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Eine Chronik der Belle Époque mit ihren Salons, ihren eleganten Restaurants, ihren besten Adressen für Roben, Anzüge, Krawatten, Blumen, Gebäck oder Eis; eine Chronik auch des mondänen Badelebens an den Stränden der Normandie; eine Satire des Großbürgertums, des Hochadels und der jüdischen Finanzwelt; Reflexion über Literatur und bildende Kunst; in erster Linie jedoch ein großartiger Roman mit kunstvoll gebauten Handlungssequenzen, kunstvoll inszenierten Begegnungen und kunstvoll »gemalten« Bildern: Stilleben à la Chardin, Strandbilder à la Boudin oder Seestücke à la Monet.
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Seitenzahl: 1190
Veröffentlichungsjahr: 2015
Mit Im Schatten junger Mädchenblüte gelang Proust endlich der Durchbruch: 1919 wurde der zweite Band von Auf der Suche nach der verlorenen Zeit mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Eine Chronik der Belle Époque mit ihren Salons, ihren eleganten Restaurants, ihren besten Adressen für Roben, Anzüge, Krawatten, Blumen, Gebäck oder Eis; eine Chronik auch des mondänen Badelebens an den Stränden der Normandie; eine Satire des Großbürgertums, des Hochadels und der jüdischen Finanzwelt; Reflexion über Literatur und bildende Kunst; in erster Linie jedoch ein großartiger Roman mit kunstvoll gebauten Handlungssequenzen, kunstvoll inszenierten Begegnungen und kunstvoll »gemalten« Bildern: Stilleben à la Chardin, Strandbilder à la Boudin oder Seestücke à la Monet.
Die Frankfurter Ausgabe folgt der 1954 erstmals erschienenen Übersetzung von Eva Rechel-Mertens. Der Text wurde korrigiert und teilweise neu gefaßt. Der Kommentar versucht, die Topographie der Belle Époque zu präzisieren und die Bezüge zu bildender Kunst und Literatur aufzudecken. Ein besonderes Augenmerk gilt Prousts Auseinandersetzung mit der Malerei.
Die von Luzius Keller herausgegebene Frankfurter Ausgabe umfaßt alle von Marcel Proust veröffentlichten und nachgelassenen Werke in teils neuer, teils überarbeiteter Übersetzung; die erste Abteilung versammelt Erzählungen, Essays und Kleine Schriften, die zweite Abteilung enthält den großen Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, die dritte Abteilung erfaßt Publiziertes und Unpubliziertes aus dem Nachlaß.
Marcel Proust
Im Schattenjunger Mädchenblüte
Auf der Suchenach der verlorenen Zeit
Band 2
Suhrkamp
Originaltitel:
À la recherche du temps perdu.
À l'ombre des jeunes filles en fleurs
Aus dem Französischen übersetzt von Eva Rechel-Mertens; revidiert von Luzius Keller und Sibylla Laemmel.
eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2015
Der vorliegende Text folgt der 3. Auflage der Ausgabe des suhrkamp taschenbuchs 3642.
© für diese deutschsprachige Ausgabe Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1995
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Umschlag: Göllner, Michels, Zegarzewski
Satz: Satz-Offizin Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn
eISBN 978-3-518-74378-2
www.suhrkamp.de
Als davon die Rede war, daß Monsieur de Norpois1 ein erstes Mal bei uns dinieren sollte, und meine Mutter ihrem Bedauern darüber Ausdruck gegeben hatte, daß Professor Cottard auf Reisen sei und sie, was ihre Person betraf, den Verkehr mit Swann gänzlich abgebrochen habe, denn der eine wie der andere hätten den ehemaligen Botschafter gewiß interessiert, hielt dem mein Vater entgegen, ein illustrer Gast, ein hervorragender Gelehrter wie Cottard sei bei einem Diner niemals fehl am Platz, Swann jedoch mit seiner Großtuerei und dieser gewissen Art, seine geringfügigsten Beziehungen vor aller Welt auszuposaunen, ein vulgärer Aufschneider, den