, legten die Hände an die Hosennaht, fuhren zu ihrem Kommandanten herum und schlugen sich mit der rechten Faust auf die linke Brustseite.
Da Holnor brauchte einen Moment länger. Er war es gewiss nicht mehr gewöhnt, in diesem Ton wie auf der Akademie zur Ordnung gerufen zu werden, aber er machte Männchen.
Der Maahk ließ ihn im gleichen Moment los. Seine – für einen Ingenieur – recht zackige Ehrenbezeigung vor seinem Kommandanten und mir wurde nicht behindert.
Während Tarts seinen Leuten den Kopf wusch, wandte ich mich dem Maahk zu, den da Holnor konfrontiert hatte.
»Ich bin Admiral Atlan da Gonozal, Kommandeur des einhundertzweiunddreißigsten Einsatzgeschwaders ›Kristallprinz‹«, stellte ich mich vor. »Ich bitte die Ausfälligkeit meiner Leute zu entschuldigen.« Ein wenig schwer kamen mir die Worte über die Lippen, aber im Gegensatz zu gewissen anderen Arkoniden war ich in der Lage, meinen Stolz dem Ziel unterzuordnen.
»Ich bin Grek-1312, technischer Leiter der Operation. Eine Entschuldigung, wie Sie es nennen, ist weder erforderlich noch angebracht. Uns wurde von höherer Stelle nahegelegt« – er wandte sich kurz Geektor zu –, »die Auswirkungen der emotionalen Natur Ihrer Mentalität zu übersehen, solange daraus für uns keine Nachteile entstehen.«
»Das ist sehr rücksichtsvoll«, sagte ich, aber die Ironie perlte an dem Maahk ab wie Wasser von einer fettigen Scheibe.
»Es ist effizient«, korrigierte er mich, »weil auf diese Weise nicht unnötig Energie aufgewendet wird.«
»Wunderbar.« Ich grinste gezwungen. »Kommen wir auf ein anderes Thema zu sprechen. Eigentlich soll an Bord dieses Schiffes nach dem Talagon gesucht werden. Befinden soll es sich im Hangar. Wieso also die Demontage der Kommandozentrale?«
»Erkenntnisgewinn.« Grek-1312 kehrte mir den Rücken zu und ging wieder an seine Arbeit.
Ich presste die Lippen zusammen angesichts seiner scheinbaren Grobheit: Als logisch-pragmatisch denkender Methan verschwendete er keine Zeit, nachdem er eine direkte Frage wahrheitsgemäß beantwortet hatte.
Ich wandte mich Geektor zu. »Ich hoffe, der Erkenntnisgewinn durch die Demontage eines mehr als hundert Arkonjahre alten Baumusters lohnt sich für Ihre Spezies.«
»Bei der Raumfahrt erfolgt Veränderung stets in kleinsten Schritten. Hundert Jahre bedeuten nicht viel.« Auch Geektor hatte keine Antennen für Sarkasmus. »So unerlässlich Kooperation sein mag, meine Untergebenen wollen nicht mit Ihnen kooperieren. Ihre Spezies hat viele Gräueltaten gegen uns verübt. Wenn Ihre Seite nicht auf uns zukommt, weiß ich nicht, wie lange ich meine Leute noch bewegen kann, mit dem Kriegsgegner zusammenzuarbeiten.«
»Ich sorge dafür«, versprach ich.
Da Holnor stand stocksteif vor uns; in seinem grau gewordenen Gesicht zeichneten sich die Kiefermuskeln ab. Tarts' Standpauke hatte er wortlos über sich ergehen lassen. So dumm, seinem Kommandanten in dieser Situation Widerworte zu geben, war er nicht.
Ich blickte ihm in die Augen. »Je schneller wir das Talagon finden, desto eher können wir diese Welt verlassen, um die Waffe zu vernichten. Dieses Ziel ist vorrangig, hinter ihm haben persönliche Befindlichkeiten zurückzustehen. Haben Sie mich verstanden, Orbton?«
»Jawohl, Hochedler!« Da Holnor wiederholte die Ehrenbezeigung.
»Dann reißen Sie sich zusammen. Ich bin genauso ungern wie Sie auf Galkorrax, und mir gefällt genauso wenig wie Ihnen, was hier vorgeht.«
Ich musste die Leute bei der Stange halten. Falls da Holnor aus meinem versöhnlichen Tonfall schloss, dass er sich bei mir etwas herausnehmen könne, würde ich ihn umgehend eines Besseren belehren.
Ich kehrte ihm endgültig den Rücken zu und musterte Geektor. »Wieso haben Sie uns in die Kommandozentrale gebracht?«
»Damit Sie das Verhalten Ihrer Untergebenen mit eigenen Augen sehen und sie von sich aus maßregeln. Was Sie getan haben. Begeben wir uns nun in den Hangar.«
Das Hangar- und Landedeck der LT-IV befand sich über dem unteren Poldeck. Wie in allen arkonidischen Kampfschiffen waren die Decksplatten massiv und festigten nach dem Wabenzellprinzip die Struktur des Schiffes.
