Aufgeklärt - Veronika Schmidt - E-Book

Aufgeklärt E-Book

Veronika Schmidt

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Beschreibung

Der Aufklärungsbegleiter für Erziehende für die kindliche Sexual- und Identitätsentwicklung zwischen 0 und 14 Jahren. Klar - als Eltern wollen Sie das beste für Ihre Kinder, für Sohnemann und Tochterfrau. Aber, Halt: da fängts ja schon an. Gerade wenn es um Geschlechteridentität und Aufklärung geht, gibt es so viele Stimmen, die bei der Kindererziehung mitreden wollen. Wie finden wir gute Haltungen, um die Entwicklung unserer Kinder ganzheitlich und aktiv zu begleiten? Die Sprache, sie altersgerecht Schritt für Schritt in die Reife zu begleiten - inklusive der sexuellen Reife? Den Mut, daheim eine Kultur ohne Scham zu leben, wo sich Kinder sehr natürlich und geschützt entwicklen können? Die Freiheit, nicht nach religiösen oder gesellschaftlichen Dogmen, sondern mit dem Ja des Schöpfers zum Körper zu prägen? Ein Buch voller hilfreicher Tipps, Ermutigung, Orientierung und Expertise.

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Seitenzahl: 193

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Veronika Schmidt

AUFGEKLÄRT

PÄDAGOGISCHES KNOW-HOW FÜR DIE SEXUALERZIEHUNG

SCM ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-7751-7572-2 (E-Book)

ISBN 978-3-7751-6118-3 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

© 2022 SCM Verlag in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Straße 41 _ 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-verlag.de E-Mail: [email protected]

Sämtliche Internet-Links wurden am 28.03.2022 überprüft.

Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender

Ausgabe entnommen:

Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002 und 2006

SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Holzgerlingen.

Weiter wurden verwendet:

Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. (LUT)

Hoffnung für alle ® Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®.

Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis –

Brunnen Basel. (Hfa)

Umschlag-, Innengestaltung und Illustrationen: Erik Pabst, www.erikpabst.de

Autorenfoto: © Sophia Langner

INHALT

ÜBER DIE AUTORIN

EINFÜHRUNG   SEXUALERZIEHUNG IST EINFACHER, ALS SIE DENKEN!

Ziel: Mündigkeit

Identität, Freiheit und Verantwortung

Freude an sexuellem Lustempfinden mit auf den Weg geben

Weg vom Problemdenken

1   SEXUALERZIEHUNG – EIN ASPEKT VON ERZIEHUNG

Die Verlegenheit der stummen Väter

Rollenvorbilder

Jungs begleiten vom Frauenland ins Männerland

Familiäre sexuelle Prägung

Ein Wort zur Scham

Mit Aufklärung gegen sexuelle Gewalt

Angst vor Frühsexualisierung und Übergriffen

2   AUFKLÄRUNG FRÜH GENUG

Starke Kinder sind aufgeklärt

Kinder sind sinnliche und sexuelle Wesen

Kinder sind unterschiedlich

Finden Sie Wörter und eine Sprache

3   DIE KINDLICHE UND JUGENDLICHE SEXUALENTWICKLUNG

Der Erregungsreflex – gottgegeben

Bedeutsame Selbststimulation

Die Kinderjahre

Doktorspiele – Wie sehen wir denn nackig aus?

Blöde Weiber, doofe Jungs

Wenn der Kinderkörper erwachsen wird

4   SEXUELLE KOMPETENZ ENTWICKELN

Sexuelle Komponenten und Fähigkeiten

Guten Sex kann man lernen

Gender, Identität, sexuelle Orientierung – eine diverse Geschichte

Männlich – weiblich

Mann? Frau? Beides?

