Olymp 4: Im Netz von Adarem - Dietmar Schmidt - E-Book + Hörbuch

Olymp 4: Im Netz von Adarem E-Book und Hörbuch

Dietmar Schmidt

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Beschreibung

Das Jahr 1550 Neuer Galaktischer Zeitrechnung: Seit über 3000 Jahren reisen die Menschen zu den Sternen. Sie haben zahlreiche Planeten besiedelt und sind faszinierenden Fremdvölkern begegnet. Sie haben Freunde ebenso wie Gegner gefunden, streben nach Verständigung und Kooperation. Besonders Perry Rhodan, der die Menschheit von Beginn an ins All geleitet hat, steht im Zentrum dieser Bemühungen. Mit der Gründung der Liga Freier Galaktiker tragen diese Bestrebungen inzwischen Früchte. Eine neue Ära des Friedens bricht an. Aber nicht alle Gruppierungen innerhalb und außerhalb der Liga sind mit den aktuellen Verhältnissen zufrieden. Perry Rhodan wird in diese Aktivitäten verwickelt, als er zu seiner Frau Sichu Dorksteiger nach Shoraz reist. Kampfschiffe der Tefroder riegeln die Museumswelt und den Freihändlerplaneten Olymp ab. Brennpunkt des Interesses scheint ein mysteriöses Artefakt zu sein: die Shoziden-Box. Perry Rhodan gerät sogar in Gefangenschaft – er verfängt sich IM NETZ VON ADAREM ...

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Zeit:3 Std. 45 min

Sprecher:Renier Baaken
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Nr. 4

Im Netz von Adarem

Ein Labyrinth wird zur Falle – der Terraner wagt die Flucht

Dietmar Schmidt

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Ort unbekannt

2. System Boscyks Stern

3. Ort unbekannt

4. Shorsystem

5. Frachtumschlagstation 3

6. Ort unbekannt

7. SHEONA

8. ETSI

9. Adarem

10. SHAREE

11. Olymp

12. ETSI

13. Adarem

14. Olymp

15. SHAREE

16. Adarem

17. ETSI

18. SHAREE

19. Adarem

Lesermagazin

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

Das Jahr 1550 Neuer Galaktischer Zeitrechnung: Seit über 3000 Jahren reisen die Menschen zu den Sternen. Sie haben zahlreiche Planeten besiedelt und sind faszinierenden Fremdvölkern begegnet. Sie haben Freunde ebenso wie Gegner gefunden, streben nach Verständigung und Kooperation.

Besonders Perry Rhodan, der die Menschheit von Beginn an ins All geleitet hat, steht im Zentrum dieser Bemühungen. Mit der Gründung der Liga Freier Galaktiker tragen diese Bestrebungen inzwischen Früchte. Eine neue Ära des Friedens bricht an.

Aber nicht alle Gruppierungen innerhalb und außerhalb der Liga sind mit den aktuellen Verhältnissen zufrieden. Perry Rhodan wird in diese Aktivitäten verwickelt, als er zu seiner Frau Sichu Dorksteiger nach Shoraz reist.

Kampfschiffe der Tefroder riegeln die Museumswelt und den Freihändlerplaneten Olymp ab. Brennpunkt des Interesses scheint ein mysteriöses Artefakt zu sein: die Shoziden-Box. Perry Rhodan gerät sogar in Gefangenschaft – er verfängt sich IM NETZ VON ADAREM ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner sucht einen Fluchtweg.

Mahé Elesa – Die Mitgefangene betreibt ein undurchsichtiges Spiel.

Sichu Dorksteiger – Die Ator führt einen Raumkampf ohne Waffen.

Onara Gholad – Die Tefroderin verfolgt ehrgeizige Pläne.

Raslon

1.

Ort unbekannt

Datum unbekannt

Die Lage war ernst, aber Perry Rhodan merkte, dass ihm ein Grinsen um den Mund spielte. Im nächsten Monat würde er seinen 3201. Geburtstag feiern. »Frischfleisch« hatte man ihn schon lange nicht mehr genannt.

Bis vor wenigen Sekunden war er mit seinem Mitgefangenen allein gewesen. In einer großen, kahlen Zelle von fünf mal zehn Metern, die spärlich beleuchtet war und noch spärlicher beheizt.

