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Im September 2013, 100 Jahre nach dem Erscheinen des ersten Bandes der "Recherche"? begann bei Reclam mit "Auf dem Weg zu Swann" eine neue Übersetzung des Romanwerks zu erscheinen, die erste komplett aus einer Hand, die erste auch, die von dem erst in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts edierten endgültigen französischen Text ausgeht. Sie stammt von Bernd-Jürgen Fischer, ursprünglich Mathematiker und Linguist, der nach elfjähriger Tätigkeit am Germanistischen Fachbereich der Freien Universität Berlin als freier Autor tätig ist und sein Interesse in den letzten zehn Jahren vorwiegend der französischen Literatur zuwandte. 2002 hat er für DTV das zweisprachige Proust-Lesebuch "Trois places, trois femmes, trois métiers" herausgegeben, über das die Neue Zürcher Zeitung urteilte: "Hoffentlich findet Bernd-Jürgen Fischer den Mut zu einer neuen Übertragung des ganzen Werkes"? er hatte ihn. Die Ausgabe bietet außerdem einen Anmerkungsapparat, der jene historischen und kulturhistorischen Informationen enthält, die der moderne Leser erwartet. E-Book mit Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe.
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Seitenzahl: 1283
Marcel Proust
Auf der Suchenach der verlorenen Zeit
Band 2Im Schatten junger MädchenblüteÜbersetzung und Anmerkungenvon Bernd-Jürgen Fischer
Reclam
2014 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
Covergestaltung: Cornelia Feyll und Friedrich Forssman
Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen
Made in Germany 2017
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-960551-7
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-010901-4
www.reclam.de
Im Schatten junger Mädchenblüte
Erster Teil
In der Welt von Madame Swann
Zweiter Teil
Ländliche Namen: Das Land
Anhang
Zum zweiten Band der Ausgabe
Anmerkungen
Literaturhinweise
Inhaltsübersicht
[7] ERSTER TEIL
Meine Mutter hatte, als es darum ging, zum ersten Mal Monsieur de Norpois* zum Abendessen zu Gast zu haben, ihr Bedauern darüber ausgedrückt, dass Professor Cottard auf Reisen sei und dass sie selbst jeglichen Umgang mit Swann abgebrochen habe, denn der eine wie der andere hätte sicherlich den früheren Botschafter interessiert, doch mein Vater antwortete, dass zwar ein so bedeutender Zeitgenosse, ein so ausgezeichneter Wissenschaftler wie Cottard niemals fehl am Platz sei bei einem Diner, Swann dagegen, mit seiner Anmaßung, mit seiner Gewohnheit, überall die Kunde noch von seinen unbedeutendsten Beziehungen auszuposaunen, ein ordinärer Aufschneider, den der Marquis von Norpois zweifellos, in seinen Worten, »anrüchig« finden würde. Diese Antwort meines Vaters bedarf jedoch einiger Worte der Erläuterung, da sich manch einer vielleicht eines ziemlich mittelmäßigen Cottard entsinnen wird und eines Swann, der die Bescheidenheit und Diskretion in gesellschaftlichen Dingen bis zur erlesensten Feinfühligkeit trieb. Doch was diesen letzteren anbetrifft, so hatte in der Zwischenzeit der frühere Freund meiner Eltern dem »Swann junior« wie auch dem Swann des Jockey-Clubs* eine neue Persönlichkeit hinzugefügt (die nicht die letzte sein sollte), nämlich die eines Gatten von Odette*. Indem er sein Gespür, seine Bestrebungen und die Umsicht, die er immer besessen hatte, an die bescheidenen Erwartungen dieser Frau anpasste, war es ihm gelungen, sich einen neuen Status weit unterhalb des früheren zu schaffen, der der Gefährtin, die ihn mit ihm teilen sollte, angemessen war. Nun, in dieser Position zeigte er sich als ein anderer Mann. Da dieses ein zweites Leben war (in dem er auch weiterhin, allein, seine persönlichen [8] Freunde besuchte, denen er Odette nicht aufdrängen wollte, solange sie ihn nicht von sich aus darum baten, sie kennenlernen zu dürfen), das er gemeinsam mit seiner Frau im Lebenskreis neuer Mitmenschen begann, hätte man noch verstanden, wenn er sich, um deren Wert und folglich auch die Freuden der Eigenliebe einschätzen zu können, die ihm zuteilwerden würden, wenn er sie empfinge, als Ausgangspunkt nicht unbedingt der hervorragendsten Leute bedient hätte, die vor seiner Heirat seinen Gesellschaftskreis ausmachten, sondern der vorherigen Bekanntschaften Odettes. Aber selbst wenn man wusste, dass es grobschlächtige Beamte und anrüchige Frauen waren, die Zierde von Ministerbällen, mit denen er sich in Verbindung zu bringen suchte, so war man doch erstaunt, ihn, der früher und sogar auch noch jetzt so formvollendet eine Einladung aus Twickenham oder dem Buckingham Palace herunterspielte, nunmehr lauthals verkünden zu hören, dass die Frau eines Staatsuntersekretärs gekommen war, um Madame Swann einen Besuch abzustatten. Man wird vielleicht als Erklärung anführen, dass die Schlichtheit des vornehmen Swann bei diesem nur eine ausgefeiltere Form von Eitelkeit gewesen sei und dass, wie so manche Israeliten, der frühere Freund meiner Eltern nur abwechselnd die aufeinanderfolgenden Stadien vorgeführt haben mochte, durch die die Angehörigen seiner Rasse hindurchgegangen waren, von einfältigstem Snobismus und gröbster Unmanier zu geschliffenster Höflichkeit. Doch der Hauptgrund, und das ist auf die Menschheit generell anwendbar, war dieser, dass unsere Tugenden selbst keine unabhängige, frei schwebende Angelegenheit sind, deren dauerhafte Verfügbarkeit wir uns sichern könnten; sie verbinden sich schließlich in unserem Geist so innig mit den Handlungen, bei deren Ausübung wir es uns zur Pflicht gemacht haben, sie zu beachten, dass, wenn eine Tätigkeit ganz anderer Art an uns herantritt, diese uns völlig unvorbereitet trifft und wir gar nicht [9] auf den Gedanken verfallen, dass sie die Anwendung eben dieser Tugenden vertragen könnte. Swann, der sich um diese neuen Beziehungen eifrig bemühte und sie mit Stolz erwähnte, glich darin jenen bescheidenen oder auch großzügigen bedeutenden Künstlern, die sich zu ihrem Lebensende hin mit Kochkunst oder Gärtnerei beschäftigen und eine naive Befriedigung aus dem Lob ziehen, das man ihren Gängen oder Gärten spendet, bei denen sie eben die Kritik nicht ertragen, die sie mit Gelassenheit hinnehmen, wenn es sich um ihre Hauptwerke handelt; oder die eines ihrer Gemälde für ein Nichts weggeben, aber dann nur missmutig vierzig Sous beim Domino verlieren können.