der Marquis von Norpois sicher, wie er sich gern ausdrückte, »geschwollen« gefunden hätte. Diese Entgegnung meines Vaters bedarf nun einiger Worte der Erklärung, da sich manche Leute vielleicht an einen recht mittelmäßigen Cottard und an einen Swann erinnern, der im gesellschaftlichen Bereich Bescheidenheit und Zurückhaltung bis zu den äußersten Grenzen des Feingefühls getrieben hatte. Was letzteren anbetrifft, so hatte es sich ergeben, daß der ehemalige Freund meiner Eltern dem »jungen Swann« und ebenso dem Swann des Jockey-Clubs eine neue Persönlichkeit aufgesetzt hatte (die noch nicht die letzte sein sollte), nämlich die des Gatten von Odette. Er hatte den Spürsinn, die Begehrlichkeit und die Umsicht, die ihm immer eigen gewesen waren, den bescheidenen Ambitionen dieser Frau angepaßt und sich geflissentlich darum bemüht, sich weit unterhalb seiner früheren Stellung eine neue, der Gefährtin, die sie mit ihm einnehmen sollte, angemessene Position zu schaffen. Dort nun zeigte er sich als anderer Mensch. Da er (obwohl er auch weiterhin allein mit seinen persönlichen Freunden verkehrte, denen er Odette, soweit sie sie nicht von sich aus kennenzulernen wünschten, nicht aufzwingen wollte) gemeinsam mit seiner Frau ein zweites Leben unter einer neuen Gattung von Menschen begann, hätte man wohl noch verstanden, wenn er, um deren Rang und dementsprechend die Freuden der Eigenliebe einzuschätzen, die ihm der Umgang mit ihnen spenden mochte, zum Vergleich nicht die höchsten gesellschaftlichen Kreise, in denen er vor seiner Heirat verkehrte, sondern die früheren Bekanntschaften Odettes herangezogen hätte. Doch selbst wenn man wußte, daß er jetzt Verbindung zu uneleganten Beamten suchte, zu abgeschmackten Frauen, wie sie die Bälle der Ministerien schmücken, war man doch erstaunt zu hören, wie er, der früher in so anmutiger Weise eine Einladung nach Twickenham oder in den Buckingham-Palast verhehlte und es auch jetzt noch tat, lauthals verkündete, die Frau eines stellvertretenden Kabinettchefs habe den Besuch Madame Swanns erwidert. Man wird vielleicht einwenden, daß die Schlichtheit des eleganten Swann nur eine raffiniertere Form von Eitelkeit bei ihm gewesen sei und daß, wie es manchmal bei Juden der Fall ist, der ehemalige Freund meiner Eltern abwechselnd die verschiedenen Stadien aufgewiesen haben mochte, die die Angehörigen seiner Rasse durchlaufen hatten, vom naivsten Snobismus und von gröbster Flegelei bis hin zur erlesensten Höflichkeit. Der tiefere Grund jedoch, der sich übrigens auf die Menschheit im allgemeinen anwenden läßt, war der, daß unsere Tugenden selbst nichts Freies, gleichsam im Raum Schwebendes sind, das uns stets zur Verfügung stünde; sie gehen in unserem Geist schließlich eine so enge Verbindung mit den Handlungen ein, bei denen wir uns ihre Ausübung zur Pflicht gemacht haben, daß eine plötzlich von uns verlangte Betätigung ganz anderer Art uns unvorbereitet trifft und gar nicht auf den Gedanken kommen läßt, hier könne ihre Anwendung ebenfalls angezeigt sein. Wenn Swann sich um diese neuen Bekanntschaften so eifrig bemühte und sie voller Stolz aufzählte, so hielt er es wie jene bescheidenen oder großzügigen Künstler von Rang, die, wenn sie sich am Ende ihres Lebens mit Kochen oder mit Gärtnerei beschäftigen, eine naive Genugtuung an den Tag legen, sobald man die von ihnen zubereiteten Gerichte oder ihre Blumenbeete lobt, in dieser Beziehung jedoch die Kritik nicht vertragen, die sie ruhig gelten lassen, wenn es um die bedeutendsten ihrer Werke geht; oder wie die Maler, die ihre Bilder zwar für ein Butterbrot hergeben, aber nicht ohne böse zu werden zwei Francs beim Domino verlieren können.
