Aus dem Reich der Fantasie - Robert Kraft - E-Book

Aus dem Reich der Fantasie E-Book

Robert Kraft

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Beschreibung

Richard ist bis zum zwölften Jahre ein kräftiger, lebensfroher Knabe gewesen, als er durch ein Unglück gelähmt wird. Am Abend seines vierzehnten Geburtstages sitzt der sieche Knabe allein in der Stube, traurig und freudlos, kein Ziel mehr im Leben kennend. Da erscheint ihm eine Fee. Sie nennt sich die Phantasie, will ihm ihr Geburtstagsgeschenk bringen und sagt ungefähr Folgendes: In Richards Schlafzimmer befindet sich eine Kammertür. Jede Nacht wird er erwachen (das heißt nur scheinbar), er soll aufstehen, jene Tür öffnen, und er wird sich stets dort befinden, wohin versetzt zu sein er sich gewünscht hat. Er kann sich also wünschen, was er will, er kann allein sein oder mit Freunden, er kann auch den Gang seiner Abenteuer ungefähr im voraus bestimmen; hat er aber einmal die Schwelle der Tür überschritten, dann ist an dem Lauf der Erlebnisse nichts mehr zu ändern. Alles soll folgerichtig geschehen, der Traum nichts an Wirklichkeit einbüßen. Die Erscheinung verschwindet, Richard erwacht aus dem Halbschlummer. Aber die gütige Fee hält Wort, und so findet der arme Knabe im Träume einen Ersatz für sein unglückliches Leben. Inhaltsverzeichnis Aus dem Reich der Phantasie Einleitung Der letzte Höhlenmensch Die Totenstadt Der rote Messias Die Weltallschiffer Die verzauberte Insel Der König der Zauberer Das Stahlross Die Ansiedelung auf dem Meeresgrunde Eine Nordpolfahrt Die indischen Eskimos Der Medizinmann Das Seegespenst

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Aus dem Reich der Fantasie

Für die Jugend herausgegeben

 

 

 

 

Robert Kraft

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Impressum

Einleitung

Der letzte Höhlenmensch

Im Urwald

Karak, der Bärentöter

In der Pfahlhütte

Über der Erde

Makas Befreiung

Im Leichentempel

Der Kampf mit den Farken

Gefangen

Auf dem Opferaltar

Die Totenstadt

Auf dem Kirchturm

Was sich Richard gewünscht hatte

In der Totenstadt

Die Herren der Erde

Richards Annahme

Eingeregnet

Die weitere Entwicklung

Wieder in der Stadt

Die zukünftigen Raubtiere

Verwildert

Der rote Messias

Das Indianerterritorium

Im Lager der Sioux

Der Häuptling der Häuptlinge

Die Kriegserklärung

Die Erstürmung des Forts

Der erste Streit

Dem Untergange geweiht

„Kreuzige ihn!“

Die Weltallschiffer

Das Weltallschiff

Der Abflug

Im Inneren

Weltalltoll

Landung auf dem Mond

Die Ätherwesen

Das Nihilit

Im Ätherwirbel

Ein neuer Planet

Schiffbruch

Die verzauberte Insel

Schiffbruch

Die rätselhafte Höhle

Unheimliche Nachbarschaft

Das Leitseil

Die Rätsel mehren sich

Gefangen

Der König der Zauberer

Im Rettungsboot

Das ausgestorbene Schiff

Die Galeere

Vor dem König der Zauberer

Der Lebenstrank

Im Lande des lebenden Todes

Der Nachfolger des Zauberkönigs

Das Stahlross

Die erste Kunde

Ein Racheakt

Auf dem Stahlross

Vereitelte Listen

Im roten Tal

In der Falle

Der Ausfall

Die Ansiedelung auf dem Meeresgrunde

Im Taucheranzug

Auf dem Meeresboden

Die erste Wanderung

Die rätselhafte Feuerkugel

Die versunkene Stadt

Entdeckt

Das Geheimnis des Meeres

Die Flucht

Eine Nordpolfahrt

Der Nordlandsdampfer

Nach dem Nordpol

Eingefroren

In Gefahr

Der Eisbär

Die Entdeckung des Nordpoles

Die Eskimos

Die indischen Eskimos

Die Tropfsteingrotte

Eis und Schnee

Die erste Polarexpedition

Die zukünftigen Eskimos

Die Ansiedlung an der Küste

Neue Gefährten

Vereskimot

Der Medizinmann

Das Seegespenst

 

Impressum

2022 © Verlag Heliakon, München

Titelbild: Pixabay (Mysticsartdesign)

Umschlaggestaltung: Verlag Heliakon

 

Herstellung: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

 

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Über-setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Einleitung

Es ist ein freundliches, Wohlhabenheit verratendes Wohnzimmer, in welches uns dieses Vorwort führt.

Der in der Mitte stehende Tisch war ganz mit Blumentöpfen und Sträußen in Gläsern besetzt, fernerlagen einige geöffnete Briefe darauf, ein paar Strümpfe, eine Briefmappe und andere Sachen – also war es wohl ein Geburtstagstisch, den man bis jetzt, bis zum späten Abend, noch nicht abgeräumt hatte.

Neben dem Seitentischchen, auf dem die Petroleumlampe brannte, stand ein verstellbarer Krankenwagen, und in demselben saß mit verhüllten Füßen ein vierzehnjähriger Knabe. Sein Gesicht mit der hohen Stirn und den großen, klugen Augen war leidend und farblos, und an dem Wagen lehnten zwei Krücken.