Was nun Professor Cottard anbelangt, so wird man ihn, sehr viel später, ausgiebig bei der Padrona wiedersehen, auf dem Schloss von La Raspelière*. Weshalb es an dieser Stelle in Hinblick auf ihn zunächst genügt, folgendes anzumerken: Bei Swann kann die Veränderung durchaus überraschen, da sie sich ja, unbemerkt von mir, bereits vollzogen hatte, als ich den Vater von Gilberte in den Champs-Élysées traf, wo er allerdings, da er nicht das Wort an mich richtete, auch nicht mit seinen politischen Beziehungen ein Aufhebens vor mir machen konnte (freilich, selbst wenn er es getan hätte, so wäre mir wahrscheinlich dennoch nicht gleich seine Eitelkeit aufgefallen, denn die Vorstellung, die man sich vor langer Zeit von jemandem gemacht hat, verschließt Augen und Ohren; meine Mutter hatte drei Jahre lang nicht einmal den Lippenstift bemerkt, den sich eine ihrer Nichten auflegte, als sei er vollständig und unsichtbar in einer Flüssigkeit aufgelöst; bis eines Tages ein zusätzliches Partikelchen oder irgendetwas anderes zu jener Erscheinung führte, die man Übersättigung nennt; der ganze unbemerkte Lippenstift kristallisierte aus, und meine Mutter erklärte – ganz wie man es in Combray getan hätte – angesichts dieser plötzlichen Farbenorgie, dass es eine Schande sei, und brach die [10] Beziehungen zu ihrer Nichte fast vollständig ab). Aber bei Cottard lagen im Gegenteil die Zeiten, zu denen man ihn als Zeugen der Anfänge Swanns bei den Verdurins erlebte, schon hinreichend lange zurück; mit den Jahren kommen jedoch Ehren und Titel. Zweitens kann man ungebildet sein und dümmliche Wortspiele machen und dennoch ein besonderes Talent besitzen, das von keiner Allgemeinbildung ersetzt werden kann, wie etwa das eines großen Strategen oder eines großen Klinikers. In der Tat wurde Cottard von seinen Kollegen keineswegs nur als ein obskurer Praktikus betrachtet, der es schließlich zu europäischer Berühmtheit gebracht hatte. Die gescheitesten unter den jungen Medizinern erklärten – zumindest einige Jahre lang, denn die Moden wechseln, da sie selbst dem Bedürfnis nach Wechsel entsprungen sind –, dass Cottard, sollten sie einmal krank werden, der einzige Meister seines Faches sei, dem sie ihr Leben anvertrauen würden. Offenkundig bevorzugten sie aber den Umgang mit gewissen gebildeteren, kunstbeflisseneren Chefärzten, mit denen sie sich über Nietzsche oder Wagner unterhalten konnten. Wenn bei Madame Cottard an den Abenden, zu denen sie die Kollegen und Studenten ihres Mannes in der Hoffnung einlud, dass er einmal Dekan der Fakultät werden würde, musiziert wurde, so zog er es vor, in einem Nebenraum Karten zu spielen statt zuzuhören. Aber man rühmte die Promptheit, Gründlichkeit und Untrüglichkeit seines Urteils, seiner Diagnosen. Zum dritten merken wir, soweit es den Gesamteindruck betrifft, den Professor Cottard auf einen Mann wie meinen Vater machte, noch an, dass die Wesensart, die wir im zweiten Teil unseres Lebens zum Vorschein kommen lassen, nicht immer, wiewohl häufig, unsere ausentwickelte oder verblasste, vergröberte oder abgemilderte erste Wesensart ist; manchmal ist es auch eine Wesensart mit umgekehrten Vorzeichen, geradezu ein gewendetes Kleidungsstück. Außer bei den Verdurins, die völlig von ihm [11] eingenommen waren, hatten das zurückhaltende Auftreten Cottards, seine Schüchternheit und seine übertriebene Liebenswürdigkeit ihm in seiner Jugend ständig Hänseleien eingebracht. Welcher barmherzige Freund hatte ihm ein eisiges Auftreten angeraten? Die Bedeutung seiner Stellung erleichterte es ihm, dieses anzunehmen. Überall, ausgenommen bei den Verdurins, wo er instinktiv wieder er selbst wurde, gab er sich kalt, vorsätzlich schweigsam und autoritär, wenn er doch redete, wobei er niemals vergaß, etwas Unangenehmes einfließen zu lassen. Er konnte diese neue Haltung an Patienten ausprobieren, die ihn nicht von früher kannten, die folglich auch keine Vergleiche anstellen konnten und die recht erstaunt gewesen wären, wenn sie erfahren hätten, dass er keineswegs von Natur aus grob war. Insbesondere zwang er sich zu völliger Undurchdringlichkeit, und selbst wenn er während des Dienstes im Hospital eines seiner Wortspiele zum besten gab, die alle Welt vom Klinikchef bis hinab zum jüngsten Volontär zum Lachen brachten, so machte er das stets, ohne auch nur eine Miene in seinem Gesicht zu verziehen, das zudem nicht mehr wiederzuerkennen war, da er sich Schnurr- und Backenbart abrasiert hatte.
Sagen wir nun zum Schluss, wer der Marquis von Norpois war. Vor dem Krieg war er Gesandter gewesen, sowie Botschafter des Sechzehnten Mai*, und hatte seitdem dennoch, zur großen Verwunderung vieler, im Auftrag von radikalen* Kabinetten, denen zu dienen ein simpler reaktionärer Bürger sich geweigert haben würde und denen die Vergangenheit von Monsieur Norpois, seine Verbindungen, seine Meinungen, hätten verdächtig erscheinen müssen, Frankreich bei besonderen Aufgaben vertreten, sogar als Kontrolleur der ägyptischen Schuldenverwaltung, wobei er dank seiner großen finanzwirtschaftlichen Kenntnisse wichtige Dienste geleistet hatte. Doch diese ultraradikalen Minister schienen sich [12] überlegt zu haben, dass sie mit einem solchen Auftrag ihre aufgeschlossene Gesinnung demonstrieren könnten, wenn sie sich, sobald es um die höheren Interessen Frankreichs ging, über das tagespolitische Niveau emporschwangen und sich damit das Verdienst erwarben, selbst vom Journal des Débats zu Staatsmännern erklärt zu werden, und dass sie letztendlich auch in den Genuss des Prestiges gelangen würden, das einem adligen Namen anhaftet, sowie auch der Aufmerksamkeit, die eine so unerwartete Wahl wie ein theatralischer Knalleffekt hervorrufen würde. Und sie wussten außerdem, dass sie die Vorteile einer Berufung des Monsieur de Norpois würden einheimsen können, ohne besorgt sein zu müssen, dass dieser es an politischer Zuverlässigkeit würde vermissen lassen, etwas, wogegen sie die Abkunft des Marquis nicht etwa auf der Hut sein lassen musste, sondern ihnen vielmehr Sicherheit gab. Und darin täuschte sich die Regierung der Republik auch nicht. Das lag vor allem daran, dass eine gewisse aristokratische Schicht, die von Kindesbeinen an dazu erzogen wird, ihren Namen als ein inhärentes Verdienst zu betrachten, das nichts und niemand ihr wegnehmen kann (und dessen Wert die Standesgenossen oder diejenigen von noch höherer Geburt genau einzuschätzen vermögen), durchaus weiß, dass sie sich, da sie nichts Zusätzliches einbringen würden, die Mühen sparen kann, die sich alle diese Bürger ohne erkennbares Resultat machen, wenn sie nur abgetragene Meinungen bekunden und nur mit Biedermännern verkehren. Auf der anderen Seite weiß diese Aristokratie, die danach strebt, sich in den Augen fürstlicher oder herzoglicher Familien, unterhalb deren sie unmittelbar angesiedelt ist, zu erhöhen, dass sie das nur kann, wenn sie ihrem Namen das hinzufügt, was er nicht enthält und was ihr die Oberhand über heraldisch gleichwertige Namen verschaffen wird: politischen Einfluss, einen literarischen oder künstlerischen Ruf, ein großes Vermögen. Und die Gelder, die sie sich hinsichtlich [13] nutzloser Krautjunker, wie sie von Bürgerlichen umworben werden, und ihrer unfruchtbaren Freundschaft, für die ein Fürst ihr keine Anerkennung zollen würde, erspart, schüttet sie lieber über Politiker aus, seien es auch Freimaurer, die zu Botschafterposten verhelfen oder bei Wahlen nützen können, über Künstler oder Wissenschaftler, bei denen die Unterstützung dazu verhilft, in die Sparte »einzudringen«, an deren Spitze sie stehen, kurzum, über alle, die in der Lage sind, eine neue Auszeichnung zu verleihen oder eine reiche Heirat zu vermitteln.
Aber in Sachen Monsieur de Norpois war es vor allem so, dass er während langer diplomatischer Tätigkeit jenen ablehnenden, eingefahrenen, konservativen Geist in sich eingesogen hatte, den sogenannten »Herrschaftsgeist«, der letztlich der aller Regierungen ist und unter allen Regierungen insbesondere der der Staatskanzleien. Er hatte während seiner Karriere Widerwillen, Misstrauen und Geringschätzung gegenüber jenen mehr oder weniger revolutionären, in jedem Falle aber mindestens inkorrekten Methoden gelernt, deren die Oppositionsparteien sich bedienen. Außer bei einigen Banausen aus dem Volk und der Gesellschaft, für die der Unterschied der Lebensstile ein leeres Wort ist, ist es nicht die Gemeinsamkeit der Meinungen, was Nähe schafft, sondern die Blutsverwandtschaft der Geister. Ein Mitglied der Akademie mit der Einstellung Legouvés und Anhänger der Klassiker hätte viel eher der Lobpreisung Victor Hugos durch Maxime Du Camp oder Mézières applaudiert als der Boileaus durch Claudel*. Ein ähnlicher Nationalismus genügt, Barrès seinen Wählern nahezubringen, die keinen großen Unterschied zwischen ihm und Monsieur Georges Berry machen dürften, aber nicht jenen seiner Kollegen in der Akademie, die zwar seine politischen Überzeugungen teilen, aber eine andere geistige Einstellung haben und ihm sogar Gegner wie die Herren Ribot und Deschanel vorziehen werden, zu denen [14] ihrerseits sich treue Monarchisten sehr viel näher fühlen als zu Maurras oder Léon Daudet*, die mittlerweile ebenfalls die Rückkehr des Königs wünschen. Nicht nur aufgrund professioneller Prägung zu Vorsicht und Zurückhaltung sparsam mit Worten, sondern weil sie mehr Wert, mehr Nuancen in den Augen von Männern haben, für die die Bemühungen von zehn Jahren um die Annäherung zweier Länder sich – in einem Gespräch, in einem Protokoll – durch ein einfaches Adjektiv, das belanglos erscheint, in dem sie jedoch eine ganze Welt erblicken, zusammenfassen und wiedergeben lassen, galt Monsieur Norpois als sehr kalt in der Kommission, wo er seinen Sitz neben meinem Vater innehatte, den ein jeder zu der Freundschaft beglückwünschte, die der ehemalige Botschafter ihm bewies.DieseüberraschtemeinenVaternochmehralsalleanderen. Denn da er im allgemeinen wenig zugänglich war, war er daran gewöhnt, dass man sich außerhalb des Kreises seiner engsten Freunde nicht um seine Bekanntschaft bemühte, und gab das auch unumwunden zu. Ihm war bewusst, dass das Entgegenkommen des Diplomaten auf jenen ganz persönlichen Standpunkt zurückzuführen war, auf den sich jeder stellt, um über seine Sympathien zu entscheiden, und von dem aus die geistigen Qualitäten oder die Sensibilität einer Person, die uns lästig ist oder uns reizt, für unsereinen keineswegs eine so gute Empfehlung darstellen wie die Ungezwungenheit und Fröhlichkeit einer anderen, die in den Augen vieler als hohlköpfig, leichtsinnig und unmaßgeblich gilt. »De Norpois hat mich schon wieder zum Essen eingeladen; das ist außerordentlich; alle in der Kommission sind völlig sprachlos, wo er dort doch mit niemandem irgendwelche privaten Beziehungen unterhält. Ich bin sicher, er wird mir wieder aufregende Sachen über den Krieg von 70/71 erzählen.