Auf der Suche nach dem Geheimnis unseres Erfolges - Arno Ritter - E-Book

Auf der Suche nach dem Geheimnis unseres Erfolges E-Book

Arno Ritter

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Beschreibung

Wir Menschen sind mehr oder weniger alle auf der Suche nach Erfolg, sei es privat, beruflich, unternehmerisch oder sportlich. Aber was ist eigentlich Erfolg, was zeichnet ihn aus und wie kann man überhaupt erfolgreich werden? Zur Klärung dieser Fragen schicken wir im Stile einer Business-Novelle drei fiktive Freunde, Anton, Robert und Quentin, auf eine gemeinsame Reise: auf die Suche nach dem Geheimnis unseres Erfolges. Wir werden dabei mit unseren drei Freunden eintauchen in die Evolution und Menschheitsgeschichte, in Themen wie persönlicher und unternehmerischer Erfolg, Leadership, Innovation, Entrepreneurship, Karriere, Sinn des Lebens, strategischer Erfolg, Umgang mit Strategemen (Listen) und Umsetzung (Implementierung). Wir lassen dabei einige der Alt-Meister wie etwa Sunzi, Musashi, Machiavelli, Carl von Clausewitz oder Kaiser Marc Aurel, Management-Gurus wie Peter Drucker, Jim Collins, Henry Mintzberg, Gary Hamel und C. K. Prahalad, Coaches und Berater wie Stephen Covey, Gay Hendricks oder Mahan Khalsa, Historiker wie Jörg Nagler oder Yuval Noah Harari, Autoren wie Scott Adams, Bill Bryson, Daniel Pink, Wolfgang Schur und Günter Weick und etliche andere selbst zu Wort kommen. Die Liste von Erfolgsfaktoren ist vielseitig und wird nie vollständig sein. So wie es eben nicht die eine beste Organisation gibt, so gibt es auch nicht die eine beste Strategie oder das eine beste Erfolgsrezept. Die in diesem Buch diskutierten Erfolgsfaktoren und Ideen sollen als Anregung dienen. Und dennoch, wir können kontinuierlich daran arbeiten, dass unsere Organisation und wir selbst erfolgreicher werden.

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Vorwort

Wir Menschen sind mehr oder weniger alle auf der Suche nach Erfolg, sei es privat, beruflich, unternehmerisch oder sportlich. Aber was ist eigentlich Erfolg, was zeichnet ihn aus und wie kann man überhaupt erfolgreich werden? Sind wir erfolgreich, stellt sich dann überdies die Frage, wie wir, z. B. als Entrepreneur oder Organisation, nachhaltig erfolgreich bleiben können. Das sind natürlich Fragestellungen, die die Menschheit nicht erst seit heute beschäftigen. Jede Epoche scheint darauf unterschiedliche, neue oder zumindest ergänzende Antworten gefunden zu haben. Einige Scharlatane versprechen dabei dem Erfolg Suchenden einerseits das Blaue vom Himmel. Andererseits existieren Erfolgsmodelle, die durchaus universellen Charakter besitzen. Eine genauere Analyse lohnt sich also. In diesem Buch möchten wir dazu unseren Beitrag leisten, das Thema Erfolg insgesamt aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten und einige neue Antworten und hilfreiche Anregungen in einem integrativen Kontext geben. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam auf die Suche nach dem Geheimnis des Erfolges begeben. Zu diesem Zweck schicken wir im Stile einer Business-Novelle drei fiktive Freunde, Anton, Robert und Quentin, auf eine gemeinsame Reise. Quentin wird oft in der Rolle dessen sein, der Fragen (Questions) stellt, aber sich dabei auch nicht mit seiner Meinung zurückhält. Anton wird versuchen, Antworten (Answers) zu finden und Themen aus einer anderen Perspektive zu beleuchten. Der Ich-Erzähler, Robert, wird hierzu zusätzliche Kommentare geben. Es versteht sich von selbst, dass es zu der selben Fragestellung nicht nur eine einzige Meinung oder Antwort geben kann. Außerdem gibt es zum Thema Erfolg eine schier unüberschaubare Fülle an Ideen, Theorien, Lösungen, Veröffentlichungen und Überzeugungen – schon seit Jahrhunderten. Wir haben als Autoren deshalb eine selektive Auswahl getroffen und uns entschieden, einige der Alt-Meister, die wir für wesentlich halten, wie etwa Sunzi, Musashi, Machiavelli, Carl von Clausewitz oder Kaiser Marc Aurel, „Management-Gurus“ wie Peter Drucker, Jim Collins, Henry Mintzberg, Gary Hamel und C. K. Prahalad, Coaches und Berater wie Stephen Covey, Gay Hendricks oder Mahan Khalsa, Historiker wie Jörg Nagler oder Yuval Noah Harari, Autoren wie Scott Adams, Bill Bryson, Daniel Pink, Wolfgang Schur und Günter Weick und etliche andere selbst zu Wort kommen zu lassen. Dabei werden wir unterschiedlichste Bereiche und Felder streifen. Lassen Sie uns deshalb mit „unseren“ drei Freunden eintauchen in die Evolution und Menschheitsgeschichte, in Themen wie persönlicher und unternehmerischer Erfolg, Leadership, Innovation, Entrepreneurship, Karriere, Sinn des Lebens, strategischer Erfolg, Umgang mit Strategemen (Listen) und Umsetzung (Implementierung). Dieses Buch ist für uns ein Experiment, denn wir haben es als Vater und Sohn geschrieben, mit dem Ziel, einige der Ideen im Rahmen eines Buchprojektes und im Alltag gleich auszuprobieren. Wir wünschen Ihnen bei der Lektüre viel Spaß und einige nützliche Anregungen zu finden. Wir empfehlen die chronologische Reihenfolge beim Lesen einzuhalten. Wir danken Rainer Saurin für seine Anmerkungen sowie all unseren Familienangehörigen, Freunden, Studien- und Geschäftskollegen sowie Kundenpartnern für die vielen interessanten Diskussionen und Unterstützung, ohne die dieses Werk nicht möglich geworden wäre.

Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern viel Glück bei ihrer persönlichen Suche nach Erfolg.

Arno & Roderick Ritter ([email protected] / www.arnoritter.de)

Für Opa Daniel und Opa Rolf

INHALTSVERZEICHNIS

Abkürzungsverzeichnis

Prolog

Erster Samstag: Die Liste

Zweiter Samstag: Erste Schritte

Dritter Samstag: Erfolg durch Evolution

Vierter Samstag: Persönlicher Erfolg (Teil I)

Fünfter Samstag: Persönlicher Erfolg (Teil II)

Sechster Samstag: Beratungserfolg

Siebter Samstag: Leadership-Erfolg

Achter Samstag: Unternehmenserfolg

Neunter Samstag: Erfolg durch Innovation und Entrepreneurship

Zehnter Samstag: Strategischer Erfolg

Elfter Samstag: Karriere und Erfolg

Zwölfter Samstag: Der Sinn des Lebens

Dreizehnter Samstag: Implementierungserfolg

Vierzehnter Samstag: Erfolg durch Anwendung von Strategemen

Fünfzehnter Samstag: Erfolgsfaktoren

Epilog & Kommentare der Autoren

Letzte Worte

Anmerkungen

Glossar

Literaturverzeichnis

Film- und Songverzeichnis

Verzeichnis der Internetlinks

Abkürzungsverzeichnis

AWS

Amazon Web Services

BANWAD

Beyond Agile, New Work And Digitalization

BCI

Business Concept Innovations

BHAG

Big Hairy Audacious Goals

BioNTech

Biontech SE (Biopharmaceutical New Technologies)

CEO

Chief Executive Officer

CERN

Conseil européen pour la recherche nucléaire (Europäische Organisation für Kernforschung)

CFO

Chief Financial Officer

CIO

Chief Information Officer (auch Chief Investment Officer)

COO

Chief Operations Officer (auch Chief Operating Officer)

COVID-19

Corona virus disease 2019

DESY

Deutsches Elektronen-Synchrotron

DevOps

Philosophie eines integrativen Ansatzes aus Entwicklung (Development) und Betrieb (Operations)

DIN

Deutsches Institut für Normung

DNA

Deoxyribonucleic acid (Desoxyribonukleinsäure)

F&E

Forschung und Entwicklung

GE

General Electric Company

Gröfaz

Größter Feldherr aller Zeiten

HMS

Her (bzw. His) Majesty’s Ship

HR(M)

Human Resources (Management)

HSV

Hamburger Sport-Verein e. V.

ICT

Information Communication Technology

IQ

Intelligenzquotient

IT

Information Technology

KI

Künstliche Intelligenz

KMU

Kleines oder mittleres Unternehmen

KZ

Konzentrationslager

MBA

Master of Business Administration

N/A

Not applicable

No.

Number

NPV

Net Present Value

OECD

Organisation for Economic Co-operation and Development

ORDER

Opportunity, Resources, Decision Process, Exact Solution, Relationship (Prinzip nach Khalsa)

P

Proportional (Regler)

PI

Proportional-Integral (Regler)

PID

Proportional-Integral-Differential (Regler)

PISA

Programme for International Student Assessment

PR

Public Relations

R&D

Research and Development

RHZ

Riskante, hochgesteckte Ziele (siehe auch BHAG)

SMART

Specific – Measurable – Accepted – Realistic – Timely

Stra-Wach

Strategische Wachsamkeit (bezüglich Strategeme)

SWOT

Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Risiken)

TPS

Toyota Production System

TUDAPOL

Think Unlimited, Develop Agile, Produce and Operate Lean

VDI

Verein Deutscher Ingenieure

VIP

Very important person

3M

Minnesota Mining and Manufacturing Company

5 S

Sifting (Seiri) / Sorting (Seiton) / Sweeping clean (Seiso) / Spic and Span (Seiketsu) / Sustain (Shitsuke)

Prolog

„(1) Niemandem widerfährt etwas, was er nicht von Natur aus ertragen könnte.

