Das Moor, Drogen und der Tod - Gerhard Pflanz - E-Book

Das Moor, Drogen und der Tod E-Book

Gerhard Pflanz

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Beschreibung

In England wird eine Moorleiche gefunden, sie stammt aus dem 5. Jahrhundert n. Chr. und Dr. Reading von der Universität Sheffield will nachweisen, dass der Ermordete ein Einwanderer aus dem Elbe-Weser Dreieck ist. Er reist nach Norddeutschland, wo Anfang der 2000er Jahre ebenfalls ein Leichnam im Moor gefunden wird. Durch seine Nachforschungen wird Mord und Drogenschmuggel nach England entdeckt, Dr. Reading kommt in höchste Gefahr. Zuständig bei der Kripo Bremerhaven ist Rainer Möhler, der alle Hände voll zu tun bekommt, abenteuerliche und überraschende Aufklärung betreiben muss. Im Anhang wird das Leben der aus dem Elbe-Weser Dreieck ausgewanderten Saxen in ihrer neuen Heimat Britannia im 5. Jahrhundert n. Chr. geschildert und damit der Kreis der Erzählung geschlossen zwischen Gegenwart und Vorzeit.

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Buch

Ein Kriminalroman, der im 5. Jahrhundert n. Chr. in England und in den 2000er Jahren in der Umgebung von Bremerhaven spielt.

Von dem Fund einer Moorleiche in England aus dem 5. Jahrhundert n. Chr., spannt die Geschichte einen Bogen bis Anfang der 2000er Jahre und einer weiteren Moorleiche im Elbe-Weser Dreieck. Dadurch wird Drogenschmuggel im Raum Bremerhaven- Groningen entdeckt und Hauptkommissar Möhler von der Kripo Bremerhaven hat mit der Bearbeitung der damit verbundenen Straftaten alle Hände voll zu tun.

Er hofft aber auch sein Glück mit seiner Traumfrau Ruth zu finden, das geht aber nicht ohne eine vorherige Prüfung, welche er bei ihr bestehen muss. Wird es ein Happy End geben?

Das im Anhang, ab Seite 178, geschilderte Leben der Saxen im 5. Jahrhundert n. Chr. schließt den Kreis der Erzählung zwischen Gegenwart und Vorzeit.

Die Handlung ist frei erfunden. Namensgleichheiten von Orten oder Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Autor

Gerhard Pflanz lebt im Cuxland im Kreis seiner Familie. Nach einem anspruchsvollen und erfolgreichen Berufsleben widmet er sich jetzt im Ruhestand seiner Leidenschaft, dem Schreiben von Historischen- und Kriminalromanen. Daneben zählt für den Dipl. Ing. und Vater von drei Kindern vor allem seine Familie.

Web: http://www.pflanz-web.de

Mail: [email protected]

Weitere Titel von Gerhard Pflanz

Die Mörderkate (ISBN: 9783757821616)

Aufbruch nach Britannia (ISBN: 9783756828609)

Morde und Amouren (ISBN: 9783755749943)

Yako - Der Chatte (ISBN: 9783753464435)

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Geschichten für Melissa (ISBN: 9798690530075)

Kriegsende in Schlitz

Technisches Wörterbuch (deutsch/engl., engl./deutsch)

➔ Siehe auch Seite →.