Heterosexuell, homosexuell – jenseits aller Schubladen

Binarität und Transsexualität

5   NICHT ALLES EASY – MEDIEN, PORNOGRAFIE, LOVERBOYS

Instagram, TikTok und Pornografie – geschönte Wunderwelt

Intimbereich unter dem Skalpell

Medienerziehung ist Prävention

Bilder sind Modelle für das Leben

Über Pornografie sprechen

Loverboys

6   FAMILIE – WERKSTATT FÜR DIE PERSÖNLICHKEIT

Das Zuhause als sicherer Ort – den freien Willen entdecken

Gut genug reicht

Verlässliche Partner

Optimal frustrieren, optimal ermutigen

Mit Teenagern im Gespräch bleiben

Gute Fragen

7   PÄDAGOGISCHE PRINZIPIEN – SCHLÜSSEL ZUR WEISHEIT

Kompetente Kinder brauchen kompetente Eltern

Nicht gegen den Fehler, sondern für das Fehlende

Selbstverantwortung entwickelt sich vom äußeren Halt zum inneren

Grenzen setzen, Grenzen achten

8   AUFKLÄRUNG, DIE WEGEZUM GLAUBEN ZEIGT

Da steht erziehen, nicht züchtigen!

Werte und verantwortliches Handeln

Ein Wort zu »True Love Waits« & Co.

Junge Menschen in die Partnerschaft begleiten

Mit allen Sinnen genießen – ein Gottesgeschenk

ZUM ABSCHLUSS   ALLES HAT MIT ALLEM ZU TUN – VERTRAUEN INS LEBEN GEWINNEN

Wenn Freiheit keine Angst mehr auslöst

Macht die Gemeinde aus uns bessere Menschen?

ANMERKUNGEN

ÜBER DIE AUTORIN

Veronika Schmidt(Jg. 1961) ist klinische Sexologin, Systemtherapeutin und Sozialpädagogin. Ihre Bücher »Liebeslust« und »Alltagslust« zu einer erfüllenden Sexualität sind Bestseller. Sie ist verheiratet, hat vier erwachsene Kinder, fünf Enkelkinder und lebt und arbeitet in Schaffhausen.

www.veronikaschmidt.ch

HUT AB,

dafür, dass dieses Buch in Ihrem Besitz ist!

Sie sind offensichtlich bereit, sich damit zu beschäftigen, wie Kinder und Jugendliche sinnvoll ans Thema Sexualität herangeführt werden können. Das freut mich sehr! Sie wollen es gut machen in der Sexualaufklärung und nichts verpassen. Das ist eine sehr gute Voraussetzung. Zu Ihrer Beruhigung: Die »Methode« ist dabei nicht so wichtig. Entscheidend ist Ihre eigene positive Haltung zum Thema und die gute, offene Beziehung zu Ihrem Kind. Dieses Buch soll Ihnen das Handwerkszeug mitgeben, das Thema auf eine Art und Weise anzugehen, die Kinder und Jugendliche in einer gesunden Entwicklung und Identität unterstützt.

SEXUALERZIEHUNG IST EINFACHER, ALS SIE DENKEN!

Beunruhigt Sie die Dauerpräsenz des Themas Sex in der Öffentlichkeit? Fühlen Sie sich unsicher, weil Sie vielleicht selbst keine hilfreiche Sexualerziehung erfahren haben? Oder möchten Sie es schlicht und einfach besser machen als gehabt? Dann ist dieser Aufklärungs-Ratgeber genau das Richtige für Sie! Inhaltlich ergänzt er sich perfekt mit dem Teenager-Buch »Sex. Alles, was dich interessiert!«. Im Teenager-Buch geht es um das Was. In diesem Buch um das Wie. Damit möchte ich meinen Teil dazu beitragen, dass Sie als Leserinnen und Leser, Eltern und Großeltern, Betreuungspersonen und Lehrpersonen, Jugendleiterinnen und Jugendleiter Ihre eigene Haltung zum Thema finden und ein gesundes Bild von Sexualität vermitteln können.

Es gibt wohl kaum ein Thema, das Eltern mehr stresst als Sexualität im Allgemeinen und Aufklärung im Besonderen. Die einen reagieren überbesorgt, die anderen ignorieren das Thema so lange wie möglich. Unsicherheit verspüren aber auch pädagogische und theologische Kräfte, wenn es ihnen an sexualpädagogischem Know-how fehlt und sie sich nicht in der Lage fühlen, über den persönlichen »Schamschatten« zu springen.