(2) Einem anderen widerfährt dasselbe (wie Dir), und doch bleibt er ruhig und unverletzt, entweder weil er nicht weiß, dass es ihm widerfahren ist, oder weil er seine Charakterstärke dabei zur Schau stellen will. (3) Es wäre aber schlimm, wenn Unwissenheit und Gefallsucht stärker wären als Einsicht“ (Marc Aurel in seinen Selbstbetrachtungen – Fünftes Buch, 18).

Im Frühjahr 2021 schauten sich meine Freunde Quentin und Anton mit mir einen Film an. Diesen hatten wir uns wohl Ende der Neunziger Jahre bereits als Teenager, d. h. noch lange vor dem Netflix- und YouTube-Zeitalter, gemeinsam auf Video angesehen: „Das Geheimnis meines Erfolges“ von 1987 mit Michael J. Fox in der Hauptrolle. Wie so oft bei unseren früheren Zusammenkünften entbrannte sogleich eine lebhafte und recht heftige Diskussion. Mal abgesehen davon, dass Quentin die Frage stellte, warum uns der Film damals überhaupt so gut gefallen hatte, „er ist doch total unrealistisch und albern“, verriss Anton entgegen seiner sonstigen Angewohnheit den Film nicht komplett und verwies lediglich auf Roger Eberts Filmkritik. Diese hob sich, wie ich später recherchierte, im Vergleich zu anderen Kritiken aber nur recht milde vom übrigen Verriss ab. Ich versuchte an diesem Abend – wie so oft – etwas zu moderieren und stellte ernüchtert fest, dass wir in diesen COVID-19-Zeiten genau genommen nicht wirklich behaupten konnten, dass wir den Film „zusammen“ angesehen hatten. Tatsächlich hielt sich jeder von uns in seinem „Homeoffice“ auf. Anton befand sich sogar zurzeit, seit etwa einem Jahr, in Bali, was ursprünglich Sandys Idee gewesen war. Unser Freund Anton hatte sich nämlich in den zwei Jahren zuvor immer wieder darüber beklagt, dass es ihm in Deutschland zu eng geworden sei. Insofern benötigte er unbedingt einen Tapetenwechsel – vor allem nach der Trennung von seiner langjährigen Freundin. Irgendwie konnten wir das alles ja ebenfalls verstehen. Sandy hatte daraufhin Anton in ihrer unverblümten Art und Weise in unserer traditionellen Neujahrstelefonschalte vorgeschlagen, dass er „den Arsch hochbekommen und gefälligst etwas ändern sollte, wenn ihm seine aktuelle Lage nicht passte, und dass er sich nicht ständig beklagen sollte.“ Auf die Frage, was sie denn damit genau meinte, hatte sie dann vorgeschlagen: „Du bist doch selbstständig und im Bereich Creative Arts tätig. Du entwickelst Deine Ideen eh’ meistens nur von zu Hause aus oder wo Du Dich gerade so herumtreibst. Deinen Kunden ist es – so kommt es zumindest mir vor – fast immer völlig schnuppe, wann und von wo aus Du überhaupt arbeitest, solange Du Deine großartige Arbeit leistest. Flieg’ doch einfach einmal irgendwohin, wo es schön ist und Dir gefällt, z. B. nach Bali. Da kannst Du dann eine Zeit lang von irgendeinem Resort, Internet-Café oder einer Miet-Villa aus arbeiten, bis Du den nötigen, von Dir gewünschten Abstand gewonnen hast.“

Um es kurz zu machen: Anton war nicht sofort von dieser Idee überzeugt oder gar begeistert. Aber nachdem Quentin immer wieder in unseren nun fast zur Tradition gewordenen wöchentlichen Skype-Konferenzen die Frage stellte, „Wofür Anton denn nun brannte?“, überraschte uns dieser tatsächlich eines Tages damit, dass er jetzt doch beschlossen hatte, eine Auszeit zu nehmen und nach Bali zu verreisen. Das war Ende Januar 2020 gewesen. Anton hatte dann Sandy und mich über Indonesien im Allgemeinen und Bali im Speziellen solange ausgefragt, bis er sich seiner Sache absolut sicher war und alles Notwendige klären und jeden letzten Zweifel ausräumen konnte. Sandy stellte noch einige hilfreiche Kontakte zu unseren indonesischen Freunden, den Familienangehörigen meines deutschen, mit einer Indonesierin verheirateten Onkels und etlichen uns bekannten Business-Partnern her. Tatsächlich saß schließlich Anton schon im März 2020 im Flugzeug auf seiner Reise über Dubai und Singapur nach Bali. Was dann aber seit März 2020 international aufgrund von COVID-19 passierte, ist ja hinreichend bekannt. Anton war nun dort mehr oder weniger in Indonesien gestrandet. Er erhielt aber ab und zu etwas Hilfe von einem meiner Cousins, die sich zurzeit ebenfalls auf Bali beruflich aufhielten. Zu Beginn seiner Odyssee wusste ich nicht so genau, ob Anton wahlweise mich oder Sandy insgeheim wegen dieser Bali-Idee verfluchte. Glücklicherweise hatte er sich aber dann sehr schnell in die „Insel der Götter“, ihre Landschaft und Menschen verliebt sowie an das Leben in einer hinduistisch-animistisch geprägten Kultur zumindest recht schnell angepasst. Am Anfang wechselte er noch öfters seine Hotels, Unterkünfte und Internet-Cafés, sofern das überhaupt möglich war, bis er schließlich eine kleine, preisgünstige Villa mit eigenem Pool bei Ungasan und Uluwatu im Süden Balis gefunden hatte. Mittlerweile im Besitz eines Mopeds, war es zu seinen favorisierten Internet-Cafés sowie zu den touristischen Zentren in Jimbaran, Seminyak und Kuta zudem nur noch ein Katzensprung, zumal er sich als sogenannter „Bule“, d. h. weißer Ausländer, an den Fahrstil der Einheimischen schnell gewöhnt hatte. Er verstand wohl das manchmal chaotisch anmutende, aber eher defensive Fahrprinzip, das immer Lücken für Mopeds ließ, relativ schnell. Tatsächlich gehörte er zwar nicht zu den absoluten COVID-19-Gewinnern, aber seine Projekte gingen immerhin weiter. Anton konnte sogar in dieser Zeit vor Ort und in Australien sowie Singapur einige Neukunden dazugewinnen und alles in allem zeigte er, überaus zufrieden mit seiner Gesamtsituation zu sein. Irgendwie schaffte er es dann zudem mit Hilfe meines Cousins Tim, vor Ort bleiben zu können. Auch in COVID-Zeiten gilt nämlich: Bali ist traumhaft.

„Also, ich finde nicht, dass dieser Brantley wirklich erfolgreich war.“ Damit meinte Quentin die Film-Rolle von Michael J. Fox. „Er hatte doch im Grunde genommen nur günstige Rahmenbedingungen vorgefunden wie z. B. seinen direkten Zugang zum Top-Management – in diesem Fall zu seinem sogenannten Onkel und dessen Frau, der Firmeninhaberin. Eigentlich hatte er doch nur über eine enorme Portion Dreistigkeit und unwahrscheinliches Glück verfügt.“ Auf den Begriff „Serendipität“ oder das „Kairos-Strategem“ kamen wir aber an diesem Abend noch nicht zu sprechen. Ich erinnere mich außerdem nicht mehr ganz an das komplette Gespräch, zumal wir, das war unser damaliger Running-Gag, jeder sich ein paar Flaschen Corona-Bier – Anton wahrscheinlich Bintang-Bier oder Bali Hai – gegönnt hatten. Aber es war dann Quentin, der die alles entscheidende Frage stellte: „Was ist eigentlich Erfolg?“ Gute Frage, aber die daraufhin ausgelöste Diskussion drehte sich die ganze Zeit über nur im Kreis. Ich weiß bloß noch, dass die Erfolge von Fußballteams wie etwa des FC Bayern München, Real Madrid oder vom FC Barcelona genannt wurden. Die Namen „Marc Aurel“, „Alexander der Große“ und „Napoleon“ fielen oder wir lästerten über den HSV und Lothar Matthäus. Technische Flops, Dotcom, Edison, Westinghouse, Warren Buffet und vieles andere wurden ebenfalls erwähnt. Mir schwirrte fast schon der Kopf. Ich sah auf die Uhr. Da wir uns an diesem Samstag zwar so verabredet hatten, dass wir in den verschiedenen Zeitzonen bequem miteinander sprechen konnten, mussten wir doch so langsam auf Anton wegen der großen Zeitverschiebung zwischen Mitteleuropa und Südostasien Rücksicht nehmen. Ich schlug deshalb vor: „Erfolg ist sicherlich ein wirklich interessantes Thema für nächsten Samstag. Lasst uns also einfach einmal ‚Erfolg‘ etwas analysieren. Dazu sollte jeder einzelne von uns im Laufe der nächsten Woche sich aber erst einmal überlegen, über welche Art von Erfolg wir überhaupt sprechen wollen: über sportlichen Erfolg, Unternehmenserfolg, militärischen Erfolg, persönlichen Erfolg oder gar Erfolg in der Liebe?“ Letzteres meinte ich nicht wirklich ernst, aber Anton dagegen war sofort Feuer und Flamme: „Ja, wir sollten nächsten Samstag über all das sprechen. Lasst uns jeder für sich aber erst einmal eine Top-10-Liste erstellen, über welche Themen wir insgesamt sprechen könnten und was unsere persönlichen Favoriten dabei wären.“ „Okay“, meinte dann Quentin: „Wir werden nächsten Samstag ein kleines Brainstorming durchführen und dann Woche für Woche einen von uns ausgewählten Bereich diskutieren und abarbeiten. Lasst uns aber ebenso etwas in die Thematik einlesen und vorher Eure Literaturempfehlungen, Internet-Links oder zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse austauschen.“ Gesagt, getan. Direkt am Sonntagmorgen saß ich dann in meinem Homeoffice, wie so oft an meinen Wochenenden. Das ist das Schicksal von Selbstständigen. Außerdem befand sich Sandy fernerhin in den USA, was durch COVID-19 zu einer längeren, schmerzlichen und wieder einmal unvermeidlichen Trennung geführt hatte. Ich besaß also während des Lockdowns, abgesehen von den Telefonaten mit Sandy, die durch ihren Beruf noch schwerer zu planen und durchzuführen waren als mit meinen beiden Freunden, erzwungenermaßen viel Zeit für mich selbst. Ich hatte mir mittlerweile angewöhnt, dass Samstage hauptsächlich für Arbeiten vorgesehen sind, die mir Spaß bereiten und mich persönlich weiterbringen. Insofern nutze ich schließlich Sonntagvormittage eher nur für absolut notwendige, kurze, lästige Aktivitäten, die ich dann recht schnell abarbeite. So überliste ich den inneren Schweinehund. Den Nachmittag reserviere und blockiere ich aber wiederum nur für Interessantes oder „Fun“. Sobald Sandy aber sich meldete und Zeit für mich hatte, ließ ich alles stehen und liegen und passte meine Tagesagenda sofort sehr dynamisch an. Ich setze meine Prioritäten ganz bewusst. Ich war deshalb absolut davon überzeugt, dass das einer der Erfolgsfaktoren ist, über die wir in den nächsten Wochen debattieren würden.