Bis vor zwei Jahren war Richard L**, der einzige Sohn sehr vermögender Eltern, ein fröhliches Kind gewesen, der fleißigste Schüler eines Gymnasiums, der beste Turner in seiner Klasse, die Freude von Eltern und Lehrern, und jedermann hielt ihn wegen seiner geistigen und körperlichen Gaben für berechtigt zu den größten Hoffnungen.

An einem einzigen Tage war alles vernichtet worden. Ein auf der Ferienreise erlebtes Eisenbahnunglück beraubte ihn der Eltern, lähmte ihn an beiden Beinen, und als er endlich aus dem Hospital entlassen werden konnte, war er siech für immer.

Richard besaß nur noch einen einzigen Verwandten, eine ältere, alleinstehende Witwe, und diese kam zu ihm in das Haus, das ihm gehörte, um ihn bis an ihr Lebensende zu pflegen. Es wurden auch Hauslehrer besorgt, und so vergingen die Tage des Gelähmten mit Lernen, Spazierenfahren und Träumen, die nur ab und zu einmal von dem Besuch eines ehemaligen Schulfreundes unterbrochen wurden.

Heute war er vierzehn Jahre alt, und obwohl er sich an sein Unglück gewöhnt hatte und manchmal auch wieder lachen und scherzen konnte, so war er dennoch ein Träumer geworden, dessen junger Geist zwar durch einsames Nachdenken ungemein schnell reifte, der aber sein Innerstes keinem Menschen offenbarte.

Und heute, an seinem Geburtstage, war wieder einmal solch’ ein Tag, an dem der Knabe keinen Menschen sehen wollte. Vierzehn Jahre! Das ist der Termin, an dem die meisten die Kinderschuhe ablegen und zur ernsten Arbeit ins öffentliche Leben treten. Ach, welche hochfliegenden Pläne hatten er und seine Freunde gehabt, und wenn sie auch in kindlichen Köpfen entsprangen, in denen noch Indianerhäuptlinge, Seeräuber und Robinson eine Hauptrolle spielten, so waren sie doch auch mit ernsten Idealen vermischt gewesen. Wie gern wollte er heute der Sohn des ärmsten Tagelöhners sein und sich sein Brot mit der schwersten Arbeit verdienen, wenn er nur den Gebrauch seiner gesunden Glieder gehabt hätte! Doch das war vorbei, vorbei!

Seufzend griff er nach einem der vielen auf dem Tischchen liegenden Bücher. Es war Robinson Crusoe, der immer seine, wie wohl auch jedes anderen Knaben, Lieblingslektüre gewesen. Die anderen Bücher führten die Titel „Lederstrumpf“, „Gullivers Reisen“, „Zwanzigtausend Meilen unter dem Meere“, „Reise von der Erde zum Monde“, „Die Wunder der Urwelt“ – alles fantastische Sachen.

In sie hatte er sich heute Abend versenken wollen.

Aber es war nichts, die Lektüre zerstreute ihn nicht. Er war der arme Krüppel, dem nichts mehr zu hoffen übrig blieb.

Seufzend legte er das Buch wieder weg, lehnte sich zurück und schloss die Augen, und zwei große Tränen rannen langsam über die bleichen Wangen.

Da plötzlich – was war das? Erschrocken blickte er auf. Die Lampe war von selbst ausgegangen, ein anderer, seltsamer Schein und ein süßer Weihrauchduft erfüllten das Zimmer, und vor ihm stand in verklärtem Lichte die schlanke Gestalt eines jugendlichen Weibes.

Ihr Gewand erstrahlte in wunderbarer Farbenpracht, es schien aus lauter kleinen, bunten Bildchen zusammengesetzt zu sein, die beständig wechselten, als ob das ganze Kleid lebendig wäre. Richard sah Gebirge und Täler, Wälder und Wiesen, Wüsten und Eisfelder, Paläste und Hütten, er sah alle Menschenrassen darauf sich bewegen, er sah Taufen und Hochzeiten und Leichenbegängnisse – das ganze menschliche Leben spielte sich in allen Variationen in den Bildern ab, und dann sah er noch eine Menge von fremdartigen Gestalten, von Drachen und Ungeheuern, und alles lebendig und in bunten Farben strahlend.

In ihrem schönen Antlitz erglühten ein paar Augen in übermächtigem Feuer, und in ihrer Hand hielt sie einen Lorbeerzweig.

„Armer Richard!“ begann die wunderbare Erscheinung mit sanfter Stimme. „Fürchte dich nicht, ich bin eine gute Fee. Ich habe an der Wiege aller derer, die Großes und Schönes und Unvergängliches geschaffen haben, Pate gestanden, und jetzt bringe ich dir mein Geburtstagsgeschenk. Man nennt mich die Fantasie. Ein grausames Schicksal hat deine Zukunft, zu der du berechtigt, zerstört, ich kann das Geschehene nicht rückgängig machen, auch deine Gesundheit nicht wieder herstellen, wohl aber kann ich dir für das Verlorene einen Ersatz geben.

In deinem Schlafzimmer befindet sich eine Tür, die in eine kleine Kammer führt. Jede Nacht vor dem Schlafengehen überlege dir, was du träumen möchtest, lege dich ins Bett, stehe wieder auf, öffne die Kammertür, tritt durch sie, und du bist dort, wo du zu sein wünscht, hast das, was du wolltest. Liebst du mit Freunden zusammen zu sein – sie werden dich erwarten. Es ist zwar nur ein Traum, aber er soll nichts an Wirklichkeit einbüßen, und wenn er scheinbar ein Menschenalter währte. Den Anfang kannst du dir selbst wählen, das andere überlasse mir, sonst würde es dir keine Freude machen. Hast du genug, oder bist du in Gefahr, so denke einfach »ich will erwachen!« und der Traum ist aus. Sonst aber sollst du nicht wissen, dass du nur träumst.