Obgleich er sich nicht genau erinnern konnte, hatte man Rhodan wohl bereits mehrmals zum Verhör geholt und ihn zuvor stets mit Gas betäubt, das aus den Lüftungsschlitzen geströmt war. Diesmal hatte sich die Zellentür geöffnet, und eine Frau war vor ihnen aufgetaucht. Die Frau trug die gleiche graublaue Häftlingskleidung wie er.

Er fuhr sich über die kleine Narbe an seinem Nasenflügel. Wieso öffnete eine Mitgefangene seine Zellentür? Trotz einer leichten Benommenheit, die Hinterlassenschaft der vorangegangenen Verhöre unter Drogen, erfasste er unverzüglich die Lage. Sichu Dorksteiger, seine Frau, hätte dazu nur angemerkt, das sei wieder typisch für ihn, den alten Sofortumschalter.

Sichu. Wo war sie? Wie ging es ihr?

Sichu Dorksteiger hatte sich auf der Museumswelt Shoraz aufgehalten und mit Rhodan über Hyperfunk geredet, als eine Explosion ihr Gespräch unterbrochen hatte. Begleitet von Gucky, dem Mausbiber, war Rhodan mit dem Forschungsraumschiff ETSI nach Shoraz aufgebrochen. Das Shorsystem erwies sich als von einem Flottenverband abgeriegelt. Aber mithilfe eines Einsatzkommandos hatte Rhodan den Planeten trotzdem erreicht – nur um dort auf einen tefrodischen Landetrupp zu treffen, verraten zu werden und in Gefangenschaft zu geraten. Das Neue Tamanium, das tefrodische Sternenreich im Nordsektor der galaktischen Eastside, suchte auf Shoraz zweierlei: ein Artefakt und eine Person.

Das Artefakt zeigte psionische Aktivität; in seiner Nähe wurde Gucky parapsychisch beeinträchtigt. Das machte die sogenannte »Shoziden-Box« zu einem besonders interessanten Fund.

Die Person war Rhodans Zellengenosse.

Als man Ypheris Bogyr zu ihm sperrte, hatte Rhodan angenommen, seine Wächter hofften, dass er in Bogyrs Gegenwart Dinge preisgab, die er ihnen vorenthielt. Den Tefrodern zufolge war Bogyr ein Agent des Terranischen Liga-Dienstes, des TLD, und hatte den tefrodischen Botschafter auf Olymp ermordet.

Das konnte nicht stimmen. Der Geheimdienst der Liga Freier Galaktiker sandte keine Attentäter aus, damit sie missliebige Diplomaten beseitigten. Mittlerweile war Rhodan überzeugt, dass Bogyr dem TLD auf keinen Fall angehören konnte. Sein Verhalten passte einfach nicht zu einem Agenten. Den Botschafter konnte er eigentlich nicht ermordet haben, denn zum fraglichen Zeitpunkt hatte sich Bogyr auf Shoraz aufgehalten.

Rhodan tauschte einen Blick mit Bogyr. Rhodan hatte ihm unvorsichtigerweise anvertraut, wer er war. Vielleicht eine Nachwirkung der Verhördrogen. Geglaubt hatte ihm sein Mitgefangener zwar nicht, aber Rhodan konnte nur hoffen, dass Bogyr in der veränderten Situation nicht bewusst oder unbedacht seine Identität offenlegte.

Die Frau in der Zellentür, die Rhodan und seinen Mitgefangenen als »Frischfleisch« angesprochen hatte, machte mit beiden Händen eine ungeduldige, auffordernde Geste. »Okay. Wollt ihr Wurzeln schlagen oder lieber raus?«

Die Stimme riss Rhodan aus seinen Überlegungen. Er konnte nur eine oder zwei Sekunden gezögert haben. Er schüttelte den Kopf, als könne er dadurch die Benommenheit wegschleudern, die sich wie Watte um seine Hirnwindungen legte und jeden Gedanken matt und mühsam machte.