Nun saß ich also da vor einem leeren Blatt Papier. Den Laptop hatte ich diesmal absichtlich ausgeschaltet gelassen. Ich schrieb als Arbeitstitel erst einmal: „Erfolg“. Das war mir jedoch zu schwammig. Ich überlegte kurz und kritzelte dann dazu: „Was ist Erfolg?“ Eine Frage, da stimmte ich mir selbst recht großzügig zu, ist als Titel oder Aufgabenstellung deutlich besser geeignet. Mir kamen wieder die gestern angesprochenen Titelsiege von Fußballklubs kurz in den Sinn. Ergebnisse sind oft irgendwie messbar. Aber das sind dann schlussendlich nur Folgen, „Output“, also Resultate von etwas Vorangegangenem. Ergebnisse sind wichtig, aber eigentlich geht es mir, Quentin und Anton um etwas völlig anderes. Die Fragestellung ist doch vielmehr die: „Was macht Erfolg aus, was trägt zu Erfolg bei oder wie wird man erfolgreich? Und wie bleiben wir dann erfolgreich?“ Im Grunde genommen trifft es der Filmtitel des gestrigen Films schon relativ gut. Also korrigierte ich meine Notiz: „Was ist das Geheimnis von Erfolg?“ Ich begriff so langsam, dass wir uns auf eine längere Suche begeben hatten: „Auf die Suche nach dem Geheimnis unseres Erfolges“.

„(1) Keinen Ekel empfinden, nicht den Mut verlieren und nicht verzweifeln, wenn es Dir nicht immer gelingt, all Deine richtigen Beschlüsse umzusetzen; kehre vielmehr nach Misserfolgen zu Deinen Beschlüssen zurück und gib Dich damit zufrieden, wenn die Mehrzahl Deiner Handlungen einigermaßen menschenwürdig ist, und liebe das, zu dem Du zurückgekehrt bist; …“ (Marc Aurel in seinen Selbstbetrachtungen – Fünftes Buch, 9 (1)).

Erster Samstag: Die Liste

„Strategy is about winning“ (Grant 2002).

„(1) Erstens nicht planlos und nicht ohne Ziel. (2) Zweitens sein Streben auf nichts anderes richten als auf das Ziel des Gemeinwohls“ (Marc Aurel in seinen Selbstbetrachtungen – Zwölftes Buch, 20).

Quentin war nicht mehr zu bremsen: „Hört mal, mich als Unternehmensberater interessiert der Erfolg von Sportteams nur bedingt; und das dann nur aus einer sehr abstrakten Perspektive heraus. Was können wir von ihnen im verallgemeinerten Sinne lernen? Gleiches gilt ebenso für Politik und Krieg. Ich möchte deshalb mit Euch beiden vor allem über Unternehmenserfolg, Erfolg von Technologien und Leadership sprechen. Das wäre mein Scope.“ Anton entgegnete: „Dein Consulting-Dinglish gefällt mir mal wieder nicht so ganz, aber ich verstehe es ein bisschen.“ Ich unterbrach Anton nicht, denn „Dinglish“ sprach eigentlich jeder von uns Dreien tagtäglich, obwohl Anton immer noch davon überzeugt war, dass er „Meetings“, ja wie nun, … ähm ... „Besprechungen“ nannte. Ich sagte also nichts und hörte Anton weiter zu, der gerade vor dem Bildschirm wild gestikulierte: „… Insofern werden wir um ein paar englische Begriffe nicht ganz herumkommen. Außerdem sollten wir Originalquellen durchaus in Englisch lesen. Mein Wunsch: Mich selbst interessiert in diesem Zusammenhange, was macht persönlichen Erfolg aus? Ich habe neulich noch einmal das Buch von Gay Hendricks gelesen, ‚The Big Leap‘, und da spricht er von dem ‚Ultimate Success in Wealth, Work, and Love‘. Ist das nicht cool, dass man gleichzeitig wirtschaftlich, beruflich und privat erfolgreich sein kann? Wohlstand, Liebe und Arbeit bilden für ihn demzufolge irgendwie eine untrennbare Einheit. Ich weiß, Ihr beiden seid skeptisch, insoweit da ‚Love‘ im Spiel ist. Ihr denkt immer, ich bin der ‚Kreative‘ mit all seinen verrückten Einfällen und Ihr beiden seid die rational denkenden Ingenieure und Management-Consultants. Aber echt jetzt, das Thema ‚Liebe‘ bzw. ‚Persönlichkeit‘ möchte ich auf jeden Fall diskutiert wissen.“ Quentin maulte herum: „Neulich hast Du Jim Dethmer, Diana Chapman und Kaley Warner Klemp erwähnt und ihre ‚15 Commitments of Conscious Leadership‘. Ich habe das Buch auf Deine Empfehlung hin gelesen und finde ‚Feeling all feelings‘ inklusive ‚schöpferischer‘ Sexualität im Zeitalter von Me-Too etwas abwegig.“ Tatsächlich hatten wir vor ein paar Wochen über das Thema recht kontrovers disputiert, was uns bis hin zur schöpferischen Kraft und Kreativität, aber auch dem Aspekt der Zerstörung im Hinduismus führte. Stichwort ‚Trimurti‘ – also die hinduistische Trinität – mit den Gottheiten Brahma, Vishnu und Shiva als Schöpfer, Bewahrer und Zerstörer. Anton ließ aber nicht locker. „Nun gut. Diese fünfzehn ‚Commitments‘ müssen wir ja nicht unbedingt en détail besprechen. Aber den ‚Hendricks‘ möchte ich doch mit Euch diskutieren. Zum Beispiel spricht Gay Hendricks über die ‚Zone of Genius‘ und das ‚Upper Limit Problem‘. Ich glaube sehr wohl, dass das sogenannte ‚Upper Limit Problem‘ uns davon abhält, erfolgreich zu werden bzw. noch erfolgreicher zu sein und dass die ‚Zone of Genius‘ sich sehr stark damit deckt, was wir immer mit der Frage ‚Wofür brenne ich eigentlich?‘ meinen. Was denkt Ihr?“ Ich entgegnete: „Ihr kennt mein Mantra: ‚It’s a people business‘. Ich muss allerdings Anton recht geben, wir können das Thema Unternehmenserfolg nicht komplett von dem persönlichen Erfolg des einzelnen Individuums trennen. Wir sollten das zumindest als ein Sub-Thema von Erfolg in unsere Liste mitaufnehmen.“ „Okay“, war dann Quentin dazu bereit, „Aber ‚Unternehmenserfolg‘ wird dann ein eigenständiges Thema. Ihr solltet dazu unbedingt den ‚Collins‘ lesen.“ Er meinte Jim Collins und seine Werke ‚Good to Great‘ oder ‚Built to Last‘. Ich hatte sie schon gelesen, war mir aber nicht ganz sicher, ob Anton sie bereits kannte. „Wer ist denn das?“, wollte er deshalb verständlicher Weise wissen. Quentin war mal wieder total überrascht: „Was, Du kennst Jim Collins nicht und auch nicht seine Analysen, wie erfolgreiche Unternehmen zu Spitzenunternehmen geworden sind bzw. an der Spitze sich behaupten können? Das sind doch absolute Klassiker. Noch nie etwas von dem ‚Hedgehog Concept‘ – also dem ‚Igel-Prinzip‘ – gehört?“ „Nö“, entgegnete Anton recht ehrlich. „Und ich soll nicht über Liebe sprechen, Du dafür aber über Igel?“ Quentin wurde seinem Naturell, dem er aber nur im engsten Freundeskreis freien Lauf ließ, entsprechend etwas ungehaltener: „Du hast mal wieder gar nichts kapiert. Das Igel-Prinzip ist ein Modell, das die Schnittmenge aus ‚Wo kann ich der Beste werden?‘, ‚Was ist meine Passion?‘ und ‚Wo kann ich wirtschaftlich erfolgreich sein?‘ umfasst. Ich werde Dir das später aber gerne genauer erklären. Übrigens hat Collins das Vorwort zur Jubiläumsausgabe von ‚The 7 Habits of Highly Effective People‘ geschrieben.“ Ich erinnerte mich jetzt wieder, dass wir ebenfalls vor ein paar Monaten über dieses Buch von Stephen R. Covey, eine Buchempfehlung von Anton, gesprochen hatten. Wie so oft in der COVID-19-Krise, hatte ich mir das Buch zwar gekauft, aber nur zum Teil die mir interessant erscheinenden Kapitel und Stellen gelesen. Ja, wir hatten über die Konzepte, die Covey „Prinzipien und Gewohnheiten“ nennt, sogar heftig gestritten. Diskussion konnte man das wirklich nicht immer nennen. Zu den Themen „Think Win/Win“ – im Gegensatz zu „Win/Loose“, aber auch Kompromissen oder „The winner takes it all“ besaßen Anton und Quentin fast diametral unterschiedliche Auffassungen. Anders verhielt es sich eher mit „Being Proactive“ oder „Put First Things First“. Im Moment bekam ich aber nicht mehr alles zusammen. „Okay, Robert“, damit meinte er mich, „Was haben wir bereits an Themen gesammelt?“ Ich begann meinen Bildschirm mit meinen beiden Freunden zu teilen, denn ich hatte heute etwas mitgeschrieben:

