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Seitenzahl: 125
Bov Bjerg
Auerhaus
Lektüreschlüssel XL für Schülerinnen und Schüler
Von Eva-Maria Scholz
Reclam
Dieser Lektüreschlüssel bezieht sich auf folgende Textausgabe:
Bov Bjerg: Auerhaus. Berlin: Aufbau Verlag, 2017.
Lektüreschlüssel XL | Nr. 15488
2018 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2018
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-961337-6
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-015488-5
www.reclam.de
»Am Aus »Our House« wird AuerhausAbend saßen wir zum ersten Mal um den Küchentisch. Im Recorder lief die einzige Kassette, die wir gerade parat hatten. […] Auf einmal stand der alte Seidel in der Tür, der Bauer von gegenüber. Er guckte ziemlich mürrisch. Er hielt eine Axt in den Händen. Frieder drehte die Musik leiser. […] Im Recorder lief ein Song, der hieß ›Our House‹. Frieder sagte: ›Die hat mein Vater schon gesucht.‹ Der Seidel horchte. Dann sagte er: ›Auerhaus, aha. Auerochse, Auerhaus.‹« (S. 57 f.)
Gleich am ersten Abend, den Frieder, Vera, Cäcilia und Höppner (der Ich-Erzähler) gemeinsam als WG verbringen, erhält das alte Bauernhaus, das einst Frieders Großvater gehört hatte, durch einen Zufall seinen Namen: Der alte Nachbar, der des Englischen nicht mächtig ist, versteht statt »Our House« »Auerhaus«, wie »Auerochse«, und tauft somit sowohl die Wohngemeinschaft als auch den Roman.
Bov Bjergs Schüler-WG auf dem LandRoman Auerhaus aus dem Jahr 2015 erzählt die Geschichte einer Schüler-WG, die gegründet wurde, um einem von ihnen, Frieder, das Leben zu retten. Im Auerhaus soll Frieder nach seinem Selbstmordversuch wieder ins Leben zurückfinden. Die gewählte Therapie: Federball spielen, Wein trinken, rauchen und reden, reden, reden.
In einem Interview nach dem Freundschaft und SolidaritätHauptthema des Romans befragt, antwortet Bjerg: »Freundschaft. Und vielleicht allgemeine Solidarität.«1 Viel Verantwortung lastet auf den Freunden, die jedes Mal, wenn Frieder nicht in der Schule auftaucht, Sorge haben, er könnte sich zuhause etwas angetan haben. Dennoch stellen sie sich dieser Verantwortung wie selbstverständlich. Auch die beiden später hinzukommenden Mitbewohner Harry und Pauline sind auf Solidarität und Freundschaft, auf einen Zufluchtsort, an dem jeder willkommen ist, angewiesen.
Nach seinem Vielfältige IdentifikationsmöglichkeitenDebut Deadline aus dem Jahr 2008 ist Auerhaus Bjergs zweiter Roman und machte ihn quasi über Nacht berühmt. Der Autor erklärt sich die Beliebtheit des Romans mit den vielseitigen Identifikationsmöglichkeiten für den Leser:
»›Sowohl die Reaktion von Leuten, die nach Lesungen zu mir kommen, als auch die professionelle Kritik ist ja durchaus vielfältig.‹ Für die einen seien es die 1980er-Jahre, für andere die Erinnerung an eigene WG-Zeiten. ›Wieder andere haben sich mit dem Thema Depressionen und Suizid beschäftigen müssen und finden ihn daher interessant. Also, jeder findet irgendwas anderes.‹«2
Was jeder von Frieder wissen sollteDas erste, nur zweieinhalb Seiten umfassende Kapitel lässt den Leser in einer Art Momentaufnahme Bekanntschaft mit drei der Hauptfiguren schließen. Es erzählt die kurze, eigentlich zu einem späteren Zeitpunkt in der Handlung stattfindende Episode, wie der Ich-Erzähler Höppner und seine Freundin Vera ihren Freund Frieder lachend vor der Tür ihres gemeinsamen Hauses im Schnee vorfinden und entdecken, dass dieser gerade den großen Weihnachtsbaum auf dem Dorfplatz gefällt hat. »Das war nicht der Anfang der Geschichte, und das war nicht das Ende. […] Aber das war das, was jeder von Frieder wissen sollte« (S. 9) – so begründet der Erzähler seine Wahl, die Geschichte mit diesem Ereignis am Weihnachtsabend begonnen zu haben.
Das zweite Kapitel umfasst knapp 200 Seiten (S. 11–207) und somit den Hauptteil der Romanhandlung. Immer wieder wird es durch mit Sternchen markierte Absätze in kürzere Abschnitte aufgeteilt – die Gliederung der Inhaltsangabe folgt diesen Unterteilungen.
