Aufbruch nach Britannia - Gerhard Pflanz - E-Book

Aufbruch nach Britannia E-Book

Gerhard Pflanz

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Beschreibung

Ein Buch zu schreiben, über das Leben unserer Vorfahren im Elbe-Weser Dreieck Ist eine schwierige Aufgabe, noch dazu, wenn die Handlung im 5. Jahrhundert n. Chr. spielt, einem sogenannten "dunklen Jahrhundert" der Germanen. Die Bezeichnung gilt dem Umstand, dass unsere lieben Vorfahren keine Schriftsprache hatten, nichts aufgeschrieben haben. Ihr Alphabet bestand aus den Runen, mit denen man Zeichen in Holzstäbe oder Tierknochen einritzte. Schriftliche Überlieferungen stammen von den Römern, welche weite Teile Germaniens über Jahrhunderte besetzt hatten. Unter Wahrung des historischen Rahmens ist das Buch entstanden, mit viel eigener Fantasie gewürzt. Es entführt uns in eine längst vergangene Zeit und macht das entbehrungsreiche Leben unserer Vorfahren lebendig. Sie haben sich noch nicht so gewählt ausdrücken können, wie uns das heute möglich ist, trotzdem sprechen Norgert, Imke, Rulf und Geeske mit unserer heutigen Sprache im Buch, um die Handlung deutlich und flüssig darstellen zu können. Die Saxen in den Dörfern an der Wesermündung mussten ein hartes Leben meistern. Der Strom war noch nicht durchgehend eingedeicht, Überschwemmungen ihrer Dörfer und Felder bei Sturmfluten waren in jedem Jahr die Folge. Mit ihren Nachbarn den Friesen gab es immer wieder Streit, auf den vorgelagerten Inseln hatten Piraten und Strandräuber, die bekämpft werden mussten, ihre Verstecke. Aber die schlimmsten Prüfungen brachten die Naturgewalten ihrer rauen Heimat. Die Überflutungen ihrer Dörfer zwangen sie die Häuser höher zu setzen oder neu aufzubauen. Ihre Saat wurde durch die salzige Flut weitgehend vernichtet. So entstand der Entschluss nach Britannia auszuwandern. Ob es gelang zahlreiche Schwierigkeiten auszuräumen und Gefahren zu bestehen, erfahren wir aus dem Buch. Wir müssen uns vor Augen führen, dass zu dieser Zeit eine Entwicklung entstand, welche bis in unsere Tage Auswirkungen hat. Es entstand eine Bevölkerung auf den britischen Inseln, für die bis heute der Begriff Angelsachsen, englisch anglo-saxon, gilt. Die dort entstandene englische Sprache kommt einer Weltsprache gleich und hat ihren Ursprung in den Dialekten unserer Vorfahren, den Saxen und Angeln. Lassen wir uns von Rulf und Geeske, von Hero und Oddo dem Friesen und vielen anderen in die uns unbekannte Welt unserer Vorfahren entführen.

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Buch

Es ist ein hartes Leben für Saxen und benachbarte Friesen in den Dörfern und Gehöften an der Wesermündung im 5. Jahrhundert nach Christus. Strandräuber und Piraten bedrängen sie und den Naturgewalten ihrer rauen Heimat sind sie fast schutzlos ausgeliefert.

Es entsteht die Idee nach Britannia auszuwandern. Bis zur Erfüllung ihres Traumes, muss ein mühsamer und gefährlicher Weg beschritten werden.

Die Handlung ist erfunden unter Berücksichtigung des historischen Rahmens, Ähnlichkeiten von Namen oder Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Autor

Gerhard Pflanz lebt im Kreis Cuxhaven und schreibt aus Leidenschaft. Neben dem Schreiben zählt für den Dipl. Ing. und Vater von drei Kindern vor allem seine Familie.

Web: http://www.pflanz-web.de

Mail: [email protected]

Weitere Titel von Gerhard Pflanz

Morde und Amouren

Yako - Der Chatte

Saltius - Germane in Römischen Diensten

Geschichten für Melissa

Kriegsende in Schlitz

Technisches Wörterbuch (deutsch/engl., engl./deutsch)

Inhaltsverzeichnis

Am grossen Strom

Auf Fischfang

Oye Sand

Gefangen

Kampf an der Friesenwurt

Der Siegesschmaus

Brautwerbung

Das Piratenschiff

In Geest

Befreiung

Gefährlicher Heimweg

Das Fest

Der Drachenstein

Besuch aus Britannia

Pirateninsel

Den Göttern zum Opfer?