Als Geist kann ich auch in die Zukunft sehen. Trotz deiner gestörten Gesundheit wirst du ein hohes Alter erreichen. So lerne fleißig, dass du deine Jugend dereinst nicht bereust, und merke dir die Bilder, die ich dir vorgaukeln werde, damit du später auch andere mit deinen Erzählungen erfreuen kannst. Denn wenige sind es, die ich zu meinen Taufpaten auserwähle. Dies ist mein Geschenk.“

Sie berührte mit dem Lorbeerzweig seine Stirn und war verschwunden.

Wieder schrak Richard auf und blickte verwundert um sich. Die Lampe brannte, neben ihm stand die Tante, die ihm die Hand auf die Stirn gelegt hatte.

„Du fieberst, Richard, du hast einen ganz heißen Kopf. Fühlst du dich krank?“

„Nein – aber – war nicht eben jemand im Zimmer?“

„Wer sollte denn hier gewesen sein? Ich fand dich schlafend, als ich eintrat, und du erwachtest, als ich meine Hand auf deine Stirn legte.“

„Solch ein merkwürdiger Traum – und so deutlich!“ flüsterte Richard kopfschüttelnd.

„Du solltest lieber nicht so viel romantische Sachen lesen, sie regen dich zu sehr auf, mein Kind.“

Abermals aufseufzend legte er das noch in den Händen gehaltene Buch zurück. Ach, es wäre doch zu schön gewesen, wenn ihm die Fee nicht nur im Traume erschienen wäre!

„Bringe mich zu Bett, liebe Elise, bitte.“

Sie rollte ihn in sein Schlafzimmer und half ihm ins Bett.

Das Gemach befand sich in einem sehr alten Patrizierhaus voller Ecken, Winkel und Erker.

„Bitte, Elise, öffne doch dort einmal die Tür!“

„Die Tür zu dem Verschlag? Warum? Da ist nichts drin, mein Kind.“

Aber die alte Frau tat dem armen Knaben doch den Willen, und nun sah Richard vom Bett aus in den finsteren Raum und legte sich, über sich selbst lächelnd, auf die andere Seite.

Ach, es wäre doch zu schön, wenn die Versprechungen der holden Fee in Erfüllung gingen! Was würde er sich jetzt zum Beispiel wünschen? Er hatte neulich viel über die vorsintflutliche Zeit der Erde gelesen, es hatte ihn sehr interessiert – ja, das möchte er, in die Urzeit der Erde einmal zurückversetzt sein, er selbst so, wie er jetzt war – natürlich mit gesunden Füßen und kräftig, und auch ein Boot wünschte er sich, weil es damals ja so viel Seen und Flüsse gegeben haben sollte, und ein gutes Gewehr mit Patronen, die niemals alle wurden, und dann Jagdabenteuer mit Höhlenlöwen und Höhlenbären, mit Mammuts, Ichthyosauren und allen den anderen riesenhaften Ungeheuern – kurz, ein Lederstrumpfleben im vorsintflutlichen Urwalde, anstatt der Indianer aber Höhlenmenschen, denen er ja mit seinem Gewehr und seinen Kenntnissen wie ein Gott erscheinen musste.

Richard war so müde und konnte doch nicht einschlafen. Immer lebhafter dachte er sich in die romantischen Situationen hinein. Ach, wenn die Fee doch nur Wort hielte!

Ob er’s einmal versuchte? Er lacht leise über sich selbst, und doch klopfte sein Herz vor Spannung, als er nach den neben dem Bett stehenden Krücken griff und langsam aus diesem herauskletterte. Es war ja eigentlich eine furchtbare Torheit, aber …

Ja, was war denn das?! Er brauchte ja die Krücken nicht mehr! Er konnte ja so laufen! Und das war kein Traum! Hell schien der Mond in das Zimmer, und er vermochte wahrhaftig nicht zu unterscheiden, ob er wache oder träume!

Frei, wie vor zwei Jahren, schritt er nach der Tür, die in den Verschlag führte, er öffnete sie und …

Der letzte Höhlenmensch

Im Urwald

Vor Richards erstaunten Augen breitete sich im Glanze der hochstehenden Sonne eine Landschaft von kolossalster Vegetation aus. Ein breiter, in einem See endender Fluss teilte sie in zwei Hälften, rechts von ihm lag ein Urwald mit Baumstämmen von ungeheurer Dicke und Höhe und mit aus dem Boden ragenden Wurzeln, unter denen ein Mann hoch zu Roß durchreiten konnte, und links eine Ebene mit wohl zweimannhohem Grase. Außerdem erblickte Richard überall Farrenkräuter von enormer Dimension und ebenso Schachtelhalme, so hoch wie Kirchtürme.

In einiger Entfernung tauchten aus dem Grase Geweihe auf, dann eine Rinderherde, und da die Tiere noch mit dem Rücken aus dem hohen Grase hervorsahen, so konnte er daraus schließen, welche Mächtigkeit sie haben mussten.

Plötzlich teilte sich das Gras am Flussufer, und ein Riesenhirsch trat hervor und senkte den behörnten Kopf, um zu trinken. Da, ein Aufspritzen des Wassers, dann kam es wie ein langes Schuppenband aus dem Flusse, erfolgte ein peitschender Schlag, und der Riesenhirsch, ein Brüllen ausstoßend, verschwand in einem ungeheuren, von Zähnen starrenden Rachen, der sich unversehens aus dem Wasser reckte.