Er hob den Blick und sah der Frau in die braungrünen Augen, schwieg aber. Sie war schlank und mittelgroß. Hellbraune Haare umrahmten ein schmales, hübsches Gesicht mit hohen Jochbeinen. Als sie auffordernd den Kopf zur Seite neigte, glänzten im matten Licht der Zelle mehrere Schmuckstecker an ihrem rechten Ohr auf. Zu ihrer eintönigen Gefangenenkombination wirkte der Schmuck irgendwie unpassend. Sie trug auch die gleichen durchsichtigen Plastikschuhe. Die niedrige Nummer ihres Brustschilds, 107, deutete an, dass sie schon lange hier gefangen saß. Ihre Bräune stammte demzufolge nicht von Sonnenstrahlung, sondern musste natürlich sein. Vom Äußeren her hätte sie eine Tefroderin sein können, aber Rhodan bezweifelte es. Er hielt sie für eine Terranerin.

Als sie einmal ungeduldig auf den Füßen wippte, stand es für ihn fest. Das hätte kein Tefroder getan. Ungeduldige Tefroder kniffen sich eher in den Nasenrücken. Gebärden mit dem ganzen Körper galten bei ihnen als unschicklich.

»Worauf wartet ihr?«, fragte sie. »Wir haben nur zwei Minuten.«

Rhodan strich sich nachdenklich über seine Bartstoppeln, die ihm anzeigten, dass er schon mehrere Tage in der Zelle sein musste. Versuchte man nun einen neuen Trick, weil er auf Bogyr nicht hereingefallen war?

Zu plump für ein Psychospielchen, dachte er.

Dennoch konnte es eine Falle sein, von der Rhodan nur den Köder sah, aber nicht den Haken.

Bogyr starrte die Frau an, die Lippen fest zusammengepresst. Der Blick seiner tief liegenden, dunkelgrünen Augen wirkte ohnehin stets, als sei der Argwohn dort geradezu eingebrannt. Seine ganze Körperhaltung verriet Rhodan, dass auch er der Sache nicht traute. »Erklär uns erst mal ...«, setzte Bogyr an.

Die Frau schnitt ihm das Wort ab. »Zum Reden haben wir später Zeit. Jetzt nicht. Uns bleiben nur noch achtzig Sekunden.«

Rhodan ahnte, was ihn erwartete, wenn er in der Zelle blieb: mehr Verhöre und mehr Drogen. Alles war besser als das. Fast alles. Er zuckte mit den Schultern und ging zur Tür. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Bogyr sich ihm anschloss.

Die Frau mit der Nummer 107 wich aus der Öffnung zurück, und Rhodan trat auf den Korridor hinaus. Fünf Meter breit zog er sich in zwei Richtungen. Diffuses Licht kam von der Decke. Die Wände waren im gleichen Stahlgrau gehalten wie die Zelle. In je fünf Metern Abstand sah er auf beiden Seiten geschlossene Zellentüren in einem etwas dunkleren Farbton.

»Gemütlich«, sagte Rhodan. »Wohin?«

»Hier lang.« Sie bog nach rechts ab und ging mit schnellen Schritten los, ohne zu rennen. »Wir müssen in siebzig Sekunden durch das Sperrschott da vorn sein, sonst sitzen wir fest.«

Rhodan kniff die Augen zusammen. In fünfzig Metern Abstand zog sich eine Rille durch das sonst fugenlose Wandmaterial.

Ehe er etwas sagen konnte, erwiderte Bogyr knurrig: »Wenn wir es so eilig haben, warum schleichen wir dann?« Rhodan registrierte, dass sein Mithäftling sich trotz dieser Frage an das Tempo hielt, das die Unbekannte vorgab.

»Wenn ihr rennt, merken es die Detektoren«, antwortete sie. »Dann kann auch Ebaryn nichts mehr ausrichten. Schneller Schritt, mehr geht hier nicht ohne Wärterkennung.«

»Ebaryn?«, fragte Ypheris Bogyr. Der Name klang tefrodisch.

»Und wie kommt man an eine Wärterkennung?«, ergänzte Perry Rhodan.

Auf Bogyrs Frage ging sie nicht ein. Ohne innezuhalten, sah sie Rhodan spöttisch an. »Tritt der tefrodischen Flotte bei! Bau Mist! Lass dich hierher strafversetzen!«

Sie hatte damit bestätigt, dass die tefrodische Flotte sie festhielt. Vermutlich steckte die Gläserne Insel, der Geheimdienst des Neuen Tamaniums, hinter Rhodans Gefangenschaft.

Er grinste unwillkürlich. »Und wo sind wir hier?«

»Später!«

Sie hatten das Sperrschott fast erreicht, als darüber rote Lichter aufblitzten. Aus der Rille in der Decke schob sich eine dunkelgraue Trennwand und senkte sich rasch herab.