Heros Weg

Hero in Britannia

Der Auftrag

Die Schiffbauer

Farulf der Kämpfer

Der Entschluss

Die Warft

Stapellauf

Aufbruch

Badonic

Personenverzeichnis

Im Dorf Geest am großen Strom

Norgert

Häuptling, Bauer und Fischer (32 Winter alt)

Imke

Gefährtin von Norgert (32 Winter alt)

Rulf

der Sohn (16 Winter alt)

Sieke

die Tochter (10 Winter alt)

Rodgar

ein Nachbar

Erma

seine Gefährtin

Otker

der Sohn, Freund von Rulf

Geral

Bauer, Fischer, Seher und Heilkundiger

Thordis

seine Gefährtin

Fredo

Fischer

Iska

seine Tochter

Gisbert

Bauer, Witwer

Laif

befreiter Pirat (15 Winter alt)

Godrik

sein Bruder (10 Winter alt)

Fehild

befreite Frau von der Pirateninsel

Hero/Herstus

Bruder von Norgert

Tyra

befreite Frau, Heros Magd/Gefährtin

Auf der Friesenwurt

Oddo

Bauer, Friese

Egga

seine Gefährtin

Geeske

die Tochter (14 Winter alt)

Giso

erwachsener Sohn

Enno

der zweite Sohn

In Britannia

Hero/Herstus

Bruder von Norgert, Legionär IX. Kohorte

Endis

seine Gefährtin

Betar

Vater von Endis, Decurio im Kastell

Kora

Mutter von Endis

In Drangest

Germo

Dorfhäuptling

Herman

Geschichtenerzähler

Flüsse

Wissuhr

Weser

Albis

Elbe

Tamesis

Themse

Für Wanda.

Hat man das Bücherlesen erst einmal richtig angefangen, so gibt es damit kein Ende das ganze Leben hindurch, es wird einem notwendig wie Atmen und Essen.Hans Fallada (1893-1947)

01 AM GROSSEN STROM

Das Glück kommt nicht ungerufen, man muss ihm entgegen gehen.Ugo Foscolo (1778-1827)

Allvater Wotan hatte es im vergangenen Winter nicht gut gemeint mit dem Saxenclan von Häuptling Norgert.

Die Saxen siedelten an der Mündung des großen Stroms in das unendliche Meer. Die Friesen wussten um die zerstörerische Kraft des Stromes und nannten ihn Wissuhr.

Keiner aus dem kleinen Dorf hatte bisher die fernen Grenzen des Meeres erreicht, dafür hatten seine Bewohner mehrmals die Macht der vom Sturm gepeitschten Wellen verspürt, hinter denen sie den Zorn der Götter fühlten. Der Kanal zum offenen Wasser war eingeebnet worden und musste mühsam wieder freigegraben werden, die Hälfte der Häuser war überschwemmt und zum Teil eingestürzt. Fortgeschwemmt war die karge Getreidesaat, welche bereits ausgesät war, ein Teil der Vorräte vernichtet. Glücklicherweise standen die Vorratshäuser auf Stelzen, so dass der größte Teil der Nahrung für Mensch und Vieh gerettet wurde.

Jetzt blieb keine andere Wahl, als die Wurten wieder zu erhöhen und die eingestürzten Häuser aufzubauen. Stimmen wurden laut, welche forderten, das kleine Dorf mit seinen acht Gehöften zu verlassen und an besserer Stelle neu zu siedeln. Aber diese Schreihälse und Besserwisser wussten auch keine Antwort, wenn nach besser geeigneten Stellen gefragt wurde.

Norgerts Langhaus war das größte im Dorf Geest. Er hatte schon zum dritten Mal den Boden der Stallungen und des Wohnbereichs soweit vorhanden mit Mist, Klei und einer festgestampften Lehmschicht aufgefüllt und damit wieder etwas über den Hochwasserspiegel angehoben. Noch einmal würde das nicht möglich sein, eine ausreichende Höhe bis an die Querbalken unter dem Dach musste bleiben.