Inhaltsverzeichnis

01 Ein Anruf

02 Eine Nachricht von der Weser

03 Fährverkehr

04 Grausige Überraschung

05 Tod im Moor

06 Seemannskneipe

07 Auf See verschollen

08 Das Nord-West Kartell

09 Die Abrechnung

10 Durchsuchung

11 Neue Wege

12 Ein Fall für die Kripo

13 Göteborg

14 Gudrun

15 Hauptkommissar Möhler

16 Es wird eng für Harry

17 Abgründe

18 Schwerer Entschluss

19 Neue Spuren

20 Entspannung

21 Ein Überfall

22 Das Versteck

23 Der Spaziergang

24 Harry Härtel

25 Ruth

26 Drogenmafia

27 Vernehmungen

28 Morde und ein Spaziergang

29 Urteile und das Leben

30 Familienglück?

31 Anhang

31.1 Nieugeest

31.2 Zukunftspläne

31.3 Das Schiff

31.4 Sonnenaufgang entgegen

31.5 Ein Fehlschlag

31.6 Wo ist Rulf?

31.7 Im Dorf Heerst

31.8 Tod im Moor

Personenverzeichnis

Dr. Carl Reading

Archäologisches Institut Universität Sheffield

Jens Staake

dto. Universität Hannover

Harm Horkert

Bootsmann der Englandfähre

Gerda

am Ausschank der „Blauen Bude“

Harry Härtel

Drogenschmuggler

Henk Below

sein Boss in Groningen

Taras Cherdikov

Harrys Freund und Gehilfe, ein Tatare

Helga Beier

Taras Freundin

Jost Berendsen

Zollinspektor bei der Zollfahndung Bremerhaven

Rainer Möhler

Kriminalhauptkommissar in Bremerhaven, ledig, 28 Jahre

Ruth Bernhard

vom Gate CT, 32 Jahre alt

Heiner

Sohn von Ruth, 7 Jahre

Robert Böhler (Rocky)

Obdachloser im Krematorium

Gudrun Reichert

seine Freundin

Für meine unvergleichliche Wanda.

Dank an meine Freunde Rudi, Horst, Klaus, und Mirko für ihre großartige Unterstützung.

Lesen gefährdet die Dummheit!

01

EIN ANRUF

Das Leben kann nur in der Schau nach rückwärts verstanden, aber nur in der Schau nach vorwärts gelebt werden.

Soren Kierkegaard (1813-1855)

Im Archäologischen Institut der Universität Sheffield klingelte das Telefon. Dr. Reading, der gerade an der nicht besetzten Zentrale vorbeiging, nahm das Gespräch an: „Reading, Archäologisches Institut.“

„Hier ist George Clyde aus Worksop County. Wir haben im Moor westlich von meinen Äckern eine Leiche entdeckt. Die Polizei meint, das ist etwas Altertümliches und hat mir Ihre Nummer gegeben. Konstabler Murphy hat mir geraten, selbst anzurufen, da eventuell eine Belohnung ausgezahlt wird. Und Geld können wir immer brauchen.“

Da musste der gute Reading dem Anrufer, offenbar ein Farmer aus der Umgebung von Worksop, recht geben. Er notierte sich Namen und Adresse des Anrufers und bat ihn den Fundort abzusperren, sowie Stillschweigen darüber zu wahren, damit Neugierige keinen Schaden anrichten könnten. „Ich komme morgen im Lauf des Vormittags zu Ihnen, bitte zeigen Sie mir dann den Fundort.“ Das versprach der hilfsbereite Farmer gerne, immerhin konnte ja eine Belohnung dabei herausspringen.

Reading nahm den Morris Mini Cooper, lud Miss Gillie Weards mit ein und fuhr am nächsten Morgen zu der angegebenen Adresse, die etwa eine halbe Stunde Fahrt entfernt lag. Gillie nahm er mit für ein paar Aufnahmen der Fundstelle und sie sollte Protokoll führen. Außerdem gefiel ihm ihr lustiges Geplapper als Unterhaltung auf der Fahrt.

In Worksop wurden sie von Farmer Clyde auf seinem großen Bauernhof bereits erwartet und machten sich gemeinsam auf zum Fundort. Wie von Reading befürchtet, war eine Schar Neugieriger bereits vor Ort. Zum Glück war auch Konstabler Murphy da, der Absperrbänder gezogen hatte. In einer Wasserlache zwischen zwei Grasinseln konnte man dicht unter der Wasseroberfläche zunächst eine Hand und bei genauerem Hinsehen einen menschlichen Körper erkennen.

Reading zog die langen bis zur Hüfte reichenden Gummistiefel an und watete durch die braune Moorbrühe bis an das erkannte Objekt. Die Laica hatte er an Gillie übergeben, sie sollte Aufnahmen machen. Er griff vorsichtig nach der sichtbaren Hand und war erstaunt, wie kompakt und lebendig sie sich anfühlte. Zweifel daran, dass es sich um einen historischen Fund handelte, gab es allerdings nicht, wie man aus den typischen Kleidungsresten des Fundes erkennen konnte.

