Auf immer gefangen (Königreich der Wälder 2) - Erin Summerill - E-Book

Auf immer gefangen (Königreich der Wälder 2) E-Book

Erin Summerill

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Beschreibung

*** Zweiter und abschließender Band des romantischen Fantasy-Abenteuers rund um die Fährtenleserin mit der besonderen Gabe. *** Tessa will endlich ein ruhiges Leben führen, an der Seite von Cohen, dem Freund aus Kindertagen. Doch seit sie mit ihrer neu entdeckten Fähigkeit den jungen König Aodren gerettet hat, sind sie durch ein magisches Band vereint – vielleicht unlösbar. Dass Aodren Tessa als Adlige an den Hof holen will, macht es nicht leichter. Denn dort erwarten sie Menschen, die ihre Magie missbrauchen wollen. Tessa muss ihre Kräfte beherrschen lernen, sonst sind ihr Leben, das Königreich und vor allem ihr Herz in größter Gefahr. --- Eine Geschichte voller faszinierende Magie, gefahrvoller Intrigen und mit ganz viel Gefühl! ---

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Erin Summerill

Auf immer gefangen

Fährtenleserin Tessa hat genug von Gefahr und Abenteuer. Sie will endlich ein ruhiges Leben führen in ihrer kleinen Hütte am Wald. Und sie hofft auf eine Zukunft mit Cohen, dem Freund aus Kindertagen, der inzwischen so viel mehr für sie ist. Doch seit sie mit ihrer neu entdeckten Fähigkeit den jungen König Aodren gerettet hat, sind sie beide durch ein magisches Band vereint. Ein Band, das sich vielleicht nie lösen lässt.

Dass Aodren Tessa als Adlige an den Hof holen will, macht es ihr nicht leichter. Denn dort erwarten sie Menschen, die ihre Magie missbrauchen wollen. Feinde aus der Vergangenheit, die weiterhin nach Macht streben. Tessa muss ihre Kräfte beherrschen lernen, sonst sind ihr Leben, das Königreich und vor allem ihr Herz in größter Gefahr.

Eine Geschichte voller Magie, voller Gefahr und mit ganz viel Gefühl!

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Danksagung

Viten

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Leseprobe

Für Mark,meinen Mann, mein Herz, meine wahre Hälfte –du hast mich gelehrt, dass Freundschaft der schönste Beginn jeder großen Romanze ist.

Eins

COHEN

Jede Minute in einer shaerdanischen Taverne ist eine Minute zu viel. Ich bedeute Finn, sich hinter mir zu halten, als die knarzende Tür zuschlägt und wir den lauten, überfüllten, von Laternen erleuchteten Raum betreten. Wir ernten einige Blicke, doch die meisten Gäste wenden sich gleich wieder ihren Krügen zu. Nur ein einäugiger Kater, der auf einem Bierfass hockt, stiert meinen jüngeren Bruder und mich unverwandt an. Mich stören weder die griesgrämigen Gestalten, die in Spelunken wie dieser immer zu finden sind, noch die Dirnen mit ihren hochgerafften Röcken und den bunten Unterkleidern oder der grölende Barde und der Kerl, der ihn an der Gitarre begleitet. Alle sind sturzbetrunken – die Augen glasig, die Münder breit grinsend, die Stimmen angeregt krächzend. Nein, es ist der Geruch, der mir jedes Mal zusetzt. In diesem regenreichen Land riecht alles viel stärker, und darum hängt in den Tavernen stets eine beißende Mischung aus schimmelnden Dielen, Essig und fermentiertem Elend in der Luft.

Ich halte den Atem an und schiebe ein zusammengefaltetes Stück Pergament in meine Gürteltasche. Finn beobachtet mich. In den letzten vier Wochen hat er schon öfter gesehen, wie ich es hervorhole. Ihm wird nicht entgangen sein, dass ich das immer häufiger tue, je weiter wir uns von Malam entfernen.

Er hütet sich wohlweislich, es zu erwähnen.

Finn und ich durchqueren den Schankraum und setzen uns an den Tresen. Nach der langen Nacht und dem halben Tag im Sattel tut die Rast gut. Würde ich meinen Kopf auf die Hände legen, könnte ich auf der Stelle einschlafen. Verlockend, wenn wir dem Ziel unserer Jagd nicht so nah wären. Und wenn wir uns nicht in Shaerdan befänden, wo unsere malamische Herkunft auf keinen Fall auffliegen darf. Die Vision eines goldblonden, sommersprossigen Mädchens mit einem Lächeln, das man sich verdienen muss, bohrt mir einen Pfeil der Sehnsucht ins Herz.

Am Tisch unmittelbar hinter uns ist ein Kartenspiel im Gange. Shaerdanische Silberstücke türmen sich hoch genug, um gierige Zuschauer anzulocken. Ich verdränge die Müdigkeit und straffe die Schultern. Zwinge mich, die Hände zu entspannen. Eine ruht über meiner linken, mit Münzen gefüllten Hosentasche. Die andere liegt locker auf dem Tresen. Ich bemühe mich, glaubwürdig zu wirken. Heute darf ich mir keine Fehler erlauben. Nicht wenn wir so kurz davor sind, Lord Jamis’ Mätresse zu finden.

Der Wirt ist ein kräftiger Kerl, nicht größer als ich, aber mit einem Wanst, als hätte er sich ein Fass Bier vor den Bauch gespannt. Er unterhält sich eifrig mit den anderen Gästen und schenkt Finn und mir keine Beachtung. So ist das in den Tavernen. Hier liebt man Klatsch und Tratsch ebenso sehr wie auf den Märkten von Malam.

Ich werfe dem Mann einen finsteren Blick zu und poche mit den Knöcheln auf den klebrigen Tresen.

»Komm ja schon«, grummelt der Wirt. Er schiebt sich zu mir rüber und stützt die Arme auf die Bar zwischen uns. Seine trüben, schwarzen Augen wandern über mich und meinen kleinen Bruder. »Was solls sein?«

Hier in Rasimere, einem entlegenen Städtchen in Shaerdans Süden, war ich noch nie. Seit Malam und Shaerdan sich beinahe den Krieg erklärt hätten, ist die Anspannung im Land enorm. Was meine Aufgabe noch schwerer macht. Kaum ein Verbindungsmann spricht mit mir, ohne das Schwert zu ziehen. Gestern hat ein Wirt im Norden aber bestätigt, dass Lord Jamis’ Mätresse, Phelia, nur einen halben Tag Vorsprung auf uns habe und auf dem Weg hierher sei. Der Oberste Lord hatte nicht lange nach seiner Verhaftung – und nachdem Omar ein bisschen nachgeholfen hatte – gesungen wie ein Vögelchen und uns den Namen der Seelenleserin verraten, die mit ihm verbandelt war.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Edelleute bei Hofe sich eine Mätresse halten. Die Frauen treten kaum in Erscheinung. Daher bezweifle ich, dass irgendjemand Phelia als mögliche Gefahr betrachtet hat. Vor allem nicht, da sie durch ihren hochrangigen Gebieter besonderen Schutz genoss. Aber diesen Fehler werden ich und die wenigen anderen, die das von ihr angerichtete Unheil kennen, nicht noch einmal machen.

Kaum war ihr Name offenbart, beauftragte König Aodren mich, sie zu finden. Seitdem bin ich Phelias Spur quer durch Malam und weiter ins gefährliche Shaerdan gefolgt. Und jetzt haben wir dank Sirons Schnelligkeit genug Boden gutgemacht, um die Verräterin zu stellen.

Seit einem Monat nimmt mich diese verdammte Jagd in Beschlag. Das ist ein Monat länger, als ich von Brentyn und Tessa fort sein wollte. Und verflucht noch eins, wie habe ich mich verloren gefühlt in der ganzen Zeit. Als hätte die Trennung mich von mir selbst entfernt.

Heute geht die Jagd zu Ende.

Die wenigsten Wirte dulden es, wenn man einen ihrer Stühle besetzt, ohne sich einen oder auch gern vier Krüge ausschenken zu lassen. Seis drum, für solches Vorgeplänkel bleibt mir keine Zeit. »Wir suchen unsere Mutter. Sie ist in den Süden gereist, um eine Anstellung zu finden.« In shaerdanischem Akzent spinne ich das Märchen weiter: Wir seien Soldaten, die aus dem Krieg heimkehrten – oder jedenfalls aus dem Heerlager, denn der Krieg hatte ja vor etwas über einem Monat geendet, noch bevor er offiziell beginnen konnte. »Hellbraunes Haar, blaue Augen, etwa so groß. Ihr Name ist Phelia.« Ich halte die Hand in die Höhe, während ich die Beschreibung der Schlossbediensteten wiedergebe. »Ist dir so jemand untergekommen?«

Der Mann schiebt die Zunge erst in die Wange und dann über seine halb verfaulten Zähne. »Tja. Vielleicht.«

»Ich bin ganz Ohr.«

»Ja … Könnte sein, dass ich heut eine gesehen hab, die so aussah.«

»Wann genau?«, mischt sich Finn ein. Ich werfe ihm einen warnenden Blick zu. Sein shaerdanischer Akzent würde nicht mal eine taube Ziege täuschen. Was ich ihm schon im letzten Dorf gesagt habe.

Dem Wirt scheint es nicht aufzufallen. Er knallt zwei Krüge auf den Tresen. »Bevor wir weiterschwatzen, kriegt ihr Burschen erst mal was zum Saufen.«

Es ist ein Kampf, locker weiterzulächeln, obwohl der Kerl etwas über Phelia weiß. Meine Hand wandert an meinen Gürtel, über das im Leder versteckte Pergament. Meistens beruhigt mich diese Bewegung.