Was Professor Cottard anbelangt, so werden wir ihn sehr viel später ausgiebig bei der Patronne wiedersehen, im Schloß von La Raspelière. Im Augenblick möge es genügen, über ihn folgendes zu bemerken: Bei Swann mag die Veränderung allenfalls überraschen, weil sie schon vollzogen und meinerseits ungeahnt geblieben war, als ich dem Vater Gilbertes in den Anlagen der Champs-Élysées begegnete, wo er ja im übrigen, da er kein Wort zu mir sprach, mir gegenüber seine Beziehungen zu politischen Kreisen gar nicht herausstreichen konnte (und hätte er es auch getan, vielleicht wäre mir seine Eitelkeit nicht sofort aufgefallen, denn die Vorstellung, die man sich lange Zeit von einer Person gemacht hat, verschließt einem Augen und Ohren: drei Jahre lang bemerkte meine Mutter die Schminke, die sich eine ihrer Nichten auf die Lippen strich, ebensowenig, als wäre sie unsichtbar gänzlich in einer Flüssigkeit aufgelöst gewesen, bis zu dem Tag, da ein zusätzliches Partikelchen oder irgend ein anderer Umstand jenes Phänomen herbeiführte, das man Übersättigung nennt; da kristallisierte die ganze nicht bemerkte Schminke, und angesichts dieser plötzlichen Farborgie erklärte meine Mutter, wie man es in Combray getan hätte, es sei eine Schande, und brach fast jede Beziehung zu ihrer Nichte ab). Bei Cottard hingegen lag die Epoche, in der wir ihn Swanns erstem Auftritt bei den Verdurins haben beiwohnen sehen, nun schon ziemlich weit zurück; doch stellen sich Ehren und amtliche Titel nun einmal mit den Jahren ein. Zweitens kann man ungebildet sein, stupide Kalauer machen und gleichzeitig über eine besondere Begabung verfügen, wie keine noch so umfassende Allgemeinbildung sie ersetzt, etwa die Begabung des großen Strategen oder des großen Diagnostikers. In der Tat, Cottard war in den Augen seiner Kollegen alles andere als ein unbedeutender Praktiker, der mit den Jahren zu einer europäischen Berühmtheit geworden war. Die gescheitesten unter den jungen Medizinern erklärten – zumindest ein paar Jahre lang, denn die Moden ändern sich, um so mehr, als sie ja selbst aus dem Bedürfnis nach Veränderung hervorgegangen sind –, sie würden, wenn sie je erkrankten, Cottard als einzigem Meister des Fachs ihr Fell anvertrauen. Gewiß zogen sie den Umgang mit gebildeteren und musischeren Chefärzten vor, das heißt solchen, mit denen sie über Nietzsche und Wagner reden konnten. Wenn bei Madame Cottard musiziert wurde, an den Abenden, da sie – in der Hoffnung, er werde einmal Dekan der Fakultät – die Kollegen und Schüler ihres Mannes geladen hatte, hörte er selbst nicht zu, sondern spielte lieber Karten in einem Nebensalon. Aber er war berühmt für die Schnelligkeit, Gründlichkeit und Sicherheit seiner mit einem Blick erstellten Diagnose. An dritter Stelle kann man mit Rücksicht auf den Gesamteindruck, den Professor Cottard auf einen Mann wie meinen Vater machte, noch die Beobachtung anführen, daß die Wesensart, die wir in der zweiten Hälfte unseres Lebens hervorkehren, nicht immer – wenn auch häufig – eine entwickelte oder verkümmerte, vergröberte oder gemilderte Form unserer früheren ist; sie ist manchmal einfach umgekehrt, exakt wie ein gewendeter Rock. Außer bei den Verdurins, die ganz in Cottard vernarrt waren, hatten ihm seine zögernde Miene, seine übertriebene Schüchternheit und Artigkeit in seiner Jugend ständig Sticheleien eingetragen. Welcher Freund hatte Erbarmen mit ihm gehabt und ihm geraten, eine eisige Miene aufzusetzen? Das Ansehen seiner Stellung machte es ihm leichter, sie sich zuzulegen. Überall, außer bei den Verdurins, wo er instinktiv wieder er selbst wurde, trat er kühl auf, mit Vorliebe schweigsam, schneidend, wenn er dennoch reden mußte, und vergaß auch nie, unangenehme Dinge zu sagen. Erproben konnte er diese neue Haltung an Patienten, die ihn noch nicht gesehen hatten und daraufhin keine Vergleiche anstellen konnten; sie wären sehr erstaunt gewesen zu hören, daß sein rauhes Wesen ihm nicht angeboren war. Vor allem zwang er sich zu einer Miene vollkommenen Unbeteiligtseins, und selbst während er seinen Dienst im Krankenhaus versah, sorgte er stets dafür, daß, wenn er irgendwelche Kalauer zum besten gab, über die vom Chef der Klinik bis zum jüngsten Volontärassistenten alle herzhaft lachten, kein Muskel sich rührte in seinem Gesicht, das im übrigen nicht wiederzuerkennen war, seitdem er sich Schnauzer und Bart hatte rasieren lassen.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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