« Mein Vater wusste, dass Monsieur de Norpois, womöglich als einziger, den Kaiser auf die wachsende Macht und die kriegerischen Absichten Preußens hingewiesen [15] hatte und dass Bismarck besondere Hochachtung vor seinem Scharfsinn hatte. Kürzlich erst hatten wieder die Zeitungen auf das ausgedehnte Gespräch hingewiesen, das König Theodosius Monsieur de Norpois in der Oper nach der Galavorstellung für den Herrscher gewährt hatte. »Ich muss unbedingt herausfinden, ob dieser Besuch des Königs wirklich von Bedeutung war«, sagte mein Vater, der sich sehr für Außenpolitik interessierte. »Ich weiß wohl, dass der gute alte Norpois ziemlich zugeknöpft ist, aber mir gegenüber öffnet er sich ganz bereitwillig.«
In den Augen meiner Mutter wies der Botschafter vielleicht nicht jene Art von Intelligenz auf, zu der sie sich am ehesten hingezogenfühlte.Undichmusssagen,dassdieRedeweisevonMonsieur de Norpois mit einem so kompletten Fundus an überalterten Formen befrachtet war, wie sie der Sprache eines Berufs, einer Schicht oder einer Zeit eigentümlich sind – einer Zeit, die für jenen Beruf und jene Schicht durchaus noch gar nicht überlebt sein mochte –, dass ich gelegentlich bedauere, mir nicht ganz schlicht und einfach die Wendungen gemerkt zu haben, die ich ihn habe gebrauchen hören. Ich hätte damit ebenso treffend und in der gleichen Weise die Wirkung des Altmodischen erzielen können wie jener Schauspieler des Palais-Royal*, den man gefragt hatte, wo er denn bloß seine erstaunlichen Hüte finde, und der darauf geantwortet hatte: »Ich finde meine Hüte nicht. Ich behalte sie.« Mit einem Wort, ich glaube, meine Mutter fand Monsieur de Norpois ein wenig »verzopft«, was ihr mitnichten missfiel, soweit es die Verhaltensformen anbetraf, sie aber auf dem Gebiet zwar nicht der Ideen – denn die von Monsieur Norpois waren ausgesprochen modern –, wohl aber der Ausdrucksweisen weniger begeisterte. Allein, sie spürte, dass sie ihrem Gatten in zarter Weise schmeicheln würde, wenn sie mit ihm voller Bewunderung von dem Diplomaten spräche, der ihn mit einer so seltenen Bevorzugung [16] auszeichnete. Indem sie so im Geist meines Vaters die gute Meinung verfestigte, die er von Monsieur de Norpois hatte, und ihn damit dazu brachte, auch eine gute Meinung von sich selbst zu haben, war sie sich bewusst, jener ihrer Pflichten zu genügen, die darin bestand, ihrem Gatten das Leben angenehm zu machen, so wie sie es auch tat, wenn sie darauf achtete, dass gepflegt gekocht und lautlos serviert wurde. Und da sie außerstande war, meinen Vater anzulügen, übte sie sich darin, den Botschafter zu bewundern, um ihn mit Aufrichtigkeit loben zu können. Außerdem hatte sie ein natürliches Wohlgefallen an seiner gütigen Miene, seiner etwas altväterlichen Höflichkeit (die derart förmlich war, dass er, wenn er mit seiner hoch aufgerichteten Gestalt dahinschritt und meiner Mutter ansichtig wurde, die im Wagen vorbeifuhr, seine kaum angerauchte Zigarre weit von sich warf, bevor er den Hut zog), seiner wohlerwogenen Konversation, bei der er so wenig wie möglich von sich selbst redete und stets berücksichtigte, was für den Gesprächspartner angenehm sein könnte, an der unglaublichen Pünktlichkeit, mit der er Briefe beantwortete, so dass mein Vater, wenn er ihm geradeeinengeschickthatteunddanndieHandschriftvonMonsieur de Norpois auf einem Umschlag erkannte, zuerst glaubte, dass sich ihre Korrespondenz durch eine unglückliche Fügung überkreuzt hätte: man hätte fast geglaubt, für ihn seien bei der Post zusätzliche, exklusive Leerungen eingerichtet worden. Meine Mutter geriet in Entzücken darüber, dass er so zuverlässig war, obwohl doch so beschäftigt, so liebenswürdig, obwohl doch so stark beansprucht, ohne zu bedenken, dass die »obwohl« immer verkannte »weil« sind und dass (wie auch stets die Greise erstaunlich sind für ihr Alter, die Könige ach so schlicht und die Provinzler über alles auf dem laufenden) es ebendiese Gewohnheiten waren, die es Monsieur de Norpois ermöglichten, allen diesen Anforderungen gerecht zu werden und so zuverlässig bei der Beantwortung von [17] Briefen zu sein, in der Gesellschaft zu gefallen und liebenswürdig bei uns zu sein. Zudem rührte der Irrtum meiner Mutter, wie der der meisten Personen, die zu bescheiden sind, vor allem daher, dass sie die Dinge, die sie selbst betrafen, hintanstellte und somit aus dem Bereich der anderen rückte. Wenn sie es besonders verdienstvoll von dem Freund meines Vaters fand, dass er uns den Antwortbrief umgehend geschickt hatte, wo er doch jeden Tag so viele Briefe schreiben musste, so sonderte sie diesen aus einer großen Zahl von Briefen aus, von denen er doch nur einer war; ebenso wenig kam es ihr in den Sinn, dass ein Abendessen bei uns für Monsieur de Norpois nur eine jener zahllosen Verrichtungen war, aus denen sein gesellschaftliches Leben bestand: Sie bedachte nicht, dass der Botschafter es früher während seiner diplomatischen Tätigkeit gewohnt gewesen war, Privateinladungen als Teil seiner Berufspflichten anzusehen und einen überkommenen Anstand zu entfalten, von dem es zu viel verlangt wäre zu erwarten, dass er ihn ausnahmsweise ablegte, wenn er zu uns kam.
Das erste Abendessen, das Monsieur de Norpois bei uns zu Hause einnahm, in einem Jahr, in dem ich noch in den Champs-Élysées spielte, ist mir im Gedächtnis geblieben, weil ich erstens an dem Nachmittag jenes Tages endlich in einer Matinee die Berma in Phädra* hören sollte, und außerdem, weil mir plötzlich, als ich mich mit Monsieur de Norpois unterhielt, klar wurde, wie sehr sich die Gefühle, die von allem, was Gilberte Swann und ihre Eltern betraf, in mir erweckt wurden, von jenen unterschieden, die diese selbe Familie in irgendeiner anderen Person auslöste.
Vermutlich weil sie die Niedergeschlagenheit bemerkt hatte, in die mich das Nahen der Neujahrsferien stürzte, während deren ich, wie sie selbst mir angekündigt hatte, Gilberte nicht sehen würde, sagte meine Mutter eines Tages zu mir, um mich abzulenken: »Ich glaube, wenn du immer noch so große Lust hast, die Berma zu [18] hören, dann wird dir dein Vater vielleicht erlauben hinzugehen; deine Großmutter könnte dich begleiten.«
Dies wiederum kam daher, dass Monsieur de Norpois ihm gesagt hatte, er solle mich die Berma hören lassen, denn das sei für einen jungen Menschen eine unauslöschliche Erinnerung, so dass mein Vater, bis dahin immer so sehr dagegen, dass ich meine Zeit für etwas verschwendete und dabei obendrein noch Gefahr liefe, krank zu werden, was er, zum Entsetzen meiner Großmutter, unnützes Zeug nannte, nahe daran war, diese von dem Botschafter empfohlene Veranstaltung irgendwie als Bestandteil einer Sammlung wertvoller Rezepte für die Sicherung einer glänzenden Laufbahn anzusehen. Meine Großmutter, die ein großes Opfer gebracht hatte, als sie meiner Gesundheit zuliebe auf den Gewinn verzichtete, den ich nach ihrer Auffassung daraus gezogen haben würde, die Berma zu hören, war höchst erstaunt, dass diese Gesundheit auf ein einziges Wort von Monsieur de Norpois hin vernachlässigbar geworden war. Da sie ihre unerschütterlich rationalistischen Hoffnungen in die Kur aus Bewegung an frischer Luft und zeitigem Schlafengehen setzte, die mir verordnet worden war, beklagte sie diese Übertretung, die ich begehen sollte, wie ein schweres Unglück und sagte in tiefbetrübtem Ton: »Wie leichtfertig Sie sind« zu meinem Vater, der aufgebracht antwortete: »Wie, jetzt sind Sie es, die nicht will, dass er hingeht!, das ist ja wohl ein starkes Stück, gerade Sie, die uns in einem fort vorgehalten hat, wie gut das für ihn wäre.«
Aber Monsieur de Norpois hatte in einem für mich noch viel wichtigeren Punkt eine Änderung in den Ansichten meines Vaters bewirkt. Dieser hatte immer gewünscht, dass ich Diplomat würde, aber ich konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass ich, selbst wenn ich einige Zeit einem Ministerium zugeordnet bliebe, doch Gefahr liefe, eines Tages als Botschafter in Hauptstädte entsandt zu [19] werden, in denen Gilberte nicht wohnen würde. Ich hätte es vorgezogen, zu den literarischen Plänen zurückzukehren, die ich einstmals während meiner Spaziergänge auf der Seite von Guermantes geschmiedet und aufgegeben hatte. Mein Vater hatte hartnäckig dagegen opponiert, dass ich mich einer schöngeistigen Laufbahn verschreiben sollte, die er für ziemlich minderwertig gegenüber dem diplomatischen Dienst erachtete, er sprach ihr überhaupt den Namen einer Laufbahn ab, bis ihm eines Tages Monsieur de Norpois, der die diplomatischen Beamten vom neuen Schlage nicht sonderlich schätzte, versichert hatte, man könne als Schriftsteller ebenso viel Ansehen gewinnen, ebenso viel Wirkung entfalten wie in einer Botschaft und sich dabei mehr Unabhängigkeit bewahren.