»Oder, wenn ihr sofort loswollt …«, der Mann klopft mit einem Glas auf den Tisch, »… könnt ihr auch für zwei Bier zahlen und mit ein paar Auskünften abziehen.«

Aha. Hätte ihm gleich mit Geld kommen sollen. Ich hole einige Münzen hervor und lasse sie klimpernd auf den Tresen fallen. »Reicht das?«

»Cohen.« Finns Zischen schreckt mich auf. Er greift nach den Münzen.

Der Wirt schlägt mit der Faust nach Finns Hand und drückt sie auf den Tisch.

Mein Bruder wimmert auf.

Bestürzt stoße ich meinen Stuhl zurück und beuge mich über den Tresen. »Nimm sofort deine Finger weg.«

Die Musik bricht ab. Alle Köpfe in der Taverne fahren zu uns herum. Ein paar Männer stehen langsam auf.

»Kein Shaerdaner würde mit malamischem Geld zahlen«, sagt der Wirt.

Mein Kiefer zuckt und mein Magen zieht sich zusammen, als hätte Siron mich in den Bauch getreten.

Senf und Pfeffer.

»Ihr glaubt, ich wäre einer von diesen jämmerlichen Wichten?«, spucke ich aus, in einem schweren Akzent, der laut und auffällig durch die totenstille Taverne hallt.

Finns Blick springt durch den Raum und zurück zu seiner gefangenen Hand. Der Kleine versteckt seine Panik so gut wie ein Katzenjunges im Wolfsbau.

»Dein Bruder guckt, als würd er gleich seine Henkersmahlzeit ausspucken. Wie ’n Soldat sieht der mir nich aus.« Er packt Finns Hand und biegt Finger um Finger hoch, um die verräterischen Münzen einzusammeln.

Drei Kreuze, dass Finn den Mund hält.

»Hab ganz vergessen, dass ich die noch in der Tasche hatte.« Ich lehne mich zurück und zucke mit den Schultern. »An der Grenze hab ich ein paar malamische Silberstücke gebraucht. Kein Grund, deswegen Schaum zu schlagen.«

Stiefel schaben über den Dielenboden. Männer rücken näher.

Der Wirt legt den Kopf schräg. »Vor zwei Wochen sind zwei Mädchen von hier verschwunden. Das hat die Leute ganz schön mitgenommen. Und letzte Woche ist auch im Nachbardorf eins entführt worden. Ihr Vater hat die Männer noch gesehen. Wollte sie aufhalten und hats mit dem Leben bezahlt. Seine arme Frau konnte nur tatenlos zusehen, wie die Kerle ihre Tochter in eine Kutsche gezerrt haben. Hat sie reden hören. Die hätten malamisch geklungen, meinte sie. Sag, wozu sollten diese verdammten Säcke aus Malam uns die Mädchen stehlen wollen? Vielleicht sind sie ganz wild drauf, den Krieg doch noch loszutreten? Was weißt du darüber, Reisender?«

»Nicht mehr als das, was in den Tavernen gemunkelt wird.« Unterwegs habe ich einige ganz ähnliche Geschichten aufgeschnappt. Töchter, die des Nachts entführt werden. Manche auch am helllichten Tag. Keine Frauen, nur Mädchen. Durchaus ein Anlass zur Sorge, aber darum kümmere ich mich erst, wenn ich Phelia Handschellen angelegt habe. »Wie ich sehe, bist du nicht auf den Kopf gefallen«, sage ich zu dem Wirt. »Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass mein Bruder und ich etwas damit zu tun haben. Münzen haben nichts zu bedeuten. Sammlerstücke.«

»Dein Bruder ist aber auffällig still.«

»Er ist schüchtern. Du machst ihm eine Heidenangst.«

Hinter meiner linken Schulter nehme ich einen Schatten wahr. Ein Hüne glotzt auf uns herunter. »Ja, sag gefälligst was, Junge.«

»Lasst ihn aus dem Spiel.« Die Warnung schwingt deutlich mit.

Ein weiterer Mann schiebt sich hinter Finn, um uns den Weg zur Tür zu verstellen. »Vielleicht haben wir hier ja zwei ihrer Spitzel am Wickel. Vielleicht können wir aus ihnen rausquetschen, wo sie unsere Mädchen verstecken.« Sein struppiger Bart bewegt sich kaum, wenn er spricht, sodass die Worte aus seinem Mundschlitz hervorgekrochen kommen wie Schlangen unter einem Dornenstrauch. Sicher glaubt er nicht wirklich, dass wir die Entführer sind, sonst hätte er uns längst niedergestreckt. Trotzdem beobachte ich seine Hand, die sich zu dem Dolch in seinem Gürtel schiebt. »Wir hören, Kleiner.«

In den vierzehn Jahren seines jungen Lebens hatte ich genug Gelegenheit, Finns sämtliche Gesichtsausdrücke kennenzulernen. Wie er über beide Ohren strahlt, wenn er eine Bachforelle fängt. Wie er die Brauen zusammenzieht, wenn er frustriert oder wütend ist. Wie sich seine Augen verdüstern, wenn ich für mehrere Monate Abschied von ihm nehme. Doch die Miene, die er jetzt macht, ist mir neu. Panik, Angst und noch mehr. Etwas wie Enttäuschung.

Ich lege Finn eine Hand auf die Schulter und drücke sie aufmunternd. »Er ist ein Junge. Einer, der zurück aufs Feld gehört, zur Erntearbeit. Tavernen sind kein Ort für ihn. Zeit zu gehen, Finn.«

»Nicht so schnell, Freundchen«, sagt der Riese hinter mir.

»Er sagt die Wahrheit.« Finns Aussprache liegt meilenweit daneben.

»Er ist aus Malam!«, brüllt der Wirt.

Bei allen Senfkörnern!

Jemand greift nach Finn, doch mein Bruder rutscht vom Hocker. Ich ramme dem Mann hinter mir einen Ellbogen in die Brust, bevor er sich Finn schnappen kann. »Raus hier!«, keuche ich.

Mein Bruder bahnt sich einen Weg zur Tür, während zwei weitere Männer auf mich zustürmen. Vier zu eins. Machbar. Und der Tresen hält mir den Wirt vom Leib.

Der bärtige Mann geht zum Angriff über. Ich springe zurück, packe meinen Hocker und stoße ihn dem Kerl in den Bauch. Um mich Richtung Tür zu bugsieren, ramme ich einen zweiten Mann mit der Schulter. Wehre einen Fausthieb ab. Stecke einen Kinnhaken ein. Mistkerl.

Ich blocke einen Schlag, ducke mich unter einem Angriff von der Seite weg und weiche knapp einem Hocker aus, der als Geschoss dient. Der Kampf wird mit begeistertem Grölen quittiert. Hie und da ruft jemand, man solle Schluss machen. Mit dem Kampf. Oder mit mir. In der Taverne bricht die Hölle los.

Ich schaffe es, einen der Männer auf den Spieltisch zu schubsen. Karten fliegen durch die Luft. Geld rasselt zu Boden. Durch die Ablenkung bleibt nur noch ein Hindernis zwischen mir und dem Ausgang übrig, ein wahrer Schrank von einem Mann. Er ist mindestens einen halben Kopf größer und einen halben Leibesumfang kräftiger als ich. Als er klirrend sein Schwert zieht, fluche ich laut.

Der Mann holt aus. Ich greife mir einen Hocker und schwinge ihn vor mich, um seine Klinge abzuwehren, bevor sie mir den Arm abschlägt. Die Wucht des Schwerthiebs fährt mir in jeden Knochen. Mit aller Kraft wirble ich den Hocker herum und stoße zu, was den Mann aus dem Gleichgewicht bringt und mir für einen winzigen Moment den Weg zur Tür frei gibt.

Finn ist auf der anderen Straßenseite. Er rennt auf eine kleine Gasse zu. Keuchend hetze ich ihm nach. Die Schläger aus der Taverne jagen uns quer durch die Stadt, doch sie sind besoffen und wir nüchtern. Wir schlängeln uns durch kleine Läden und verstecken uns in dunklen Ecken, bis wir alle Verfolger abgeschüttelt haben.

Am Nordrand von Rasimere steht eine alte, verlassene Scheune. Wir drücken uns an die Wand, die zum Wald zeigt, und schnappen nach Luft.

Finn rinnt der Schweiß über die Schläfen. »Ich fass es nicht.«

»Ich hätte dich fast ans Messer geliefert.« Ich stoße die Worte einzeln hervor, so wütend bin ich. Ich habe unserer Mutter und mir selbst geschworen, dass ich gut auf ihn aufpasse. Das ist mir bestens gelungen …

»Ach was. Ich fass es nicht, dass du mich wegschickst, bevor der Spaß überhaupt erst anfängt.«

Ich reibe mit dem Daumen über die Narbe, die unter meinem Wangenknochen beginnt und von meinem kurzen Bart verdeckt wird. »Der Spaß?«

»Ich hab nicht richtig austeilen können, aber trotzdem …«

»So weit hätte es überhaupt nicht kommen dürfen.«

»Meine erste Wirtshausprügelei«, sagt er stolz.

»Sei kein Dummkopf.«

Er strahlt mit der Sonne um die Wette.