Er watete zurück und teilte dem Konstabler diese erste schnell gewonnene Erkenntnis mit. Er vereinbarte mit ihm, dass der Fundort dauerhaft abgesperrt bleiben sollte, möglichst schon der schmale Moor Pfad dorthin. Da es sich um Grund und Boden des Farmers handelte, sollte dieser Schilder aufstellen, etwa mit der Aufschrift „Zutritt verboten, der Eigentümer“.

Natürlich wollte der gute Clyde wissen, wie es weitergeht. „Wir werden den Körper bergen, das wird eine schwierige Aktion. Sie müssen Geduld haben. Ich bespreche das im Archäologischen Institut, dann melden wir uns wieder.“ Er wandte sich an die erschienenen Schaulustigen und bat sie das Moor zu verlassen, im Interesse der ungestörten Bergung und der anstehenden wissenschaftlichen Untersuchungen. „Nach ersten Erkenntnissen handelt es sich mit großer Sicherheit nicht um einen aktuellen Mordfall, sondern um einen historischen Fund“, ergänzte er.

Gillie musste ebenfalls die langen Stiefel anziehen und watete ins Moor, um Nahaufnahmen zu machen. Sie konnte brauchbare, deutliche Aufnahmen machen, aber ihr grauste, der menschliche Körper lag mit dem Gesicht nach oben, die ausgestreckte Hand schien wie hilfesuchend nach ihr zu greifen, der Tote rief ihr zu: „Ich will nach oben“, so schien es ihr jedenfalls einen Augenblick. Schnell watete sie zurück und auf dem Weg zum Hof von Farmer Clyde wendete sie sich einige Male um, folgte ihr etwa der grausige Leichnam.

Reading bemerkte ihre Anspannung und nahm sie erst einmal in den Arm, was sie sich gerne gefallen ließ. Farmer Clyde ließ sie noch nicht ziehen, sondern lud sie zu einem Imbiss in einem Pavillon neben dem Hoftor ein. Seine Frau, „Cary“, stellte der Farmer sie vor, brachte für jeden einen Teller mit Schinken und Spiegeleiern auf dunklem Brot, sowie ein Getränk nach Wunsch: „Alles aus eigener Herstellung“, verkündete sie stolz und ließ es sich auch schmecken.

Im Institut druckte Dr. Reading die Bilder aus und staunte über den lebensnahen Eindruck, den der Leichnam machte. Die folgenden Tage vergingen mit der Planung für die Bergung des wertvollen Fundes. Man einigte sich darauf ein Brett unter den Körper zu schieben, auf dem man den Leichnam wie auf einem Schlitten aus dem Moor ziehen konnte, um ihn auf schnellstem Weg zum Labor in eine geschützte Atmosphäre zu transportieren.

Der Körper war erstaunlich gut erhalten, auffallend war eine tiefe Schädelwunde, verursacht durch einen Axt- oder Schwerthieb, welche wohl auch den Tod herbeigeführt hatte. Von großem Interesse war das Alter des Fundes, welches man im Institut durch eine Pollenanalyse vorbestimmte, für eine genauere Untersuchung nach der Methode der Bestimmung der Restmenge des radioaktiven Kohlenstoffs, wurde der Leichnam in das Archäologische Nationalmuseum nach London gebracht, wo auch die aufwändige Konservierung durchgeführt wurde.

Nach einer Woche spannender Wartezeit kam das Ergebnis: der im Moor gefundene Mann war vor ca. 1500 Jahren umgekommen, was mit dem Ergebnis der Pollenanalyse übereinstimmte. Und noch eine bemerkenswerte Feststellung trafen die Experten in London: nach typischen Merkmalen an Kleidung und Bewaffnung des Fundes, konnte man mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass es sich um einen im 5. Jahrhundert nach Britannien eingewanderten Germanen handelte. Die Runen auf seinem Dolch entsprachen den Schriftzeichen der Saxen aus den Elbe-Weser Dreieck im heutigen Norddeutschland, die um diese Zeit verwendet wurden. Ein Glücksamulett wurde gefunden, welches der Saxe wohl an einer Lederschnur um den Hals getragen hatte.