»Na so etwas!, das hätte ich nicht gedacht, der gute alte Norpois hat überhaupt nichts gegen die Vorstellung, dass du dich mit Literatur befassen solltest«, hatte mein Vater zu mir gesagt. Und da er selbst ziemlichen Einfluss besaß, glaubte er, dass es nichts gebe, wasmannichtarrangierenkönnte,wofürsichnichteinegeeignete Lösung im Gespräch mit wichtigen Leuten finden ließe: »Ich werde ihn an einem der nächsten Abende nach der Kommissionssitzung mit nach Hause bringen. Du wirst dich dann ein wenig mit ihm unterhalten, damit er dich schätzen lernen kann. Schreib irgendwas Gutes, was du ihm zeigen kannst; er ist mit dem Herausgeber der Revue des Deux Mondes* gut bekannt, er wird dir da Zugang verschaffen, er wird das schon regeln, das ist ein alter Schlauberger; und, na ja, er scheint zu finden, dass die Diplomatie, heutzutage …!«
Die glückliche Aussicht, dass ich mich nicht von Gilberte würde trennen müssen, machte mich willens, aber nicht fähig, etwas Schönes zu schreiben, das ich Monsieur de Norpois würde vorlegen können. Nach einigen einleitenden Seiten fiel mir vor Überdruss die Feder aus der Hand, und ich heulte vor Wut bei dem [20] Gedanken, dass ich niemals das nötige Talent haben würde, dass ich unbegabt sei und nicht einmal diese Chance, für immer in Paris zu bleiben, würde nutzen können, die der bevorstehende Besuch von Monsieur de Norpois mir bot. Einzig die Vorstellung, dass man mich die Berma würde erleben lassen, lenkte mich von meinem Kummer ab. Doch so, wie ich Stürme nur an denjenigen Küsten zu sehen begehrte, an denen sie am heftigsten waren, ebenso wollte ich die große Schauspielerin nur in einer jener klassischen Rollen hören, in denen sie, wie Swann gesagt hatte, an das Erhabene rührte. Denn wenn wir in der Hoffnung auf eine kostbare Entdeckung bestimmte Erfahrungen mit der Natur oder der Kunst herbeisehnen, so haben wir zugleich gewisse Bedenken, unsere Seele stattdessen mindere Eindrücke aufnehmen zu lassen, die uns über den genauen Wert des Schönen täuschen könnten. Die Berma in Andromache, in Die launische Marianne*, in Phädra, das waren die berühmten Aufführungen, nach denen sich meine Phantasie so sehr gesehnt hatte. Ich würde das gleiche Entzücken verspüren wie an dem Tag, an dem mich eine Gondel vor den Tizian der Frarikirche oder die Carpaccios* von San Giorgio dei Schiavoni* führen würde, wenn ich erst einmal die Berma die Verse rezitieren gehört hätte:
Man sagt, ein eil’ger Abschied will Euch uns entrücken,
Herr, usw.*
Ich kannte sie in der simplen Schwarzweißwiedergabe der gedruckten Ausgaben; aber mein Herz schlug wie beim Antritt einer Reise bei dem Gedanken, dass ich sie zu guter Letzt wahrhaftig von der Atemluft und dem Sonnenglanz der goldenen Stimme umschmeichelt sehen würde. Ein Carpaccio in Venedig, die Berma in Phädra, das waren derartige Meisterwerke der bildenden und der dramatischen Kunst, dass der ihnen anhaftende Ruhm in mir so [21] lebhaft, und das heißt so unteilbar, gegenwärtig war, dass ich, hätte ich einen Carpaccio in einem Saal des Louvre* oder die Berma in einem Stück gesehen, von dem ich noch niemals gehört hatte, nicht das gleiche köstliche Staunen erlebt hätte, nun endlich mit geöffneten Augen vor dem unfassbaren, einzigartigen Gegenstand so vieler Tausend meiner Träume zu stehen. Da ich zudem vom Spiel der Berma Erleuchtungen über gewisse Aspekte der edlen Gesinnung, des Leidens erwartete, meinte ich, dass das, was an Großem und Wirklichem in ihrem Spiel lag, deutlicher würde, wenn die Schauspielerin es einem Werk von wahrhaftem Wert aufprägte, statt letztlich in eine mittelmäßige und gewöhnliche Grundlage das Wahre und Schöne hineinzuweben.
Schließlich wäre es mir, wenn ich die Berma in einem neuen Stück gehört hätte, nicht leichtgefallen, mir ein Urteil über ihre Kunst, ihren Vortrag zu bilden, weil ich bei einem Text, den ich nicht im voraus kannte, nicht hätte unterscheiden können zwischen ihm und all dem, was sie an Tonfällen und Gesten hinzufügte, die mir dann als ein Bestandteil davon erschienen wären; während mir dagegen die alten Stücke, die ich auswendig kannte, wie weite, reservierte und vorbereitete Räume vorkamen, in denen ich in völliger Freiheit die Gestaltungskraft der Berma würde genießen können, dank deren sie sie wie eine Freskenmalerei mit den immer neuen Funden ihrer Eingebung ausfüllen würde. Unglücklicherweise spielte sie seit Jahren, nachdem sie die großen Bühnen verlassen und als großer Star eines Boulevardtheaters dessen Glück gemacht hatte, keine klassischen Rollen mehr, und ich mochte noch so oft die Plakate durchsehen, sie kündigten immer nur ganz neue Stücke an, die für sie von Modeautoren auf die Schnelle fabriziert wurden; bis ich eines Morgens, als ich auf der Anschlagsäule der Theater nach den Matineen der Neujahrswoche suchte, dort zum ersten Mal – zum Ende einer Aufführung, nach einem [22] vermutlich belanglosen Aufwärmer*, dessen Titel mir undurchsichtig erschien, weil er sich auf eine ganz spezifische Handlung bezog, die ich nicht kannte – zwei Akte aus Phädra mit Madame Berma angekündigtsahundfürdiefolgendenMatineenDieHalbwelt*,Die launische Marianne, Namen, die, wie Phädra, für mich transparent waren, ausschließlich von Klarheit erfüllt, so wohl war mir das Werk vertraut, bis in den Grund erleuchtet von einem Lächeln der Kunst. Als ich in der Zeitung unter dem Programm für diese Aufführungen las, dass Madame Berma sich aus eigenem Antrieb entschlossen habe, sich dem Publikum von neuem in einigen ihrer früheren Schöpfungen zu stellen, schien ihr dies noch höheren Adel zu verleihen. Demnach wusste die Künstlerin, dass manche Rollen von einem Interesse sind, das den Neuigkeitswert ihrer Erstinszenierung oder den Erfolg ihrer Wiederaufnahme überlebt, sie betrachtete sie, von ihr interpretiert, wie Meisterwerke in einem Museum, deren erneute Präsentation für die Generation, die sie darin bewundert hatte, oder für jene, die sie darin noch nicht gesehen hatte, lehrreich sein könnte. Indem sie so, mitten unter Stücken, die nur dazu dienten, einen Abend lang die Zeit zu vertreiben, Phädra ankündigen ließ, dessen Titel nicht länger war als die Titel jener und auch in den gleichen Lettern gedruckt war, hatte sie ihm die wortlose Andeutung hinzugefügt, mit der eine Gastgeberin, wenn sie jemandem beim Gang zu Tisch ihre anderen Gäste vorstellt, inmitten der Namen der Geladenen, die sonst weiter nichts sind als Geladene, in dem gleichen Ton, mit dem sie die anderen erwähnt hatte, sagt: »Monsieur Anatole France«.