Ein Donnern und Krachen erscholl, eine starke Eiche knickte wie ein Strohhalm prasselnd um, und am Waldessaume erschien eine furchtbare, dunkle Masse, einem Elefanten ähnelnd, aber noch einmal so groß, mit zottigen Haaren bedeckt und die Stoßzähne von oben nach unten gebogen – ein Mammut.

Richard hatte für den ersten Blick genug gesehen – das war eine Landschaft aus der Urzeit der Erde. Er blickte unter sich; zu seinen Füßen lag auf dem dunklen Wasser ein schlankes Boot, darin Ruder, ein Gewehr, einige Kästen und andere Sachen, und mit einem Freudenschrei sprang er leichtfüßig über die Türschwelle in das schaukelnde Boot, erst jetzt bemerkend, dass er ein eng anschließendes ledernes Jagdkostüm und am Gürtel das lange Jagdmesser in der Scheide trug. Kaum aber hatte er sich auf die Ruderbank gesetzt, so war sein Haus, seine ganze Vaterstadt verschwunden, und nichts als die von Tieren bevölkerte Wildnis umgab ihn.

Schnell hatte er sich in den Gedanken gefunden, ein modern ausgerüsteter Jäger in vorsintflutlichem Urwalde zu sein. Sein Erstes war, dass er den Inhalt des Bootes untersuchte. Es war für ihn gut gesorgt worden. Das Gewehr war eine schöne, handliche Doppelbüchse, mit einem Lauf für Kugeln und einem anderen für Schrot; zwei Kästen enthielten Patronen, ein anderer Nähzeug und ähnliche Utensilien, darunter auch ein Feuerzeug mit Zündstahl und Zündschwamm, ferner eine Axt, mehrere Kochtöpfe, eine Bratpfanne und anderes. Alles aber hatte er sich gewünscht, und als er soeben daran dachte, wie gut er manchmal einen Revolver brauchen könnte, bemerkte er, dass auch dieser in einem Futteral auf der anderen Seite seines Gürtels hing.

Mit vor Freude klopfendem Herzen griff er nach den Rudern und ruderte langsam, immer um sich spähend, den Fluss entlang nach dem See zu. Die Büffel und Riesenhirsche, größer als ein Pferd, blieben stehen und äugten nach ihm, ergriffen aber nicht die Flucht, als hätten sie noch nie einen Menschen gesehen. – Was hatten sie denn auch von solch’ einem winzigen Zwerge zu befürchten! Richard sah auch andere Tiere von wunderbaren Formen, wie sie kein Naturgeschichtsbuch mehr anführt, viele Vögel, nicht in der bunten Pracht einer südländischen Zone, wie eine solche doch hier war, sondern nur immer von enormer Größe, und mit Verwunderung erblickte er auf einer Sandbank furchtbar große Krokodile, die sich sonnten, eins davon wohl vierzig Meter lang, teils mit stumpfen, teils mit ganz spitzen Schnauzen, alle aber ganz verschieden. Sein Boot stieß gegen ein Hindernis, und als er es untersuchte, fand er, dass sich mitten im Fluss eine Insel erhob, nackt wie polierter Stein, vielleicht fünf Meter im Durchmesser. Schon hatte er Lust, einmal darauf zu treten, um den so merkwürdig in quadratische Flächen geteilten Stein näher zu untersuchen, als zu seinem Schreck plötzlich aus dem Wasser ein breites furchtbar gezahntes Maul sich erhob, und ein kugelrunder Kopf mit tellergroßen Augen. Die ganze Insel kam in Bewegung und schwamm ein Stück, dann verschlang der Rachen einen vorüberschießenden Fisch von Meterlänge und tauchte unter. Es war eine Riesenschildkröte gewesen, gegen die unsere heutigen, obgleich zehn Zentner schwer, nur Zwerge sind.

Wann sollte Richard seine Büchse zum ersten Male probieren? Etwa jetzt an dem ungeheuren Mammut, oder vielmehr Mastodon mit den geraden Stoßzähnen, das mit dem Rüssel Fichtenbäume aus der Erde riss, sie wie Streichhölzer zusammenknickte, dann die Bündel in den Rachen steckte und diese samt Holz und Erde wie Pillen hinunterschluckte? Nein, an dem wollte er lieber seine Schießkunst nicht probieren, die Kugel hätte es kitzeln können, und dann hätte es Richard vielleicht auch wie eine Pille hinuntergeschluckt.

Ein faules Krokodil gab ein besseres Zielobjekt. Richard schob in das Gewehr eine Patrone mit Spitzkugel, zielte nach dem Auge, und der Schuss krachte. Wie er bemerken konnte, traf die Kugel nur den Rand des Auges und sie musste wohl wie von einer Diamantplatte abgeprallt sein, denn das Tier rührte sich gar nicht.

Nun legte er das wieder geladene Gewehr auf einen Hirsch an, der am Ufer stand und ihn neugierig betrachtete. Er konnte das Wildbret zwar nicht verwerten, eine Jagdbeute musste er aber doch machen.

Da ertönte ein ohrenbetäubendes Brüllen, dann sauste etwas Gelbes durch die Luft. Ein furchtbares gelbes Raubtier mit wallender Mähne, so groß wie ein ansehnliches Kalb, aber mit einem mächtigen Ochsenkopf und entsetzlichen Pranken hatte sich auf den Hirsch gestürzt und ihn zu Boden gerissen.