Abschnitt 1 (S. 11–22): Im ersten Abschnitt berichtet der Erzähler (Höppner) davon, wie er von Frieders Selbstmordversuch erfahren hat und was sich im Vorfeld in seinem eigenen Leben ereignet hat. Dies verknüpft er mit einigen Hintergrundinformationen über seine Familie, die wiederum begründen, warum er just in diesen Tagen nicht zuhause war. Der Leser erfährt, dass Höppner immer mal wieder für einige Zeit von Zuhause verschwindet, wenn er es mit dem Freund seiner Mutter, genannt F2M2 (»Fiese[r] Freund Meiner Mutter«, (S. 11)), nicht mehr aushält. Obwohl Höppner ständig vom Freund der Mutter schikaniert und beleidigt wird, muss er ihm regelmäßig bei dessen Umbauarbeiten im Haus helfen. Als dieser beim gemeinsamen Tapezieren ankündigt, am nächsten Tag im Flur eine Zwischendecke einziehen zu wollen, ist das das Stichwort: Flucht nach BerlinHöppner und seine Freundin Vera setzen sich für ein paar Tage nach Berlin ab. Er ist zum ersten Mal in Berlin, dennoch steht für ihn schon fest, dass er nach dem Abitur dort hinziehen möchte. Grund dafür ist, dass damals Männer, die in Berlin wohnhaft waren, keinen Wehrdienst leisten mussten.
In Berlin schauen sich Höppner und Vera das Univiertel an, gehen »Wohnung suchen üben« (S. 15) und trampen schließlich mit einem Lastwagenfahrer wieder nach Hause, der sie dank Veras Charmeoffensiven direkt vor der Schule absetzt.
Frieder fehltIm Unterricht bemerkt Höppner das Fehlen seines besten Freundes Frieder. Auch wundert er sich darüber, dass der Deutschlehrer »Dr. Turnschuh« nicht auf sein offensichtliches Schwänzen reagiert, als er nach mehreren Tagen Abwesenheit in das Klassenzimmer geschlappt kommt. Zunehmend beschleicht ihn das Gefühl, dass etwas anders ist als sonst. »Hinreichende Gründe für Selbstmord?Irgendwas war hier faul« (S. 21), beobachtet der Erzähler, als keiner seiner Mitschüler auf die Frage des Lehrers reagiert, »[o]b es denn für Selbstmord […] irgendeinen guten Grund geben könne« (ebd.). Dr. Turnschuh bezieht die Frage zwar auf den Selbstmord von Goethes Romanfigur Werther, das betretene Schweigen der Klasse resultiert aber aus Frieders Selbstmordversuch, von dem Höppner bislang nichts weiß. Erst als Cäcilia, eine Mitschülerin, zu weinen beginnt, wird ihm klar, dass etwas passiert sein muss.
Abschnitt 2 (S. 23–30): Von seiner Besuch in der PsychiatrieMutter erfährt Höppner, dass Frieder in der Psychiatrie, dem »Schwarzen Holz« (S. 23), untergebracht worden ist. Als er Frieder dort besucht, erschrickt er über dessen Erscheinung: »Er kam langsam auf mich zu, ganz steif, die Arme hingen schwer an den Seiten runter, die Hausschuhe schleiften über den Boden. Sie haben ihm einen Stock in den Arsch geschoben, […]. Einen Stock bis hoch ins Hirn« (S. 26). Der Erzähler traut sich zunächst nicht, Frieder nach dem Grund seines Suizidversuchs zu fragen. Er erinnert sich zurück an die Deutschstunde am Morgen und sinniert über hinreichende Gründe dafür, nicht mehr leben zu wollen (vgl. S. 28). Frieder nimmt seinem Freund die schwierige Frage ab und unterbricht das Schweigen, indem er ihn zu dem antizipierten Kommentar auffordert: »Jetzt sag schon […] »Waßß machßßt du denn für eine Scheißße?« (ebd.). Frieders Antwort darauf lautet dann aber schlicht »Ich weiß auch nicht« (ebd.). Stattdessen stellt er fest, dass er fast gestorben wäre, ohne je mit einer Frau geschlafen zu haben. Höppner ist peinlich berührt, denn obwohl er eine Freundin hat, hatte er auch noch nie Sex. Dies ist aber ein Thema, über das er mit Frieder trotz ihrer guten Freundschaft bislang nicht gesprochen hat.