Auf der Suche nach dem Geheimnis unseres Erfolges

TOPIC 1: Persönlicher Erfolg

TOPIC 2: Unternehmenserfolg

Quentin dachte einen kurzen Moment lang nach: „Das können wir so jetzt mal stehen lassen, auch wenn ich mir nicht ganz sicher bin, ob diese Reihenfolge die richtige ist. Mit Unternehmenserfolg meine ich außerdem erfolgreiche Geschäftsmodelle und den Erfolg von Strategien und Produkten. Füge aber bitte noch einen weiteren Punkt hinzu: TOPIC 3: Erfolg von Technologien, z. B. Digitalisierung.“ Anton zögerte: „Ich weiß nicht so recht: Wird Technologie nicht immer etwas überbewertet?“ Zugegeben, mir fiel jetzt wieder ein, dass Jim Collins mit seinem Forscherteam bei seiner Analyse in „Good to Great“ zur Erkenntnis gelangt war, dass Technologie zwar ein „Enabler“ oder „Beschleuniger“ gewesen war, weshalb Unternehmen zu Spitzenunternehmen werden konnten, aber eben nicht die Hauptursache dafür war – so das Ergebnis ihrer Studie. Von mir als promivierten Ingenieur erwartete nun Quentin aber etwas mehr Unterstützung. „Robert, Du als Technik-Affiner, Du musst doch zugeben, dass Technologie – oder meinetwegen – technische Innovationen, ganz entscheidend zum Unternehmenserfolg beitragen. Was wäre Alphabet, Alibaba oder Amazon ohne das Internet, was wären GE oder Siemens ohne all die elektrotechnischen Errungenschaften? Denkt doch einfach mal über alle Hightechunternehmen oder Hidden Champions in Deutschland nach.“

„Also gut“, meinte ich beschwichtigend, „vielleicht sollten wir TOPIC 3 ‚Erfolg durch Innovationen‘ nennen. Das umfasst dann sowohl Produkt-, Prozess- als auch strategische Innovationen inklusive ‚Business Concept Innovation‘.“ Meine Freunde ahnten wohl, dass ich wieder Gary Hamel und C. K. Prahalad ins Spiel bringen wollte. „Können wir gerne so machen“, pflichtete Quentin mir bei. „Und Anton, wenn Du unbedingt über Gefühle reden willst, dann können wir das doch im TOPIC 1 unterbringen.“ Anton stimmte dem kurz zu.

Ich hatte mir natürlich schon ein paar zusätzliche Gedanken gemacht, wollte aber Anton und Quentin die Gelegenheit geben, selbst ihre weiteren Ideen und Wünsche einzubringen: „Was fehlt denn noch?“ Komischer Weise zögerte der sonst so forsche Quentin diesmal mit einer Antwort. „Welche Themen verbinden uns denn alle?“, wollte ich daher von meinen beiden Freunden wissen. „Wir sind alle freiberuflich tätig. Okay, Quentin, Du leitest ein kleines Unternehmen, aber eigentlich sind wir alle so eine Art Freelancer.“ Anton wusste, dass Quentin sich als Geschäftsführer einer GmbH, obgleich sie nur drei Mitarbeiter besaß, schon als ein echter Entrepreneur vorkam, was Anton stellvertretend für sich und mich ebenfalls in Anspruch nahm. Quentin wollte sofort etwas Flapsiges entgegnen, besann sich jedoch und kam dann auf den Punkt: „Im weitesten Sinne sind wir Entrepreneure und Unternehmensberater. Wenn wir also von Erfolg sprechen, möchte ich am Ende der nächsten Wochen – und ich gehe davon aus, dass wir wirklich uns mit dem Thema mehrere Wochen beschäftigen werden – dann möchte ich also am Ende wissen, was macht mich als Berater erfolgreich.“ Ich ahnte, worauf er hinauswollte. „Du willst wohl wieder über Mahan Khalsa sprechen: ‚Helping clients succeed‘? Und das ORDER-Prinzip?“ Ja, das wollte er. Seit Quentin bei seiner amerikanischen Unternehmensberatung, für die er vor etlichen Jahren tätig gewesen war, dieses Buch hatte studieren sollen, hatte er es verinnerlicht. „Helping clients succeed“ war sein persönliches Glaubensbekenntnis geworden. Quentins Business-Erfolg war uns allen hinreichend bekannt und er schwor darauf, dass es allein dieser Philosophie geschuldet war, was ich allerdings stark bezweifelte. Mich reizte jedoch der Gedanke, auszuloten und herauszufinden, ob und wie stark das tatsächlich miteinander zusammenhing. Oder war da noch etwas anderes, etwas, das wir bisher übersehen hatten oder noch gar nicht kannten, etwas viel Größeres? Deshalb fragte ich neugierig: „Ihr kennt meine Vorliebe für Geschichte. Was können wir denn aus der Historie, aus den Leben erfolgreicher Strategen und Heerführern wie etwa Alexander dem Großen oder Dschingis Khan, von Entdeckern wie Lewis und Clark, Erfindern und Wissenschaftlern wie Joseph von Fraunhofer oder gar anderen Kulturen lernen? Ihr kennt doch alle den ‚alten‘ Sunzi, Machiavelli oder Carl von Clausewitz? Die Frage nach Erfolg ist ja nichts Neues?“ Anton unterbrach mich. „Richtig. Ich würde die Frage aber eher abstrakt formulieren: TOPIC 4: erfolgreiche Strategien. Dabei würde ich erst einmal offenlassen, ob wir unter Strategie die Erfolgsstrategie eines Heerführers, Königs oder Politikers verstehen wollen – ich meine natürlich auch Königinnen und andere wichtige Frauen – oder die Strategie einer Organisation. Vielleicht ist das – auf abstraktem Level – das Gleiche.“ Intuitiv wussten wir, dass es sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten bei individuellem und Gruppenerfolg gab und geben musste, so wie etwa bei erfolgreichen Einzelsportlern und „Winning“-Teams. Quentin forderte uns nun auf, noch einmal gemeinsam auf die Liste zu schauen:

Auf der Suche nach dem Geheimnis unseres Erfolges

TOPIC 1: Persönlicher Erfolg

TOPIC 2: Unternehmenserfolg

TOPIC 3: Erfolg von Innovationen

TOPIC 4: Erfolgreiche Strategien

„Also, mir gefällt die Liste noch nicht“, meinte nun Anton. „Du meinst, sie ist noch nicht vollständig?“, wollte Quentin wissen. „Ja, sie ist selbstverständlich noch nicht vollständig; vermutlich wird sie das auch nie sein. Aber, nein, das meine ich nicht. Irgendwas stört mich bei den letzten beiden Punkten.“ „Okay“, resümierte ich, „sollen wir es vielleicht lieber so formulieren:

Auf der Suche nach dem Geheimnis unseres Erfolges

TOPIC 1: Persönlicher Erfolg

TOPIC 2: Unternehmenserfolg

TOPIC 3: Erfolg durch Innovation und Entrepreneurship

TOPIC 4: Strategischer Erfolg?“

Anton überlegte einen kurzen Moment: „Okay, das passt schon viel besser. Außerdem, wir können das ja jederzeit anpassen. Die Liste ist nicht in Stein gemeißelt.“ „Das sehe ich genauso“, meinte nun Quentin bestätigend, „aber habt Ihr beiden schon einmal nachgeschaut, was Wikipedia zum Thema Erfolg sagt?“ „Wikipedia?“, man spürte förmlich, inwieweit Anton mit dieser Frage unzufrieden war: „Quentin, bist Du nicht derjenige gewesen, der immer Wikipedia als Informationsquelle in Frage stellt?“ „Schon, ich meine aber nur, was ist ‚Common sense‘, was findet man so im Duden, im Brockhaus oder halt in Wikipedia zum Thema Erfolg – zum Beispiel als Anregung oder als Startpunkt?“

Die Zeit war wie so oft wie im Fluge vergangen, so dass wir nun wirklich zum Ende kommen mussten. Wir vereinbarten, bis nächsten Samstag auch einen kurzen Blick in Wikipedia zu werfen. Gegebenenfalls würden wir unsere Liste erweitern oder anpassen. Erstaunlich schnell verwarfen wir den Top-Down-Ansatz, also mit dem Thema Strategie zu beginnen, und einigten uns, inwieweit wir das Thema Erfolg mit dem TOPIC 1 unserer Liste beginnen wollten. Uns war schon jetzt klar, dass das nicht wirklich einfach werden würde.

Zweiter Samstag: Erste Schritte

„The ability to learn faster than your competitors may be your only sustainable competitive advantage“ (De Geus 1988).

„Pass Dich den Dingen an, mit denen Dich Dein Los verbunden hat. Und die Menschen, mit denen Dich das Schicksal zusammengebracht hat, die habe lieb, aber aufrichtig“ (Marc Aurel in seinen Selbstbetrachtungen – Sechstes Buch, 39).