Die Konservierung war erst nach zwei Jahren beendet. Der Germanenkrieger, oder war er Bauer gewesen, wurde in einen Glassarg gebettet und galt als neues Prunkstück des Museums. Aber da hatten die Herren aus London nicht mit Dr. Reading gerechnet. Er stritt mit großer Hartnäckigkeit für die Rückführung nach Sheffield und bekam durch einen Richterspruch recht. Der Germane aus dem frühen Mittelalter wurde viel bestauntes Ausstellungsstück in seinem Institut.

Das wäre allerdings nicht möglich gewesen, wenn nicht ein großzügiger Staatsdiener die Kosten für die Untersuchungen und die Konservierung zu Lasten der Staatskasse gebucht hätte. Aus diesem Topf wurde auch eine Belohnung von 500 Pfund an den Finder, Farmer Clyde, ausbezahlt.

02

EINE NACHRICHT VON DER WESER

Der Weg zur Wahrheit ist mit Not beschlagen.

Lord Byron (1788-1824)

Dr. Carl Reading griff in seinem Büro wie gewohnt zuerst nach der Zeitung, welche ihm Mitarbeiterin Gillie Weards auf den Schreibtisch gelegt hatte. „Mal sehen, ob „Sheffield Newspaper“ heute überhaupt etwas Neues zu vermelden hat, manchmal ist es halt ein rechtes Provinzblatt“, dachte er. Die politischen Meldungen und die beiden Seiten Wirtschaft und Sport waren schnell überflogen.

Dann kamen Meldungen „Around the World“ und dabei ganz unten in einer Ecke die Meldung über den Fund einer Moorleiche in Norddeutschland. Er wollte gerade in der Radaktion der Zeitung anrufen und um nähere Auskunft bitten, als das Telefon klingelte. Gillie meldete sich: „Ein Gespräch aus Hannover, ich stelle durch.“ „Jens Staake“, meldete sich eine ihm wohlbekannte Stimme, „habe ich dich geweckt, old fellow?“

Das war ein Freund und Studienkollege aus seiner Zeit am archäologischen Institut der Leibniz Universität in Hannover, wo er zwei Jahre als Assistent des Professors Borkert tätig war, um seine Ausbildung zu vervollkommnen. Deshalb war ihm die deutsche Sprache wie eine zweite Muttersprache, er unterhielt sich gerne auf Deutsch, um in Übung zu bleiben.

Er fragte: „Hast du meine Nummer wieder mal ausgegraben und willst hören, ob ich noch aktiv bin?“ „Ich freue mich deine Stimme mal wieder zu hören, alter Kumpel. Habe aber auch einen aktuellen Anlass für meinen Anruf. Ein Torfstecher hat hier im Moor im Kreis Cuxhaven eine Moorleiche gefunden. Wir haben vom dortigen Kreis-Archäologen die Anfrage, ob wir sie bergen können. Er meint, das könnte ein historischer Leichnam sein.“

„Da bin ich allerdings noch in Übung, nachdem ich vor zwei Jahren hier einen Saxen aus dem 5. Jahrhundert geborgen habe, aber ihr habt doch auch geballte Fachkenntnis in Hannover.“ Jens antwortete nach kurzer Pause: „Das stimmt, aber momentan sind alle Archäologen auswärts unterwegs. Prof. Borkert ist mit einem Kollegen in der Türkei, ein anderer in Österreich. Wir haben hier keine freie Kapazität, ich muss die Stellung hier halten, auch wegen der Vorlesungen. Borkert hat mich beauftragt bei dir anzufragen, ob du kommen und diese Arbeit übernehmen kannst.“

Carl Reading durchfuhr es wie ein heißer Strahl, nur zu gerne würde er das übernehmen, das war eine hoch interessante Aufgabe und außerdem bestand die Chance, dass er Chris wiedersehen könnte, seine unvergessene Freundin aus den Tagen in Hannover.