Dann blieb nur noch die Möglichkeit das Langhaus neu aufzubauen, so wie sein Nachbar Rodgar es vor einem Mond hatte tun müssen, unter Mithilfe des ganzen Dorfes. Ganz besonders schwierig war die Bergung der Fundamentsteine gewesen, die unverzichtbar und nur schwer wieder beschaffbar waren.

Norgert saß auf einem als Bank grob zurecht gehauenen Baumstamm neben dem Eingang zum Langhaus und genoss die Frühlingssonne. Neben ihn setzte sich Tochter Sieke. Sie war zehn Winter alt und der Sonnenschein der Familie und des ganzen Dorfes. In Ruhe auf der Bank sitzen kam selten vor, die Tage waren von früh bis spät angefüllt mit Arbeit. Jetzt hätte er mit dem Einbaum auf dem Strom sein müssen zum Fischfang. Heute hatte er aber Sohn Rulf hinausgeschickt, der war inzwischen 16 Winter alt und musste lernen Männerarbeit zu leisten.

Seine Gefährtin Imke kam aus dem Tor und setzte sich neben ihn. Er wollte sie dicht an sich heranziehen, doch sie wich ihm aus: „Nein, für Späße habe ich keine Zeit, ich muss die Rinder und Schafe füttern und melken. Du kommst mit, die Ställe müssen ausgemistet werden und morgen gehst du mit Rulf ins Moor. Wir brauchen Torf, der Winter war lang und kalt.“ Gut durchgetrocknetes Torf war das hauptsächliche Brennmaterial in den Dörfern am und um den großen Strom. Und verschwunden war sie im Haus. Er sah ihr begeistert nach, sie war seine Wunschgefährtin gewesen und jetzt mit ihren 34 Wintern hatte sie nichts an Anziehungskraft für ihn verloren. „Morgen gehen wir fischen, das Moor muss warten“, rief er ihr nach.

Er hatte sie als Gleichaltriger vor 17 Wintern kennen gelernt. Sie war ihm eine wertvolle Gefährtin bis zum heutigen Tag. Ächzend erhob er sich und machte sich an das Ausmisten der Ställe.

Sohn Rulf kam mit dem Einbaum den schmalen Kanal vom Strom zurück. Er hatte keinen großen Fang gemacht, aber einen Fremden verjagt, der ihre Reusen geplündert hatte. Zwei der fünf Reusen waren leer, von den anderen brachte er nur einen geringen Fang mit nach Hause. Vater Norgert sagte: „Das war bestimmt ein Friese vom anderen Ufer des Stromes, nächstes Mal fahren wir beide zu den Reusen und wenn wir ihn erwischen, werden wir ihm ein Andenken verpassen.“

Rulf, ein kräftiger junger Mann mit einem rotblonden Haarschopf, war begeistert: „Wir nehmen ihm den Kahn ab und werfen ihn ins Wasser, soll er doch rüber schwimmen. “Imke kam und besah sich die Fische: „Das reicht gerade für ein Abendbrot bei euch hungrigen Männern. Du kannst sie ausnehmen, dann bekommt ihr heute auch was zu essen.“

02 AUF FISCHFANG

Das Beste, um an dein Übel nicht zu denken, ist Beschäftigung.Ludwig van Beethoven (1770-1827)

Am nächsten Morgen machten Norgert und Sohn Rulf bei Sonnenaufgang den Kahn fertig für eine Fahrt auf den Strom. Sie wollten die Reusen noch einmal kontrollieren, mit Schnüren und Harpunen auf Fischfang gehen. Der Kahn war dafür besser geeignet als ein Einbaum. Man hatte mehr Platz und eine größere Stabilität im Boot, auf dem Strom konnte es stürmisch werden. Es war ein Boot welches wie ein Einbaum gebaut war, die Bootsbauer hatten einen Baumstamm von sechs Schritt Länge ausgehöhlt und in Längsrichtung geteilt. Wo man die Wanddicke nicht messen konnte, wurden Löcher gebohrt, um eine gleichmäßige Dicke mit der Queraxt (Dachsel) herstellen zu können. Bei Fertigstellung wurden die Löcher mit eingeschlagenen Holzpfropfen wieder verschlossen.