NUR MUT – AUFKLÄRUNG IST GAR NICHT SO SCHWER!

»Der Mensch wird auf natürlichem Weg hergestellt, doch empfindet er dies als unnatürlich und spricht nicht gern davon«, sagte Kurt Tucholsky und hat sich vielleicht nicht vorgestellt, dass dies hundert Jahre später immer noch so ist. Ob als Eltern oder Betreuungsperson – seien Sie sich bewusst: Sie dringt Ihnen aus allen Poren, die Angst, die Unsicherheit, die Sprachlosigkeit und die verkrampfte Rigidität. Kinder und Jugendliche haben für so etwas feinste Antennen! Sie lesen in Ihnen wie in einem offenen Buch!

Weshalb soll man Kinder überhaupt aufklären und das schon früh? Überfordert man sie damit nicht? Nein, das tut man nicht. Viel überfordernder ist es, wenn Kinder stattdessen die entsprechenden Informationen schon früh im Netz suchen und – unsortiert und ungefiltert – finden. Leben Sie mit Ihren Kindern in der christlichen Lebenswelt? Dann kommt erschwerend hinzu, dass in dieser die sexuelle Sozialisation und der gesamte Themenkomplex mit einem wenig hilfreichen Sündenkatalog überfrachtet ist. Dieser ist kirchengeschichtlich weit zurück verankert. Im Moment erlebt die konservative Sexualmoral mit ihrer latenten Körper- und Lustfeindlichkeit ein Revival in modernem Gewand. Aufgewärmt in Internet-Foren, durch YouTube-Predigten, InfluencerInnen und in Jugendbewegungen.

Aber: Sex muss raus aus der Sünden- und Schamecke. Dort, wo Wissenslücken sind und Menschen keine Worte für ihre eigene Geschlechtlichkeit haben, ist und bleibt Sexualität ein Tabu. Doch aus Verdrängung, Scham und Sprachlosigkeit kann nichts Schönes und Gutes erwachsen.

Sie können in Ihrer Familie, in der Gesellschaft und in der christlichen Lebenswelt so über Sex reden, dass Sie jungen Menschen gute Wertmaßstäbe an die Hand geben und ihnen eine positive Haltung zur Sexualität und ihrem Ausleben vermitteln. Setzen Sie dabei auf Herzensbildung. Kinder sollen wissen, dass Sex etwas Schönes ist, viel mehr als nur ein Mittel zur Fortpflanzung oder körperlichen Befriedigung. Die größte Nuss, die es in der Sexualaufklärung zu knacken gilt, ist es, nicht einfach nur Biologiewissen an die nächste Generation weiterzuvermitteln, sondern tatsächlich gesunde Freude an der Lust und freiheitliche Sexualität. Keine Angst, das bedeutet nicht, dass Sie Jugendliche zu wahllosem Sex ermutigen sollen. Und auch nicht, sie dazu zu animieren, sich ungehindert sexuell auszuprobieren und auszuleben. Es bedeutet, sie dazu anzuleiten, dass sie sich ganzheitlich entdecken und erleben: im Einklang mit sich selbst, als Einheit von Geist, Seele und Körper, im Bewusstsein, ein von Gott geschaffenes sexuelles Wesen zu sein – und selbstverständlich auch ein spirituelles. Wenn das gelingt, machen Sie der nächsten Generation ein Geschenk, dessen Wert kaum zu überschätzen ist. Sorgen wir gemeinsam für eine hilfreiche Aufklärung von Kindern und Jugendlichen! Ich versichere Ihnen, es ist einfacher, als Sie denken!

Ziel: Mündigkeit

Ich bin nicht nur Therapeutin, sondern auch Sozialpädagogin mit langjähriger Berufserfahrung. Das prägt meine Sicht davon, wie Menschen befähigt werden, selbst Verantwortung zu übernehmen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Mündigkeit entsteht, wenn man jungen Menschen all das an die Hand gibt, was sie brauchen, um ihre eigene Haltung und Identität zu finden – und es ihnen dann zutraut, diese selbst zu finden. Geben Sie Ihren Kindern und Jugendlichen alles Gute mit auf den Weg, was Sie nur anzubieten haben. Liefern Sie ihnen nicht idealisierte Traumvorstellungen, sondern sinnvolles Wissen rund ums Thema Sexualität. Nur eine solche Aufklärung führt zu verantwortungsvollem Umgang mit der eigenen Sexualität.