Es war ein Höhlenlöwe. Doch Richard ließ sich nicht viel Zeit zur Beobachtung, der Anblick war zu entsetzlich, er warf die Flinte ins Boot und ruderte aus Leibeskräften davon. Er hatte schon gemerkt, dass es auch mit einem modernen Gewehr nicht so ungefährlich war, in einem vorsintflutlichen Urwalde spazieren zu fahren, hier, wo noch nicht die Menschen die Herrschaft an sich gerissen hatten und alles von Tieren wimmelte, die sich gegenseitig auffraßen.

Bald sollte er auch in die Notwendigkeit versetzt werden, sein eigenes Leben zu schützen. Ein Schatten senkte sich nämlich plötzlich auf ihn herab, und als er aufblickte, sah er über sich in einer Höhe von vielleicht hundert Metern einen gewaltigen Raubvogel. Schon schwebte derselbe zwischen den Baumwipfeln, schon konnte Richard die zusammengekrallten Klauen am Leibe erkennen und die glühenden Augen über den Hakenschnabel von wohl einem halben Meter Länge, und es hatte ganz den Anschein, als hätte der Riesenadler den Knaben als leckeren Bissen erspäht.

Richard verlor jedoch die Besinnung nicht. Schnell musste er handeln, im nächsten Augenblicke schon konnte das Ungetüm auf ihn herabschießen. Im Nu ergriff er daher wieder die Büchse, kniete in dem bewegungslos treibenden Boote nieder, zielte sorgfältig nach der Brust und schoss.

Ein markerschütterndes Kreischen, und sich überschlagend stürzte der Greif, im Walde verschwindend, auf die Erde herab. Doch da sah Richard schon wieder ein neues Tier sich wie eine Schlange durch die Büsche und der Stelle zu winden, wo der Raubvogel niedergestürzt sein mochte. Es war eine Höhlenhyäne, wie sie damals ganz Europa bevölkerte. Richard gelüstete es aber nicht, nähere Bekanntschaft mit ihr zu machen, sondern er war froh, dass ihre Aufmerksamkeit durch die leichter zu gewinnende Beute, den wahrscheinlich tödlich getroffenen Raubvogel, von ihm abgelenkt worden war.

Schon hatte er den See fast erreicht, als er Zeuge eines neuen Schauspieles eines Kampfes um Leben und Tod, wurde, dem er diesmal mit atemloser Spannung beiwohnte, bis er selbst mit eingriff.

Karak, der Bärentöter

In der Nähe des Sees trat der Wald weit zurück und machte einer mit großen Felsblöcken bedeckten Fläche Platz.

Zwischen diesen, nicht weit vom Flussufer entfernt, fand ein Kampf zwischen einem Bären und einem Menschen statt.

Der Bär von brauner Farbe war wohl doppelt so groß als der größte, den Richard je im zoologischen Garten gesehen, und drang auf einen Mann ein, der ihm zwei Pfeile in den Leib geschossen hatte; die Schäfte ragten noch aus dem Pelze hervor. Dieser Mensch war ungemein groß und herkulisch gebaut, von schwarzbrauner Hautfarbe, nackt bis auf einen Schurz um die Lenden, und trug langes Kopfhaar und einen zottigen Bart. Mehr konnte Richard jetzt nicht unterscheiden.

Er war nur mit einer an einem langen Stiele befestigten Steinaxt bewaffnet, mit der er dem Raubtiere wuchtige Schläge auf den Kopf versetzte oder versehen wollte, denn der Bär parierte sie geschickt mit den Tatzen oder zog jedes Mal schnell den Kopf ein, jedenfalls um die leicht verwundbare Nase zu schützen. Dieser Zweikampf tobte nicht auf einer Stelle, sondern der Mann sprang vor- und rückwärts. Auch er musste ja den Tatzenschlägen zu entgehen suchen, denn wenn ihn auch nur ein einziger traf, war er verloren. Eine Flucht hätte ihm wahrscheinlich nichts genützt, und ebenso wenig war abzusehen, was er mit der elenden Steinaxt gegen den Höhlenbären ausrichten konnte. Einmal musste er doch ermüden und den Pranken zum Opfer fallen.

Da erkannte Richard, worauf es dem zweibeinigen Kämpfer ankam. Kein Zweifel, der Mann versuchte sich nach dem Walde zurückzuziehen, wo er sich auf einen Baum flüchten konnte; das wusste aber anscheinend auch der Bär, denn er wollte seinem Gegner diesen Rückzug abschneiden und ihn in den Fluss treiben, wo er ihm jedenfalls sofort zur Beute wurde.

Ohne Bedenken hob Richard das mit Kugel und grobem Schrot geladene Gewehr und drückte in demselben Moment, wo der Bedrängte sich außerhalb der Schusslinie befand, nach der Herzgegend des Bären zielend, beide Läufe zugleich ab.

Mit einem donnerartigen Gebrüll richtete sich das Ungetüm, das wohl getroffen aber nicht tödlich verwundet war, auf den Hinterbeinen empor, es hatte den neuen Feind im Boote erspäht, und stürmte nun in Carriere dem Flussufer zu.

Zu spät erkannte Richard, in welch’ gefährliches Spiel er sich eingelassen hatte. Doch mit fester Hand schob er zwei neue Patronen in die Gewehrkammer, war er jetzt doch ganz allein auf sich selbst angewiesen, denn der nackte Mensch hatte, wie er noch gesehen, schnell die Flucht ergriffen.