Gedrungene Wartungsroboter arbeiteten unter Aufsicht zweier Methans und eines arkonidischen Arbtans an der Entfernung der Decksplatten.
Eine schwangere Frau soll diese Arkonstahlmasse angehoben haben, um darunter etwas zu verstecken?, fragte mein Extrasinn.
Der Einwurf wäre nicht erforderlich gewesen. Ich hatte nur einen Blick in den Hangar werfen müssen, und mir war klar geworden, dass die Information, die Rowena der Atlanterin entlockt hatte, eine falsche Fährte darstellte. Bislang hatte ich mir vorgemacht, Caysey hätte einen Wartungsroboter der LT-IV zu Hilfe genommen. Das war, bevor ich gesehen hatte, in welchem Zustand sich das Beiboot befand. Ohnehin war die Selbstverständlichkeit, mit der Arkoniden einen Roboter einsetzten, bei Atlantern nicht gegeben. Und mit Antigravhebezeug kannte Caysey sich auch nicht aus.
Deine eigene Schuld, wenn du den Talagon-Dieben glaubst, du Narr.
Ich warf Tarts einen Blick zu und konnte dem Kommandanten der TOSOMA ansehen, dass er das Gleiche dachte wie ich.
Insofern waren wir beide nicht überrascht, als die Roboter die letzte Decksplatte hoben und nichts darunter zu finden war.
»Ein Ablenkungsmanöver«, knurrte Tarts. »Die Diebe führen etwas im Schilde!«
Ich nickte. »Rowena muss die Daumenschrauben anziehen.«
»Wir sollten die LT-IV komplett zerlegen lassen, statt punktuell zu suchen.«
Ich stimmte ihm zu, aktivierte das Helmfunkgerät und rief meine Großcousine und Leibwächterin. Die Frauenstimme, die mir antwortete, gehörte jedoch nicht ihr.
»Einmondträgerin da Jacinta, Hochedler. Wie kann ich Ihnen dienen?«
»Indem Sie mir die Kralasenin geben, Orbton.«
»Ich bedaure, Hochedler. Rowena da Gonozal ist nirgendwo zu finden.« Sie schwieg kurz. »Das ist aber nicht alles. Ich wollte Sie gerade kontaktieren. Soeben haben wir entdeckt, dass die Gefangenen verschwunden sind.«
»Suchen Sie beide, Orbton.«
Die Offizierin bestätigte; ich trennte die Verbindung und informierte Tarts und Geektor. »Wenn die Gefangenen verschwunden sind und Rowena nicht aufzufinden ist, hat sie die Verfolgung bereits aufgenommen.«
Geektor ordnete eine groß angelegte Suche an.
2.
Unbekannter Ort
»Reeh«, verlangte er, als er in völliger Finsternis zu sich kam. Es blieb dunkel. Er wiederholte den Befehl, das Licht einzuschalten, ohne dass ihm Folge geleistet wurde. Was sollte das ... und ... Erst da nahm er seine Umgebung wahr.
Er lag auf hartem Untergrund. Die Luft um ihn war heiß und stickig und stank. Der Boden fiel ab wie eine Rampe. In seinem Mund hatte er einen üblen Geschmack.
Da fiel es ihm ein: Er war niedergeschossen worden.
Ein Strahl hatte ihn getroffen, und er war überzeugt gewesen, sein Ende wäre gekommen. Aber wie es schien, war der Strahl nicht tödlich gewesen.
Wo, bei den She'Huhan, war er?
Wusste sein Schweberoboter etwas? »Flox?«, fragte Quartam da Quertamagin.
Keine Antwort. Ringsum herrschte stille, völlige Stille. Gespenstische Stille.
Sie hatten ihm auch Flox abgenommen. Nein, erinnerte er sich: Sie hatten Flox zerstört. Er hatte mit angesehen, wie dessen künstliches Leben erlosch.
Quartam merkte, wie ihm die Tränen aus den Augen schossen, und kniff die Lider zu. Er musste sich zusammenreißen. Aufregung war in seiner Lage nicht zielführend.
Er kam auch ohne Flox aus. Ohne Flox war er zurechtgekommen, bevor er den Schweberoboter mit der beschränkten Künstlichen Intelligenz gebaut hatte, und wenn er diese Sache überstanden hatte, würde er einen neuen Flox konstruieren, der besser, schneller und kompakter war als der erste. Seine Datenspeicher könnte Flox II aus den Sicherungskopien im Kolonienetz füllen. Flox II wäre ganz wie der alte.
Der Gedanke beruhigte ihn, aber die Folgerung blieb nicht aus: Flox II würden die letzten Stunden fehlen und alle Erkenntnisse zu dem Torbogen in der Tiefseekuppel. Darin müsste er Flox II persönlich unterweisen.
Die Ark Summia hatte Quartam nie durchlaufen, sein Extrasinn war nicht aktiviert worden, und er verfügte über kein eidetisches Gedächtnis. Nichts davon benötigte er. Ohne dass ihm jemand im Kopf herumgepfuscht hatte, war sein logisches Denkvermögen makellos, sein Erinnerungsvermögen ausgezeichnet. Seine neuesten Erlebnisse standen ihm noch deutlich vor Augen.