Wissen befähigt Menschen, mutige Fragen zu stellen und zukünftige Probleme zu lösen.

Wir wollen unseren Kindern vermitteln, wie Sexualität sich entwickelt, wie sie gestaltet und als schön erlebt werden kann. Weder Moralisierung noch Pathos noch Seelenmassage sind gefragt, sondern im Grunde geht es um »Sinnlichkeitserziehung«. Die Vermittlung einer Kultur der Lust, auch der Lebenslust, gepaart mit Verantwortungsbewusstsein. Wie kann Lust definiert werden? Zum Beispiel mit Vorfreude auf das, was kommt, aus Erfahrung, die sich gut anfühlt und den Genuss von etwas beinhaltet wie Essen, Sex, Musik, Spiel. Als Bedürfnis oder Wunsch, etwas zu tun, zu haben oder zu verspüren und darin aktiv Befriedigung zu suchen.

Und noch ein wichtiger Grund für Sie, das Thema aktiv anzugehen: Für unaufgeklärte Jugendliche kann die Versuchung allzu groß werden, früh Sex zu haben. Denn sie möchten endlich wissen, wie das alles so ist, und wenn nicht darüber geredet wird, schreitet man eben zur Tat. Oder sie wollen Sex, weil er den Reiz des Verbotenen hat. Wo Tabus und Verbote vorherrschen, steigt zudem das Risiko von maßlosem Verhalten, weil man kein Gefühl dafür entwickeln konnte, was einem guttut. Jugendliche, die wenig Gelegenheit hatten, einen eigenen Standpunkt zum Thema Sex zu entwickeln, lassen sich auch viel eher fremdbestimmen.

Viele Jugendliche, die zu früh sexuell aktiv werden, tun dies aus einem einfachen Grund: Sie wollen gefallen. Das Selbstwertgefühl, die innere Stärke und die Bereitschaft, auch mal auf etwas zu warten oder zu verzichten, stehen in der Pubertät ohnehin auf wackligen Beinen und können durch den ersten Liebespartner oder Gleichaltrige sehr leicht ins Wanken gebracht werden. Wenn sie keine eigenständige, mündige Haltung zu ihrer Sexualität haben, fällt es ihnen schwer, Nein zu etwas zu sagen, was sie eigentlich gar nicht wollen – oder überhaupt zu wissen, was sie wollen und nicht wollen.

Ihre Aufgabe als Mutter und/oder Vater ist es, Ihren Kindern ohne moralischen Zeigefinger und ohne Angstmachen zu erklären, dass eine zu frühe sexuelle Bindung die Persönlichkeitsentwicklung hemmen kann. Dass sie dann übersehen können, wenn der andere überhaupt nicht zu ihnen passt. Dass dann jede Form von Sex zu früh kommt, weil er emotional und körperlich bindet. Dass zu früher Sex und zu frühe Bindung in der Persönlichkeitsentwicklung hemmen können und man nicht zu sich selbst findet.

Wenn es darum geht, jemanden zu finden, der zu einem passt, sollten die inneren Werte übereinstimmen. Aber woran kann man die erkennen? Ein verliebter Mensch neigt dazu, sich den anderen schön zu denken, bestimmte Dinge und Herzenshaltungen in ihn hinein zu wünschen. Wie kann man trotz Verliebtheit erkennen, wer der andere ist? Die inneren Werte eines Menschen sind in seinem Verhalten wiederzufinden. Problematische Verhaltensmuster sind oft schon früh in der Beziehung zu finden – wenn man sie denn wahrnehmen will. Machen Sie junge Menschen dafür sensibel, woran sie einen Menschen erkennen können, der ihnen vor allem guttut und nicht in erster Linie irgendwelche Idealvorstellungen erfüllt.