Hinter der Ecke tappen Schritte über den Boden. Gerade als ich meinen Dolch zücke, taucht ein Mädchen mit gezogenem Schwert vor uns auf. Ihr rabenschwarzes Haar und das braun gebrannte Gesicht kommen mir vage bekannt vor. Verärgert, weil sie sich so unbemerkt anschleichen konnte, richte ich die Spitze meines Dolchs auf sie. »Halt. Was willst du?«

Um ihre Mundwinkel zuckt es. »Ich freue mich auch, dich zu sehen, Cohen.«

Ich lege die Stirn in Falten und zermartere mir das Hirn. Wer ist dieses Mädchen?

Sie stößt ein kurzes, krächzendes Lachen aus, das klingt, als würde es durch einen Dudelsack gepresst. »Du erkennst mich wohl nicht, was? Wir sind uns einmal begegnet …« Sie wartet ab, als hoffte sie, meiner Erinnerung auf die Sprünge geholfen zu haben. »In Celize.«

»Da bin ich vielen begegnet.«

Ihr Lächeln erstirbt. »Unter Enats Dach.«

Vor meinem geistigen Auge erscheint ein einsames Haus im Wald vor Celize. Mein Missmut weicht Erstaunen. »Die Tochter des Erzverräters. Lirra, nicht wahr?«

Ihr Vater ist dafür berüchtigt, sich öffentlich gegen das Säuberungsedikt gestellt zu haben – einen Erlass, der die meisten Animistinnen aus Malam vertrieben hat. Nachdem seine Frau und sein kleines Kind zur Strafe für seinen Treuebruch ermordet worden waren, floh er nach Shaerdan.

Lirra reckt sich wie ein Pfeil in die Höhe. »Nenn ihn nicht den Erzverräter. Hierzulande heißt er einfach Millner Barrett.«

»Nichts für ungut.«

Sie beäugt meinen Dolch. »Steck die Waffe weg, Jäger. Ich weiß, wo du die Frau findest, die du jagst.«

Zwei

TESSA

»Tessaaaa!« Gillian fährt hektisch von ihrem Platz am Fenster hoch. Ihre nachtschwarzen Brauen verschwinden fast unter dem perfekt gescheitelten Haar, so weit reißt sie die Augen auf. Mit ihren kleinen Händen umfasst sie meinen Arm, ohne den Dolch zu beachten, den ich gerade schleife, und zerrt mich ans Fenster. »Schau doch, eine Gruppe von Reitern. Sie tragen die königliche Fahne.«

Ich löse ihre Finger von meinem Arm und unterdrücke die Unruhe, die ihre Bemerkung in mir hervorruft. Seit einem Monat wohnt Gillian nun schon auf König Aodrens Wunsch bei mir, um mich gesund zu pflegen, doch dass ich ihre Aufregung über Besuche vom Königshof nicht teile, hat sie bisher noch nicht begriffen. »Gib acht. Ich hätte dich aufschlitzen können.«

Sie lacht verärgert auf. »Wohl kaum. Oder sollte ich lieber sagen: Wenn, dann würde es nicht versehentlich passieren.«

Ich pruste los. Für eine königliche Kammerzofe, die zu gutem Benehmen und tadelloser Ausdrucksweise erzogen worden ist, hat Gillian eine ganz schön spitze Zunge.

»Dein Dolch ist scharf genug. Leg ihn weg und geh dich ein bisschen hübsch machen. Was, wenn der König persönlich kommt?« Sie rümpft die Nase über meine alte Hose – Papas alte Hose –, die unter einer verblichenen Tunika an meinen Hüften hängt.

Meine Klinge singt wieder auf dem Schleifstein, und ich werfe Gillian einen Was-kümmert-mich-das-Blick zu. Dabei lässt es mich ganz und gar nicht kalt. Ich wünschte, der König würde endlich aufhören, derart Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Nach jedem Besuch von ihm wird in der Stadt über mich geredet. Da kann es schnell passieren, dass mich jemand als Animistin bezeichnet. Und was dann?

»Du bist … grmpf … so widerspenstig.« Sie wirft die Hände in die Luft. Doch gleich darauf beruhigt sie sich, tastet mit den Fingern über ihr Haar und glättet eine unsichtbare Strähne, obwohl ihre Frisur makellos ist. Sie beherrscht den rabenschwarzen Helm perfekt. Gillian ist nur ein paar Jahre älter als Cohen, aber manchmal führt sie sich auf wie ein pedantisches altes Weib.

Ich lasse mich in den Holzsessel fallen und heuchle Gleichgültigkeit. »Wenn jemand unbefugt mein Land betritt, muss er mich eben so nehmen, wie ich bin.« Nur mühsam überspiele ich damit die Anziehung, die der sich nähernde Besucher auf mich ausübt – diesen körperlichen Sog, durch den ich mich fühle wie ein zu früh aus dem Winterschlaf erwachter Bär, den es knurrend zum Höhlenausgang treibt. Ich kralle die Finger in das Holz.

Senf und Pfeffer, warum lässt er mich nicht in Ruhe?

»Bei allen Göttern, Tessa. Mir ist wirklich unbegreiflich, warum irgendjemand dir einen Besuch abstatten wollte. Bitte, kannst du nicht wenigstens dieses eine Mal ein bisschen Anstand wahren?« Ihr besorgter Blick wandert von mir zum Fenster, wo die Nachmittagssonne schon tief am Himmel steht.

In den vergangenen vier Wochen haben Gillian und ich nahezu jeden wachen Moment miteinander verbracht, und so kennen wir uns nun sehr gut. Allein bin ich nur, wenn ich auf die Jagd gehe, da Gillian sich weigert mitzukommen. Damen jagen nicht, sagte sie letzte Woche. Ich versicherte ihr, dass Damen sehr wohl jagen gingen, wie das von mir geschossene Geflügel hinlänglich beweise. Gillian verdrehte die Augen. Sie habe die Edelfräulein des Königshofes gemeint. Herausgeputzte Hofdamen erlegten ihr Essen natürlich nicht selbst.

Mein Vater war in den Adelsstand erhoben worden, doch ich bin zur Hälfte Shaerdanerin – so gut wie Abschaum in Malam. Da ich also ebenso wenig Anspruch auf edles Geblüt erheben kann wie Gillians fetter Maulesel, der meinen Stall in Beschlag genommen hat, ist es für mich bedeutungslos, was »Damen« tun und was nicht. Ihre Antwort auf diese Feststellung war ein tiefer Stoßseufzer.

Unter meinen Stiefeln beginnt der Boden leicht zu vibrieren, während das Klapperdiklapp der Pferde immer lauter wird.

Gillian erbleicht; fast nimmt ihre bräunliche Haut den blassen Ton meines Teints an. Ihre geweiteten ebenholzschwarzen Augen zucken von der Tür zum Fenster und weiter zu mir. »Und wenn es tatsächlich der König ist? Willst du ihm so gegenübertreten?«

Ich bekomme Schuldgefühle, denn ich weiß ja, dass es der König ist. Vielleicht sollte ich ihren Rat also befolgen. Doch stattdessen kämpfe ich dagegen an, aus meinem Sessel aufzuspringen, packe den Dolch noch fester und verfluche Aodren lautlos. Ich wünschte, ich hätte dieses Wissen nicht. Ich wünschte, er würde endlich erkennen, dass er mich mit jedem Besuch in Gefahr bringt. Vor allem wünschte ich, ich hielte unsere innere Verbindung nicht vor allen geheim.

Besonders nicht vor Cohen.

In den letzten vier Wochen kam König Aodren mich dreimal besuchen. Jede Zusammenkunft hat mich in der Vermutung bestärkt, dass dieses merkwürdige Band, das uns aneinanderkettet – das mich zu ihm hinzieht, wenn er in der Nähe ist –, geschmiedet wurde, als ich ihm das Leben rettete. Damit löste sich auch die Verbindung, die ich zuvor zu Cohen hatte und die ganz anders war: Sie beruhte nicht auf Gegenseitigkeit. Weil sie so subtil war, bin ich sicher, dass Cohen sie nicht wahrnahm. Wir sprachen auch nie darüber, denn ich begriff gar nicht, was ich da fühlte. Doch die Verbindung zum König kann ich nicht ignorieren. Sie ist so viel stärker.

Deshalb bereiten mir seine hartnäckigen Besuche auch solches Kopfzerbrechen. Ich fürchte jedes Mal, dass jemand unser magisches Band bemerkt und mich als Animistin enttarnt. Aodren mag der König sein, doch ich bezweifle, dass er mich schützen könnte, wenn sich eine ganze Meute von Animistenhassern vor meinem Haus zusammenrottet.

Die Tür bebt, als dreimal energisch geklopft wird.

»Sitz gerade. Na los.« Gillians Flehen ist ein gehetztes Flüstern. Sie eilt zur Tür.

Ihre Hände zittern, als könnte der König höchstselbst an der Schwelle stehen. Lächerlich. Der Mann trägt so viele schwere Ringe an den Fingern, dass seine Diener für ihn klopfen müssen.

Die verrosteten Scharniere quietschen, als die Tür aufgeht und kühle Spätherbstluft hereinweht. Der königliche Haushofmeister tritt vor. »Eine Lieferung für Miss Flannery.«

Gillian lugt an dem Mann vorbei. Ihr Blick sinkt zu Boden, gefolgt vom Rest ihres Körpers. Ihre Röcke breiten sich in einem tiefen Knicks auf den Dielen aus. »Eure M-Majestät.«

Der Haushofmeister macht einem schlanken Diener in der königlichen Livree Platz, der ein Paket an mir vorbei ins Schlafzimmer trägt. Draußen wird etwas gemurmelt, und Gillian erhebt sich und folgt dem Diener.