Nach kurzer Pause antwortete er: „Ich bin im Moment frei und könnte kommen, die Zustimmung unseres Dezernenten vorausgesetzt.“ „Das wäre ideal, du müsstest allerdings in der niedersächsischen Provinz tätig werden, aber ein Besuch unserer damaligen Stammkneipe machen wir. Das „Barre-Eck“ ist an der bekannten Stelle, ob deine Freundin noch da ist, weiß ich nicht. Das werden wir dann feststellen.“

„Ich gehe jetzt zum Alten und bespreche das mit ihm. Er ist da, ich rufe in einer halben Stunde zurück, mein Freund.“ Mit dem „Alten“ war das schnell geklärt, er war einverstanden. Carl machte sein Versprechen wahr und war bei Jens schnell wieder am Apparat: „Alles klar, er ist einverstanden, vorausgesetzt, Reisekosten und sonstige Spesen werden übernommen. Mein Salär läuft von hier weiter.“

„Super, das mit den Spesen kläre ich hier, das dürfte kein Problem sein. Wann kannst du hier sein? Das eilt jetzt natürlich.“ „Wir haben ja eine Fährverbindung von Harwich nach Bremerhaven. Die nächste Ferry startet hier um 12:00 Uhr. Arrival in Bremerhaven ca. 19:00. Du musst mich abholen“, sagte Carl. „Great, ich bin pünktlich da.“

03

FÄHRVERKEHR

Das Unmögliche wird zuweilen geglaubt, das Unwahrscheinliche niemals.

Oscar Wilde (1854-1900)

Bootsmann Harm Horkert hatte vor 4 Jahren bei der schwedischen Wotan Reederei als Matrose angeheuert und war inzwischen zum Bootsmann aufgestiegen. Er hatte damals seine friesische Heimat nicht unbegründet verlassen, die „Bullen“ waren hinter ihm her, wie er es ausdrückte. Anlass war sein aufbrausender Charakter, der ihn in verschiedene Schlägereien verwickelt hatte, die mit erheblichen körperlichen Schäden seiner Kontrahenten endeten.

Das wäre aber noch glimpflich für ihn abgelaufen, wenn er nicht mit einem finsteren Kumpel ein Anwaltsbüro ausgeräumt hätte. Dabei war es zu Sachbeschädigungen gekommen, der Wand Safe musste aufgebrochen werden, die Beute reichte gerade mal für ein vergnügtes Wochenende in Altona. Sein Komplize prahlte in seiner Kneipe mit dem Bruch und dann stand auch Harm im Fahndungsblatt.

Höchste Zeit die Mücke zu machen. Die Probleme, welche er mit seiner Freundin zu der Zeit hatte, kamen zum Glück nicht ans Tageslicht, sonst hätte er ganz alt ausgesehen. Er verkaufte seinen altersschwachen VW Käfer, kaufte in Kiel ein Fährbillet nach Schweden und war erst mal weg. Da er von der Seefahrt kam, nahm ihn die Wotan-Reederei gern in ihren Dienst.

Nun stand er an der Laderampe der Wotan-Fähre in Harwich und dachte voller Zufriedenheit an seinen neuen lukrativen Deal, in den er eingestiegen war. Dieses Mal hatte er den Bananenkarton in Gästekabine 3 untergebracht. Das Schiff hatte nur drei Kabinen für Mitfahrer ohne eigenes Fahrzeug, die wurden von der Schiffsführung meist in der Reihenfolge der Ziffern belegt und waren selten alle drei belegt. Er beobachtete die LKWs und Sattelauflieger, welche von zwei Decksleuten eingewiesen wurden.

Ein einzelner Reisender kam mit einer Reisetasche an die Gangway und reichte ihm sein Ticket: „Einmal Bremerhaven, bitte“, sagte er lächelnd auf Deutsch. Harm sah sich das Ticket an, ein Dr. Carl Reading aus Sheffield, gebucht für Kabine 3. Dieses Mal hatte irgendein dämliches Reisebüro die Kabine 3 belegt, obwohl 1 und 2 noch leer waren. „Ich bringe Sie hin“, sagte er, nahm die Reisetasche und ging voraus. Den Karton durfte der Passagier auf keinen Fall sehen, der sah nicht nach Bananen aus.