Jugendliche sollten ermutigt werden, erst ihren eigenen Körper kennenzulernen und sich selbst »zu bewohnen«, bevor sie – im Bild der Bibel gesprochen – jemanden »bei sich wohnen« lassen. Nicht zuletzt müssen Ihre Kinder die möglichen Konsequenzen ihrer Entscheidungen kennen, zum Beispiel, dass Sex zu einer Schwangerschaft führen kann.

Das alles ist eine grundsätzliche Anfrage an Sie als Vorbild. Viel wichtiger als die genauen Worte, die Sie sagen, ist Ihr Verhalten! Ihre Kinder und Jugendlichen verdienen es, dass Sie respektvoll mit ihnen umgehen, ihnen zuhören, erreichbar, nahbar, glaubwürdig und ermutigend zu ihnen sind. So bekommen sie einen Maßstab dafür, wie sie behandelt werden sollten. Auch in einer Liebesbeziehung. Wenn sie einen solchen Umgang miteinander gewohnt sind, werden junge Menschen nach einem Lieblingsmenschen Ausschau halten, der sie ebenfalls wertschätzt und ihnen zuhört und sie gut behandelt. Weil sie wissen, wie liebevoller Umgang aussieht.

Identität, Freiheit und Verantwortung

Unsere Kinder stark machen – das ist es, was wir als Eltern erreichen wollen. Wie? Darauf kommen wir noch. Doch grundsätzlich gilt: Innere Stärke wächst mit jeder Erfahrung von Gelingen. Und dazu zählen auch Erfahrungen vom Hinfallen und wieder Aufstehen. Kinder werden lebenstüchtig, wenn wir Zutrauen in ihr Potenzial haben, etwas zu erreichen und nach Fehlschlägen neu anzufangen – und in unser eigenes. Ist das ohne Angst und gelegentliche Bruchlandungen zu haben? Nein. Aber in jedem Menschen steckt ein großes Reservoir an Verantwortungsbereitschaft, Mut, Tatkraft, Innovation und Risikobereitschaft. Wir alle haben schon Erfahrungen und Kompetenzen entwickelt, um mit Schwierigkeiten und Ängsten umzugehen, und deshalb müssen wir uns weniger fürchten. Das wünsche ich uns wirklich: Eltern, Kinder, junge Menschen, Kirchenverantwortliche, Pädagoginnen und Pädagogen, die sich nicht (oder nur selten ) vor dem Thema Aufklärung fürchten, weil sie entsprechende Kompetenz entwickelt haben und zuversichtlich von gutem Gelingen ausgehen.

Viele kleine Facetten des täglichen Miteinanders durchdringen die Erziehung und doch sollten wir auch das große Ganze nicht aus dem Blick verlieren. Unser Ziel ist es, jungen Menschen dabei zu helfen, ihre eigene Identität zu finden. Das ist ein Entwicklungsprozess, der sich durch Kindheit und Jugendzeit bis ins junge Erwachsenenalter zieht. Identität bedeutet, dass man weiß, wer man ist und wie man in diese Gesellschaft passt.1 Sie wird bestimmt durch Zugehörigkeit, aber auch durch Abgrenzung zu Gruppen, Gefügen und Ansichten. Jugendliche finden ihre Identität, indem sie sich immer mehr Wissen über sich selbst und über die Gesellschaft aneignen und zusammenfügen und in diesem Gefüge ihr Selbstbild formen. Eines, das für sie und die Gemeinschaft gut ist. Und ein Teil dieser Entwicklung ist es, die eigene sexuelle Identität zu entdecken und herauszubilden.

Erst die Freiheit, etwas zu tun, gibt uns die Freiheit, es zu lassen.

Die wesentliche Leistung, die Jugendliche erbringen müssen, ist es, ihre Identität zu entwickeln, um glückliche Erwachsene zu werden. Sie müssen ihre eigenen Werte finden und selbst die Richtung wählen, die sie in ihrem Leben einschlagen möchten. Um das zu tun, brauchen sie einerseits die positive Bindung an Menschen und Lebensmodelle, zu denen sie sich zugehörig fühlen können. Andererseits brauchen sie aber auch die Freiheit, sich in Eigenverantwortung ihr eigenes Bild zu formen.