Ich überlege, ob ich sitzen bleiben soll, doch es zieht mich derart unwiderstehlich hinaus zum König, dass ich mich krampfhaft an die Lehnen klammern muss. So quälend stark war die Verbindung zu Cohen nie.

Grummelnd gehe ich zur Tür.

Der Haushofmeister steht bei einem grauen Pferd, an dessen Sattel die königliche Flagge in einem ledernen Schaft steckt. Daneben sitzt der König auf einem weizenfarbenen Ross.

Anders als bei seinen vorherigen Besuchen, wo er von einem halben Dutzend Wachen flankiert wurde, hat er heute nur zwei Männer bei sich. Nun, da er nicht länger der hagere, kränkliche Mann ist, den ich vor einem Monat gerettet habe, ist die zusätzliche Leibgarde wohl überflüssig. Seine Schultern wirken breiter, die Beine stämmiger, kräftiger. Seine helle Haut hat einen goldenen Schimmer, der ahnen lässt, dass er viel draußen ist. Die silbrige Narbe an seinem Hals, ein Andenken an meinen Dolch, sticht dadurch nur noch mehr hervor.

Da taucht Gillian neben mir an der Schwelle auf. Ihre Nägel bohren sich in meinen Arm. Sie geht wieder in einen Knicks und zieht mich dabei mit hinunter. »Euer Erscheinen ist uns eine große Ehre, Eure Majestät. Tessa ist beglückt, dass Ihr ihr bescheidenes Heim mit Eurem Besuch beehrt.« Sie hält den Kopf so tief, dass sie in die Pflastersteine vor der Haustür hineinspricht. Ihre Worte strömen kalt durch meine Adern: Ich lese die Lüge in ihrer Seele. Die Wahrheit – wenn ich also tatsächlich über den Besuch dieses Mistkerls beglückt wäre – hätte sich warm angefühlt.

»Ihr dürft Euch erheben.« Unter der gewählten höfischen Art schwingt etwas Raues, Kantiges in der Stimme des Königs mit. »Ich bin gekommen, um unter vier Augen mit Tessa zu sprechen.«

Ich richte mich auf. Mir gefällt ganz und gar nicht, wie vertraulich er meinen Namen in den Mund nimmt. Wann lässt er mich endlich in Ruhe?

Sein goldenes Haar, das trotz der sechs Meilen, die er vom Schloss zu meinem Häuschen zurückgelegt hat, säuberlich gekämmt ist, kann Gillians Helmfrisur locker das Wasser reichen. Kein Staubkorn befleckt seine sandfarbenen Stiefel. Als ich ihn in seinem Schlafgemach vorfand, wo er bewusstlos und mit schwachem Puls unter der Kontrolle einer Seelenleserin dahindämmerte, wirkte er menschlicher, zugänglicher als jetzt. Eigentlich hätte ich lieber den Aodren von damals vor mir. Ich balle die Fäuste, als er absitzt und seine Männer warten heißt, so sehr treibt mich seine bis in die letzte Naht vollendete Erscheinung zur Weißglut. Und noch mehr ärgert mich der Drang, die Hand auszustrecken und sein Haar zu berühren. Nur um zu prüfen, ob es wirklich so glatt ist, wie es aussieht.

Der König marschiert an mir vorbei ins Haus. Gillian wirft mir einen flehenden Blick zu, bevor sie zu den beiden Dienern hinausgeht. Ich drehe mich mit einem missbilligenden Knurren um. Die gebieterische Art, mit der er mein Heim vereinnahmt, steigert meine Gereiztheit nur noch.

»Willkommen«, brumme ich und knalle die Tür hinter mir zu.

Wortlos mustert Aodren die Stube meines Häuschens. Einfache Holzstühle, verschlissene Vorhänge, aus Binsen geflochtene Matten vor der Feuerstelle und dem Esstisch – viel zu sehen gibt es da nicht. Sein Blick wandert über den Schleifstein und die Messer auf dem Tisch und verharrt dann bei der Tür zum Schlafzimmer, die offen steht. Auf Papas altem, löchrigem Quilt sind Kleider ausgebreitet. Kleider?

Fünf edle Seidenroben.

Ungeeignet für die Jagd, das Fährtenlesen oder das alltägliche Leben.

Ich ziehe die Stirn in Falten. Beim letzten Mal hat er einen eleganten Umhang und eine goldene Halskette mitgebracht. Hat er noch alle Senfkörner beisammen? Was für eine Verwendung sollte ich dafür haben?

»Ein Geschenk«, sagt er, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Für den Hofball zur Winterweihe.«

Auf Papas Wunsch war ich mit fünfzehn, sechzehn und siebzehn bei den Feierlichkeiten zur Winterweihe mit dabei gewesen. Er meinte, wir seien verpflichtet, uns dort zu zeigen, da ich nun als junge Frau galt und nicht mehr als Kind. Also führte er mich durch die von Laternen erhellten Straßen von Brentyn, auf denen Tische voller Holunder- und Salbeizweige standen und Schweine an Spießen brutzelten. Die Stadtbewohner schwatzten in kleinen Gruppen miteinander oder tanzten auf dem Marktplatz. Glücklicherweise schenkten die meisten mir keine Beachtung. Die wenigen, die es doch taten, verdarben die fröhliche Stimmung mit ihren Beleidigungen, die mir plötzlich wieder in den Ohren klingen.

Keine zehn Pferde bringen mich mehr auf dieses Fest, geschweige denn auf den pompösen Ball im Schloss, mit dem die Edelleute die Winterweihe begehen.

König Aodrens jadegrüne Augen heften sich auf meine, und ich merke, dass ich meinen Protest laut ausgesprochen habe.

»Ich … ähm … bitte um Verzeihung.« Ich reibe meine feuchten Handflächen an meiner Hose trocken. Dieser Mann könnte mich hinrichten lassen, wenn er wollte – unwahrscheinlich, aber trotzdem. »Fünf Kleider sind, ähem, übertrieben.«

»Ihr sollt wählen können.«

Ich mache ein verwundertes Gesicht.

»Für den Winterball. Wo ich Euch vor versammeltem Hofe in den Adelsstand erheben werde.«

Wärme strömt von meinem Bauch bis in die Zehen – das bestätigt mir, dass er die Wahrheit sagt. Mir wird ganz flau im Magen. Adelsstand? Er hat eindeutig den Verstand verloren.

Ist ihm überhaupt klar, wie das aussehen würde?

Seit dem Tod meines Vaters wünsche ich mir nichts weiter, als in Papas Hütte und an Cohens Seite unbehelligt mein einfaches Leben zu leben.

Doch Cohen ist fort. Und er hat vor seinem Aufbruch nicht um meine Hand angehalten. Einen schmerzlich kurzen Kuss und ein Ich werde sie schnappen, mehr habe ich nicht bekommen. Jetzt sitze ich hier fest, mit einem König, der mich nicht in Ruhe lassen will, und mit meiner Seelenlesergabe, die wie ein Feuer in meinen Adern brennt und mich mit dem unbändigen Drang quält, sie zu benutzen.

Ich hasse es, dem König nahe zu sein und von unsichtbaren Klauen zu ihm hingezogen zu werden. Erstens, weil ich nicht weiß, wie ich das Band lösen kann. Und zweitens, weil Cohen nichts von meiner Verbundenheit mit dem König ahnt. Aber Cohen entgeht kaum etwas; irgendwann werde ich unser sonderbares Verhältnis erklären müssen, und das jagt mir schon jetzt Angst ein.

Ich durchquere das Zimmer und stelle mich an den Tisch, in Reichweite meines Dolchs. Die Sicherheit, die er mir bietet, habe ich gerade bitter nötig. »Eure Geste ist …« – ich suche nach den richtigen Worten – »… unnötig. Ich bin nicht adelig, und ich verfolge keine hehren Ziele. Auf dem Winterball habe ich nichts verloren.«

»Euer Vater gehörte dem Adel an. Ihr habt sein Land geerbt. Ihr verdient die Vorrechte, die damit einhergehen.«

Ich lache trocken auf. »Wenn Ihr mit ›Vorrecht‹ die Aufnahme in den Adel meint, nein danke.«

»Mir wurde gesagt, dass die Brentyner Euch abweisend begegnen.« Er klingt unsicher. »Und ich … nun ja, ich habe so manches beobachtet. Nach der Verkündigung würdet Ihr anders behandelt werden.«

»Nein.« Ich versteife mich. Schwer zu sagen, was mich mehr ärgert: dass er die Grausamkeit anderer mir gegenüber bemerkt hat oder seine absurde Idee, die nur noch mehr Zorn auf mich ziehen würde. Noch mehr Aufmerksamkeit, die mir den Tod bringen könnte.

Sein Gesicht erschlafft einen Augenblick lang, bevor es sich verhärtet. Er ist es nicht gewohnt, dass man ihm mit Nein antwortet. Ich weiß nicht, wie ich ihm begreiflich machen soll, dass ich kein Interesse daran habe, mich unter die gestriegelte, klunkerbehängte malamische Oberschicht zu mischen. Also sage ich lieber gar nichts.

»Ihr habt mein Leben gerettet. Und im Gegenzug …«, seine Stimme ist gedämpft, sein Tonfall gemessen, »… bestehe ich darauf, das Eure zu verbessern. Im Übrigen sind die Roben ein Geschenk, mit dem ich mich nicht nur erkenntlich zeigen, sondern auch Euren Geburtstag ehren möchte.«

Woher weiß er das? Ich schnappe mir meinen Dolch, öffne und schließe die Finger um den Griff.