Die Unbekannte fluchte leise. »Wir müssten noch fünfzehn Sekunden haben. Verdammt. Ebaryn hat mir zwei Minuten versprochen. Verflucht! Ihr wolltet doch rennen – jetzt rennt!«

*

Ihre Befreierin sprintete los. Etwas verdutzt setzte Rhodan ihr nach. Hinter sich hörte er Bogyrs Plastikschuhe im raschen Takt über den Boden schmatzen. Die Frau erreichte das Schott, duckte sich rasch darunter hindurch, blieb auf der anderen Seite wie angewurzelt stehen und fiel wieder in den langsamen Schritt wie zuvor. Perry Rhodan und Ypheris Bogyr kamen fast gleichzeitig an die Sperre.

»Du zuerst!«, rief Bogyr. »Ich bin beweglicher.«

Rhodan war anderer Ansicht, aber er diskutierte nicht lange. Die Schotttür hatte sich bereits bis auf Hüfthöhe herabgesenkt, und er hechtete unter ihr hindurch. Bogyr rollte sich hinter ihm durch die nur noch kniehohe Öffnung. Rhodan half ihm auf, dann folgten sie der Unbekannten.

Sie hatte drei Meter Vorsprung und blickte zu ihnen zurück. Ohne stehen zu bleiben, nestelte sie an einem Schmuckstück, einer Art Klammer, die ihre linke Ohrmuschel umschloss. Als sie den Kopf bewegte, nahm Rhodan kurz ein Flimmern vor ihren Augen wahr – ein projiziertes Hologramm, das nur sie sehen konnte?

»An der Kreuzung müssen wir nach links«, sagte sie. »Dann geradeaus und durchs nächste Sperrschott. Da kommen wir in einen weniger gesicherten Bereich. Die Leute dort sind meist harmlos, aber trotzdem: Haltet euch gerade, geht nicht zu schnell, beachtet nicht, dass man euch anstarrt. Allzu viel Neues bekommt man hier nicht zu Gesicht. Nehmt keinen Blickkontakt auf, und überlasst gegebenenfalls das Reden mir. Haben wir uns verstanden?«

»Du bist es, die sich hier auskennt«, brummte Ypheris Bogyr.

Perry Rhodan bekundete seine Zustimmung mit einem stummen Nicken. Die Situation wurde immer erstaunlicher. Die Frau schien an diesen Ort zu kommen und zu gehen, wie sie wollte, obwohl sie eindeutig ebenfalls eine Gefangene war.

Ihre Befreierin nestelte an ihrem rechten Ohr, zog ein Schmuckstück ab, das aus rötlichem Metall zu bestehen schien, und hielt es an den Schottrahmen. Ist der Ohrstecker aus Lemurmetall?, überlegte Rhodan. Drei Sekunden lang geschah nichts, dann fuhr die Tür nach oben.

Die Frau mit den hellbraunen Haaren zwinkerte ihnen zu. »Willkommen im einhundertzwölften Tamanium.«

*

Das Erste, was Perry Rhodan in dem neuen Trakt auffiel, war ein schwacher Minzgeruch in der Luft. Als Zweites sah er, dass die Zellen offen standen und sich die Bewohner frei bewegen durften. Einige Köpfe drehten sich den Neuankömmlingen zu, aber niemand machte Anstalten, die Gelegenheit zu nutzen und in den Bereich zu gelangen, aus dem sie gekommen waren.

Alle trugen die vertrauten graublauen Kombinationen mit einer Zahl an der Brust; die allermeisten davon waren vierstellig. Rhodan sah nur mutmaßliche Tefroder mit dunklem Haar und samtbrauner Haut. Kein Wunder, dass die Unbekannte die Sektion als 112. Tamanium bezeichnet hatte. Das Sternenreich der Lemurer, von denen die Tefroder abstammten, war in 111 Tamanien unterteilt gewesen.

Schweigend beobachteten die Häftlinge, wie die Dreiergruppe an ihnen vorüberging. Die »Frischfleischbeschau« gehörte wohl in jedem Gefängnis des Universums zu den Ritualen, die Neuankömmlinge hinter sich bringen mussten. Rhodan hielt ungerührt die Anweisungen ihrer Führerin ein. Seine eigene Erfahrung hätte ihm zum gleichen Verhalten geraten: sich nicht schwach zu zeigen, aber auf keinen Fall den Eindruck zu erwecken, er suche eine Konfrontation.