Viele Erwachsene erleben es als Zwiespalt, ihren Kindern Werte und gute Grenzen zu vermitteln und sie gleichzeitig zu Freiheit und Eigenverantwortung anzuleiten. Man möchte die Heranwachsenden so gern beschützen und ihnen helfen, ihren Glauben und ihr Leben in gute Bahnen zu lenken. Gleichzeitig steht man vor der Aufgabe loszulassen, um die Entwicklung zur Eigenverantwortung nicht zu blockieren. Auch in christlichen Gemeinden ist die Anleitung der Jugendlichen zu moralischen und christlichen Werten oft eine Gratwanderung zwischen diesen beiden Seiten. Eine religiöse Gemeinschaft kann für die persönliche Entwicklung förderlich sein. Wenn sie aber nur Vorschriften macht und Freiheit und Eigenverantwortlichkeit stiefmütterlich behandelt, hindert sie junge Menschen daran, selbst denken zu lernen. Doch genau diese Fähigkeit ist ein Merkmal des Erwachsenseins. Nur wer selbst denkt, erlangt Lebenskompetenz. Nur zur Freiheit erzogene Menschen, die eigene Erfahrungen machen durften, können äußere Gesetze durch Einsicht zu ihren eigenen inneren machen.

Nur wer selbst denkt, erlangt Lebenskompetenz.

In den wichtigen Fragestellungen unserer Zeit tun wir gut da-ran, nicht nur aufgrund unseres persönlichen Bibelverständnisses zu urteilen, sondern auch humanwissenschaftliche Erkenntnisse und soziokulturelle Strukturen zu berücksichtigen. Erziehung und Sexualerziehung sind beispielsweise sehr gut erforscht.2 Man kann heute wissen, was Kinder und Jugendliche brauchen, um in eine sinnerfüllte, verantwortungsvolle und eigenständige Lebensführung hineinzuwachsen. Ganz im Sinne der Freiheit, zu der Christus uns befreit (Galater 5,1). Die Familie und die christliche Lebenswelt sollten die sichere Basis darstellen, von der aus sich junge Menschen in die weite Welt hinausbewegen können. Von dieser Basis aus sollten sie möglichst umfassende Informationen und Unterstützung erhalten, um sich ihre eigene Meinung zu bilden. Dann können sie sich ihre eigene Identität erarbeiten und trotzdem eine gute, positive Bindung zu ihren Eltern und der christlichen Gemeinschaft halten.

Laut Umfragen3 ist die Sehnsucht junger Menschen nach einer Paarbeziehung und auch der Wunsch nach sexueller Treue ungebrochen. Unter diesen Voraussetzungen können Sie Jugendlichen und jungen Erwachsenen ruhig ganz viel Eigenverantwortung zutrauen!

Freude an sexuellem Lustempfinden mit auf den Weg geben

Eltern und Vorbilder haben die Aufgabe, Kindern und Jugendlichen Freude an ihrem Körper zu vermitteln. Der Körper ist die Form unserer irdischen Existenz. Die einzige, die wir haben. Wir sind unser Körper. Und dieser Körper ist nicht nur wunderbar gemacht, sondern auch ein schöpferisches Instrument, eines, das uns selbst und anderen Freude bereiten kann, ganz besonders in der Sexualität. Unser individueller Sinn für Erotik ist nicht angeboren. Angeboren sind nur das Geschlecht und die körperlichen Funktionen der sexuellen Erregung. Gott hat uns Menschen so geschaffen, dass wir uns vieles aneignen können und müssen. Was ein Mensch erotisch findet und wie er oder sie Sexualität lebt und genießt, wird auch davon bestimmt, was Kinder von klein auf selbst erfahren und erlernen, was sie üben können oder eben nicht. Der ganze körperliche Erfahrungsschatz ist angelernt und stellt zukünftiges »erotisches Kapital« dar, das für sich selbst oder in der Paarbeziehung genossen werden kann.