Aber es kam alles anders, als Richard befürchtet hatte, denn noch hatte der Bär nicht das Ufer erreicht, als ihm eine dunkle Gestalt entgegen sprang – es war derselbe Mann von vorhin, nur hatte er jetzt keine Axt, sondern einen anderen langen Gegenstand, wohl ein Messer, in der Hand. Der Bär richtete sich sofort auf, den alten Gegner zu umarmen. Und diesmal wich ihm letzterer nicht aus, er warf sich vielmehr an die zottige Brust und drückte seinen Kopf an den Leib des Ungeheuers. Nur einige Augenblicke noch, und dann stürzte der Bär brüllend nieder, um nicht wieder aufzustehen, während sich der Mann aufrichtete und ihm das blutige Messer aus dem Leibe zog.

Mit einigen Ruderschlägen hatte Richard das Ufer erreicht, und eilte nun, ohne noch an eine Vorsicht zu denken, auf den Mann zu, der ihn zwar sichtlich erstaunt, aber ohne Furcht erwartete.

„Wer du auch bist, von dir hat Karak, der Bärentöter, nichts zu fürchten, denn du hast ihn vorhin gerettet“, sagte er mit tiefer Stimme, und Richard wunderte sich nicht im geringsten, ihn so gut zu verstehen.

„Nein, du warst es, der mich vor dem Angriff des Bären beschützte.“

„Aber du lenktest seinen Angriff von mir ab, als mir schon die Kräfte erlahmten, und so fand ich Zeit, mein Messer aufzunehmen. Ich wollte den Bären erlegen und musste ihn erst durch Pfeilschüsse aus seinem Schlupfwinkel verscheuchen und auf mich reizen, denn jedes Tier, selbst der kühne Löwe fürchtet Karak, den Bärentöter. Da, im Augenblicke, als er mich angriff, verlor ich mein Steinmesser, und da ich mit der Axt nichts gegen den harten Schädel ausrichten konnte, trieb mich der Bär fort und ermüdete mich derart, dass ich ihm doch nur zur Beute gefallen wäre und alle Tiere der Wildnis, besonders auch die elenden Rundköpfe, sich gefreut hätten, wenn du nicht die Aufmerksamkeit des Bären auf dich gelenkt hättest, sodass ich Zeit fand, mein Messer wiederzuholen. Du hast mich und meine Rache gerettet, du bist mein Freund.“

Ohne ein Wort weiter zu verlieren, ging Karak nunmehr daran, mit dem Messer dem Bären den Leib aufzuschlitzen und einige große Stücke Fleisch unter der zurückgeschlagenen Haut herauszuschneiden. Dann brach er dem Bären einen Backenzahn aus und trennte eine Kralle aus der Pranke.

Erst jetzt sah Richard, welch’ ein mächtiges Ungeheuer dieser Höhlenbär war, und dass er fast die Größe eines Pferdes hatte. War auch der menschliche Bewohner dieser Wälder ein herkulischer Riese, so war er doch ein Nichts gegen dieses Raubtier, dem er jetzt mit dem Steinmesser zu Leibe ging. Dennoch konnte er sich mit Recht den Bärentöter, den auch der Löwe fürchtete, nennen, denn eine Kette, die er als Schmuck um den Hals trug, war ganz aus Raubtierzähnen und Krallen, besonders aus solchen von Bären, zusammengesetzt.

Auch einen Bogen und Pfeile mit Steinspitzen, die für einen Riesen bestimmt waren, sah Richard am Boden liegen. Er hob ersteren auf, konnte aber die Sehne keinen Millimeter zurückziehen.

„Wir müssen uns beeilen, dass uns nicht die Nacht im Walde überrascht“, nahm Karak wieder das Wort, die Fleischstücke mit Schlingpflanzen zusammenschnürend und sie sich auf den Rücken hängend. „Ach“, setzte er niedergeschlagen hinzu, „Karak hat kein Volk mehr, welches ihm den Bären zerlegen hilft und mit ihm am fröhlichen Feuer das saftige Mark aus den Knochen saugt. So mag alles liegen bleiben, wir haben genug.“

„Wo ist dein Volk?“, fragte Richard, sich mit ihm dem Flussufer zuwendend.

„Karak ist der letzte Höhlenmensch“, war die dumpfe Antwort. „Von dort her, wo jetzt die Sonne untergeht, kamen die schwarzen Rundköpfe, welche sich selbst Farken nennen. Sie sind geschickt und klug, sie haben Waffen und Werkzeuge aus einem Stein, den sie Bronze nennen, sie brennen Erde im Feuer und bauen sich daraus Höhlen, die sie Häuser nennen, aber sie sind zu träge zur Arbeit und brauchen Sklaven. Die feigen Pfahlbewohner, die wir unter uns nur wie harmlose Tiere duldeten, und die sich ihnen freiwillig unterwarfen und nun für sie arbeiten, verrieten auch unsere Höhlen an die Rundköpfe. Jahrelang entspann sich ein blutiger Kampf zwischen uns, wir waren ihren Waffen nicht gewachsen, eine Familie nach der anderen wurde vernichtet oder gefangen, und wer jetzt von uns nicht in der Sklaverei arbeiten will, den opfern die Rundköpfe bei ihren Festen ihren Göttern.“

Sie hatten das Ufer erreicht, und Karak stieg, als wäre ihm das etwas ganz Bekanntes, in das Boot und ergriff die Ruder, während sich Richard an das Steuer setzte.

„So bist du der letzte deines Stammes?“, fragte Richard, während sie den Fluss entlang schossen.