Das Ergebnis war ein in zwei Längshälften geteilter Einbaum wie ihn ihre Vorfahren schon seit hundert Wintern bauten. Am Boden sowie an Bug und Heck wurden Bretter eingefügt und mit Spanten mit den Einbaum Hälften verbunden. Im Heck war etwa einen halben Schritt vor dem Bootsende eine Querwand eingefügt, der entstandene Raum diente als Fischkasten. Der Bretterboden war hier mehrfach durchbohrt, sodass immer Wasser im Kasten stand und gefangene Fische frisch gehalten wurden.

Die Kanten der Bretter und der Seitenwände der Einbaumhälften mussten passgenau angefertigt werden, damit der Kahn dicht wurde. Die Kanten wurden angeschrägt und in die entstehenden Rillen Schafwolle und Pflanzenfasern eingepresst als Dichtungsmittel. Dann wurden die Rillen mit erhitztem Erdpech vergossen.

Trotz aller Sorgfalt wurde der Kahn nie ganz dicht, immer wieder musste Wasser geschöpft werden. Sie lenkten den Kahn an die Uferkante, welche bei Niedrigwasser trockenfiel. Hier hatten sie die Reusen verankert, die jetzt zum Teil aus dem Wasser ragten. Norgert stieg aus dem Kahn auf den schlammigen Schlickboden und leerte die Reusen in den Kahn. Ein reicher Fang, Rulf hatte Mühe die glitschigen Fische mit den Händen in den Fischkasten zu schaufeln. Er rief seinem Vater zu: „Zwei große Hechte, ein Knäuel Aale, drei Barsche, zwei Zander, ein guter Fang, viele Jungfische, die werfe ich wieder zurück ins Wasser.“ „Nächstes Mal gehst du in den Modder“, rief Norgert zurück, der mühsam seine Beine aus dem Schlick zog und wieder in den Kahn stieg.

Der Fischkasten war gut gefüllt, er nahm die Hechte und einen großen Barsch wieder heraus. „Die hätten sich dick und rund gefressen bei der leichten Beute“; sagte er auf den fragenden Blick des Sohnes. „Wir paddeln jetzt gegen den Strom in ruhiges Wasser und versuchen mit den Fischspeeren welche von den großen Fischen zu erbeuten. Deine Schnüre kannst du auswerfen, vielleicht fangen wir nebenbei noch was.“

Die Schnüre bestanden aus zusammengeknüpften Tiersehnen, an deren Ende war ein dünner Metalldraht befestigt und an dem hing der Angelhaken. Norgert benutzte noch gerne Angelhaken aus kräftigen Fischgräten, im Gegensatz zu Nachbar Rodgar, der sich bei anderen Fischern geschmiedete Haken aus Eisen eingetauscht hatte. Der dünne Metalldraht am Ende der Schnüre verhinderte, dass Raubfische mit kräftigem Gebiss die Schnüre durchbissen und mit dem Haken entkamen.

Im ruhigeren Wasser lauerten große Hechte, Störe und auf dem Grund auch Welse auf Beute. Recht ergiebig wurde der Fang zur Zeit der Lachswanderung. Die Männer nahmen ihre zweizackigen Speere zur Hand, spähten in die trüben Fluten. Rulf hatte sich zu einem geschickten Fischer entwickelt. Ein dunkler Schatten flitzte vorbei, er stieß zu und hatte eine zappelnde Beute kurz vor dem Schwanzende erwischt. Allein konnte er den Fisch nicht in den Kahn ziehen, sein Vater stach seinen Speer gleich hinter dem Kopf des Fisches ein. Gemeinsam zogen sie einen Wels an Bord: „Ein guter Fang, Sohn, der ist mehr als einen Schritt lang.“

Rulf war stolz, er half mit wie ein Mann, die Familie zu ernähren. „Jetzt brauchen wir noch etwas für deine Mutter, das was wir bisher haben, wird verkauft oder getauscht.“ Der Vater bestimmte über ihren Fang. Sie hatten nach einigen vergeblichen Versuchen noch einmal Glück, Norgert speerte einen fast ebenso langen Stör und zog ihn mit Mühe ins Boot. Mit den Angelschnüren hatten sie weniger Erfolg. Ein Hecht, gut einen Fuß lang, hatte angebissen. „Genug für heute, ab nach Hause.“