Aus der Entwicklungspsychologie wissen wir, dass sich Kinder durch die Auseinandersetzung mit der Außenwelt entwickeln und dadurch ein Bild von sich selbst gewinnen – und das beginnt schon im Mutterleib. Deshalb müssen Kinder ihrem Entdecker- und Forscherdrang nachgehen können. Es stärkt ihre Persönlichkeitsentwicklung, wenn sie sich selbst als Forschende erleben und feststellen, dass die Welt gestaltbar und veränderbar ist. Deshalb ist es wichtig, schon kleinsten Kindern möglichst vielfältige Erfahrungen zu ermöglichen und sie in ihrer Neugier zu bestärken. Schon ab der Geburt bringen Kinder das Potenzial mit, um lustvoll mit herausfordernden Situationen umzugehen und ihre eigenen Möglichkeiten der Selbstwirksamkeit zu entdecken. Und die Sexualität ist davon selbstverständlich nicht ausgenommen.

Kinder möchten fragen dürfen und nicht mit Belehrungen, Ratschlägen und Bewertungen eingedeckt werden. Als Eltern ist es Ihre Aufgabe, sie aufmerksam zu begleiten, zu ermutigen und immer wieder zum Ausprobieren einzuladen, egal, um welche Lebensfähigkeiten es sich handelt. In unserem Fall ist es eben erotische Kompetenz, die sich auf dieselbe Weise entwickelt. Interessanterweise zeigt die Entwicklungspsychologie, dass Kinder Neues am besten annehmen, wenn sich die Erwachsenen selbst ebenfalls immer wieder als Lernende begreifen und bereit sind, sich mit den Kindern weiterzuentwickeln.

Die Glaubenssysteme, Ideologien, Werturteile und Denkweisen, die wir jungen Menschen vermitteln, prägen sich in ihrem Gehirn nachhaltig ein. Sie beeinflussen, wie ein Jugendlicher oder eine Jugendliche den eigenen Körper, die eigene Sexualität, die damit verbundenen Gefühle und Wünsche beurteilt und wahrnimmt, und bestimmen, welche Erfahrungen gemacht und zugelassen werden können. Daher fragen Sie sich selbst: Sind Sie in der Lage, jungen Menschen Lust an der Lust mit auf ihren Lebensweg zu geben? Haben Sie selbst Freude an Ihrer Sexualität? Oder macht Ihnen körperliches Begehren Angst? Paulus jedenfalls konnte sich nicht vorstellen, dass man seinen Körper verabscheut oder Angst vor ihm hat. »Niemand hasst doch seinen eigenen Körper. Vielmehr hegt und pflegt er ihn« (Epheser 5,29; Hfa).

Die große Frage ist doch: Wie sollen junge Menschen jemals guten Sex haben, wenn sie keine gute Beziehung zu ihrem Körper und zu sich selbst haben? Viele junge Christen verbringen immer noch Jahre damit, ihren Sexualtrieb in Schach zu halten, und opfern dabei die Entfaltung ihres Lustempfindens. Oder aber sie werfen mit schlechtem Gewissen die vermeintlich »christlichen« Richtlinien über Bord, finden aber trotzdem nicht zu einer positiven Körperlichkeit, weil Schuldgefühle und negative Prägung sie belasten. Wir erweisen unseren Teenagern zu Hause und in der Kirche keinen guten Dienst, wenn wir das Thema Sex weiterhin tabuisieren oder problematisieren. Wir sollten den jungen Menschen stattdessen etwas mit auf den Weg geben, was ihnen wirklich hilft: ein positives Bild von Sex und Lust, gute Leitlinien, an denen sie sich orientieren können, jede Menge Wissen und nicht zuletzt einen gesunden und humorvoll-realistischen Blick auf das Thema.

Wie sollen junge Menschen guten Sex haben, wenn sie keine gute Beziehung zu ihrem Körper haben?