Kaum hatten wir uns in die heutige Web-Konferenz eingewählt, wollte Quentin von uns sofort wissen: „Habt Ihr Euch mal Wikipedia angeschaut?“ Hatten wir. Ferner gab uns Anton sogleich zu verstehen, dass er ebenso einen kurzen Blick in den Duden und Brockhaus geworfen hatte:

Quentin meinte dazu: „Da hast Du Dir aber wirklich sehr viel Mühe gegeben. Ich bin beeindruckt.“ „Ach Quentin, verkneife Dir doch einmal Deine Ironie. Ich habe natürlich noch mehr zusammengetragen.“

Erfolg (Definition)

„Um Erfolg (gelegentlich auch als Durchbruch bezeichnet) handelt es sich, wenn Personen oder Personenvereinigungen die gesetzten Ziele erreichen. Gegensatz ist der Misserfolg“.

Kommentar

„Das Substantiv Erfolg stammt nach Johann Christoph Adelung vom Verb ‚erfolgen‘ ab, das die Folge, Konsequenz oder den Effekt des Handelns beschreibt. Das althochdeutsche ‚erfolgen‘ bedeutete so viel wie ‚erreichen, sich erfüllen und zuteilwerden‘. Erfolg ist deshalb die Wirkung, Handeln seine Ursache. Durch Handeln stellt sich mithin Erfolg oder Misserfolg ein.“

Tabelle: Erfolg nach Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Erfolg (Status März 2021)

Anton fuhr fort: „Dann lassen sich noch Erfolge nach ihrer Zielrichtung, wie z. B. Teil- oder Achtungserfolg, oder auf den Menschen bezogen einteilen.“

Erfolg (Einteilung)

Nach der Zielrichtung

Teilerfolg

Achtungserfolg

Heilerfolg

Scheinerfolg (z. B. Pyrrhus-Sieg)

Nach dem Bezug zum Menschen

Persönlicher Erfolg

Führungserfolg

Realisierung von Zielen im Rahmen von Zielvereinbarungen

Tabelle: Erfolg nach Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Erfolg (Status März 2021)

Quentin unterbrach Anton: „Also, diese Einteilung nehme ich lediglich nur zur Kenntnis. Was gibt es denn sonst noch Interessantes zu erwähnen?“ Anton fasste daraufhin seine Analyse zusammen: „Schließlich können wir zudem Erfolg nach den Kategorien Management, Betriebswirtschaftslehre, Psychologie, Sport, Strafrecht, Kunst – z. B. Musik, Theater, Bücher –, Videospiele, persönlichen Erfolg und positive Verstärkung, Erfolgsmethoden und Erfolgsreligionen einteilen.“ Quentin ergänzte: „Irgendwie klingt diese Aufzählung für mich wie Äpfel und Birnen: Sport und Erfolgsreligionen, Management und Videospiele, Psychologie und Kunst. Also das Thema Recht, das würde ich gerne schon jetzt ausklammern wollen; das interessiert mich an dieser Stelle überhaupt nicht und ist eher ein Randthema. Aber war das wirklich schon alles?“ Nun meldete ich mich zu Wort: „Also, ich habe mir die englische Version von Wikipedia angesehen. Um die Diskussion heute einfacher zu gestalten, habe ich ein paar Tabellen angelegt und die wichtigsten Punkte zusammenkopiert. Ich zeige Euch beiden das gleich. Da findet Ihr auch den Link auf die entsprechende Quelle.“ Nun machten wir eine kurze Pause, so dass jeder die Tabellen kurz lesen konnte:

Success (Definition)

„Success is the state or condition of meeting a defined range of expectations. It may be viewed as the opposite of failure.“

Criteria of Success

„The criteria for success depend on context, and may be relative to a particular observer or belief system. One person might consider a success what another person considers a failure, particularly in cases of direct competition or a zero-sum game. Similarly, the degree of success or failure in a situation may be differently viewed by distinct observers or participants, such that a situation that one considers to be a success, another might consider to be a failure, a qualified success or a neutral situation. For example, a film that is a commercial failure or even a box-office bomb can go on to receive a cult following, with the initial lack of commercial success even lending a cachet of subcultural coolness.“

Comment

„It may also be difficult or impossible to ascertain whether a situation meets criteria for success or failure due to ambiguous or ill-defined definition of those criteria. Finding useful and effective criteria, or heuristics, to judge the failure or success of a situation may itself be a significant task.“

The Iceberg of success

„The Iceberg of success is a specific structured model used to explain the unseen workings of an achievement. It compares what people see on the surface, to the inner complicated workings underneath the surface. Success requires hard work and dedication, most of which, people do not see and rather only see the final accomplished product. There can be great costs to success: failure, rejection, sacrifice, disappointment, hard work, dedication etc. However, once achieved, the benefits outweigh the hardships. Whilst it may be easy to assume people are lucky and achieve something by chance, often it is the hidden layers underneath the surface of the iceberg that cause this success. Whilst luck may be a factor, it is certainly not the defining characteristic of someone's ability to thrive.“

In American culture

„DeVitis and Rich link the success to the notion of the American Dream. They observe that ‚[t]he ideal of success is found in the American Dream which is probably the most potent ideology in American life‘ and suggest that ‚Americans generally believe in achievement, success, and materialism.‘ Weiss, in his study of success in the American psyche, compares the American view of success with Max Weber’s concept of the Protestant work ethic.“

In Biology

„Natural selection is the variation in successful survival and reproduction of individuals due to differences in phenotype. It is a key mechanism of evolution, the change in the heritable traits characteristic of a population over generations. Charles Darwin popularised the term ‚natural selection‘, contrasting it with artificial selection, which in his view is intentional, whereas natural selection is not. As Darwin phrased it in 1859, natural selection is the ‚principle by which each slight variation [of a trait], if useful, is preserved.‘ The concept was simple but powerful: individuals best adapted to their environments are more likely to survive and reproduce. As long as there is some variation between them and that variation is heritable, there will be an inevitable selection of individuals with the most advantageous variations. If the variations are heritable, then differential reproductive success leads to a progressive evolution of particular populations of a species, and populations that evolve to be sufficiently different eventually become different species.“

In Education

„A student’s success within an educational system is often expressed by way of grading. Grades may be given as numbers, letters or other symbols. By the year 1884, Mount Holyoke College was evaluating students’ performance on a 100-point or percentage scale and then summarizing those numerical grades by assigning letter grades to numerical ranges. Mount Holyoke assigned letter grades A through E, with E indicating lower than 75 % performance. The A–E system spread to Harvard University by 1890. In 1898, Mount Holyoke adjusted the grading system, adding an F grade for failing (and adjusting the ranges corresponding to the other letters). The practice of letter grades spread more broadly in the first decades of the 20th century. By the 1930s, the letter E was dropped from the system, for unclear reasons. Educational systems themselves can be evaluated on how successfully they impart knowledge and skills. For example, the Programme for International Student Assessment (PISA) is a worldwide study by the Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) intended to evaluate educational systems by measuring 15-year-old school pupils’ scholastic performance on mathematics, science, and reading. It was first performed in 2000 and then repeated every three years.“

In Entrepreneurship

„Malcolm Gladwell’s 2008 book Outliers: The Story of Success suggests that the notion of the self-made man is a myth. Gladwell argues that the success of entrepreneurs including Bill Gates is due to their circumstances, as opposed to their inborn talent.“

In Philosophy of Science

„Scientific theories are often deemed successful when they make predictions that are confirmed by experiment. For example, calculations regarding the Big Bang predicted the cosmic microwave background and the relative abundances of chemical elements in deep space (see Big Bang nucleosynthesis), and observations have borne out these predictions. Scientific theories can also achieve success more indirectly, by suggesting other ideas that turn out correct. For example, Johannes Kepler conceived a model of the solar system based on the Platonic solids. Although this idea was itself incorrect, it motivated him to pursue the work that led to the discoveries now known as Kepler’s laws, which were pivotal in the development of astronomy and physics.“

In Probability

„The fields of probability and statistics often study situations where events are labeled as ‚successes‘ or ‚failures‘. For example, a Bernoulli trial is a random experiment with exactly two possible outcomes, ‚success‘ and ‚failure‘, in which the probability of success is the same every time the experiment is conducted. The concept is named after Jacob Bernoulli, a 17th-century Swiss mathematician, who analyzed them in his Ars Conjectandi (1713). The term ‚success‘ in this sense consists in the result meeting specified conditions, not in any moral judgement. For example, the experiment could be the act of rolling a single die, with the result of rolling a six being declared a ‚success‘ and all other outcomes grouped together under the designation ‚failure‘. Assuming a fair die, the probability of success would then be 1/6.“

Tabelle: Erfolg nach Wikipedia – https://en.wikipedia.org/wiki/Success_(concept)(Status März 2021)