»Ich weiß, ich komme einen Tag zu spät, doch ich habe meinen Besuch bewusst aufgeschoben, damit Ihr ungestört mit Miss Tierney feiern könnt.«

Ich werde Gillian erdrosseln. Wir haben kleine Kuchen gebacken und sind in den Wald geritten, um meinen achtzehnten Geburtstag einzuläuten. Während ich noch etwas länger draußen umherstreifte, muss sie eine Nachricht zum Hof geschickt haben. Ich wünschte, ich könnte die Roben und den König zur Tür hinauswerfen. Ich will nur, dass Cohen zurückkommt, mehr nicht. Das wäre ein viel besseres Geburtstagsgeschenk.

König Aodren wendet sich ab, betritt mein Schlafgemach und berührt ein grünes Kleid. Es hat beinahe genau die Farbe der Kiefern, die sich im See spiegeln.

»Welches auch immer Euren Gefallen findet, tragt es zum Ball in zwei Wochen.« Ein Befehl, keine Frage.

Ich bringe nur ein gequältes Gesicht zuwege. »Ich verstehe mich nicht auf höfische Dinge.«

Sieht er denn nicht, dass ich mich am liebsten mit einem Dolch schmücke? Eher laufe ich nackt durch einen Wald voller Bären und Pumas, als mich für einen königlichen Ball herauszuputzen.

»Ihr könnt doch gewiss einen Abend erübrigen.« Seine Lippen verziehen sich zu einem feinen, beinahe flehenden Lächeln. Als ließe er mir eine Wahl.

In meinem Magen bildet sich etwas Hartes, Schweres.

»Falls Ihr Euch wegen Eurer Tanzkünste sorgt, bringe ich Euch gern die Schritte bei.«

»Ich sorge mich um mein Leben.« Ich funkele ihn an.

»Ich würde niemals zulassen, dass Euch etwas geschieht.«

Aha. Ich werfe meinen Dolch klirrend auf den Tisch, marschiere zur Tür und reiße sie auf.

»Ihr kommt doch?« Es klingt wie eine Frage, ist aber keine. Nicht wenn er ist, wer er ist, und ich bin, wer ich bin. Ich spähe zurück zu meinem Dolch und überlege, ob ich ihn auf die Kleider schleudern soll, um ihnen das Herz zu durchbohren. Vielleicht versteht er diese Sprache ja besser.

»Gut«, stoße ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Das Wort hinterlässt einen galligen Geschmack auf meiner Zunge und einen dumpfen Schmerz hinter meinen Augen.

Er nickt knapp und geht hinaus.

Ich bohre die Fingernägel in die Handflächen, während der König und seine Männer in den Endlosen Wald davonreiten.

Gillian kommt freudestrahlend hereingeschwebt. Am liebsten würde ich sie schütteln und dieses Lächeln auslöschen. Ich knalle die Tür zu.

»Du siehst aus, als würdest du jemanden umbringen wollen.« Gillian wirbelt so schwungvoll zu mir herum, dass ihre Röcke über den Boden fegen.

»So fühle ich mich auch.«

Ein Blinzeln. »Gefallen dir die Kleider nicht?«

»Fragst du das im Ernst? Du lebst seit einem Monat mit mir unter einem Dach.«

»Nun ja. Es ist nicht deine gewöhnliche Garderobe, aber doch immerhin eine Abwechslung zu den ewigen braunen Hosen.«

»Sie sind für den Hofball zur Winterweihe. Er will mich dort mit seinem königlichen Glanz bestäuben und in den Adelsstand erheben.«

Gillian presst die Hände an die Wangen und tut, als fiele sie in Ohnmacht.

»Lass das«, blaffe ich.

Sie stolziert ins Schlafgemach und nimmt ein rosenfarbenes Kleid in die Hand. Dieses Grinsen. Senf und Pfeffer. Sie ist genauso verrückt wie der König.

Das Band zum König, das in meiner Brust immer noch straff gespannt ist, lenkt mich von ihrem aufgeregten Geplapper ab. Ich drücke eine Hand aufs Herz. Ich würde alles geben, um von Aodren frei zu sein. Um in Frieden auf Papas Land leben zu können. Doch ich weiß nicht, wie ich die Verbindung kappen soll.

Wäre Enat noch am Leben – der Gedanke ist niederschmetternd –, wüsste sie, was zu tun ist. Sie würde mir sagen, wie ich mich vom König lösen könnte. Seit fünf Minuten ist er schon fort, und ich kann immer noch genau bestimmen, wo im Endlosen Wald er sich gerade aufhält.

Ich schlage mit der Faust gegen die Tür. Ich muss einen Weg finden, das Band zu lösen. Ich muss.

Gillian fährt erschrocken hoch. »Davon geht doch die Welt nicht unter.«

Gerade als ich antworten will, spüre ich etwas Sonderbares, ein Zittern, das mir durch die Haut bis ins Mark fährt. Ich taumele, halte meine plötzlich feuchte Hand und mustere mit wachsender Beklemmung erst Gillian, dann die Tür. Ein Unbehagen erfasst mich vom Kopf bis in die Zehenspitzen, wie ein Tropfen Gift, der Schlieren durch ein Glas mit klarem Bier zieht.

Dieses Gefühl hatte ich schon einmal.

»Was ist los?« Gillians Fäuste knittern die rosenfarbene Seide.

Keuchend reiße ich die Tür auf und starre in den Endlosen Wald hinaus. Die eisigen Finger des Windes streichen mir übers Gesicht. Es ist nichts zu sehen, doch etwas ist hier faul.

»Der König.«

Drei

COHEN

»Na los, sags uns schon«, platzt Finn heraus.

Ich werfe ihm einen ärgerlichen Blick zu. Er schürzt die Lippen und lehnt sich gegen die Scheune.

Ich kratze an meiner Narbe und mustere das Mädchen von oben bis unten. Sie ist etwa in Tessas Alter. Obwohl sie ein Stück kleiner ist, strafft sie die Schultern in der gleichen selbstbewussten, kampferprobten Art. Ihre lockere und doch sichere Schwerthaltung verrät, dass sie eine geübte Kämpferin ist. Bei ihrem Anblick wächst die Sehnsucht nach meinem Mädchen ins Unermessliche.

Finn wiederholt mit einem ehrfürchtigen Flüstern, dass die Tochter des Erzverräters vor uns steht. Ich ignoriere ihn und wende mich direkt an Lirra. »Wie können wir dir vertrauen?«

Ihr Grinsen wird breiter. »Habt ihr denn eine andere Wahl?« Sie spricht in dem typischen shaerdanischen Singsang-Tonfall.

»Wir könnten fortreiten.«

»Und wohin? Bestimmt weiß man schon bis an die Küste, dass ihr zwei hier seid. Jeder Shaerdaner, der eure Herkunft erkennt, wird euch niederknüppeln, bevor er auch nur ein Wort mit euch spricht.«

»Ich habe Freunde.«

»Nicht hier.« Sie schiebt ihr Schwert in die Scheide.

Ich greife den Dolch fester. Das ist wahr.

»Was schlägst du vor? Du gibst mir Auskunft. Und dann?«

Ehe sie antworten kann, stellt sich Finn neben mich. »Ich bin Cohens Bruder.« Er streckt die Hand aus.

»Finn«, warne ich.

Nach ihrem Handschlag lächelt er mich verlegen an. Er hätte eine Standpauke dafür verdient, dass er sich so leicht aus der Reserve locken lässt. Vorerst verbeiße ich es mir. Dazu ist Zeit genug, wenn wir das Mädel losgeworden sind.

»Wir sind uns in Celize begegnet. Was verschlägt dich so weit in den Süden?«, frage ich.

Sie senkt kurz den Blick. »Ich habe dich gesucht.«

Auch ohne Tessas Seelenlesergabe weiß ich, dass sie etwas verheimlicht. »Ach ja?«

Sie hebt die Schultern.

Für so was habe ich verflucht noch mal keine Zeit. Ich habe die Schnauze voll von solchen Spielchen. Und wenn ich stattdessen an jede Tür in Rasimere klopfen und jeden Einheimischen bekämpfen müsste, der mich für einen Spitzel oder Entführer hält. »Grüß deinen Vater von mir. Wir gehen, Finn.« Ich stecke den Dolch weg, mache ein paar Schritte im Schatten der Scheunenwand und halte in dem Waldstück vor uns Ausschau nach Siron.

»Wo willst du hin?«, ruft mir die Tochter des Erzverräters nach.

Finn schließt hastig zu mir auf und wirft mit verwirrt gerunzelter Stirn einen Blick über die Schulter. »Cohen, was ist, wenn sie wirklich helfen kann?«

»Dann würde sie helfen, statt uns auf die Nerven zu fallen.«

Lirra hechtet um uns herum und versperrt mir den Weg, indem sie einen Arm zur Scheunenwand ausstreckt.

»Ich suche ebenfalls nach jemandem. Vor zwei Wochen ist meine Freundin Orli entführt worden. Ich versuche herauszufinden, wohin sie gebracht wurde.«

»Von wem?«

»Na, wenn ich das wüsste, würde ich jetzt nicht mit euch reden.« Sie winkt spöttisch ab.

Das Mädel ist stachlig wie ein Kaktus.