„Ja, ich bin der letzte Höhlenmensch“, entgegnete Karak niedergeschlagen, doch blitzte es trotzdem unheilvoll in seinen tief liegenden Augen auf. „Bis vor zwei Tagen hatte ich noch einen starken Sohn und eine schöne Tochter. Aber als ich von der Jagd zurückkam, fand ich meinen Sohn erschlagen und Maka verschwunden. Rundköpfe hatten die Höhle entdeckt und überfallen, und nun soll Maka, da sie zu stolz ist, um für die Fremden zu arbeiten oder einen Rundkopf zu heiraten, auf dem Altar der Götter geschlachtet werden.“

„Wann?“ stieß Richard hervor.

„Beim Wechsel des Mondes findet das Fest statt – in drei Tagen.“

„Dann müssen wir sie retten! Weißt du, wo sie ist?“

Ein finsteres Lächeln umspielte die bärtigen Lippen des Höhlenmenschen.

„Ja, Karak kennt das Lager jener Rundköpfe, und er befindet sich auf dem Wege, Maka zu retten, oder, wenn es zu spät ist – als letzter Höhlenmensch alle seine Brüder und Schwestern furchtbar zu rächen.“

„Da stehe ich dir bei, so wahr ich Richard heiße.“

In der Pfahlhütte

Der Fluss erweiterte sich zu einem unübersehbaren See, und Richard stieß einen Laut der Überraschung aus. Er sah in einiger Entfernung vom Ufer, also noch im Wasser stehend, ein großes Dorf von sich auf Pfählen erhebenden Hütten.

„Es ist eine Ansiedlung von Pfahlbewohnern“, erklärte Karak. „Sie waren zu schwach und zu feig, um auf dem Lande zu leben, wo sie den Raubtieren die Höhlen hätten streitig machen müssen. Da zogen sie sich auf das Wasser zurück und lebten wie die Reiher von Fischen. Aber jetzt haben sie ihre Dörfer auch schon längst verlassen und arbeiten als Sklaven der Rundköpfe, weil sie sich in deren steinernen Häusern noch sicherer fühlen.“

Er dirigierte das Boot zwischen die Hütten, suchte sich die geräumigste aus, befestigte das Fahrzeug an einen Pfahl und stieg eine Art von Hühnerleiter hinauf, während Richard ihm folgte.

Diese Hütte bestand, wie wohl jede andere, nur aus einem einzigen Raum, und war aus mit Lederriemen zusammengebundenen Baumstämmchen und aus mit Lehm verschmierten Weidenflechtwerk hergestellt. Oben in dem schrägen Dach befand sich ein Loch, unten in der Diele eine Falltür, wohl um Angel und Netze hinabzulassen. Fenster gab es nicht, die Tür war offen und mit einem Fell zu verhängen. Rings herum lief eine Art von Galerie.

Es musste sich ganz hübsch in solch einer Wasservilla wohnen. Wenn man Hunger hatte, zog man nur die Angel aus dem Wasser heraus mitten in die Stube, und kannte dann den Fisch – vorausgesetzt, dass einer daran hing – gleich auf dem Feuersteinherde braten.

Die einstigen Bewohner schienen die ganzen Hausgerätschaften zurückgelassen zu haben. Alles war aus Stein, oft zierlich und mühsam gearbeitet, die Steinmesser in geschnitzte Horngriffe geklemmt, die Angelhaken waren spitze Dornen. Und da die Pfahlbewohner verstanden Häute zu gerben und auch Pflanzenfasern zu verspinnen und zu verweben, betrieben sie wenig die Jagd, und ihre hier befindlichen Bogen und Pfeile waren daher gegen die des Höhlenmenschen die reinen Kinderspielzeuge, nur brauchbar, um kleine Vögel und Fische zu schießen. Die größeren Felle, die in der Hütte lagen, mochten die Bewohner sich, wie Karak auch bestätigte, von den jagenden Höhlenmenschen eingetauscht haben. An den Pfählen lagen noch Kähne angebunden, samt und sonders mit Feuer ausgebrannte Baumstämme. Durch das klare Wasser sah Richard auf dem tiefen Seeboden mächtige Berge von Muschelschalen liegen.

Karak machte Feuer an, und Richard stand ihm nicht mit seinem Feuerzeug bei, sondern ließ ihn mit einem Feuerbohrer trockenes Holz reiben, bis dieses glühte, was sehr schnell ging. Dann blies Karak dürres Laub auf den Steinen zur Flamme an und legte Holz auf, das in der Ecke aufgestapelt lag.

Während er der Fleisch mit Bärenfett in einem dünnen, etwas hohlen Steine briet, nachdem er Richards eiserne Pfanne mit Misstrauen zurückgewiesen hatte, betrat dieser wieder die Galerie und übte sich einstweilen mit Büchse und Revolver im Schießen nach Wasservögeln, darunter solchen von seltsamster Art, verschwendete auch einige Spitzkugeln an einen riesigen, sich im Wasser wälzenden Dickhäuter, ohne dass dieses urweltliche Nilpferd jedoch davon Notiz genommen hätte.

Endlich war der Braten fertig, zu dem auch Salz nicht fehlte.

„Wie weit ist es noch bis zu der Ansiedlung der Rundköpfe?“ fragte Richard nach dem ersten Bissen des köstlichen Bärenbratens.