Der Arzt, der mich behandelte – jener, der mir jegliche Reise verboten hatte –, riet meinen Eltern davon ab, mich ins Theater gehen zu lassen; ich würde davon wieder krank werden, womöglich für lange Zeit, und ich würde am Ende mehr Leiden als Vergnügen davontragen. Diese Besorgnis hätte mich bremsen können, wenn [23] ich erwartet hätte, dass eine solche Aufführung lediglich ein Vergnügen bereiten würde, das insgesamt durch ein nachfolgendes Leiden im Wege der Verrechnung wieder aufgehoben werden könnte. Aber was ich mir – wie auch von der Reise nach Balbec*, der Reise nach Venedig, die ich mir so sehr gewünscht hatte – von dieser Matinee erwartete, war etwas ganz anderes als ein Vergnügen: Vielmehr Wahrheiten, die einer wirklicheren Welt angehörten als der, in der ich lebte, und die mir, einmal angeeignet, nicht durch Nebensächlichkeiten, seien diese auch schmerzlich für meinen Körper, aus meinem müßigen Dasein entrissen werden könnten. Allenfalls erschien mir das Vergnügen, das ich während der Darbietung erleben würde, als die möglicherweise notwendige Form der Wahrnehmung dieser Wahrheiten; und das war ausreichend für mich, um zu wünschen, die vorausgesagten Leiden möchten erst beginnen, nachdem die Darbietung beendet wäre, auf dass diese nicht durch jene beeinträchtigt und entwertet werde. Ich flehte meine Eltern an, die mir seit dem Besuch des Arztes nicht mehr erlauben wollten, in Phädra zu gehen. Ich sagte mir unablässig die Stelle auf:
Man sagt, ein eil’ger Abschied will Euch uns entrücken …
und probierte alle Betonungen aus, die man ihr nur geben konnte, um desto besser das Unerwartete jener ermessen zu können, die die Berma finden würde. Wie das Allerheiligste unter dem Vorhang geborgen, der sie meinen Blicken entzog und hinter dem ich sie jeden Augenblick mit einer neuen Seite ausstattete – getreu den Worten Bergottes aus der Broschüre, die Gilberte mir besorgt hatte, und die mir jetzt wieder in den Sinn kamen: »Skulpturierter Adel,christlichesBüßergewand,jansenistische*Blässe,Prinzessin von Troizen und von Kleve*, mykenisches Drama, delphisches [24] Symbol, Sonnenmythos«* –, thronte die göttliche Schönheit, die mir das Spiel der Berma offenbaren würde, Tag und Nacht auf einem immerwährend brennenden Altar am Grunde meines Geistes, meines Geistes, von dem meine strengen und leichtfertigen Eltern entscheiden würden, ob er für alle Zeiten die Vollkommenheiten der entschleierten Göttin an jener Stätte in sich schließen würde, an der sich ihre unsichtbare Gestalt erhob, oder ob nicht. Und die Augen auf das unfassliche Bild gebannt, kämpfte ich vom Morgen bis zum Abend gegen die Hindernisse, die mir meine Familie entgegenstellte. Doch als sie gefallen waren, als meine Mutter – obwohl diese Matinee genau am Tag jener Kommissionssitzung stattfand, nach der mein Vater Monsieur de Norpois zum Essen mitbringen sollte – zu mir gesagt hatte: »Na gut, wir wollen dir keinen Kummer bereiten, wenn du glaubst, dass du daran so viel Vergnügen haben wirst, dann geh hin«, als dieser zuvor verbotene Tag im Theater nur noch von mir abhing, als ich mich nun nicht mehr damit zu beschäftigen hatte, dass er aufhören möge, unmöglich zu sein, fragte ich mich zum ersten Mal, ob er wirklich so erstrebenswert war, ob nicht andere Gründe als das Verbot meiner Eltern mich hätten veranlassen sollen, darauf zu verzichten. Vor allem machte sie mir ihre Zustimmung, nachdem ich zuvor ihre Grausamkeit verwünscht hatte, so lieb und teuer, dass die Vorstellung, ihnen Schmerz zu bereiten, mir selbst einen solchen bereitete, dass mir dadurch der Sinn des Lebens nicht mehr in der Wahrheit zu liegen schien, sondern in der Zuneigung, und es mir einzig noch insoweit gut oder schlecht vorkam, als meine Eltern glücklich oder unglücklich sein würden. »Ich würde lieber nicht hingehen, wenn euch das Sorgen macht«, sagte ich zu meiner Mutter, die sich, ganz im Gegenteil, bemühte, mein Bedenken zu zerstreuen, dass sie deswegen traurig sein könnte, welches, wie sie sagte, das Vergnügen vergällen würde, das ich an Phädra haben würde, um [25] dessen willen sie und mein Vater von ihrem Verbot abgerückt waren. Doch nun erschien mir gewissermaßen diese Verpflichtung, Vergnügen zu haben, recht bedrückend. Zudem, wenn ich krank nach Hause käme, würde ich dann schnell genug wieder gesund werden, um nach Ende der Ferien in die Champs-Élysées gehen zu können, sobald Gilberte dorthin zurückkehren würde? Allen diesen Überlegungen stellte ich, um entscheiden zu können, welche den Sieg davontragen sollte, die Idee, unsichtbar hinter ihrem Schleier, der Vollendung der Berma gegenüber. Ich legte in eine der Waagschalen »spüren, dass Maman traurig ist; riskieren, nicht in die Champs-Élysées gehen zu können«, in die andere »jansenistische Blässe, Sonnenmythos«; aber diese Worte selbst verschwammen schließlich vor meinem Geist, sagten mir nichts mehr, verloren alles Gewicht; nach und nach wurden meine Zweifel so quälend, dass ich, wenn ich mich nun fürs Theater entschieden hätte, dies nur geschehen wäre, um ihnen ein Ende zu machen und ein für alle Mal von ihnen befreit zu sein. Nur um mein Leiden abzukürzen, nicht mehr in der Erwartung eines geistigen Gewinns und in Hingabe an die Anziehungskraft der Vollendung, hätte ich mich, nun nicht zu der Weisen Göttin, sondern zu der unversöhnlichen Gottheit ohne Gesicht und ohne Namen führen lassen, durch die jene heimlich unter ihrem Schleier ersetzt worden war. Doch plötzlich änderte sich alles, mein Wunsch, die Berma zu hören, erfuhr einen neuen Ansporn, der es mir ermöglichte, in Ungeduld und Freude jene »Matinee« zu erwarten: Als ich wieder meinen täglichen, seit kurzem so quälenden Posten als Säulenheiliger vor der Anschlagsäule der Theater bezogen hatte, hatte ich die noch ganz feuchte und eben gerade erstmals angeklebte detaillierte Ankündigung der Phädra gesehen (in der aber, ehrlich gesagt, die übrige Besetzung keinerlei zusätzliche Anziehungskraft auf mich ausübte, die es mir möglich gemacht hätte, mich zu entscheiden). Sie gab einem der [26] beiden Ziele, zwischen denen meine Unentschlossenheit schwankte,einefestereund –daderAnschlagnichtdasDatumdesTagestrug,andemichihnlas,sondernjenes,andemdieAufführungstattfindensollte,sowiedieStunde,zuderderVorhangsichhebenwürde –nahezugegenwärtige,fast schon Wirklichkeit gewordene Gestalt,unddiessosehr,dassichbeidemGedanken,anjenemTage,genauzujenerStunde,bereit,dieBermazuhören,aufmeinemPlatzsitzenwürde,vorderAnschlagsäuleeinenFreudensprungmachte;undbesorgt,dassmeineElternnichtmehrdieZeithabenkönnten,zweigutePlätzefürmeineGroßmutterundmichzubekommen,eilteichineinemSatznachHause,sobefeuertwarichvondenmagischenWorten,dieden»Sonnenmythos«unddie»jansenistischeBlässe«ausmeinemDenkenverdrängt hatten: »Für die Parkettplätze werden Damen mit Hut nicht eingelassen, die Türen werden um zwei Uhr geschlossen.«
Doch ach!, diese erste Matinee war eine große Enttäuschung. Mein Vater schlug uns vor, meine Großmutter und mich auf dem Weg zu seiner Kommissionssitzung beim Theater abzusetzen. Beim Verlassen des Hauses sagte er zu meiner Mutter: »Versuch, ein gutes Essen zu machen; du erinnerst dich doch, dass ich Norpois mitbringen werde?« Meine Mutter hatte es nicht vergessen. Und seit dem Tag zuvor lebte Françoise, die glücklich war, sich der Kochkunst hingeben zu können, für die sie zweifellos eine Begabung besaß, die zudem angestachelt war durch die Ankündigung eines neuen Gastes, und die bereits wusste, dass sie nach den einzig ihr bekannten Methoden einen Rinderbraten in Aspik komponieren* sollte, im Rausch des Schöpfertums; da sie ein ganz besonderes Gewicht auf die einwandfreie Qualität der Rohstoffe legte, dieindieHerstellungihresWerkesEingangfindensollten,gingsie selbst in die Markthalle, um die schönsten Stücke Rumpsteak, Rindshaxe, Kalbsfuß zu besorgen, ähnlich wie Michelangelo, der [27] acht Monate in den Bergen von Carrara verbrachte, um die vollkommensten Marmorblöcke für das Grabmal Julius’ II.* auszusuchen. Françoise legte bei diesem ganzen Hin und Her einen solchen Eifer an den Tag, dass Maman, als sie ihr feuerrotes Gesicht sah, fürchtete, unsere alte Dienerin könnte vor Überanstrengung krank werden, so wie der Erbauer der Medici-Gräber* in den Steinbrüchen von Pietrasanta*. Und bereits am Vortag hatte Françoise das, was sie »Nev-Yorker Schinken« nannte, geschützt vom rosigen Marmor des Brotteigs zum Bäcker geschickt, um es in dessen Ofen durchbacken zu lassen. Da sie die Sprache für weniger reich hielt, als sie tatsächlich ist, und sich ihrer eigenen Ohren wenig sicher war, hatte sie offenbar, als sie das erste Mal von Yorker Schinken reden hörte, geglaubt – denn in einem Vokabular, das York und New York zugleich enthalten sollte, hätte sie eine ganz unglaubwürdige Verschwendungssucht gesehen –, dass sie sich verhört habe und man den Namen habe nennen wollen, den sie bereits kannte. Seitdem ließ das Wort »York« in ihren Ohren, oder auch vor ihren Augen, wenn sie eine Anzeige las, ein »New« vor sich hergehen, das sie »Nev« aussprach. Und so sagte sie auch in gutem Glauben zu dem Küchenmädchen: »Gehen Sie und holen Sie Schinken von Olida*. Madame hat ausdrücklich gesagt, dass es Nev-Yorker sein soll.