»Vielleicht ist sie abgehauen. Wollte mal woandershin.«

»Mädchen verschwinden nicht einfach so.«

»In letzter Zeit anscheinend schon.«

Sie rümpft die Nase. »Stellst du dich immer so quer? Ich weiß, dass du die Gerüchte gehört hast.« Als meine Brauen in die Höhe wandern, schmunzelt sie. »Von mir könntest du noch einiges über geräuschloses Anschleichen lernen.«

Finn lacht, und ich funkele erst ihn und dann Lirra böse an.

»Allein hier in der Gegend werden drei Mädchen vermisst. Es heißt, ein malamischer Lord stecke dahinter. Selbst wenn das Gerücht manipuliert ist, wird jeder in Shaerdan, der Augen im Kopf hat, nach Malamern Ausschau halten.«

Wo sie recht hat, hat sie recht.

Lirra verschränkt die Arme und lehnt sich mit der Schulter an die Wand. Von dem verwitterten Holz blättert etwas grüne Farbe ab und bleibt an ihrem orangefarbenen Kleid hängen. »Also: Ich will meine Freundin finden, und wenn euer König klug ist, wird er wissen wollen, was an den Gerüchten dran ist. Noch ist die Kriegsgefahr nicht gebannt. Ein Funke würde reichen, um die Fehde zwischen Shaerdan und Malam wieder aufflammen zu lassen.«

»Der König gibt nicht viel auf Gerüchte«, erwidere ich. Wenn ich ehrlich bin, will ich nicht noch mehr Zeit weitab von Brentyn verbringen. Aber ich darf nicht vergessen, dass ich im Dienst der Krone stehe. Ich habe einen Eid abgelegt, den Befehlen des Königs Folge zu leisten und für das Wohl Malams einzutreten.

Doch ein Gerücht ist kein ausreichender Grund, eine weitere Verfolgungsjagd zu beginnen. Gerüchte führen einen so sicher in die Irre wie ein Geflecht aus Dornenranken.

»Hast du irgendetwas Konkretes?«, frage ich.

Lirra streicht sich die Farbspäne von der Schulter. »Orli ist von der Stallarbeit nicht zurückgekehrt. Am Abend begann ihre Familie sich Sorgen zu machen. Sie war wie vom Erdboden verschluckt.«

»Gesetzt den Fall, jemand hat sie tatsächlich entführt.« Ich verschränke die Arme.

»Deine Skepsis ist eine Zumutung.« Sie sieht starr an die Scheunenwand, bevor sie sich wieder mir zuwendet.

»Ist dein Vater auch hier?«

Ihre Mundwinkel kräuseln sich kurz, dann zuckt sie gleichgültig die Achseln. »Papa hat es nicht so mit Reisen.«

Die ausweichende Antwort steigert meine Gereiztheit noch einmal deutlich.

»Unsere Ma auch nicht«, fügt Finn hinzu. Das stimmt, tut jetzt aber wirklich nichts zur Sache.

»Du hast also den ganzen Weg von Celize hierher allein geschafft.« Ich schlage Finns Hand weg, als er an der abblätternden Farbe zu kratzen beginnt. Er wirft mir einen beleidigten Blick zu. »Warum brauchst du jetzt meine Hilfe?«

»Ich vermute, dass Orli nach Malam gebracht worden ist. Das Gesetz verbietet mir, die Grenze zu überqueren. Wenn ich es trotzdem an den Grenzwächtern vorbei schaffe, müsste ich mich ständig vorsehen, dass niemand mich als Shaerdanerin erkennt. Denn das käme einem Todesurteil gleich. Also schlage ich einen Handel vor.« Sie tritt zurück und schnippt einen Käfer aus einer ihrer Rockfalten. »Ich sage dir, wo Phelia ist, und du beschützt mich in Malam, bis wir Orli gefunden haben.«

»Ach, das ist alles?« Für den Preis einer Ortsauskunft will sie einen Leibwächter und einen Fährtenleser? Bockmist.

Sie nickt.

Ich lache, und ihre Augen werden schmal.

»Sobald ich Phelia gefangen habe, bringe ich sie nach Malam. Da hab ich leider keine Zeit, auf eine kleine Shaerdanerin aufzupassen.«

»Wenn du Phelia nicht bald findest, wird sie weiterziehen. Dann geht auch eure Jagd weiter. Ihr seid in den letzten Wochen durch genügend Ortschaften gekommen, um bemerkt zu werden. Bald werdet ihr in eine Falle laufen. Vielleicht schon sehr bald.«

Ihr Ton spricht Bände. Sie weiß von einer realen Gefahr. Ich merke, dass ich die Hand um meinen Gürtel verkrampft habe. Stattdessen schließe ich sie nun um meinen Dolchgriff. »Und wie könnte diese Falle aussehen?«

Sie stemmt die Hände in die Hüften. »In der nächsten Stadt erwartet euch eine Gruppe der dortigen Sippschaft. Phelia führt euch schon seit Tagen gezielt dorthin.«

»Woher weißt du das? Von deinem Vater?«

Ein Nicken.

Ich glaube ihr. Der malamische Erzverräter hat ein mächtiges Netz an Informanten.

Durch die Ebene östlich von Rasimere windet sich ein breiter Fluss. Seufzend lasse ich den Blick über den Strom bis zum Horizont schweifen und wünsche mir das Malamische Gebirge herbei, das zu Tessas Heimat führt.

»Cohen, hör zu. Ich brauche deine Hilfe.« Lirra rückt näher. »Im Fährtenlesen bin ich besser als mein Vater. Ich kann einem Menschen in die Seele blicken und seine halbe Lebensgeschichte lesen. Aber ich war noch nie in Malam. Ich kenne mich dort nicht aus und würde bestimmt ziemlich schnell geschnappt werden.«

Ich beobachte, wie sie mit der Stiefelspitze in der Erde wühlt: Sie ist verunsichert. »Was sagt dein Vater dazu, dass du auf Orlis Spuren nach Malam reitest?«

Ihr Mund wird schmal. »Er weiß es nicht. Orli ist in Gefahr. Da kann ich doch nicht rumsitzen und Däumchen drehen. Eine gute Spürnase habe ich. Jetzt brauche ich nur noch etwas Muskelkraft an meiner Seite.«

Finn räuspert sich und drückt die Brust raus.

Ich remple ihn von der Seite an, und Lirra grinst.

Wenn ich die Tochter des Erzverräters nach Malam schmuggle, könnte mir das später Ärger machen. Die Vorstellung gefällt mir nicht, aber ich bewundere ihre Courage und Entschlossenheit. Ich atme durch. »Glaubst du wirklich, dass sie in Malam ist?«

Sie nickt, den Blick in die Ferne gewandt.

Finn schnaubt. »Kein Malamer würde shaerdanische Mädchen entführen und sie nach Malam bringen. Es ist zu riskant, sie über die Grenze zu schaffen. Außerdem haben wir genug eigene hübsche Mädchen.«

»Die Malamer holen sie doch nicht, um sie zu heiraten.« Lirra verdreht die Augen.

»Warum dann?«

Ich verbiete Finn nicht den Mund, weil ich mich dasselbe frage.

»Jedes der entführten Mädchen hat eine animistische Gabe. Die Malamer stehlen sie, um ihre Magie zu nutzen.«

Ich brauche einen Moment, bis ich das verdaut habe. »Animistische Magie ist in Malam verboten.« Frauen, die als Animistinnen angeklagt werden, landen am Pranger oder im Kerker und werden auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Der Gedanke trifft mich wie ein Schlag in die Magengrube.

»Warum sonst sollten sie es auf die jungen Animistinnen abgesehen haben?«

»Du denkst, der oder die Entführer stellen eine Art magischer Armee auf? Gegen wen sollte die kämpfen?« Ich versuche, sie nicht anzusehen, als hätte sie den Verstand verloren. Es gelingt mir nicht.

»Das will ich ja gerade in Erfahrung bringen. Wenn wir die Antwort auf diese Frage kennen, werden wir Orli finden.«

Finn ist das Kinn so weit runtergeklappt, dass es aussieht, als wollte er Insekten fangen. Ich stupse ihn an und wende mich wieder Lirra zu. »Bist du allein auf diese Theorie gekommen?«

Sie schüttelt den Kopf. »Das war mein Papa.«

»Weil es entsprechende Hinweise gibt?«

»Weil er früher Ähnliches im Sinn hatte. Nachdem er vor den Gardewachen des Königs nach Shaerdan geflohen war, erwog er, mit einem Heer aus Animistinnen zum Gegenschlag auszuholen. Malam hat mehr Waffen, mehr Soldaten und Festungen, die schwer einzunehmen sind. Aber einem magischen Angriff hat es nichts entgegenzusetzen.«

Ich kann mir lebhaft vorstellen, von welcher Rachlust Millner nach der Ermordung seiner Frau und seines Kindes angetrieben wurde. Keine Ahnung, was ich täte, wenn ich Tessa verlieren würde.

Wenn die Mädchen in Zusammenhang mit einer größeren Bedrohung stehen, ist es meine Pflicht der Krone gegenüber, dem nachzugehen.

Trotzdem, irgendetwas stimmt da nicht. »Warum sollten sie die jungen Frauen erst nach Malam bringen?«, frage ich. »Sie könnten das Heer doch hier an einem geheimen Ort zusammenziehen.«

Lirra schüttelt den Kopf. »Das müssen wir ja herausfinden. Du hast recht, es ergibt keinen Sinn. Aber wie dem auch sei, wenn in Shaerdan weiter Mädchen entführt werden, könnte das für Richter Auberdeen Anlass genug sein, unsere beiden Königreiche in den Krieg zu schicken.«

Ihre Worte treffen einen wunden Punkt. Es läuft mir eiskalt über den Rücken.