Sie bogen in den Kanal zu ihrem Dorf ein und legten vor ihrem Langhaus an. Gemeinsam schleppten sie den Stör in das Haus. Auf einem dafür vorgesehenen Tisch nahmen sie den Fisch aus und teilten ihn in gleichlange Stücke. Das gab einige kräftige Mahlzeiten. Die Mutter kam und lobte sie: „Da habt ihr mal nicht geträumt von der schönen Meernixe, sondern tüchtig gearbeitet.“ Norgert nutzte die Situation, schmuste tüchtig mit ihr, bis sie ihn abwehrte: „Nun ist’s genug.“ Rulf widmete sich inzwischen seiner Schwester Sieke, die bald zehn Winter wurde und der Liebling in der Familie und im Dorf war.

Da es noch früh am Tag war und das ablaufende Wasser gerade begann, beschloss Norgert noch einmal loszufahren, um den Rest des Fanges zu verkaufen. Mit dem schweren Kahn konnten sie nur mit dem Ebbstrom die Oye erreichen, gegen die Flut war das nicht möglich. Der schmale Kanal, welcher das Dorf mit dem Strom verband, fiel bei Niedrigwasser trocken und ein Auslaufen mit Kahn oder Boot war nicht mehr möglich. „Wir fahren zur Oye, vielleicht können wir den Rest der Beute günstig verkaufen.“ Mutter und Tochter eilten zum Kahn, um den Fang zu sehen. Sie staunten über den großen Wels und die Anzahl Fische im Fischkasten. „Einen Hecht nehme ich mir noch mit“, sagte Imke und ohne Widerspruch zu dulden griff sie nach einem der beiden Hechte, welche Norgert aus dem Fischkasten genommen hatte.

03 OYE SAND

Der Tag beginnt, die Amsel singt, die Zeit geht ihren Wegafrikanisch

Sie hoben den Kahn mit dem Bug aus dem Wasser und wendeten ihn, im Wasser war das nicht möglich, der Kanal war zu schmal. Mit kräftigen Paddelschlägen erreichten sie den Strom und ließen sich von dem einsetzenden Ebbstrom treiben. Nach drei Stunden kam ihr Ziel in Sicht. Sie ließen sich an der Seite der Mittagssonne an die Insel heran treiben und suchten zwischen einigen schon vorhandenen Booten einen Platz zum Anlegen.

Die Fische wurden in einen Korb gefüllt und zu dem Handelsplatz getragen. Ihre Fischspeere nahmen sie mit, oft war es schon zu Streitereien mit dem rauen Volk gekommen, besser man zeigte sich wehrhaft. Den Wels hatten sie im Kahn gelassen, interessierte Käufer mussten ihn dort besichtigen.

Mit lauten Rufen wurden sie begrüßt: „Da kommt der Fischhöker, was bringst du mit?“ „Lauter frische Fische, eben erst gefangen, einen großen Wels könnt ihr euch im Kahn ansehen.“

Der schwere Korb war im Nu zur Hälfte leer, Fische waren begehrt. Norgert tauschte Getreidesaat ein. Mit dem Rest ging er zu einem Schmied, er brauchte Nägel und zwei Sicheln. Dann war auch dieses Geschäft perfekt. Norgert überlegte, ob er nicht eine Schmiedewerkstatt in seinem Dorf einrichten sollte. Die Hilfe eines Schmiedes brauchte man jederzeit.

Ein Hornsignal ertönte und ein lauter Ruf: „Piraten, Gefahr.“ Alle Blicke richteten sich zur anderen Seite der Insel. Dort kam ein Schiff mit einem Segel in Sicht. An Deck wimmelte es von Bewaffneten: „Das sind Piraten“, rief Norgert, „nehmt eure Waffen und folgt mir.“ Er stürmte zum beabsichtigten Landeplatz der Piraten, die Händler folgten ihm.

Am Bug des Schiffs stand ein großer breitschultriger Kerl: „Werft eure Waffen weg, wir bekommen doch was wir wollen. Wenn ihr Widerstand leistet, bezahlt ihr es mit dem Leben.“ Norgert wandte sich an seine Mitstreiter: „Nein, das sind nicht mehr als wir, wir jagen sie zurück.“ Die Händler schüttelten zornig ihre Waffen, sie wussten, wenn sie jetzt aufgaben, hatten sie ihr Eigentum und vielleicht auch das Leben verloren.