« Wenn an jenem Tage das Los von Françoise das der brennenden Zuversicht des großen Schöpfers war, so war das meinige das der quälenden Ungewissheit des Suchenden. Gewiss, solange ich die Berma noch nicht gehört hatte, empfand ich Freude. Ich empfand sie auf dem kleinen Platz vor dem Theater, auf dem zwei Stunden später die kahlen Kastanienbäume in metallischem Widerschein glänzen würden, sobald die Gaslaternen entzündet wären und jedes Detail ihres Zweigwerks beleuchteten; vor den Kartenkontrolleuren, deren Auswahl, Aufstieg, Schicksal von der großen Künstlerin – die allein die Macht in dieser Verwaltung in Händen [28] hielt, an deren Spitze sich kurzlebige und lediglich nominelle Direktoren unbemerkt ablösten – abhingen und die unsere Billetts entgegennahmen, ohne uns anzusehen, so sehr waren sie von der Sorge durchdrungen, ob auch wirklich alle Anweisungen von Madame Berma aufs genaueste dem neuen Personal weitergegeben worden waren, ob man verstanden hatte, dass die Claque niemals ihr selbst applaudieren dürfe, dass die Fenster geöffnet bleiben müssten, solange sie nicht auf der Bühne sei, dann aber auch die kleinste Tür sofort geschlossen werden müsse, dass ein Topf heißes Wasser unsichtbar in ihrer Nähe untergebracht werden solle, damit sich der Bühnenstaub legte: Und tatsächlich musste nun in jedem Augenblick ihr mit zwei langmähnigen Pferden bespannter Wagen vor dem Theater anhalten, sie diesem, in Pelze gehüllt, entsteigen und, während sie mit einer gelangweilten Geste den Begrüßungsrufen antwortete, eine ihrer Dienerinnen losschicken, um sich über die Proszeniumsplätze, die man für ihre Freunde reserviert hatte, in Kenntnis zu setzen, über die Temperatur im Saal, über die Komposition der Logen, über das Äußere der Logenschließerinnen, denn das Theater und die Öffentlichkeit waren für sie nur eine zweite, weiter außen liegende Bekleidung, in die sie sich hineinbegeben würde, und ein mehr oder weniger guter Leiter, durch den ihr Talent hindurchzufließen haben würde. Ich war auch im Zuschauerraum selbst glücklich; seit ich wusste, dass es – im Gegensatz zu dem, was mir meine kindlichen Vorstellungen so lange Zeit vorgegaukelt hatten – nur eine Bühne für alle gab, dachte ich, dass man, ähnlich wie inmitten einer Menschenmenge, durch die anderen Zuschauer gehindert sein würde, gut zu sehen; ich machte mir jedoch klar, dass sich im Gegenteil, dank einer Anordnung, die geradezu das Symbol aller Wahrnehmung ist, jeder als der Mittelpunkt des Theaters fühlt; was mir auch erklärte, weshalb Françoise, als man sie einmal ins Theater geschickt hatte, damit sie [29] sich ein Schauerstück vom dritten Rang aus ansehen konnte, nach der Heimkehr versichert hatte, ihr Platz sei der beste gewesen, den man hätte haben können, und statt sich zu weit entfernt zu fühlen, hatte sie sich von der geheimnisvollen und lebendigen Nähe des Vorhangs eingeschüchtert gefühlt. Mein Vergnügen steigerte sich noch, als ich hinter diesem herabgelassenen Vorhang gedämpfte Geräusche herauszuhören begann, so wie man sie unter der Schale eines Eies hört, wenn das Küken zu schlüpfen beginnt, die bald zunahmen und sich plötzlich, aus dieser für unseren Blick unzugänglichen Welt, die uns aber mit dem ihrigen sieht, unzweifelhaft an uns richteten, in der gebieterischen Gestalt dreier Klopfzeichen, die so aufregend waren wie Signale vom Mars. Und als – der Vorhang nunmehr geöffnet – auf der Bühne ein Schreibtisch und ein Kamin, recht gewöhnliche obendrein, zu erkennen gaben, dass die Personen, deren Eintritt man erwartete, keineswegs Schauspieler sein würden, die kommen, um etwas vorzutragen, so wie ich es einmal bei einer Soiree gesehen hatte, sondern Menschen in ihrem häuslichen Alltagsleben, in das ich eindrang, ohne dass sie mich sehen konnten, hielt mein Vergnügen weiterhin an; es wurde durch eine kurze Unruhe unterbrochen: gerade als ich die Ohren für den Beginn des Stückes spitzte, kamen zwei Männer auf die Bühne, die ziemlich wütend waren, denn sie sprachen so laut, dass man in diesem Saal, in dem sich mehr als tausend Menschen befanden, jede ihrer Äußerungen verstehen konnte, während man in einem kleinen Café darauf angewiesen ist, den Kellner zu fragen, was denn zwei Kerle, die einander in die Wolle geraten sind, eigentlich sagen. Aber im selben Augenblick, als ich noch erstaunt war zu sehen, dass das Publikum ihnen zuhörte, ohne zu protestieren, dass es in ein einhelliges Schweigen versunken war, das aber bald von einem Lachen hier und dort unterbrochen wurde, begriff ich, dass diese beiden Lümmel Schauspieler waren und dass das kleine [30] Voraus-Stück, der Aufwärmer, schon begonnen hatte. Ihm folgte eine derart lange Pause, dass die Zuschauer, die schon längst auf ihre Plätze zurückgekehrt waren, ungeduldig wurden und mit den Füßen trampelten. Ich war darüber erschrocken; denn ebenso, wie ich, wenn ich in Prozessberichten las, dass ein edelmütiger Mensch sich bereitgefunden habe, wider seine eigenen Interessen Zeugnis zugunsten eines Unschuldigen abzulegen, immer besorgt war, dass man nicht höflich genug mit ihm umgehen, dass man ihm nicht genügend Respekt erweisen, dass man ihn nicht reichlich genug belohnenwürdeundersichangewidertaufdieSeitederUngerechtigkeit schlüge; genauso, indem ich Genie und Tugend gleichsetzte, hatte ich Angst, dass die Berma, verärgert über das schlechte Benehmen eines derartig schlecht erzogenen Publikums – von dem ich im Gegenteil gewünscht hätte, dass sie darin mit Befriedigung einige Berühmtheiten hätte erkennen können, auf deren Urteil sie Wert legte –, ihr Missfallen und ihre Verachtung zum Ausdruck bringen würde, indem sie schlecht spielte. Ich betrachtete mit flehender Miene diese trampelnden Rohlinge, die in ihrer Raserei den zerbrechlichen und kostbaren Eindruck zu zerstören drohten, den ich hier suchte. Schließlich erlebte ich die letzten freudigen Augenblicke während der ersten Szenen von Phädra. Die Figur der Phädra erscheint zu Beginn des zweiten Aktes nicht; und doch trat, nachdem sich der Vorhang gehoben und sich ein zweiter, rotsamtener Vorhang geteilt hatte, der in allen Stücken, in denen die Diva spielte, den Bühnenraum in der Tiefe halbierte, aus dem Hintergrund eine Schauspielerin ein, die eine Figur und Stimme hatte, wie mir die der Berma beschrieben worden waren. Die Besetzung musste geändert worden sein, und all die Mühe, die ich mir mit dem Studium der Rolle von Theseus’ Frau gemacht hatte, war unnütz geworden. Doch eine andere Schauspielerin antwortete der ersten. Ich musste mich getäuscht haben, als ich letztere für die Berma [31] gehalten hatte, denn die zweite ähnelte ihr noch mehr und hatte auch mehr noch als die andere ihre Sprechweise. Beide unterstrichen zudem ihre Rollen mit edlen Gebärden – die ich deutlich erkennen konnte und deren Zusammenhang mit dem Text ich verstand, während sie ihre schönen Peplen* rafften – sowie mit kunstvollen Betonungen, zuweilen leidenschaftlich, zuweilen ironisch, die mir die Bedeutung eines Verses klarmachten, den ich zu Hause gelesen hatte, ohne allzu viel Aufmerksamkeit darauf zu verwenden, was er besagen mochte. Doch ganz plötzlich erschien, in der Öffnung des roten Vorhangs der geheiligten Stätte, wie in einem Rahmen, eine Frau, und an meiner Angst, die sicherlich viel besorgter war, als es die der Berma sein konnte, dass man sie irritieren würde, indem man ein Fenster öffnete, dass man den Klang eines ihrer Sätze beeinträchtigen würde, indem man mit dem Programmheft raschelte, dass man sie verstimmen würde, indem man ihren Kolleginnen zu viel oder ihr nicht genügend applaudierte; – an meiner ArtundWeiseauch,dieebenfallsnochunbedingterwaralsdieder Berma, von diesem Augenblick an Saal, Publikum, Darsteller, Stück und sogar meinen eigenen Körper nur noch als ein akustisches Medium zu betrachten, dem lediglich in dem Maße Bedeutung zukam, in dem es sich als günstig für die Modulationen dieser Stimme erwies, erkannte ich sofort, dass die beiden Schauspielerinnen, die ich vor wenigen Augenblicken bewundert hatte, nicht die geringste Ähnlichkeit mit der hatten, die zu hören ich gekommen war. Doch zugleich war meine ganze Freude dahin; ich mochte meine Augen, meine Ohren, meinen Geist noch so sehr auf die Berma konzentrieren, um mir auch nicht den geringsten Grund entgehen zu lassen, die sie mir liefern