»Abgemacht.« Ich strecke meine Hand aus. »Du hilfst mir. Ich finde deine Freundin und die anderen Mädchen. Und ich forsche nach, was genau Malam da bedroht.«

Vier

TESSA

Mit dem Bogen in der Hand sprinte ich in den Stall und sattle Schneefeuer. Meine Stute ist schon uralt, aber ein anderes Reittier habe ich nicht. Hätte König Aodren mir statt Kleider ein Pferd gebracht, hätte ich ihn nicht so schnell hinausgeworfen.

Zum ersten Mal ist mir unsere Verbindung nicht zuwider.

Mit fliegenden Hufen galoppiert Schneefeuer über den gefrorenen Boden und durch das spröde Unterholz in die Richtung, in die es mich zieht. Je tiefer wir in den Endlosen Wald eindringen, desto mehr treibe ich sie an. Wir folgen dem gewundenen Pfad am Fuß des Avemoir, eines der höchsten Gipfel in der kiefernbestandenen Gebirgskette. Als wir den Anstieg beginnen, spüre ich Schneefeuers Anstrengung und Erschöpfung, und das macht mir Sorgen.

Nein, es macht mich wütend.

Ich will mein einziges Pferd nicht verlieren, nur weil Seine Königliche Hochnäsigkeit so töricht war, sich in Gefahr zu begeben. Ich verdränge den Gedanken und setze der unsichtbaren Spur nach, bis sich wenige Meilen später das magische Band zwischen uns plötzlich deutlich strafft. Hier stehen die stolzen Kiefern stramm wie Soldaten, die sich zur Schlacht aufreihen. Die Strahlen der Spätnachmittagssonne fallen schräg durch die Bäume und funkeln auf reifbedeckten Zweigen. Schneefeuer fällt in einen Schritt. Ich kneife die Augen zusammen und suche die Umgebung nach Hinweisen ab.

Ein umgestürzter Baumstamm, das mit Raureif überzogene Laub auf dem Waldboden, die schmale Lichtung zwischen den Bäumen – ich kann keine Anzeichen menschlicher Anwesenheit erkennen.

Frust wallt in mir auf, weil ich ihn nicht sehe, obwohl ich spüre, dass er ganz in der Nähe ist.

»König Aodren?«

Die Frage hallt laut aus dem schweigenden Wald wider. Die Härchen auf meinen Armen sträuben sich, und ich beiße mir auf die Lippen. Genauso gut könnte ich mir eine Zielscheibe auf die Brust malen und mich in die Mitte der nächstbesten Lichtung stellen.

Geräuschlos gleite ich aus dem Sattel. Fokus ist ebenso eine Waffe wie dein Bogen. Papas Worte dröhnen mir in den Ohren. Ich bewege mich mit äußerster Vorsicht.

Pfeil im Anschlag.

Schritt für Schritt.

Vor mir rührt sich etwas in dem dichten Unterholz – der Wind bläst ein schwarzes Stück Stoff vor und zurück, vor und zurück. Der starke Sog in Richtung des Fetzens lässt mich meine Deckung aufgeben.

Ich stürze nach vorn und sehe sogleich den arroganten Mann, der noch vor einer halben Stunde unter meinem Dach stand. Aodren liegt bewusstlos auf der Seite, doch das straffe Band zwischen uns bestätigt mir, dass er lebt. Fast könnte man meinen, er halte nur ein Nickerchen, wenn die bittere Kälte nicht wäre. Oder seine Diener nicht ein paar Schritte weiter zusammengesackt am Boden lägen.

Ich pirsche mich argwöhnisch und mit zitternden Händen an die anderen Männer heran. Der gefrorene Boden zwischen den Bäumen knackt unter jedem Schritt.

Der erste Mann hat beide Hände um den Hals geschlossen, als hätte er keine Luft mehr bekommen. Seine braunen Augen sind glasig und starren ins Leere. Gerade eben noch war er in meinem Haus und hat die Kleider für den königlichen Ball über das Bett drapiert. Galle steigt mir die Kehle hoch, als ich keuchend einen Satz zurück mache. Mein Herz klopft zum Zerspringen. Oh Götter, helft. Was ist hier geschehen?

Ich überwinde mich dazu, neben dem zweiten Mann in die Hocke zu gehen. Obwohl seine Augen geschlossen sind, weiß ich – noch ehe ich ihn überhaupt berührt habe –, dass er nicht mehr unter den Lebenden weilt.

Als Tochter eines Jägers war der Tod mein ständiger Begleiter.

Der Tod dieses Mannes fühlt sich an wie ein Flecken eiskalten Wassers in einem sommerwarmen See. Mit der einen Hand umklammere ich meinen Bogen, die andere presse ich auf den Mund, während ich beide Männer rasch auf sichtbare Ursachen für ihren Tod untersuche. Aber ich kann keine Wunden entdecken. Keine Anzeichen für einen Kampf, nur die um den Hals gekrampften Hände des einen, unter denen ich jedoch keine Würgemale sehe.

Es ist, als hätten sie sich einfach hingelegt, um zu sterben.

Der Überlebensinstinkt lässt mich jede Schicklichkeit über Bord werfen. Ich hechte zum König und befühle seine Schultern, den Hals, die Brust, die Oberschenkel nach Wunden. Unter meinen Händen summt seine Lebensenergie, deren Fluss ich bis in mein Innerstes spüre. Auf einmal bin ich dankbar für unsere unverbrüchliche Verbindung, die mir die Gewissheit gibt, dass er am Leben ist. Dennoch lege ich den Bogen zur Seite und halte zwei Finger unter seine Nase, bis ein warmer Atemzug darüberstreift. Sicher ist sicher.

Er hat ein Schwert und einen Säbel umgegürtet. Offenbar war keine Zeit, eine Waffe zu ziehen. Abgesehen von dem zerrissenen Umhang sind seine Gewänder unversehrt und sauber. Seine Lederhandschuhe weisen keine Kampfspuren auf. Kein Blut befleckt seine Hose. Wie hat Aodren nur überlebt? Warum wurde er am Leben gelassen?

All diese Rätsel läuten in mir wie Wetterglocken vor einem aufziehenden Sturm. Flieh, schreien sie. Lauf weg. Gefahr.

»König Aodren, wacht auf.« Ich rüttle ihn unsanft an der Schulter.

Er reagiert nicht.

Mein Puls dröhnt, die Ungewissheit steigert sich zu nackter Panik. Was soll ich tun?

Ich stehe auf und lege einen Pfeil ein.

Enat hat mir beigebracht, auf den Puls des Lebens im Wald ringsum zu lauschen. Wenn ich eine menschliche Energie erspüre, könnte ich bestimmen, wie unmittelbar die Gefahr ist.

Ich beginne damit, meine Gedanken leiser werden zu lassen. Ich versuche, mich für das beständige, schwache Sirren des Lebens zu öffnen. Langsam weite ich meine Wahrnehmung der Umgebung aus. Ich höre meinen Atem, das schnelle Ba-bamm, Ba-bamm in meiner Brust, das Wusch-wusch-wusch der Lebenskraft, die durch die Bäume und Sträucher fließt. Wäre ich nicht so verängstigt, würde mich meine Seelenlesergabe ehrfürchtig stimmen.

Meine Sicht wird trübe. Nadelstiche prickeln in meinen Armen, und meine Muskeln werden schwer, als hätte ich stundenlang Wasserkrüge geschleppt. Mein Atem hallt mir betäubend laut in den Ohren. Die Warnzeichen der Erschöpfung stellen sich ein, und ich weiß, dass ich aufhören muss. Enat hat mich davor gewarnt, zu viel Energie aufzuwenden. Es könnte mein Tod sein.

Im selben Augenblick bemerke ich etwas Lebhafteres als das Summen des Waldes, wie Gambentöne über einer Cister. Mehrere Energien, die dort ineinanderfließen: Das verweist auf eine Gruppe von Menschen. Dass ich sie so klar ausmachen kann, kann nur bedeuten, dass sie nicht weit entfernt sind.

Nichts wie weg.

Ich klicke zweimal mit der Zunge, und Schneefeuer trabt an meine Seite. König Aodren ist anderthalb Köpfe größer und bestimmt dreißig Kilo schwerer als ich; es wird nicht leicht, ihn hochzuheben. Ich lege meinen Bogen auf die Erde, um die Hände frei zu haben. Hastig sehe ich mich auf der Lichtung um und finde einen dicken, entwurzelten Baumstumpf, den ich zu Schneefeuer herüberziehe. Dann benutze ich den Strick aus meiner Satteltasche, um den König wie ein Stück Großwild zu fesseln. Den Rest des Seils führe ich über den dicken Ast eines nahen Baums, befestige es am Holzstumpf und rolle diesen mit aller Kraft zur Seite, um das Seil zu spannen. So kann ich den König schließlich vom Boden und auf Schneefeuers Rücken wuchten. Mit zitternden Muskeln und schnappenden Atemzügen ziehe und schiebe ich so lange, bis er quer über dem Sattel liegt.

Eine schöne Angelegenheit ist das nicht. Wenn der Mann bislang keine blauen Flecken hatte, gibt es jetzt mit Sicherheit welche. Das tut mir zwar leid, aber wenn es darum geht, ein Leben zu retten, darf man nicht zimperlich sein.

Mit dem Bogen in der Hand schwinge ich mich hinter dem König in den Sattel und greife nach den Zügeln.