Der Bug des Piratenbootes bohrte sich in das Schlickufer und die ersten Männer sprangen an Land. Sie waren alle gut bewaffnet, aber sie wurden von einer wütenden Schar wehrhafter Männer empfangen, welche ihr Eigentum verteidigten. Norgert war an der Spitze der Verteidiger, direkt hinter ihm Rulf. Er stach mit dem Fischspeer nach einem Piraten als dieser noch im Wasser stand. Der Räuber sank in die Knie und wurde von zwei seiner Kumpanen zurück zu dem Schiff geschleift.

Ein anderer Angreifer hatte mit seinem Schwert Rulf den Speer aus der Hand geschlagen und drang auf ihn ein. In höchster Not war Norgert zur Stelle und stach dem Piraten seinen Speer in die Seite. Stöhnend ließ dieser sein Schwert fallen und sank auf die Knie. Rulf ergriff das Schwert und schlug ihm zwischen Schulter und Kopf in den Hals, das war sein Ende. Der Junge betrachtete sein Opfer und ihm grauste, das erste Mal., dass er einen Toten sah und dazu noch von ihm erschlagen.

Inzwischen waren alle Piraten an Land gegangen und hieben auf die Händler ein, vorneweg der große Kerl, offenbar der Anführer. Die Händler waren nur zum Teil gut bewaffnet, einige wehrten sich mit Knüppeln, andere mit Sensen, die der Schmied aus seinem Vorrat verteilt hatte. Der Wille ihr Leben und ihr Eigentum zu verteidigen, das Beispiel Norgerts riss sie mit und glich vieles aus.

Auf dem Handelsplatz warteten einige Frauen, welche ihre Männer begleitet hatten, voller Bangen auf den Ausgang des Kampfes. Otta, die Frau von Häuptling Leifwin aus dem Nachbardorf Ringst, einen knappen Tagesmarsch von Geest gelegen, rief: „Nehmt Knüppel, Besen, Dreschflegel und lasst uns den Männern helfen.“ Ihre Tochter Ragna, eine 15-jährige Schöne, nahm eine Axt aus der Schmiede und folgte der Mutter.

Die Männer waren überrasch über die unerwartete Hilfe, doch die Frauen ließen sich nicht zurückweisen und droschen auf die Räuber ein. Trotzdem mussten sie immer weiter zurückweichen, ihre Niederlage zeichnete sich ab. Norgert versuchte ein letztes Mittel um dem Kampf eine Wende zu geben: „Schmied, Rulf ihr folgt mir, ihr anderen haltet uns den Rücken frei. Wir werden uns den großen Kerl schnappen. Der Schmied und ich greifen ihn von vorne an, Rulf, du kommst von der Seite und stichst ihm den Speer in die Rippen, los ran an ihn!“

Sie rannten durch die Reihen der Kämpfer auf den Anführer zu, der Schmied, ein großer starker Kerl als erster, Rulf etwas zurück. Andere Kämpfer beschützten sie. Der Plan ging auf, der Schmied versetzte dem Piraten einen Hieb, den dieser nur mit Mühe abwehren konnte. Fast gleichzeitig stach Rulf ihm den Fischspeer mit aller Kraft in die Rippen. Der Pirat fiel mit einem Schmerzenslaut zur Seite und hauchte sein verbrecherisches Leben auf der Oye Sand, fern seiner Heimat aus. Ein anderer Pirat fügte dem Schmied eine schwere Schädelwunde bei, ehe Norgert ihn mit seinem Speer zu Boden schickte.

Nachdem ihr Anführer gefallen war, sprangen die ersten Piraten auf ihr Schiff, andere folgten, der Kampf war entschieden und das Piratenschiff legte eilig ab zur Flucht. Die wenigen Räuber, welche nicht mehr auf das Schiff gelangten, warfen sich mit voller Kleidung in den Strom und versuchten zu entkommen. Sie wussten, ihr Leben war verwirkt, wenn sie in die Hände der Händler fielen. Sie wären den Göttern geopfert worden oder im günstigsten Fall in eine lebenslange qualvolle Sklaverei verkauft worden.