Weg vom Problemdenken

Die christliche Lebenswelt, aber durchaus auch Medien und Gesellschaft, treten häufig die problematischen Seiten von Sexualität breit und lassen allzu oft die schöne und warme Seite aus der Gleichung heraus. Die ist aber eigentlich die weitaus größere und wichtigere Seite! Sex ist etwas Großartiges, mit dem wir uns nicht gegenseitig unter Druck setzen und verunsichern sollten. Je unverkrampfter wir das Thema behandeln, desto besser. Dafür braucht es die richtige innere Haltung, aber auch die richtigen Worte.

Nachdem ich selbst acht Kinder großgezogen, Hunderte Eltern beraten und viele Pädagoginnen und Pädagogen gecoacht habe, bin ich zum Schluss gekommen: Der einzige Weg, einen positiven, gesunden Zugang zur eigenen Sexualität authentisch an die nächste Generation weiterzugeben, führt über die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper und über Wissen. Erst wenn man die Fakten kennt, kann man unverkrampft und offen über alles sprechen. Ansonsten bleibt Sexualität immer etwas Abstraktes, nicht ins eigene Selbstgefühl Integriertes. Kinder nehmen unbewusst die negative oder positive Haltung ihrer Bezugspersonen zur Sexualität auf. Sie spüren, ob sie Fragen stellen können oder ob ihre Eltern bei dem Thema eher sprachlos sind.

Machen Sie sich keine Illusionen: Etwa ab dem vierten Lebensjahr verfügen Kinder über eine genaue Vorstellung davon, wie Sie als Eltern ticken. Ab etwa elf Jahren begreifen Kinder komplexe soziale Interaktionen und sind in ihren kognitiven Fähigkeiten Erwachsenen gleichgestellt. Sie registrieren die sexuellen und moralischen Beweggründe der Erwachsenen. Sie merken, ob diese mehr an Moral und Regeln interessiert sind als an ihnen als Person und ihrer freiheitlichen Entwicklung. Daher ist es wichtig, dass Sie selbst Ihre Scheu vor der Sexualität überwinden und sich kompetent machen, denn dann sind Sie in der Lage, Ihre Kinder kompetent zu machen.

Kinder nehmen unbewusst die Haltung ihrer Bezugspersonen zur Sexualität auf.

Es braucht eine veränderte Sichtweise bei uns selbst – weg vom Problemdenken hin zur Wissensvermittlung und zur Lustbejahung. Auch heute erfolgt Aufklärung in der Regel immer noch zu spät. In diesem Zusammenhang begegnet mir immer wieder die Befürchtung, dass durch (zu) frühe Wissensvermittlung über Sex eine Frühsexualisierung stattfindet. Das Gegenteil ist der Fall. Aufklärung über Sexualität und Lust hat nichts mit Übersexualisierung oder Frühsexualisierung zu tun. Es bedeutet lediglich: Sie begleiten Ihre Kinder in deren natürlicher Entwicklung. Sie nehmen ihre Fragen auf und geben ihnen dabei gleichzeitig Wegweisung. Wissen übersexualisiert nicht, sondern im Gegenteil, es ist gerade Unwissenheit, die unguten Einflüssen Tür und Tor öffnet und zu verfrühten sexuellen Begegnungen führt. Denn wenn Kinder und Jugendliche keine Anleitung bekommen, wie sie mit ihren Bedürfnissen und den Einflüssen der Medien und der Gesellschaft umgehen können, bleibt ihnen wenig anderes übrig, als herumzuexperimentieren.

Heranwachsende und auch erwachsene Menschen betrachten sich gegenseitig immer durch die Brille der Sexualität. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Gesundheit, Sexualität und Fruchtbarkeit kann nur dann gelingen, wenn Menschen ihren Körper kennen und ihm Achtung und Wertschätzung entgegenbringen. Wenn junge Menschen über den Körper Bescheid wissen, hat das großen Einfluss auf ihr Selbstwert- und Lebensgefühl. Umgekehrt ist ein entscheidender Grund, weshalb viele Jugendliche heutzutage schon früh Sex haben, oft gar nicht sexuelles Begehren, sondern mangelndes Selbstwertgefühl. Jungs wollen sich über die Sexualität eher beweisen. Mädchen suchen mehrheitlich eher Nähe, wollen gehalten werden und suchen die Bestätigung, dass sie liebenswert und begehrenswert sind.