Er ging in die Kabine, nahm den Karton aus dem Schrank und zwängte sich an Reading vorbei aus dem Raum, der hineinwollte. Der meinte, in dem Sichtschlitz des Kartons kleine schwarze Pakete mit einer gelben Banderole entdeckt zu haben. „Wenn Sie etwas brauchen, melden Sie sich.“ Reading sah verwundert in dem Schrank nach, konnte aber sonst nichts Besonderes entdecken. Das sah doch verdächtig nach Schmuggelgut aus, dachte er. Eigentlich brauchte er für die kurze Dauer der Überfahrt keine Kabine, aber das war in dem Tickt nun mal enthalten.

Harm Horkert verstaute den Karton eilig in seiner eigenen Kammer, was aber nicht unproblematisch war, da das auch sein kleines Büro war, in welches öfter auch Mitglieder der Besatzung kamen. Die hatten zwar immer irgendein dienstliches Anliegen, aber auch neugierige Augen, die er hier nicht gebrauchen konnte. Wenn er diesen Deal aufgeben müsste, nein, schade um das leichtverdiente Geld.

Außerdem funktionierte der Transport in beide Richtungen, er bekam in Bremerhaven Pakete, welche Richtung England bestimmt waren und in Harwich umgekehrt. Seine Sendung aus Bremerhaven hatte er vor kurzem an den Boten abgeliefert, der ihm diesen Karton gebracht hatte.

Er ging an Deck und rief: „Close the ramp, Billy.“ Der Decksmann schloss die Rampe und die Abfahrt konnte pünktlich erfolgen. Er sah nach oben zur Brücke, wo der Chief Mate (1. Offizier) zufrieden den Daumen in die Höhe reckte.

04

GRAUSIGE ÜBERRASCHUNG

Der Verstand ist wie eine Fahrkarte: Sie hat nur dann einen Sinn, wenn sie benutzt wird.

Ernst E. Hauschka (1926-2012)

Bremerhaven kam in Sicht, Carl Reading stand an der Reling, bereit das Schiff zu verlassen und beobachtete das gekonnte Anlegemanöver ohne Schlepper. Er blickte hinüber zur Pier und sah hinter der nahen Schranke, welche das Hafengelände absperrte, die Gestalt im Wetterparka, das musste Freund Jens Staake sein.

Er verabschiedete sich vom Bootsmann und ging an Land. Horkert sah ihm misstrauisch nach, was hatte der gesehen? Der sah verdammt nach Schnüffler aus. Carl wurde freundlich vom früheren Kumpel Jens begrüßt und zu dessen Wagen geführt. „Wir nehmen uns ein Hotel in Bremerhaven und fahren morgen früh zur Fundstätte, heute wird es zu spät, wir brauchen Tageslicht.“, schlug Jens vor. „Einverstanden“, Carl Reading war es recht. Im Hotel „Haven Rand“ bezogen sie zwei brauchbare Zimmer und trafen sich später in der Lobby zu einem lustigen Abend.

Die Fahrt zur Fundstätte des Leichnams dauerte nur ½ Stunde. Jens und auch Carl Reading hatten noch einen schweren Kopf vom vergangenen Abend, den auch der starke Kaffee zum Frühstück nicht ganz vertreiben konnte. Es gab halt so viel zu erzählen von den früheren gemeinsamen Zeiten mit dem Beginn: „Weißt du noch …“, ebenso von den seitdem vergangenen Jahren. Jens hatte geheiratet und bereits einen Sohn zusammen mit seiner Ute bekommen. Carl Reading war noch ohne Bindung, trotz seines fortgeschrittenen Alters, wie er es nannte, von 34 Jahren und er hatte noch keine ernsten Absichten. Gelegentlich wärmte er seine Junggesellenglieder bei seiner lieben Mitarbeiterin Gillie.

Er genoss die Fahrt durch die norddeutsche Küstenlandschaft und erlebte so die wahrscheinliche Heimat seines Saxen, den er in England aus dem Moor geborgen hatte. Die nahe Verwandtschaft zwischen den beiden Völkern wurde ihm bewusst. Er kurbelte das Fenster etwas herunter: „Damit ich ganz klar in der Birne werde“, sagte er zu Jens.