Die Händler sammelten sich auf dem Platz in der Mitte der Insel und ließen sich ermattet auf die dort liegenden Baumstämme fallen. Frauen trugen den Schmied herbei und versorgten seine Schädelwunde. Die Verletzung sah übel aus, würde er das überleben? Kleine Wunden und Schrammen wurden ebenfalls von den Frauen mit Kräuterverbänden und Heiltränken versorgt. Liegengebliebene Waffen der Piraten wurden eingesammelt, die Männer suchten sich brauchbare Gegenstände aus.

Ein Krug mit Bier tauchte auf und machte die Runde. Norgert wurde gelobt, sein Plan hatte den Kampf zu ihren Gunsten entschieden. Rulfs Blicke hingen voll Bewunderung an Ragna, so eine Gefährtin wünschte er sich. Er nahm allen Mut zusammen und setzte sich neben sie. Sie sah ihn abweisend an: „Was willst du?“, fragte sie, „du bist doch aus dem Schlickdorf.“ „Ich wollte dich fragen, ob du meine Freundin werden willst“, antwortete er, mit seinem Selbstbewusstsein war es vorbei nach der unfreundlichen Antwort. Sie ließ ein lautes Lachen hören: „Suche dir eine Trampel bei euch im Morast, bei mir kommst du nicht an.“

Die um sie herumsitzenden Frauen und Mädchen lachten, Rulf fühlte sich zutiefst gekränkt. Seine Bewunderung für Ragna schlug in Hass um. „Der werde ich es noch zeigen“, dachte er, hatte aber im Moment keine Ahnung, was er ihr zeigen wollte. Er setzte sich wieder zu den Männern, die Frauen kicherten und deuteten zu ihm hin. Er überwand seinen Ärger und nahm einen tüchtigen Schluck Bier.

Die Männer unterhielten sich über die Piraten: „Das waren bestimmt ausgestoßenen Jüten von den Inseln, die leben nur von Räubereien.“ Das sollte keine generelle Verurteilung der Inselbewohner sein, schwarze Schafe gab es überall, auch in den Saxendörfern.

Rulf mahnte zum Aufbruch: „Die Flut läuft schon seit einiger Zeit, wenn wir länger hierbleiben, müssen wir mit der Fahrt nach Hause bis morgen warten.“ „du hast recht Sohn, lass uns aufbrechen. Wer will den Wels haben?“, fragte er in die Runde. Einige Männer sahen sich den mächtigen Fisch an, Ragnas Mutter Otta kam dazu und sagte: „Den nehmen wir, was willst du dafür haben?“ Sie einigten sich auf zwei Lämmer, welche die Familie aus dem Dorf Ringst mitgebracht hatte. Norgert und Rulf lenkten ihren Kahn in den Flutstrom und machten sich auf die Heimfahrt.

04 GEFANGEN

Reich ist, der weiß, dass er genug hat.Laotse (um 300 v. Chr.)

Kurze Zeit später sahen sie ein Segel in der einsetzenden Dämmerung: „Das sind die Piraten“, Norgert erkannte das am Schnitt des Segels, „wir müssen uns verstecken, bevor sie uns entdecken.“ Sie lenkten ihren Kahn ans Ufer Richtung Sonnenaufgang und hatten Glück. Ein schmaler Priel nahm den Kahn auf und sie waren aus dem Blickfeld der Piraten verschwunden.

Durch die Büsche konnte man sehen, dass das große Segel näherkam. Die Piraten hatten noch nicht aufgegeben und lauerten auf leichte Beute bei den heimkehrenden Händlern und Fischern. Wenn Norgert und Rulf jetzt in ihre Hände fielen, würde Norgert sicher erschlagen, vielleicht auch zu Tode gefoltert, er hatte ihren Anführer erschlagen und sie würden ihn erkennen. Rulf drohte der Verkauf in die Sklaverei. Sie zogen den Kahn weiter in den Priel hinein, bis er in einen Graben mündete, der an beiden Seiten mit Bäumen und Büschen bewachsen war. Hier versteckten sie ihn unter dichten Büschen.

Norgert fasste einen Entschluss: „Wir nehmen die Lämmer unter den Arm und gehen zu Fuß nach Hause, bei Morgendämmerung können wir dort sein. Die Körner lassen wir hier, den Kahn holen wir später.“ Wenn die Piraten ihr Boot vor den Priel legten, saßen sie in der Falle und würden bei Tageslicht entdeckt werden. „Der Weg wird mühsam sein, aber besser als von den Räubern geschlachtet werden!“ Rulf war mit seinem Vater einer Meinung.