Quentin war der Erste, der unsere Stille unterbrach: „Seid Ihr fertig?“ Anton entgegnete: „Noch nicht ganz, aber das macht nichts. Was ist Dir aufgefallen?“ „Na ja, es scheint, dass die englischsprachige Version irgendwie umfangreicher als die deutsche ist; zudem weichen die Klassifikationen und der Fokus etwas voneinander ab. Es ist aber gut, dass wir beide Definitionen nebeneinander betrachten. Wenn Ihr mich fragt, können wir später vielleicht noch einmal auf das Thema ‚Iceberg‘ und ‚Entrepreneurship‘ zurückkommen. Das Thema ‚Probability‘, also der Erfolg aus statistischer Sicht, das würde ich nicht in unserem ‚Scope‘ sehen. Ich weiß aber noch nicht, ob wir und – wenn ja –, wo wir dann den ‚American Dream‘ oder das Thema Philosophie und Wissenschaft unterbringen sollten. Vielleicht bei ‚Persönlichem Erfolg‘ oder ‚Erfolg von Innovationen‘? Was meint Ihr?“ Anton erwiderte, dass er dies ebenfalls noch offenlassen wollte. Er beabsichtigte aber in jedem Fall, später über die Erfolgskriterien „Criteria of success“ zu sprechen. Dann forderte er etwas für mich Unerwartetes: „Robert, Du hast in der Tabelle auch das Thema ‚Success in Biology‘ erwähnt. Ich habe erst neulich wieder eine Anekdote aus Bill Brysons Buch ‚Eine kurze Geschichte von fast allem‘ für mein aktuelles Projekt gesucht und dann etwas in dem Buch geblättert. Ihr habt gerade Charles Darwin erwähnt und letztes Mal hast Du außerdem das Thema Geschichte angesprochen. Lasst uns doch noch ein Kapitel in unserer Liste einschieben: Irgendetwas wie ‚Evolution‘ oder ‚Erfolg in oder durch Evolution‘? Was meint Ihr?“ Quentin entgegnete – und er klang nicht komplett überzeugt: „Was versprichst Du Dir davon? Was hat Unternehmenserfolg mit der Mutation von irgendwelchen Quastenflossern zu tun?“ „Nein, ich meine das absolut ernst“, erwiderte Anton mit einer Stimme, die keinen Widerspruch mehr duldete: „Okay, mich interessiert nicht das biologische oder historische Detail, aber mich interessiert schon das zugrundeliegende Prinzip, warum Evolution zu Erfolg führt. Oder etwa, warum z. B. westliche Ideen wie Demokratie oder Kapitalismus in der heutigen Welt dominieren.“ Ich sprang nun Anton zur Seite: „Ich finde Antons Idee gut. Ich persönlich halte Wandlungsfähigkeit – ohne dabei unserer Diskussion über Erfolgsfaktoren vorweggreifen zu wollen – für einen ganz wesentlichen Erfolgsfaktor, z. B. von Unternehmen und fernerhin von Individuen. Deshalb hat mich die Idee, mit der Evolution und Menschheitsgeschichte zu beginnen, einen gewissen Charme. Daher würde ich aber Euch vorher noch empfehlen, ‚Eine kurze Geschichte der Menschheit‘ von Yuval Noah Harari zu lesen.“ „Ja, das sollten wir unbedingt tun“, meinte Anton begeistert. Quentin dagegen klang immer noch nicht völlig überzeugt: „Also, Ihr wisst sicherlich, dass Biologie mich in der Schule absolut nicht interessiert hat. Das würde ich meinen aktuellen Kunden, einem Pharmaunternehmen und einem Lebensmittelhersteller, niemals auch nur im Vertrauen sagen. Aber Geschichte interessiert mich wirklich rein gar nicht. Ich halte mich nur ungern mit der Vergangenheit auf. Das sind doch alles ‚Sunk costs‘. Ihr wisst, was ich damit meine.“ Tatsächlich kannten wir Quentins eher „amerikanische“ Art des Denkens. Für ihn gab es weniger Probleme (Pain), vielmehr nur Chancen (Gain) oder „Opportunities“. Er blickte daher fast immer optimistisch in die Zukunft. Quentin war zwar erstaunlich gut über Tagespolitik und selbst neuere Wirtschaftsgeschichte im Bilde, aber alles, was hundert und mehr Jahre zurücklag, war für ihn nur minimal interessant. Anton ließ aber diesmal nicht locker: „Also, Robert, ändere doch bitte unsere Liste wie folgt:

Auf der Suche nach dem Geheimnis unseres Erfolges

TOPIC 1: Erfolg durch Evolution

TOPIC 2: Persönlicher Erfolg

TOPIC 3: Unternehmenserfolg

TOPIC 4: Erfolg durch Innovation und Entrepreneurship

TOPIC 5: Strategischer Erfolg

Mit Thema 1 meine ich dann aber Evolution aus biologischer, historischer und verallgemeinerter Sicht. Können wir uns darauf verständigen?“ „Ja“, pflichtete ich kurz bei und Quentin grummelte vor sich hin: „Von mir aus. Aber erwartet bitte nicht, dass ich jetzt diesen Bryson oder Harari lese. Das überlasse ich gerne Euch beiden. Ich werde natürlich selbst ein paar Gedanken dazu anstellen.“ Okay, so verblieben wir dann an diesem Samstag.

Dritter Samstag: Erfolg durch Evolution

„(1) Dass Du in Kürze niemand und nirgendwo sein wirst und dass auch nichts von dem, was Du jetzt siehst, und niemand von denen, die jetzt leben, sein werden.

(2) Denn alles ist von Natur dazu geschaffen, sich zu verwandeln, sich zu verändern und zugrunde zu gehen, damit danach anderes entstehen kann“ (Marc Aurel in seinen Selbstbetrachtungen – Zwölftes Buch, 21).

Ich hatte unser neues Wochenthema doch etwas unterschätzt. Erstens, ich bin kein Schnellleser so wie etwa Teddy Roosevelt und J. F. Kennedy, von denen ich mal gehört hatte, dass sie quasi „diagonal“ lesen konnten. Zweitens, wir hatten ein ganz großes Fass aufgemacht. Beim wiederholten Querlesen von Hararis Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ kam ich sehr schnell vom Groben zum Detail und ich verlor mich in zahllosen Nebensträngen, weil ich einige Fakten und Namen immer wieder googlen musste. Darüber hinaus blätterte ich in dem einen oder anderen Buch aus meinem persönlichen Fundus, um noch einmal die wichtigsten Zusammenhänge besser zu verstehen. Der Sonntag war deshalb wie im Fluge vergangen und Sandy, die sich zwischendrin kurz meldete, nahm belustigt zur Kenntnis, womit meine Freunde und ich uns gerade beschäftigten. „Na ja, so schnell hast Du mich also vergessen; kaum bin ich einmal ein paar Monate von Dir getrennt. Zumindest machst Du keine anderen Dummheiten.“ Allerdings fand Sandy unser Thema überaus spannend und wollte über unsere Fortschritte auf dem Laufenden gehalten werden. Außerdem gab sie mir ein paar hilfreiche Anregungen mit auf den Weg.

„Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, sondern diejenige, die am besten auf Veränderungen reagiert“ (angeblich Charles Robert Darwin; das Zitat ist nicht ganz authentisch, sondern eine Zusammenfassung von Leon C. Megginson aus dem Jahre 1964 zum Werk Darwins, siehe https://quote investigator.com/2014/05/04/adapt/ (Status Mai 2022)).

„Wusstet Ihr, dass der aus der Evolutionstheorie bekannte Begriff ‚Survival of the fittest‘, also das Überleben der am besten angepassten Individuen, ursprünglich gar nicht von Charles Darwin selbst stammt?“, fragte Quentin gleich zu Beginn. „Ich schon“, gab Anton zu verstehen. „Quentin, Du hast Dich also doch etwas mit dem Thema beschäftigt?“ „Ja, Anton; das habe ich. Jetzt weiß ich, inwieweit dieser Ausdruck im Jahr 1864 von dem britischen Sozialphilosophen Herbert Spencer eingeführt wurde. Charles Darwin hat diesen Begriff dann später übernommen. Vorher sprach er nur von ‚Natural Selection‘, d. h. natürlicher Selektion.“ „Genau“, meinte nun Anton. „Darwin ist dann dem Rat von Alfred Russel Wallace gefolgt, dass der Begriff Selektion eher unangemessen ist, weil Evolution viel mehr eine Elimination unvorteilhafter Individuen und weniger die Auswahl begünstigter Individuen darstellt. Übrigens, nach Wallace ist die sogenannte Wallace-Linie benannt. Ihr wisst doch, diese biogeografische Linie, die die weiteste Ausbreitung australischer Fauna auf dem Malaiischen Archipel angibt. Zum Beispiel leben westlich davon keine Beuteltiere. Die Wallace-Linie verläuft hier im Bereich der Sundainseln zwischen Bali und Lombok und weiter im Norden zwischen Kalimantan, wie es die Indonesier nennen, also Borneo, und der Insel Sulawesi, welche früher unter dem Namen Celebes bekannt war.“ „Okay, Anton, wenn Du also schon der lokale Experte bist, was hast Du noch an Details gesammelt?“ „Nun, da wäre Folgendes zu erwähnen … Ach, schaut mal auf die Tabelle, die ich Euch jetzt zeige.“

Grundgedanken von Darwins Theorie „On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or The Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life“ (Die Entstehung der Arten) nach Ernst Mayr

Jede Art bringt genügend Nachkommen hervor, sodass die Population wachsen würde, wenn alle Nachkommen überlebten (Tatsache).Trotz (periodischer) Schwankungen bleiben Populationen stets etwa gleich groß (Tatsache).Ressourcen wie Nahrung sind begrenzt und ihr Umfang im Verlauf gleichbleibend (Tatsache).Daraus folgt ein Kampf ums Überleben (Schlussfolgerung).Die Individuen einer Population unterscheiden sich deutlich voneinander (Tatsache).Diese Variationen sind erblich (Tatsache).Individuen, die weniger gut an ihre Umwelt angepasst sind, haben eine geringere Überlebenschance und weniger Nachkommen. Individuen, die besser an ihre Umwelt angepasst sind, haben eine höhere Überlebenschance und mehr Nachkommen. Sie vererben ihre Eigenschaften. Dies resultiert in einer natürlichen Selektion (Schlussfolgerung).Dieser langsam voranschreitende Vorgang führt dazu, dass Populationen von Lebewesen besser an ihre Umwelt angepasst sind. Wenn sich Veränderungen anhäufen, entstehen neue Spezies (Schlussfolgerung).

Tabelle: Evolution nach Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Über_die_Entstehung_der_Arten (Status März 2021)

„Ich persönlich kann Mayrs Analyse nachvollziehen. Nur bei einem Punkt bin ich noch unentschieden. Ressourcen sind natürlich nicht unendlich vorhanden; sie sind begrenzt. Aber können sich nicht auch die Ressourcen vermehren? Der Mensch hat schließlich Felder und Weideland angelegt; dadurch haben sich bestimmte Pflanzen und Tierarten stärker ausbreiten können. Der Mensch hat zudem immer wieder neue Rohstoffquellen erschlossen. Ich lasse deshalb diese Frage vorerst offen. Darwin selbst unterschied fünf voneinander unabhängige Theorien: …“, ergänzte nun Anton.