„Wir sind in wenigen Augenblicken da“, entgegnete dieser. Das Dorf tauchte auf, er fuhr auf der Hauptstraße durch den Ort und um einen See herum, der am Nordende des Dorfes lag. Hinter dem See lag ein kleiner Parkplatz mit einem Schild „Moor Pfad“, ein Polizeifahrzeug stand dort. „Das ist Wachtmeister Behrens vom Revier in Bederkesa“, erklärte Jens. Er parkte neben dem VW und sie begrüßten den Polizeibeamten, Carl stellte sich vor.

„Wir müssen ¼ Stunde auf dem Knüppeldamm ins Moor gehen bis zu dem Fundort“, erklärte Behrens. Als er sein spärliches Schulenglisch bemühen wollte, beruhigt Carl ihn: „Ich war zwei Jahre in Hannover und verstehe deutsch.“

Die beiden Wissenschaftler zogen sich die hüfthohen Gummistiefel an, Behrens blieb bei seiner Dienstkleidung. Der Ort war schnell erreicht, der Polizist musste ihnen aber zeigen, wo der Leichnam lag, für einen unbedachten Spaziergänger war nichts zu sehen. „Richtig unheimlich hier“, sagte Carl. Die feuchte Luft roch modrig, einige Büsche und Schwarzerlen standen dicht am Fundort.

Jens stapfte runter vom Steg in die dunkle Moorbrühe und versank bis zu den Knien. Er teilte das trübe Wasser mit einer Hand, eine unbekleidete Leiche wurde sichtbar. Carl folge ihm und machte Aufnahmen mit einer Kamera. Ein flacher Stein lag auf dem Gesicht des Leichnams. „Wir müssen den Stein entfernen, dann sehen wir mehr.“

Jens streifte die Ärmel seiner Jacke hoch und griff nach dem Stein: „Puh, der ist schwer, da müssen wir beide ran.“ Zu zweit hoben sie die Steinplatte von dem Gesicht, zum Vorschein kam ein menschlicher Kopf, der kaum noch als solcher zu erkennen war. Carl packte das Grauen, erschrocken zuckten seine Hände zurück, die den Fund von der Moorbrühe säubern wollten. „Hier ist keine Arbeit für uns“, sagte Carl, „das ist kein Leichnam aus alten Zeiten, das ist ein Mord aus jüngster Vergangenheit.“

Jens nickte zustimmend: „Herr Behrens, das ist ein Fall für die Kripo, nicht für uns Altertumsforscher.“ Der Polizeimeister war erschrocken: „Das muss ich sofort im Revier melden. Die werden die Kripo in Bremerhaven benachrichtigen.“ Er lief zurück zum Wagen, um anzurufen und kam kurz darauf wieder: „Der Revierleiter meint, Cuxhaven wäre zuständig und wird dort anrufen. Ich soll Ihre Namen, Telefon Nummer und Anschrift notieren, die werden noch mit Ihnen sprechen wollen.“ „Dann werden wir jetzt nach Bederkesa fahren und uns dort melden. Sie werden sicher hierbleiben müssen.“ Behrens nickte: „ Zum Glück ist der Fundort noch nicht bekannt, sonst hätten wir hier jetzt einen Andrang von Schaulustigen. Ich bleibe hier und warte auf Nachricht vom Revier.“

Revierleiter Koch in Bederkesa hatte schon mit der Kreisstadt gesprochen, als die beiden Freunde ankamen. Die wollten schnellstens die Mordkommission schicken, was aber bis zum Eintreffen am Fundort noch 2 bis 3 Stunden dauern konnte. Der Revierleiter hatte einen Vorschlag für die beiden Männer: „Fahren Sie zurück ins Dorf, da gibt es den Gasthof Kensen, wo Sie warten können. Ich sage Polizeimeister Behrens, er soll Sie dort benachrichtigen, sobald Cuxhaven da ist.“

So kam es, dass die beiden sich zunächst in einer Dorfkneipe wiederfanden. Der freundliche Wirt bot ihnen bei dem schönen Sommerwetter einen Platz auf der Terrasse mit Seeblick an und brachte den bestellten Kaffee. „Wenn ein Polizeimeister Behrens anruft, geben Sie mir bitte Nachricht, mein Name ist Staake.“ Der neugierige Wirt tat erschrocken: „Ist was passiert?“ „Nein, nichts Wichtiges, danke.“

05

TOD IM MOOR

Mit dem Wissen wächst der Zweifel.