würde, sie zu bewundern, es gelang mir dennoch nicht, nur einen einzigen zu erhaschen. Ich konnte in ihrem Vortrag und in ihrem Spiel, anders als bei ihren Kolleginnen, nicht einmal kunstvolle Tonfälle, schöne Gebärden [32] erkennen. Ich hörte sie, wie ich Phädra gelesen haben würde, oder als ob Phädra selbst in diesem Augenblick das sagte, was ich hörte, ohne dass das Talent der Berma dem irgendetwas hinzugefügt hätte. Um ihn ausloten zu können, um herausfinden zu können, was an Schönheit in ihm steckte, hätte ich jeden Tonfall der Künstlerin, jeden Ausdruck ihrer Züge festhalten und lange Zeit vor mir unbeweglich stehen lassen mögen; unter Einsatz all meiner geistigen Beweglichkeit richtete ich die schärfste Aufmerksamkeit schon im voraus auf einen Vers und versuchte durch diese Vorbereitung, mir auch nicht das kleinste bisschen von der Dauer auch nur eines Wortes, nur einer Gebärde entgehen zu lassen, und dank der Intensität meiner Aufmerksamkeit schließlich so tief in sie einzudringen, wie ich es getan haben würde, wenn mir nur genug Zeit zur Verfügung gestanden hätte. Doch wie kurz diese Dauer war! Kaum hatte mein Ohr einen Klang empfangen, wurde er schon durch einen anderen ersetzt. In einer Szene, in der die Berma einen Augenblick lang unbeweglich verharrt, die Arme zur Höhe des Gesichts erhoben, durch einen Kunstgriff der Beleuchtung in ein grünliches Licht getaucht, vor einer Dekoration, die das Meer darstellt, brach der Saal in Applaus aus, doch schon hatte die Schauspielerin den Ort gewechselt, und das Bild, in das ich mich gerne vertieft hätte, bestand nicht mehr. Ich sagte zu meiner Großmutter, dass ich nicht gut sehen könne, und sie gab mir ihr Opernglas. Jedoch, wenn man an die Wirklichkeit der Dinge glaubt, dann ist der Gebrauch eines künstlichen Hilfsmittels, um sie sich zeigen zu lassen, nicht im geringsten damit zu vergleichen, sich ihnen nahe zu fühlen. Ich dachte, dass das, was ich sah, nicht mehr die Berma war, sondern ihr Bild in dem Objektiv. Ich legte das Opernglas wieder zurück; aber vielleicht war das durch die Entfernung verkleinerte Bild, das mein Auge nun empfing, nicht genauer; welche der beiden Bermas war die wahre? Was nun die Liebeserklärung an Hippolyt betrifft, so [33] hatte ich große Erwartungen in diese Passage gesetzt, in der sie, wenn man die kunstvolle Bedeutsamkeit zum Maßstab nimmt, die mir ihre Kolleginnen beständig auch in minder schönen Partien enthüllt hatten, ganz gewiss viel überraschendere Betonungen benutzen würde als alle, die ich mir zu Hause, wenn ich las, vorzustellen versucht hatte; aber sie schwang sich nicht einmal zu jenen auf, die Oenone* oder Aricia* gefunden hätten, sie ging mit dem Hobel eines gleichförmigen Singsangs über den ganzen Monolog hinweg, in dem auch Gegensätze völlig eingeebnet wurden, die derart markant sind, dass jede auch nur mäßig begabte Tragödin, ja selbst eine Gymnasiastin, sich die Wirkung nicht hätte entgehen lassen; zudem trug sie ihn derart schnell vor, dass sich mein Geist erst, als sie schon beim letzten Vers angekommen war, der vorsätzlichen Gleichförmigkeit bewusst wurde, die sie den ersten aufgezwungen hatte.
Schließlich brach ein erstes Gefühl der Bewunderung in mir hervor: es wurde durch die stürmischen Beifallskundgebungen der Zuschauer ausgelöst. Ich fügte die meinen hinzu und versuchte so, sie zu verlängern, damit die Berma sich, aus Dankbarkeit, noch überträfe und ich sicher sein könnte, sie an einem ihrer besten Tage gehört zu haben. Es ist übrigens merkwürdig, dass die Stelle, an der sich diese Begeisterung des Publikums entfachte, auch, wie ich seither erfahren habe, eben jene war, an der die Berma einen ihrer schönsten Einfälle anbringt. Es scheint, dass bestimmte übersinnliche Wesenheiten um sich her Strahlen aussenden, für die die Menge empfänglich ist. Ähnlich rufen, wenn zum Beispiel irgendein größeres Ereignis bekannt wird, wenn an der Grenze eine Armee in Gefahr oder geschlagen oder siegreich ist, die reichlich verworrenen Nachrichten, die man erhält und mit denen ein gebildeter Mensch nicht viel anzufangen weiß, in der Menge eine Erregung hervor, die ihn überrascht und in der er, nachdem ihn die Experten [34] erst einmal über die wirkliche militärische Situation ins Bild gesetzt haben, die Wahrnehmung des Volkes für jene »Aura« erkennt, die die großen Ereignisse umgibt und die auf Hunderte von Kilometern sichtbar sein kann. Man erfährt vom Sieg entweder verspätet, wenn der Krieg schon zu Ende ist, oder aber unverzüglich durch die Freude des Concierge. Man erfährt von einem genialen Zug im Spiel der Berma entweder acht Tage, nachdem man sie gehörthat,durchdieKritikodersofortdurchdieJubelrufedesParketts. Da aber diese unmittelbare Einsicht der Menge mit hundert anderen, völlig irrigen, vermengt ist, kamen die Beifallskundgebungen meistens an der falschen Stelle, ganz davon abgesehen, dass sie automatisch durch die Kraft des vorangegangenen Beifalls emporgeschaukelt wurden, so wie bei einem Sturm das Meer, sobald es genügend aufgewühlt ist, fortfährt anzuschwellen, selbst wenn der Wind nicht mehr zunimmt. Wie auch immer, in dem Maße, in dem ich Beifall spendete, schien mir auch die Berma besser gespielt zu haben. »Wenigstens«, sagte eine ziemlich gewöhnliche Frau neben mir, »verausgabt die sich, die treibt sich an, bis sie umfällt, die bringt ihre Sache an den Mann, da können Sie sagen, was Sie wollen, das nenne ich Spielen.« Und glücklich, diese Gründe für die Überlegenheit der Berma zu finden, auch wenn ich ahnte, dass sie diese so wenig erklärten wie der Ausruf eines Bauern »das ist schon gut gemacht!, ganz gediegen, und tadellos!, was für eine Arbeit!« jene der Mona Lisa oder des Perseus* von Benvenuto*, hatte ich doch berauscht teil am kruden Wein dieser öffentlichen Begeisterung. Ich empfand dennoch, als der Vorhang gefallen war, Enttäuschung darüber, dass das Vergnügen, das ich so sehr herbeigesehnt hatte, nicht größer gewesen war, doch zugleich auch das Verlangen, es zu verlängern, nicht für alle Zeit, indem ich aus dem Saal ging, dieses Theaterleben aufzugeben, das während mehrerer Stundenauchmeinesgewesenwarunddemichmich,wennich[35] direkt nach Hause ging, entreißen würde wie beim Aufbruch ins Exil, hätte ich nicht die Hoffnung gehabt, dort viel über die Berma von ihrem Bewunderer zu erfahren, dem ich es verdankte, dass man mir erlaubt hatte, in Phädra zu gehen, nämlich Monsieur de Norpois. Ich wurde ihm vor dem Essen von meinem Vater vorgestellt, der mich zu diesem Zweck in sein Arbeitszimmer rief. Bei meinem Eintritt erhob sich der Botschafter, reichte mir die Hand, neigte seine hohe Gestalt und heftete seine blauen Augen aufmerksam auf mich. Da die durchreisenden Fremden, die ihm zu der Zeit, als er Frankreich vertrat, vorgestellt wurden, mehr oder weniger – und waren es auch nur bekannte Sänger – angesehene Persönlichkeiten waren und er folglich von ihnen wusste, dass er später, wenn man ihren Namen in Paris oder in Petersburg erwähnte, sagen können würde, dass er sich ausgezeichnet an den Abend erinnere, den er in München oder Sofia mit ihnen verbracht habe, hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, ihnen durch seine Freundlichkeit die Befriedigung anzudeuten, die es ihm bereitete, sie zu kennen: Vor allem aber setzte er, in der Überzeugung, dass man durch das Leben in Hauptstädten, in der Begegnung zugleich mit interessanten Persönlichkeiten, die sie besuchen, wie auch mit den Gebräuchen des Volkes, das sie bewohnt, eine vertiefte Kenntnis, die auch die Bücher nicht vermitteln können, von der Geschichte, der Geographie, den Sitten der verschiedensten Nationen, den geistigen Strömungen Europas erwirbt, bei jedem Neuankömmling seine geschärften Fähigkeiten als Beobachter ein, um sich sogleich zu vergewissern, mit welcher Sorte Mensch er es zu tun hatte. Die Regierung hatte ihm schon lange keinen Posten im Ausland mehr anvertraut, doch noch immer begannen, als wären sie von seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand nicht benachrichtigt worden, seine Augen, sobald ihm irgendjemand vorgestellt wurde, ergiebige Beobachtungen anzustellen, während er durch seine [36] ganze Haltung zu zeigen suchte, dass ihm der Name des Fremden nicht unbekannt sei. Und daher hörte er die ganze Zeit, während er liebenswürdig und mit der gewichtigen Miene eines Mannes sprach, der sich seiner umfangreichen Erfahrung bewusst ist, nicht auf, mich mit einer durchdringenden, zielstrebigen Neugier prüfend zu betrachten, als wäre ich irgendein exotischer Brauch, irgendein lehrreiches Bauwerk oder irgendein Star auf Tournee. In dieser Weise legte er mir gegenüber zugleich die erhabene Liebenswürdigkeit des weisen Mentor* wie auch die eifrige Neugier des jungen Anacharsis* an den Tag.