Schneefeuer stellt die Ohren auf.

Mein Blick folgt der Richtung und heftet sich auf die Bergflanke, wo fünfzig Schritte hangaufwärts eine Frau in Sicht kommt. Ihr schwarzer Umhang bläht sich in einem plötzlichen Windstoß. Auf einer Seite flattert ein zerrissener Zipfel. Geräuschlos schreitet sie auf uns zu. Sie erinnert mich an einen Winterwolf: eisgraublaue Augen unter messerdünnen, silbrigen Brauen, elfenbeinfarbene Haut und hellbraunes Haar mit mondlichtweißen Strähnen.

Und obwohl jede Farbe und jedes Leben in ihr verblasst zu sein scheinen, verströmt sie eine gefräßige Dunkelheit.

Ich befehle meinen Fingern, still zu halten, hebe den Bogen und ziele auf das Herz der Frau. »B-bleibt stehen.«

Sie senkt fast unmerklich das Kinn, und zu meiner Verwunderung gehorcht sie.

»Wer seid Ihr?« Meine Stimme wankt. Ich verziehe das Gesicht.

König Aodren gibt ein leises Stöhnen von sich. Ich richte mich im Sattel auf. Mein Beschützerinstinkt wird übermächtig. »Habt Ihr diese Männer getötet?«

Ihre langen Finger, die mit schwarzen, wie aufgemalt wirkenden Schnörkeln überzogen sind, legen sich um die Ränder ihres Umhangs. »Hallo, Tessa.«

Ihr vertraulicher Ton lässt mir die Haare zu Berge stehen.

In der Residenzstadt Brentyn kennen mich viele. Schließlich war mein Vater der Kopfgeldjäger des Königs und meine Mutter eine geächtete Shaerdanerin. Für gewöhnlich folgt auf meinen Namen eine Verwünschung, keine Neugier. Diese Frau spricht, als kenne sie mich, betrachtet mich aber, als sei ich ihr unbekannt.

Ein kalter Luftzug pfeift durch die Bäume und weht der Frau den Umhang von einer Schulter.

Beim Anblick ihres Halses japse ich laut auf. Die elfenbeinfarbene Haut ist von denselben Linien überzogen wie ihre Hände, pechschwarze Adern, die sich schlängeln und kräuseln. Die Mitglieder der Königsgarde tragen das königliche Wappen, einen Hirschkopf, in die Haut geritzt wie ein Brandzeichen. Doch ihre verschnörkelten Male sind anders. Sie haben kein erkennbares Muster.

»Ich wollte dich schon seit langer Zeit treffen.« Ihre Stimme, eine Mischung aus Kratzern und Soprantönen, reißt mich aus meinen Betrachtungen.

»Mich?«, platzt es aus mir heraus. Es dauert einen Augenblick, bis mir auffällt, dass ihre Worte nichts in mir ausgelöst haben – keine Wärme im Bauch, die mir bestätigt, dass sie die Wahrheit sagt, und keine Kälte, die eine Lüge anzeigt. Dieses Nichts verstört mich wie ein schriller Misston. Mir wird ganz schwindelig davon, und ich erinnere mich, dass es mir schon einmal so ergangen ist.

Schneefeuer scharrt mit den Hufen in der Erde und tänzelt unruhig auf der Stelle.

Ich … ich weiß, wer diese Frau ist.

Von Enat habe ich gelernt, dass ich zwar bei anderen wahr und falsch unterscheiden kann, meine Gabe jedoch nicht bei meinesgleichen wirkt. Nur wenn eine Seelenleserin mich aus freien Stücken in ihr Inneres blicken lässt, kann ich die Wahrheit oder die Lüge in ihren Worten spüren.

»Ihr … Ihr seid sie.« Ich strecke den Bogenarm und drehe den Ellbogen nach außen. Die Frau rührt sich nicht.

Sie strafft die Schultern. Ich öffne und schließe die Finger an der Sehne, weil mir plötzlich ein Junge einfällt, der mich in meiner Kindheit immer schikaniert hat. Wie die anderen Kinder ärgerte er mich bei jeder Gelegenheit. Aber nachdem die Beleidigungen ausgesprochen waren, ging er nicht fort. Er lungerte weiter in meiner Nähe herum und beobachtete mich, als wäre ich eine Grille, die er in einem Glas gefangen hatte.

Genau so mustert sie mich jetzt, mit stechendem, herausforderndem Blick.

Mein Pfeil könnte sie auf der Stelle töten. Sie hat sich mit Lord Jamis verschworen, um Aodren vom Thron zu stoßen. Sie machte sich den König mit animistischer Magie untertan und spielte mit ihm wie mit einer Marionette.

Sie ist der Grund dafür, dass ich vor nicht allzu langer Zeit auf einer ähnlichen Lichtung wie dieser kauerte und meine Großmutter in den Armen hielt, während ihre letzten Atemzüge durch ihren Leib rasselten.

Kummer schwärzt mein Herz und mein Denken, erfüllt mich mit Hass und Anklage.

Der Tod dieser Frau wäre gerechtfertigt.

Doch trotz dieses düsteren Gedankens, trotz der Dunkelheit, die von mir Besitz ergriffen hat, weiß ich, dass diese Strafe nicht von meiner Hand kommen darf. Nachdem ich Tomas umgebracht habe, den Gardewächter, der Enat auf dem Gewissen hatte, habe ich mir geschworen, nie wieder unüberlegt ein menschliches Leben zu nehmen. Und doch fällt es mir in diesem Moment schwer, mich darauf zu besinnen.

Ich senke den Bogenarm ein winziges Stück, um den Pfeil stattdessen auf ihren Oberschenkel zu richten. »Ihr seid Phelia«, sage ich. Sie soll erfahren, dass ich genau weiß, wer sie ist.

»So ist es.« Ihre unheimliche, raue Stimme wird lauter. »Nur hast du mir damit die Überraschung gestohlen. Ich wollte mich zuerst als deine Mutter vorstellen.«

Was?

Ich starre sie entsetzt an. Sie kann nicht meine Mutter sein. Nicht sie. Unzählige Male habe ich mir die Frau erträumt, die mich geboren hat. Ich habe sie mir immer als offenen, warmherzigen, liebevollen Menschen vorgestellt. Nicht so. Niemals. Sie lügt. Sie will mir etwas vorgaukeln.

Schneefeuer weicht schnaubend zurück. Ich habe ihr die Knie in die Seiten gebohrt. Ich schaffe es nicht, sie zu beruhigen. Es hat mir die Sprache verschlagen.

Die Gabe wird über die mütterliche Linie weitervererbt. Enats Worte branden in mir auf.

Ich will schon den Kopf schütteln und drohen zu schießen, halte aber inne, als die Frau die Hände hebt und durch die Luft rührt, als bewege sie sie durch Wasser.

Eine unsichtbare Kraft erhebt sich, umbraust mich, erfasst mich. Mir stehen sämtliche Haare zu Berge. Ich schnappe nach Luft und kann das Zittern in meinen Armen und Beinen nicht unterdrücken, das die Woge der Energie – ihrer Energie – in mir auslöst. Anders als Enats starkes, gleichmäßiges Flirren ist die Lebenskraft dieser Frau beängstigend mächtig. Flammend und frei.

Schneefeuer wiehert. Ich packe König Aodren, damit er nicht herunterfällt, falls mein Pferd steigt.

»Mein Name ist Rozen. Und du, Tessa, bist meine Tochter.« Ihre Stimme hat die versteinernde Macht eines knurrenden Pumas. Diesmal lässt sie es zu, dass ich die Hitze ihrer Worte wie siedendes Öl durch meinen Bauch brennen und unter der Haut brodeln spüre. Die Wahrheit versengt mich.

Die schreckliche, schreckliche Wahrheit.

Fünf

COHEN

Lirra blinzelt zweimal, als hätte sie mein Sinneswandel verblüfft. Sie nimmt meine Hand. »Phelia ist in der Ölhandlung ihrer Eltern in der Stadt.«

Ich krame zwei neue Tuniken aus meinem Bündel und werfe Finn eine zu, bevor wir den Stadtkern erreichen. Wir ziehen uns um, damit wir anders aussehen als bei unserem spektakulären Abgang aus der Taverne. Eine dürftige Verkleidung, aber ich habe es so eilig, Phelia zu stellen, dass mehr nicht möglich ist.

In einer Gasse in der Nähe der Hauptstraße tasten wir uns von Schatten zu Schatten, schlüpfen durch schmale Passagen und enge Höfe, schieben uns unbemerkt an der Kirche im Herzen der Stadt vorbei. Von den Ecken des Kirchendachs sehen die Statuetten vier verschiedener Götter auf uns herunter. Am Ende der Straße liegen die Taverne und die Ölhandlung.

Ich schätze die Entfernung ab und zähle die Passanten. Ganz in unserer Nähe flattern Vögel in die Sparren des Kirchendachs und lassen sich gurrend nieder.

Tauben.

Mit fünfzehn hatte Tessa lange, schmale Finger. Als sie meine Hand nahm, konnte ich den Blick nicht abwenden. Konnte die Erinnerung an den Puma nicht abschütteln. Oder daran, wie vergeistigt sie in den Fängen des Todes gewirkt hatte. Als sie sagte: ›Du bist mir so wichtig‹, brannte ich vor Scham.

Ich war gekommen, um Lebwohl zu sagen, um ihr zu erzählen, dass ich als Kopfgeldjäger nach Shaerdan ginge …

»Ich empfinde mehr für dich. Ich will mit dir zusammen sein.«