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

Der Anruf kam und die beiden Freunde machten sich auf den Weg. Dem guten Behrens war die Zeit lang geworden, aber es war eben seine Aufgabe. Die Mordkommission aus Cuxhaven kam mit drei Mitarbeitern und machte sich sofort an die Arbeit. Sie hatten ein zweites Fahrzeug bestellt mit einem Bestatter, der den Leichnam zur Pathologie bringen sollte.

Hauptkommissar Bender leitete die Gruppe: „Stade ist zuständig, aber die haben keine Kapazität frei, wir haben mit Hannover gesprochen, die können das machen.“ Der Leichnam wurde geborgen, Jens und Carl konnten ihn noch einmal genau in Augenschein nehmen, es war eine unbekleidete junge Frau, das konnte man natürlich trotz des durch den Stein zerschmetterten Gesichtes erkennen. Der Tod musste durch eine Verletzung am Kopf oder Hals eingetreten sein, am Körper war kein Wundmal zu entdecken. Carl entdeckte an der rechten Hand zwischen Mittelfinger und Ringfinger einen abgerissenen gelben Papierstreifen mit schmalem schwarzem Rand. „Wo habe ich das schon einmal gesehen?“, fragte er sich, konnte sich aber im Moment nicht daran erinnern.

Die Männer aus Cuxhaven machten eine genaue Aufnahme des Tatorts mit einer Lageskizze in einem Messtischblatt und diversen Fotografien. Nachdem alles dokumentiert war, transportierte der Bestatter mit Hilfe der Kriminalbeamten den Leichnam zu seinem Wagen und fuhr ab.

Hauptkommissar Bender bedankte sich bei Carl und Jens für ihre Mitarbeit. Er bedauerte, dass Carl nun aus England angereist war, ohne den Erfolg zu sehen, den er erwartet hatte. Der Bestatter musste nach Hannover fahren, ihm war es recht, wurde ja bezahlt. Jens Staake gab ihm einen Zettel mit seiner Anschrift, wegen möglicher Rückfragen. Die weitere Bearbeitung des Falles lag nun bei den Beamten aus Cuxhaven. Die verabschiedeten sich und Jens fragte: „Was machen wir mit dem angebrochenen Tag?“, als sie allein auf dem einsamen Parkplatz standen.

Er gab dann auch selbst die Antwort: „Wir fahren zurück nach Bremerhaven und übernachten dort. In unserem Hotel haben die bestimmt Platz für uns, das sah gestern gut aus. Aber vorher sehen wir uns noch einmal den Tatort mit der Moorleiche an.“ „Ja und morgen kann ich dann die Fähre zurück nach Harwich nehmen. Ich muss nur heute noch buchen.“

Sie gingen den schmalen Brettersteg zurück, bis sie an den Fundort kamen. Jens hatte einen langen Ast abgebrochen, mit dem er im Moor stocherte, Carl lief ein Stück weiter und rief: „Jens, komm schnell, ich habe was entdeckt.“

Jens kam und sein Freund zeigte auf die ölig glänzende Moorbrühe: „Da liegt doch was.“ Das „was“ war schnell erkannt, es war kaum zu glauben, aber es musste eine weitere Moorleiche sein: „Ich gehe zurück zum Parkplatz, vielleicht treffe ich die Polizei noch an“, sagte Jens und eilte zurück. Er traf Polizeimeister Behrens noch an, der Bestatter und die drei Kriminalbeamten waren schon abgefahren. Behrens fiel aus allen Wolken, als er hörte, da ist noch eine Moorleiche. Sie eilten zurück zu dem Fundort, der kaum 100m vom Fundort der weiblichen Leiche entfernt lag.

Jens hatte die langen Stiefel mitgebracht, die sie überzogen und etwa 5m in das Moor wateten. Was sie bei näherer Betrachtung entdeckten, ließ Carl den Atem stocken: das war eine altertümliche Moorleiche. Sollte er doch noch seine Entdeckung machen und nicht mit leeren Händen nach England zurückfahren?