Zur Revue des Deux Mondes machte er mir keinerlei Vorschläge, stellte mir aber eine Anzahl von Fragen über mein Leben und meine Studien, meine Neigungen, über die ich das erste Mal in einer Weise reden hörte, als könne es vernünftig sein, ihnen nachzugehen, während ich bis dahin geglaubt hatte, dass es eine Verpflichtung sei, ihnen entgegenzutreten. Da sie mich zur Seite der Literatur hin trugen, lenkte er mich nicht von ihr weg; er sprach im Gegenteil mit Hochachtung von ihr, wie von einem verehrungswürdigen und bezaubernden Mitglied eines auserlesenen Kreises, das man, aus Rom oder aus Dresden, in der besten Erinnerung hat und von dem man bedauert, dass man es, bedingt durch die Zwänge des Lebens, so selten wiedertrifft. Er schien mich, indem er auf fast anzügliche Weise lächelte, um die schönen Augenblicke zu beneiden, die sie mich, glücklicher und freier als er, würde erleben lassen. Aber schon die Begriffe, deren er sich bediente, zeigten mir die Literatur als sehr verschieden von dem Bild, das ich mir von ihr in Combray gemacht hatte, und ich begriff, dass ich doppelt recht daran getan hatte, ihrer zu entsagen. Bis jetzt war mir lediglich klar geworden, dass ich nicht das Talent zum Schreiben besaß; jetzt vertrieb mir Monsieur de Norpois sogar den Wunsch danach. Ich wollte ihm erklären, wovon ich geträumt hatte; vor Erregung [37] zitternd, hätte ich mir Vorwürfe gemacht, wenn nicht alle meine Äußerungen die genaueste Entsprechung dessen gewesen wären, was ich empfunden und dem ich noch nie zuvor Ausdruck zu verleihen unternommen hatte; kurz gesagt, meine Äußerungen ließen jegliche Klarheit vermissen. Aus professioneller Gewohnheit vielleicht, vielleichtauchaufgrundderGelassenheit,diesichjederbedeutende Mann auferlegt, den man um Rat fragt und der, in der Gewissheit, die Gesprächsführung in der Hand zu halten, in aller GemütlichkeitdenGesprächspartnersichabstrampeln,abrackernundabmühen lässt, vielleicht aber auch, um die charakteristischen Merkmale seines Kopfes zur Geltung zu bringen (ihm zufolge griechisch, trotz des großen Backenbarts), bewahrte Monsieur de Norpois, während man ihm etwas auseinandersetzte, ein so gänzlich unbewegtes Gesicht, als hätte man zu irgendeiner antiken – und tauben – Büste in einer Glyptothek gesprochen. Wenn plötzlich dann die antwortende Stimme des Botschafters herniederging wie der Hammer eines Auktionators oder ein Orakelspruch in Delphi, beeindruckte sie einen noch umso mehr, als nichts in seinem Gesicht die Art von Eindruck hatte erahnen lassen, den man auf ihn gemacht hatte, noch auch das Urteil, das er verkünden würde.
»Genau«, sagte er plötzlich zu mir, als ob der Fall entschieden sei und nachdem er mich vor den unbewegten Augen, die mich nicht einen Augenblick losließen, hatte herumstottern lassen, »wie bei dem Sohn eines meiner Freunde, der, mutatis mutandis, ganz wie Sie ist« (und er bediente sich, um von unseren gemeinsamen Neigungen zu sprechen, eines solch beruhigenden Tones, als ob es sich dabei nicht um eine Neigung zur Literatur, sondern zum Rheumatismus handelte, und als ob er mir beweisen wollte, dass man daran nicht stirbt).
»Deshalb hat er es vorgezogen, dem Quai d’Orsay* den Rücken zu kehren, obwohl ihm dort der Weg durch seinen Vater schon [38] gebahnt war, und sich, ohne sich darum zu bekümmern, was man dazusagenwürde,ansSchreibengemacht.ErhatgewisslichkeinenGrund,dieszubereuen.ErhatvorzweiJahren –eristübrigenswesentlichälteralsSie,naturgegebenermaßen –einWerkveröffentlicht,welchesdasGefühlderUnendlichkeitamWestuferdesViktoria-Njansa-Sees*zumThemahat,unddiesesJahreinwenigerwichtiges,abermitgeschickter,bisweilengarspitzigerFedergeschriebenesBüchleinüberdasRepetiergewehrderbulgarischenArmee,dieihnunzweifelhaftjenseitsseinesgleichengerückthaben.ErhatschoneinehübscheStreckezurückgelegtundistnichtderMann,unterwegsstehenzubleiben,undmiristbekannt,dassmanseinenNamen,ohnedassjedochderGedankeaneineKandidaturinsAugegefasstwordenwäre,zwei-oderdreimalinderAkademiederMoralischenWissenschaften*gesprächsweisehatfallenlassen,undzwarineinerWeise,dernichtsUngünstigesanhaftete.Allesinallemhater,ohnedassmanjedochsagenkönnte,er seiamGipfelangelangt,inedlemKampfeinedurchaushübscheStellungerobert,undderErfolg,dernichtimmernurdenUnruhestifternundWirrköpfenzufällt,denUmstandskrämern,dieauch sonst Krämerseelen sind, der Erfolg hat seine Anstrengungen belohnt.«
Mein Vater, der mich bereits in wenigen Jahren Akademiemitglied werden sah, verströmte eine Zufriedenheit, die Monsieur de Norpois noch zu ihrem Höhepunkt führte, als er mir, nach einem Augenblick des Zögerns, während dessen er die Folgen seiner Handlung abzuschätzen schien, seine Karte überreichte und dazu sagte: »Besuchen Sie ihn doch mit meiner Empfehlung, er wird Ihnen nützliche Ratschläge erteilen können«, Worte, mit denen er mich in eine ebenso schmerzliche Unruhe versetzte, wie wenn er mir angekündigt hätte, dass man mich am nächsten Tag als Moses an Bord eines Seglers anmustern würde.
Meine Tante Léonie hatte mir zusammen mit vielen eher [39] lästigen Gegenständen und Möbeln fast ihr ganzes Barvermögen vermacht – womit sie nach ihrem Tod eine Zuneigung zu mir zu erkennen gab, die ich während ihres Lebens kaum vermutet hatte. Mein Vater, der dieses Vermögen bis zu meiner Volljährigkeit zu verwalten hatte, zog Monsieur de Norpois über eine Reihe von Anlagemöglichkeiten zu Rate. Dieser empfahl Titel mit niedriger Verzinsung, die er für besonders solide hielt, vor allem englische Staatsanleihen und russische Vierprozenter*. »Bei diesen erstklassigen Werten«, sagte Monsieur de Norpois, »sind Sie, auch wenn die Erträge nicht bedeutend sind, jedenfalls sicher, das Kapital niemals schwinden zu sehen.« Mein Vater erzählte ihm in groben Zügen, was er für das übrige Geld gekauft hatte. Monsieur de Norpois zeigte ein fast unmerkliches Gratulationslächeln: Wie alle Kapitalisten schätzte er ein Vermögen als eine begrüßenswerte Angelegenheit, fand es aber vornehmer, nur mit einem kaum eingestandenen Zeichen des Einverständnisses demjenigen zu gratulieren, der darüber verfügte; zudem hielt er es, da er selbst kolossal reich war, für geschmackvoller, sich den Anschein zu geben, noch die geringfügigsten Einkünfte anderer für beachtenswert zu halten, mit einem gleichwohl freudigen und behaglichen Gedanken an die Überlegenheit der seinigen. Andererseits zögerte er nicht, meinen Vater zu der »Komposition« seines Depots »von sehr sicherem, sehr ausgewogenem, sehr feinem Geschmack« zu beglückwünschen. Man hätte meinen mögen, er messe den Beziehungen der Börsenwerte untereinander, und selbst den Börsenwerten als solchen, so etwas wie ein ästhetisches Verdienst bei. Von einem ziemlich neuen und wenig beachteten, von dem mein Vater ihm erzählte, sagte Monsieur de Norpois, darin ganz wie manche Leute, die Bücher gelesen haben, die sie allein zu kennen glaubten: »Aber ja, ich habe mich eine Zeitlang damit vergnügt, seine Notierung zu verfolgen, er war interessant«, mit dem nachträglich begeisterten [40]