Schlaftabletten und ImiglykosDer Leser erfährt zum Schluss dieses Abschnittes, dass Frieder versucht hat, sich mit einer Überdosis Schlaftabletten in Kombination mit zwei Litern Wein umzubringen. Sein Überleben ist dem Zufall zu verdanken, dass sein Vater ihn auf der Suche nach seiner Axt bewusstlos im Keller vorgefunden hat.
Abschnitt 3 (S. 31–35): Der Hühnerfarmdritte Abschnitt des zweiten Kapitels dreht sich um den Nebenjob des Erzählers. Er jobbt auf einer Hühnerfarm und nennt sich selbst deshalb »Höppner Hühnerknecht« (S. 31). Seine Aufgabe dort besteht darin, Hühner für den Transport zum Schlachthof in Kisten zu packen. »Spezial-Schwachmaten« bei der BundeswehrDer Schichtleiter, der seinen Wehrdienst im Gegensatz zu Höppner schon abgeleistet hat, beschreibt seine Zeit bei der Bundeswehr als »Scheiße. Totale Scheiße. Nur Idioten« (S. 34). Höppner beschließt, seine Ladung zur Musterung erst einmal zu ignorieren. »Rumzuballern und durch den Dreck zu kriechen und dauernd nach der Pfeife von irgendwelchen Spezial-Schwachmaten zu tanzen, das war nicht mein Fall« (S. 32).
Abschnitt 4 (S. 36–47): Erster Ausflug in die AußenweltDer vierte Abschnitt erzählt von den Besuchen Höppners in der Psychiatrie und dem ersten Spaziergang, den er mit Frieder außerhalb der geschlossenen Abteilung der Klinik machen darf. Wie viel Zeit genau seit Frieders Suizidversuch vergangen ist, bleibt unklar, der Hinweis Höppners, dass es »schon Herbst [war], als Frieder die Station zum ersten Mal verlassen durfte« (S. 38), verweist aber auf eine Zeitspanne von mindestens mehreren Wochen. Bekanntschaft mit PaulineHöppner ist etwas mulmig zumute. Der Hinweis von Pauline, einer Mitpatientin Frieders, die wegen Brandstiftung im »Schwarzen Holz« ist, er solle Frieder ja heil zurückbringen (vgl. S. 39), trägt nicht gerade zu seiner Entspannung bei. Unterwegs bemerkt Höppner, wie die Zeit in der Klinik Frieder verändert hat: »Er war ganz schön fett geworden vom Bewegungsmangel und von den Medikamenten« (S. 42). Sein Mangel an Kondition hält Frieder allerdings nicht davon ab, seinen Ausgang im Park unerlaubterweise zu einem Abstecher in die Stadt auszudehnen. Als Frieder zum Bahnübergang läuft, wird Höppner panisch: »Wenn er jetzt vor den Zug sprang, war ich daran schuld« (S. 43). Doch nichts dergleichen passiert. Als sie wieder auf dem Rückweg sind, simuliert Höppner zum Spaß an den Gleisen den Versuch, Frieder schubsen zu wollen. Dieser reagiert heftig erschrocken, sagt dann aber, er wisse, dass er sein Leben jederzeit beenden könne, wenn es nötig sei (vgl. S. 47).
Ankündigung des AuszugsDer Abschnitt endet mit der Ankündigung Frieders, auf den Rat seiner Ärzte hin nicht mehr bei seinen Eltern zu wohnen und stattdessen in das Haus seines verstorbenen Großvaters zu ziehen.
Abschnitt 5 (S. 48–54): Besichtigung der zukünftigen WGVera und Höppner besichtigen das leerstehende Haus von Frieders Großvater. Es ist ein altes, heruntergekommenes Bauernhaus, dem der Geruch von Gülle und alten Leuten anhaftet (vgl. S. 48). Höppner hat dem Vorschlag Frieders zugestimmt, mit ihm zusammenzuziehen – so kann er dem Freund der Mutter endgültig entkommen und auf Frieder achtgeben. Und wenn er sich umbringt?Vera spricht die Sorge aus, die ihr Freund insgeheim auch hegt, es aber zunächst nicht zugibt: »Und wenn er sich umbringt, gleich im Zimmer neben dir?« (S. 49). Höppner überlegt, ob es nicht für alle Beteiligten besser wäre, wenn Frieder einfach in der Psychiatrie wohnen bliebe, ruft sich dann aber selbst zur Ordnung: »Höppner Hühnerknecht, du bist ein feiges Schwein […]. Du würdest deinen Freund auch in den Knast gehen lassen, bloß um ruhig schlafen zu können« (S. 53). Vera beschließt kurzerhand, selbst mit einzuziehen – so sind sie zu zweit, um auf Frieder aufzupassen.