Ypheris Bogyr schien größere Schwierigkeiten zu haben, die Musterung von sich abperlen zu lassen. Der schlanke Mann hielt den Blick gesenkt, aber die Lippen zusammengepresst.

Das 112. Tamanium war verzweigter als die Sektion, die sie verlassen hatten. Dort hatte es lange, stille Gänge mit wenigen Kreuzungen und lauter geschlossenen Türen gegeben. Nun waren die Abzweigungen viel zahlreicher, Türen standen offen und gaben den Blick in Zellen frei, von denen etliche in etwa die gleichen Maße aufwiesen wie der Raum, in dem Rhodan mit Bogyr eingesperrt gewesen war. Einfache Matratzen lagen darin und ein paar persönliche Gegenstände, kein einziger davon unbewacht. Durch die Gänge schallten Stimmen von Männern und Frauen, die Tefrodisch sprachen.

Rhodan war die ganze Zeit etwas merkwürdig vorgekommen, und nun begriff er: keine üblen Gerüche. Der Grund dafür war ihm auf der Stelle klar. Tefroder hatten einen weitaus stärker entwickelten Geruchssinn als ihre engen Verwandten, die Terraner. Nachdem die Tefroder vor über fünfzigtausend Jahren vor den Halutern nach Andromeda geflohen waren, hatte ihre Entwicklung in mehrerlei Hinsicht eine andere Richtung eingeschlagen. Besser gesagt, sie hatten einige Eigenschaften der gemeinsamen Vorfahren, der Lemurer, behalten. Die Paradrüse, die bei den Terranern völlig verschwunden und bei den Arkoniden zum Extrasinn mutiert war, besaßen Tefroder nach wie vor als rudimentäres Organ. Vor allem aber verfügten sie noch über den ausgezeichneten lemurischen Geruchssinn.

Gerüche spielten daher in der tefrodischen Gesellschaft eine große Rolle. Ihr kultureller Stellenwert war so hoch, dass »Rofter«, die diesen Sinn nicht entwickelt oder verloren hatten, fast als Parias galten. Terraner hätten sich vielleicht an Unterkünfte gewöhnt, in denen es nach menschlichen Körperausdünstungen roch. Tefroder nicht.

Die Atemluft in den Korridoren und Unterkünften war unaufdringlich mit einer Minznote parfümiert. Anders als in Rhodans Zelle mussten außerdem Waschgelegenheiten vorhanden sein.

Ihre Befreierin führte sie kreuz und quer durch die Gänge. Rhodan kam der Verdacht, dass sie es darauf anlegte, Bogyr und ihm die Orientierung zu nehmen, aber womöglich versuchte sie nur, etwaige Beschatter abzuschütteln. Nach einer Weile begegneten sie keiner Menschenseele mehr.

»Die Tefroder hocken aufeinander«, erläuterte sie leise. »Die meisten haben keine Ahnung, wieso sie hier sind. Vielleicht sind sie einem Mächtigen des Regimes auf die Füße getreten, ob mit Absicht oder nicht. Das sind alles mehr oder weniger ehrliche Leute.« Sie verzog den Mund. »Es gibt aber auch andere.«

Hin und wieder sah Rhodan die holografische Anzeige vor ihrem Auge flimmern. Aber er konnte kein einziges Mal etwas von dem erkennen, was darin dargestellt wurde. Der Projektor schien einen Einblickschutz zu besitzen. Rhodan war sich allerdings fast sicher, dass der Holoschirm von dem Schmuckstück an ihrem linken Ohr projiziert wurde. Die Spange besaß die Form einer Schlange.

Woher hatte ein Häftling in einem Geheimgefängnis der tefrodischen Raumflotte so etwas? Man hatte ihr bei der Festnahme doch sicher alles abgenommen, was sie bei sich hatte – so wie ihm.

Schließlich standen sie vor einem Schott, das sich nicht automatisch vor ihnen öffnete. Ihre Befreierin nahm wieder den roten Ohrstecker in die Hand, drehte den Kopf und warf Rhodan und Bogyr ein triumphierendes Lächeln zu. »Danke für eure Geduld. Gleich kommen wir in mein kleines Depot. Da drin sind wir vor Lauschern sicher und können uns in Ruhe unterhalten.«

Anders als bei dem Sperrschott zuvor gab der lemurmetallrote Ohrstecker ein misstönendes Piepen von sich, gleichzeitig flirrte es kurz über dem Schlangenschmuckstück an ihrem linken Ohr.