Trotz des Bewuchses am Ufer des Grabens, mussten sie noch ein Stück landeinwärts laufen, bis sie festen Boden unter den Füßen hatten. „Hier leben Wurtfriesen, denen müssen wir aus dem Weg gehen. Die werden uns nicht umbringen, aber wir landen sicher in der Sklaverei, wenn sie uns fangen.“ Im Mondlicht war eine große Wurt mit einem Langhaus zu erkennen. Vieh ruhte ringsum auf der Weide. Sie schlugen einen großen Bogen um das Haus, aber bald tauchte die nächste Ansiedlung auf.

Womit sie nicht gerechnet hatten, waren die Hunde der Friesen. An der vorigen Wurt hatten die schon einen Riesenlärm gemacht. Hier kam es schlimmer, aus einem dunklen Busch heraus sprangen zwei große Hunde Norgert an und bissen sich an ihm fest. Rulf erstach einen davon mit dem Fischspeer und jagte den andern mit Hieben davon. Stimmen wurden laut, drei Männer kamen die Wurt heruntergelaufen. Norgert setzte sich mühsam auf: „Ich kann nicht weiter, renne nach Hause und hole Hilfe.“ Rulf wollte den Vater nicht im Stich lassen: „Beeile dich, sonst sind wir beide verloren.“ Rulf sah zu den anstürmenden Männern und rannte in Richtung einer Buschreihe an der Weide entlang, nur so konnte er dem Vater helfen. Die beiden Lämmer hatte er zurückgelassen.

Die drei Friesen erreichten Norgert und bedrohten ihn mit ihren Speeren: „Was machst du hier, uns ausrauben? Wir werden dir den Übermut austreiben.“ Sie schlugen heftig mit ihren Speerschäften auf ihn ein, er blieb stöhnend liegen. „Bist du allein?“, fragte der Älteste der Friesen. Norgert nickte. „Wo kommst du her?“ Er konnte keine zusammenhängende Antwort geben, die Schläge auf Brust und Rücken nahmen ihm den Atem.

Rulf rannte um sein Leben, bis er merkte, dass hält er nicht durch und er fiel in Schritttempo. Völlig erschöpft kam er kurz nach Sonnenaufgang in ihrem Langhaus an. Die Mutter war erschrocken und konnte sich sein Kommen allein nicht erklären, bis er in wenigen Sätzen erklärt hatte, was vorgefallen war.

„Mutter, hole Rodgar und alle anderen Männer aus dem Dorf schnell hierher, es geht um das Leben von Vater.“ Imke rannte zu den Nachbarn nach der Seite zum Sonnenaufgang und schickte Tochter Sieke nach den Gehöften zur Wasserseite. Innerhalb kürzester Zeit waren sieben Bauern mit drei kräftigen Söhnen im Langhaus versammelt. Rulf erklärte die Situation: „Piraten haben uns auf der Insel angegriffen, wir haben sie abgewehrt, ihren Anführer erschlagen und verjagt. Als wir mit der auflaufenden Flut zurück nach Hause wollten, haben sie uns aufgelauert. Wir mussten unseren Kahn verstecken und zu Fuß weiter flüchten. Dabei haben Friesen von einer Wurt Vater gefangen genommen und verwundet. Vater befahl mir zu fliehen und Hilfe zu holen. Er wurde von Hunden angefallen und konnte nicht weiter. Wir müssen sofort los, wenn wir Norgert helfen wollen.“

Rodgar fragte: „Wie weit ist das von hier?“ „Einen knappen Tagesmarsch immer am Strom entlang, wenn wir uns beeilen. Den Weg zu der Wurt zeige ich euch, wenn wir dort sind.“ Rodgar machte sich zum Anführer und sagte: „Wir sind elf Männer, euch zähle ich mit“, er deutete auf die drei Jungens, „zwei Männer und einer von den Jungs bleibt hier, wir können die Frauen und Kinder nicht ohne Schutz lassen.“ Die Männer und der Junge wurden bestimmt und alle eilten nach Hause, um Waffen und etwas Verpflegung zu holen. „Wir treffen uns am Dorfausgang“, rief er ihnen noch nach.