Abschnitt 6 (S. 55–58): UmzugDer sechste Abschnitt beschreibt den Einzug der Freunde in das alte Bauernhaus. An dieser Stelle fällt auch zum ersten Mal der Name »Auerhaus«.
Nachdem Frieder, Vera und Höppner ihre neuen Zimmer gestrichen haben, sammeln sie mit dem Traktor von Frieders Eltern ihre Habseligkeiten ein. Da Veras Eltern nicht wollen, dass ihre Tochter alleine mit zwei Jungs zusammen wohnt, zieht Cäcilia auch mit ein. Darüber ist Höppner verwundert, da Cäcilia in ihrem Elternhaus im Gegensatz zu den anderen in luxuriösen Verhältnissen lebt. Der erste Abend als WG – AuerhausEs folgt der erste Abend als WG: Alle sitzen gemeinsam um den Küchentisch, essen Spaghetti und hören Musik mit ihrem alten Kassettenrekorder. Als der Bauer von gegenüber vorbeikommt, um Frieder die Axt seines Großvaters zurückzubringen (jene Axt, die Frieders Vater am Tag von Frieders Suizidversuch im Keller gesucht und stattdessen seinen Sohn gefunden hatte), lauscht er auf den Text des Songs, der gerade läuft und versteht statt »Our House« »Auerhaus«.
Abschnitt 7 (S. 59–61): Der WG-Alltagkurze siebte Abschnitt erzählt vom Alltag in der neu gegründeten WG: »[W]ir lebten ein richtiges Leben mit Aufstehen und Frühstückmachen und Federballspielen, mit Essenbesorgen und zusammen Kochen« (S. 60). Im Vordergrund steht aber das Reden. Für Aufpassen auf FriederHöppner bedeutet das Reden, auf ihren Freund aufzupassen, der versucht hatte, sich das Leben zu nehmen (vgl. S. 61). Höppner bekennt, dass er nach all den Wochen immer noch nicht so richtig weiß, warum Frieder sich eigentlich umbringen wollte (vgl. ebd.).
Abschnitt 8 (S. 62–65): Über die Runden kommenDer achte Abschnitt gibt Auskünfte über die Spar- und Geldbeschaffungsmethoden der WG. Monatskarten für den Bus werden recycelt, indem einfach der aktuelle Monat über den abgelaufenen geklebt wird, die Mutter des Erzählers sammelt abgelaufene oder aussortierte Lebensmittel aus dem Supermarkt für sie, Brot beim Bäcker gibt es im Tausch gegen Getreide von Frieders Eltern, Genussartikel wie Kaffee und Wein klaut Frieder. Höppner kann noch das Geld seines Jobs auf der Hühnerfarm und seine Halbwaisenrente beisteuern, zudem verkauft er immer mal wieder ein Stück aus seiner umfangreichen Münzsammlung.
Abschnitt 9 und 10 (S. 66 und 67–69): Die beiden sehr kurzen Abschnitte neun und zehn enthalten zwei Beobachtungen aus dem Alltag.
Die erste Episode dreht sich um eine defekte Telefonzelle, die Höppner aus dem Küchenfenster sehen kann. Allabendlich sieht er die Gastarbeiterfamilien, die die Möglichkeit nutzen, gratis mit ihrer Heimat zu telefonieren.
Im zweiten Abschnitt beschreibt Höppner, dass Frieder und er mittlerweile eine Art Narrenfreiheit in der Schule besitzen. Die Lehrer lassen sie im Unterricht machen, was sie wollen – zum Beispiel Comics lesen. Er wundert sich über seine Mitschüler, für die trotz allem alles wie immer war. »Hätte man sie vor einer Klausur gefragt: ›Wozu lebst du eigentlich?‹, hätten sie geantwortet: ›Das kommt nicht dran, das müssen wir nicht wissen« (S. 68). »Wozu lebst du eigentlich?»Birth, school, work, death«Birth, school, work, death« (S. 67) – sie würden einmal das Leben ihrer Eltern erben und leben, ohne weiter darüber nachzudenken.
Abschnitt 11 (S. 70–71): Der Harryelfte Abschnitt führt einen weiteren wichtigen Charakter ein, nämlich Harry, einen Elektrikerlehrling, den Frieder schon seit Kindergartentagen kennt und der plötzlich in der WG am Küchentisch sitzt.
Harry taucht von nun an täglich in der WG auf. Nach einigen Wochen erzählt er den anderen von seiner Homosexualität (vgl. S. 72 f.).
Abschnitt 12 (S. 74–81):