»Was ist ...?«, fragte ihre Befreierin. Im nächsten Moment murrte sie: »Na toll, Ebaryn. Hier schaltest du den Alarm ganz aus. Das wäre schon da hinten echt toll gewesen ...«

Die diffuse Deckenbeleuchtung erlosch nicht ganz, aber sie wurde schwächer, bis sie nicht heller war als eine Kerzenflamme.

Rhodan wusste sofort, was das zu bedeuten hatte, und sah sich um. Hinter ihrer Retterin stürmte eine schemenhafte Gestalt aus einem Seitengang. Die Füße des Manns verursachten kaum ein Geräusch. Er schwang etwas mit der rechten Hand, das in dem fahlen Licht metallisch aufblitzte: ein Stahlrohr.

Rhodan brüllte: »Vorsicht!«

Sein Warnruf ging in einem lauten Ausbruch der Unbekannten unter. »Ebaryn, du dreckiger Hurensohn! Was soll denn die ...«

2.

System Boscyks Stern

10. Mai 1550 NGZ

»Ganz bei Verstand können diese Freihändler nicht mehr sein.« Der Patriarch der Nurinsippe kratzte sich den kunstvoll geflochtenen, mit Hingabe gepflegten, grau melierten Bart.

Raslon stand neben seinem Vater in der Schiffszentrale der NURINX XVI und musste ihm recht geben, aber er schwieg. Raslons Bart war noch nicht lang genug, um ihn zu Zöpfen zu flechten. Somit durfte er erst sprechen, wenn sein älterer Bruder Taklin sich geäußert hatte. Von allen jungen Mehandor erwartete man Zurückhaltung, insbesondere von Raslon, denn sein Bruder war der designierte Erbe des einzigen Raumschiffs der Nurinsippe. Taklin musste bei jeder Gelegenheit seinen Sinn für Geschäft und Taktik unter Beweis stellen.

Der gesamte Bereich rund um Olymp war von einer Wolke aus Störsatelliten und -sonden umgeben, die jeden Funkverkehr unterbanden – es sei denn, die Freihändler gaben ihn frei. Olymps Behörden begründeten die Nachrichtensperre mit polizeilichen Ermittlungen; wonach, das wurde nicht gesagt.

Das große Außenbeobachtungsholo vor ihnen zeigte einen Kugelraumer von 120 Metern Durchmesser. Das Baumuster hatten die Mehandor in der Datenbank der NURINX XVI vergeblich gesucht. Identifiziert hatte sich das Raumschiff auch nicht. Raslon nahm an, dass es sich um eine neue Wacheinheit der Freihändler handelte. Mit einer reinen Audiobotschaft hatte es den Mehandor die Landeerlaubnis auf Olymp verweigert und Kursdaten zu einer »Frachtumschlagstation 3« übermittelt, an der die NURINX XVI andocken und ihre Ladung löschen sollte.

Die Waren würden per Transmitter nach Olymp weitergeleitet werden, erfuhren sie, und die Folgefracht, die von der Nurinsippe mit ihren Geschäftspartnern auf Olymp im Voraus vereinbart worden war, sollte ebenfalls per Transmitter zugeliefert werden – »zeitnah«.

Raslons Ausbildung hatte sich auf Logistik konzentriert. Das Wort »zeitnah« konnte alles bedeuten; die Terraner bezeichneten derartige Ausdrücke als »Gummiwort« oder so ähnlich.

»Hier muss etwas vorgefallen sein.« Sein älterer Bruder strich sich die Bartzöpfe, die so kurz waren, dass sie nur knapp zusammenhielten. »Die Freihändler werden gute Gründe für die Neuregelung haben.« Wie immer gab sich Taklin besonnen und vermutete wohl richtig, aber er hatte gut reden.

Die Nachrichtensperre hätte Raslon gleichgültig sein können, das Landeverbot indes stellte ihn vor ungeahnte Probleme. Die durchkreuzen einfach so meine Pläne, dachte er. Das sieht diesen Freihändlern ähnlich.