„On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or The Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life“ (Charles Darwin)

Die Evolution als solche, die Veränderlichkeit der ArtenDie gemeinsame Abstammung aller LebewesenDer Gradualismus, die Änderung durch kleinste SchritteVermehrung der Arten beziehungsweise Artbildung in PopulationenDie natürliche Selektion als wichtigster, wenn auch nicht einziger Mechanismus der Evolution

Tabelle: Evolution nach Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Darwin(Status März 2021)

„Okay, Anton, das ist ja alles schön und gut. Aber was bedeutet das alles nun für uns und unser Thema ‚Erfolg‘?“ „Zum einen: Herzlichen Glückwunsch, wie es Bill Bryson formulieren würde. Zumindest wir Drei besitzen Vorfahren, die sich seit Jahrmillionen immer wieder erfolgreich an neue Lebensbedingungen angepasst haben und erst aus dem Leben schieden, nachdem sie Nachkommen gezeugt oder in die Welt gesetzt haben.“ „Das ist wirklich ein tröstlicher Gedanke, Anton. Aber was sagst Du dazu, Robert? Von Dir haben wir bisher noch nichts gehört.“ „Also ich muss zugeben, dass ich mich mit Charles Darwin und Bill Bryson letzte Woche nicht im Detail beschäftigt habe. Für unser Thema nehme ich nur mit: Wandlungsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit oder Flexibilität sind – abstrakt gesehen – wichtige Erfolgsfaktoren: für das Überleben, für eine nachhaltige Entwicklung …“ „Ja“, unterbrach mich Quentin, „für den Moment sehe ich da nicht mehr für uns herauszuholen. Über das Thema ‚Gradualismus‘ ließe sich sicherlich noch intensiver diskutieren. Im Bereich Lean Management oder Agile Management spielen Themen wie kontinuierliche Verbesserung eine große Rolle. Wie sieht es aber mit disruptiven und radikalen, also wirklich großen Veränderungen aus? Ich glaube, wir werden auf dieses Thema noch einmal zurückkommen müssen. Auf die Zusammenfassung von diesem Ernst Mayr könnten wir gegebenenfalls ebenfalls später noch einen weiteren Blick werfen. Was sagen aber die Historiker?“ Damit wendete sich Quentin noch einmal an mich. So erwiderte ich: „Ich werde auf Machiavelli, Sunzi und Carl von Clausewitz später noch einmal gesondert zurückkommen, wenn wir über persönlichen und strategischen Erfolg sprechen. Aber wie Ihr beiden dem Zitat aus dem ‚Principe‘ entnehmen könnt, ist Wandlungsfähigkeit, aber auch die Fähigkeit, Obsoletes zu vergessen, ein Erfolgsrezept.“

„... denn wenn einer sich mit Vorsicht und Geduld benimmt und die Zeitumstände derart sind, dass seine Handlungsweise gut ist, so gelingt ihm sein Vorhaben; ändern sich aber die Verhältnisse, so geht er zugrunde, weil er seine Handlungsweise nicht ändert. Nun aber ist der Mensch selten so klug, dass er sich diesem Wandel anzupassen verstände, teils, weil er den Weg nicht verlassen kann, den seine natürliche Anlage ihm weist, teils, weil jemand, der auf einem eingeschlagenen Wege stets Glück hatte, sich nicht davon überzeugen kann, dass es gut wäre, ihn zu verlassen“ (Machiavelli in „Il Principe“ bzw. „Der Fürst“, geschrieben im Jahr 1513).

„Wenn wir allerdings auf die Menschheitsgeschichte bzw. Evolutionsgeschichte blicken … hm, wo wollten wir da beginnen? Bei den Einzellern, bei den Quastenflossern oder bei den Säugetieren, die – anders als die Dinosaurier –, diesen verheerenden Meteoriteneinschlag vor fünfundsechzig Millionen Jahren besser wegstecken konnten als die Urzeitechsen? Ich denke, wir sollten uns wirklich nur einen sehr komprimierten Blick auf die Menschheitsgeschichte erlauben. Und, da ich Dich, Quentin, gut genug kenne, sollten wir uns nur auf ein paar wesentliche Aspekte beschränken. Ich habe für Euch deshalb ein paar Punkte aus der ‚Kurzen Geschichte der Menschheit‘ zusammengefasst. Dabei habe ich dieses Werk von Yuval Noah Harari hauptsächlich unter dem Blickwinkel von ‚Erfolg‘ analysiert. Gemäß Professor Harari können wir drei Revolutionen unterscheiden, die zum Erfolg des modernen Menschen geführt haben. Und ich will nicht verhehlen, dass die Gelehrten auf das Heftigste darüber streiten, ob wir überhaupt von Erfolg der Menschheit in diesem Zusammenhange sprechen dürfen:

1.) Die ‚kognitive Revolution‘

2.) Die ‚landwirtschaftliche Revolution‘

3.) Die ‚wissenschaftliche Revolution‘

Es ist schon erstaunlich – da muss ich Harari recht geben –, dass ein so unscheinbares Säugetier wie der Mensch sich gegenüber Raubkatzen, anderen Primaten oder gar Großsäugern wie etwa Walen und Elefanten durchsetzen konnte. Ob Zufall oder nicht, die Entwicklung des menschlichen Gehirns und die damit verbundenen kognitiven Eigenschaften ermöglichten sicherlich all das, was Wissenschaftler heute ‚kognitive Revolution‘ nennen: Die Fähigkeit, komplexer zu denken, die Entwicklung von Sprache, die Fähigkeit, sich in größeren Gruppen zu organisieren, der Einsatz von Werkzeugen und die Beherrschung des Feuers.“ „Ganz genau“, unterbrach mich Anton, „das alles ging aber auf Kosten von etwas anderem. Ein größeres Gehirn verbraucht mehr Energie und benötigt einen größeren Kopf, der bei einer natürlichen Geburt sicherlich hinderlich ist.“ „Das stimmt“, fügte ich hinzu, „weshalb der Mensch eigentlich – so gesehen – eine Frühgeburt ist. Anders als Säugetiere wie etwa Pferde, benötigt das Neugeborene monatelange bzw. jahrelange Fürsorge, bevor es sich selbst als Individuum versorgen kann. Denkt einfach mal an Euch.“ „Richtig, Anton braucht selbst heute noch Hilfe von seiner Mutter. Wie schafft er das nur alleine in Bali?“, frotzelte Quentin. Antons Antwort bewegte sich auf diesem Niveau; deshalb fuhr ich schnell fort: „Ein Füllen kann kurz nach der Geburt schon laufen. Das können Menschen erst Monate später. Menschen sind aus all diesen Gründen dazu gezwungen, als sozialer Verband zu interagieren. Ein größeres Gehirn verbraucht aber, wie Anton gerade richtig bemerkte, zudem deutlich mehr Energie, die dem menschlichen Körper überhaupt erst einmal zugeführt werden muss. Das geht jedoch vor allem auf Kosten von anderen menschlichen Organen.“ Anton ergänzte: „Z. B. auf Kosten des Verdauungsapparats. Verdauung benötigt nämlich ebenfalls viel Energie. Der gesamte menschliche Verdauungstrakt hat sich deshalb während der Evolution – quasi parallel zur Vergrößerung unseres Gehirns – verkürzt. Wir sind somit keine Wiederkäuer geworden, auch wenn ich viele Rindviecher kenne, nicht wahr, Quentin? Allerdings können wir deshalb bestimmte Nahrungsmittel gar nicht oder nicht so gut verdauen. Das hören die ganzen Veganer und Rohkostesser nicht gern. Aber der menschliche Körper hat sich vor ein paar hunderttausend Jahren allmählich auf eine Vollkost aus Fleisch, Fisch, Gemüse, Obst, Beeren, Getreide und Nüssen eingestellt. Die Nahrung musste dann so zubereitet werden, dass sie besser verdaulich wurde. Körner werden gemahlen, verbacken, zu Brei gekocht; Nahrung wird gegrillt, gebraten und gekocht. Ausschließlich Rohkost zu essen, ist vielleicht nicht immer so gut, wie dies propagiert wird.“ Ich griff den Faden wieder auf: „Die Frage nach der Ernährung führte sicherlich dann zur landwirtschaftlichen Revolution. Vorher fand aber im Rahmen der ‚kognitiven Revolution‘ noch etwas Erstaunliches statt. Wusstet Ihr beiden, dass es zeitgleich mehrere menschliche Rassen wie etwa den Homo sapiens und den Neandertaler gab? Stellenweise bis zu sechs Rassen? Aber der Homo sapiens hat den Neandertaler verdrängt wie auch alle anderen Rassen. Und es ist schwer einschätzbar, ob das alles immer ganz friedlich geschah – oder wie Harari es nennt – ein erster Genozid in der Menschheitsgeschichte darstellt.“ Quentin war überrascht, doch Anton wusste bestens Bescheid: „Das liegt wohl daran, dass der Neandertaler zwar dem Homo sapiens physiologisch überlegen war, fernerhin heute noch wäre, aber seine kognitiven Fähigkeiten beschränkter gewesen sein mussten. Vermutlich konnte er zwar sprechen und Informationen austauschen, aber bei weitem nicht so gut und effektiv wie der Homo sapiens. Anscheinend konnte sich der Neandertaler deshalb nur in kleineren Horden von bis zu fünfzig Personen organisieren, wie spärliche, archäologische Funde zeigen; der Homo sapiens dagegen schon in Gruppen von mehreren hundert. Wäre es also zu einem Kampf um ein Jagdrevier gekommen, so wäre er dem kleineren Homo sapiens wahrscheinlich dann doch unterlegen gewesen.“ „Worin bestand aber der wesentliche Unterschied zwischen den kognitiven Fähigkeiten des Homo sapiens und der des Neandertalers?“, wollte nun Quentin, der etwas neugieriger geworden schien, wissen. Anton antwortete für mich: „Es gibt Theorien, die Harari ‚Löwe am Fluss‘, ‚Klatsch‘ und ‚Fiktive Sprache‘ nennt. ‚Löwe am Fluss‘ bedeutet soviel wie die Fähigkeit des Menschen, Informationen über seine Umgebung auszutauschen. So konnte er vor Gefahren warnen, wie etwa der Anwesenheit von Raubtieren an der Wasserstelle, oder seine Jagdzüge besser organisieren als dies vermutlich andere Primaten wie etwa Schimpansen, Bonobos oder Gorillas das ihrerseits vermochten. Das sind Fähigkeiten, über die die Frühmenschen, auch der Neandertaler, sicherlich alle verfügten. So konnten sie sich – obwohl körperlich schwächer – selbst gegen erheblich stärkere Tiere behaupten und durchsetzen. Mit ‚Klatsch‘ und ‚fiktiver Sprache‘, also den Fähigkeiten über soziale Beziehungen und fiktive Dinge wie Geister, Mythen und Ideen zu sprechen, lassen sich aber größere Gruppen von Menschen mit mehr als hundertfünfzig Individuen verbinden und organisieren – siehe Facebook. Aus meiner Sicht erklärt das Phänomen oder unsere Vorliebe für Klatsch auch, warum wir Drei so gerne Kinofilme zusammen anschauen. Mit ‚fiktiver Sprache‘ können zudem selbst Menschen, die sich überhaupt nicht kennen, zusammenarbeiten und interagieren. Der Begriff ‚fiktive Sprache‘ deckt eine riesige Bandbreite ab, z. B. nicht-physische Dinge wie Verhaltens- und Spielregeln, religiöse Tabus, Rollen, Erwartungen oder Gesetze. Denkt einfach daran, dass es Euch möglich ist, in Euren internationalen Projekten z. B. in Video-Konferenzen zu einer Einigung mit Menschen zu gelangen, die über drei Erdteile verteilt sind und die Ihr eventuell noch nie zuvor gesehen oder mit denen Ihr vorher noch nie gesprochen habt. Zwei Affenhorden sind dazu definitiv nicht fähig. Wahrscheinlich fehlte den Neandertaler ebenfalls diese Kompetenz zur Kooperation.“ „Okay“, meinte nun Quentin: „Obwohl ich manches von dem, was Ihr gerade sagtet, doch für reine Spekulation halte, erlaubt mir bitte, ein Zwischenfazit zu ziehen: Kommunikationsfähigkeit, die Fähigkeit sich zu organisieren oder zu kooperieren – vor allem besser als andere – gehören zu den menschlichen Erfolgsfaktoren.“ Ich fügte hinzu: „Vergesst jedoch bitte nicht den Faktor ‚Mythen‘. Auch Johnson und Scholes sprechen bei ihrem ‚Cultural Web‘ von der Bedeutung von ‚Stories and Myths‘ sowie ‚Rituals and Routines‘. Quentin, Du kennst doch das ‚Cultural Web‘ bestimmt aus dem Bereich ‚Change Management‘ und strategischem Management?“ „Ja“, sagte der Angesprochene, „Robert hat recht, das Thema Kultur und Mythen werden wir sicherlich später ebenfalls noch einmal gesondert ansprechen. Was gibt es denn sonst noch Wissenswertes?“ „Mir fehlt an dieser Stelle eine wirklich plausible, abschließende Erklärung, warum der Homo sapiens sich so entwickelte, wie er das dann tat. Ich verstehe ja, WIE er sich entwickelt hat. Aber WARUM er das exakt so oder nur so tat? Sind das wirklich nur reiner Zufall und das Ergebnis von ein paar Genmutationen?“, warf nun Anton ein. Vielleicht stellte er diese Frage rein rhetorisch, denn er fuhr sogleich fort: „Es ist schon erstaunlich, dass die sogenannten Wildbeuter, also die Jäger und Sammler, vermutlich deutlich intelligenter waren, als wir das selbst heute mit all unserem Wissen sind.“ „Wie das? Du alter Neandertaler“, wollte nun Quentin wissen. „Es ist wahrscheinlich so: Die frühen Menschen benötigten zum Überleben ein recht umfangreiches Wissen über Astronomie, Medizin, Pflanzen, Tiere, die Natur im Allgemeinen, die Jahreszeiten im Speziellen und zudem ein erhebliches, handwerkliches Geschick. Seit der ‚landwirtschaftlichen Revolution‘ konnten dagegen selbst Dümmere ihr Auskommen, z. B. als kräftige Wasserträger, finden, wie Harari feststellte. Die Vielseitigkeit an Fähigkeiten, die ein Wildbeuter im Gegensatz dazu zum Überleben benötigte, war seit dem Übergang zur Viehzucht und Landwirtschaft gar nicht mehr notwendig. Denkt doch einmal daran, wie viel Dummies heute leben, die noch nicht einmal einen Nagel in die Wand hauen können.“ Wir mussten alle lachen. Mir fiel dann noch dazu ein: „Und ich habe gelesen, auch wenn mir das schwerfällt zu glauben: Die alten Wildbeuter mussten deutlich weniger arbeiten, als wir das heute tun: etwa sechs bis acht Stunden am Tag. Das haben wohl einige neuzeitlichere Untersuchungen bei den Buschmännern in etwa bestätigt. Zweifellos war das Leben und obendrein die Ernährung der Wildbeuter deutlich abwechslungsreicher als von einem Bauern der frühen Neuzeit oder einer heutigen Arbeiterin in einem Sweatshop. Ich glaube aber, wir kommen etwas vom Thema ab: Also, was sind weitere Erfolgsfaktoren, die wir aus der Betrachtung der Menschheitsgeschichte ableiten können?“ Nach einer kurzen Pause warf Anton ein: „Ein Erfolgsgeheimnis der Jäger und Sammler war sicherlich ihre vielseitigere Ernährung und bessere Gesundheit, wie wir bereits gesagt haben. Die ersten Bauern haben sich wahrscheinlich überwiegend nur von einer einzigen Nutzpflanze ernährt, z. B. Mais, Kartoffeln, Weizen, Hirse oder Reis – also extrem einseitig – und waren deshalb auf Gedeih und Verderb den Unbilden der Natur ausgeliefert. Zusätzlich waren sie gegenüber Krankheiten nicht so resistent. Wildbeuter konnten gegebenenfalls ihr Territorium verlassen oder auf andere Nahrungsquellen ausweichen. Bauern waren dagegen an ihre Scholle gebunden. Aufgrund dieser Inflexibilität waren sie deshalb häufiger Hungersnöten ausgeliefert, falls es Missernten gab. Lief alles für sie nach Plan, konnten sie natürlich auch Überschüsse produzieren. Nicht zuletzt deswegen mussten sie ihr Hab und Gut gegen potentielle Feinde, z. B. wilde Tiere, nomadisierende, räuberische Horden oder gegen ihre Nachbarn schützen. Falls es zwischen den Wildbeuter so etwas wie Kriege gegeben hatte – im Zeitalter der landwirtschaftlichen Revolution hat sich der Grad zwischenmenschlicher Gewalt auf jeden Fall extrem erhöht, wie z. B. prähistorische Massengräber in Baden-Württemberg oder im Donauraum bezeugen. In heutiger Zeit gibt es sogar Historiker, die die Frage stellen, ob sich die landwirtschaftliche Revolution überhaupt als ein Segen oder Fortschritt für die Menschheit erwies. Die Menschen ernährten sich schlechter, d. h. einseitiger, mussten mehr arbeiten, hatten einen höheren Unsicherheitsfaktor aufgrund der Abhängigkeit von Regen, Wetter und anderen Faktoren und mussten zudem stupideren oder ungesünderen Tätigkeiten nachgehen.“ Quentin warf nun ein: „Was willst Du damit sagen? Das Rad der Geschichte lässt sich doch nicht zurückdrehen?“ „Das stimmt“, meinte Anton seinerseits, „deshalb sollten wir uns immer wieder fragen, wie wir Erfolg messen und was wir überhaupt darunter verstehen wollen.“ „Und es ist nicht gesagt, ob die Jäger und Sammler vergangener Tage ihrerseits alles richtig gemacht haben. Die Vorfahren der Aborigines haben vor etwa 45.000 Jahren fast alle Großtiere in Australien ausgerottet, wie etwas später die prähistorischen Indianer in Amerika oder vor tausend Jahren die Maoris in Neuseeland“, musste ich ebenfalls zum Besten geben. Anton fiel mir fast ins Wort: „Wenn man Erfolg aus biologischer Sicht betrachtet – und da folge ich Hararis Ausführungen – dann haben sich die Menschen als eines der größeren Säugetiere zahlenmäßig durchgesetzt, gefolgt von einer Milliarde Schafen und einer Milliarde Rindern. Nehmen wir noch die fünfundzwanzig Milliarden Hühner dazu oder Weizen als dominante Nutzpflanze, so könnte man sagen, dass Hühner, Schafe, Rinder und der Mensch so wie Weizen die Gewinner, also die erfolgreichsten Lebewesen, sind; vielleicht von Ratten einmal abgesehen. Löwen, Elefanten und die ausgerotteten Tier- und Pflanzenarten wären demgemäß die Verlierer.“ „Meiner Meinung nach müssen wir aber noch Folgendes bedenken“, warf ich ein, „Was heißt Erfolg? Was bedeutet zahlenmäßige Überlegenheit in Bezug auf den Erfolg und die Lebensqualität des Einzelnen? Am Beispiel der Nutztiere wird diese Frage durchaus kontrovers diskutiert, wenn man an die modernen