„Morgen Abend haben wir sie erreicht.“

„Hast du dir schon einen Plan zurechtgelegt, wie du Maka befreien willst?“

„Es geht nur mit List. In einem Kampf würde ich gegen die Überzahl doch unterliegen, und die Farken haben wunderbare Zauberwaffen, lange Messer, halb so groß wie ein Mensch und dabei doch ganz leicht, die sie Schwerter nennen, und Pfeile, die selbst in einen harten Baumstamm eindringen, ohne zu zerbrechen. Dieser Zauber ist die Bronze, die sie mithilfe weiser Frauen selbst verfertigen. Ihre Dörfer haben sie mit hölzernen Mauern umgeben, und während der Nacht wachen auch noch Wölfe, die sie gezähmt haben und Hunde nennen. Deren Zuverlässigkeit ist so groß, dass die Rundköpfe in der Nacht keine Wachen aufstellen. Das müssen wir benutzen. Ich erlege am Abend ein großes Stück Wild, und während du, wenn du mir beistehen willst, die Wölfe mit dem Fleische nach der einen Seite des Walles lockst und sie dort fütterst, schleiche ich mich von der anderen Seite in das Haus, in dem, wie ich weiß, die Opfer stets gefangen gehalten werden, und befreie meine Tochter.“

Richard sah das Vernünftige dieses Kriegsplanes ein.

„Allerdings“, setzte Karak dumpf hinzu, „sobald die Wölfe nicht mehr gefüttert werden, werden sie Lärm schlagen und hinter uns hergehetzt werden, und dann gibt es einen Kampf auf Leben und Tod.“

Als die Mahlzeit beendet war und die Nacht anbrach, bereiteten sie sich aus Fellen weiche Lager, doch Richard lauschte noch einige Zeit den entsetzlich brüllenden Tierstimmen des Waldes, in dem es erst jetzt lebendig wurde, bis ihm die Müdigkeit die Augen zudrückte.

Plötzlich weckte ihn ein Donnern und Prasseln und nasse Tropfen. Ein von Regen begleitetes Gewitter war heraufgezogen. Jetzt zeigte es sich, dass das Wohnen in solch einer Hütte doch nicht so gemütlich war, denn bald regnete es hier drinnen ebenso wie draußen. Bald verwandelte sich das Gewitter in einen einzigen Blitz und Donnerschlag, es war ein Unwetter, wie es Richard noch nie erlebt, noch nie beschrieben gefunden hatte. Ununterbrochen stand der Himmel in Flammen, in Tageshelligkeit sah Richard durch die Spalten der Hütte die Blitze beständig einschlagen und die stärksten Bäume zersplittern. Der Regen aber verwandelte sich in einen Wolkenbruch, und Richard kroch, den Untergang der Welt befürchtend, zitternd in eine Ecke.

Ja, solches schreckliches Wüten der Natur sollte in der Urzeit die Erde beständig heimgesucht haben! Für Karak mochte es wohl nur ein kleines, unschuldiges Gewitter sein, denn der schlief ruhig weiter, auch unter den aus dem Dache auf ihn herabfließenden Wasserfluten. Am Morgen ließ das Unwetter endlich nach, und sie setzten ihre Wanderung fort.

Über der Erde

Nach einer anstrengenden Ruderfahrt lenkte Karak am Nachmittage das Boot unter die überhängenden Zweige eines Busches am Ufer.

„Hier wollen wir aus dem Boote steigen“, sagte er, „denn die Farken legen, weil sie Überschwemmungen fürchten, ihre Dörfer nur abseits der Flüsse auf hoch gelegenen Waldblößen an, und außerdem dürfen wir der Hunde wegen nicht die geringste Spur zurücklassen und müssen uns deshalb einen Weg über die Baumäste suchen.“

Karak befestigte darauf das Boot, band sich die Fleischreste auf die Schulter, steckte, während Richard sich mit Patronen versorgte, Axt und Messer in den Gürtel und schwang sich dann gewandt aus dem Boote an den Zweigen in die Höhe, um in dem Laubwerk zu verschwinden.

Trotz des ihn hindernden Gewehres wusste Richard als gewandter Turner es ihm nachzutun. Bald hatte er ihn erreicht und folgte ihm, auf den Ästen balancierend, und, wo ein Überhang fehlte, sich an Zweigen von einem Ast zum anderen schwingend, nach.

So langsam es auch ging und so beschwerlich der Weg auch war, hier oben musste es sich doch noch besser fortkommen lassen, als auf dem Boden. Denn dort unten sah es fürchterlich aus, alles war ein undurchdringliches Wirrwarr von Schlingpflanzen und Wurzelwerk, und wenn Richard einmal ein freier Blick auf eine ebene Stelle möglich wurde, so war es sicher ein Morast, in dem es von Schildkröten, Eidechsen und Schlangen aller Größen wimmelte. Schlangen waren überhaupt überall, von Spannenlänge bis zur Größe von zehn Metern, aber keine von ihnen war ihm bekannt, sie glichen mehr erdbraunen Würmern von Armes- und sogar Schenkeldicke und schienen auch kein Maul zu haben, sondern einen Rüssel, mit dem sie sich an den Bäumen festsaugten. Ein Glück nur, dass dieses Gewürm sich nicht auch auf den Bäumen …

„Karak! Zu Hilfe!“ schrie er da plötzlich, vor Entsetzen alle Vorsicht vergessend, laut auf.

Der Ast nämlich, an dem er sich soeben festhalten wollte, hatte sich blitzschnell um seinen Arm gerollt und ein zweiter löste sich gleichfalls von dem Baum und schlang sich um seinen Leib. Gleich darauf fühlte der entsetzte Knabe einen gewaltigen Druck und ein Saugen an seiner Brust.

Im Nu war Karak bei ihm und fuhr mit seinem Steinmesser zwischen den Leib des Knaben und den der Schlange. Sofort fiel ein Teil derselben herab, während der saugende Kopf noch besonders abgeschnitten werden musste.

„Diese Würmer sind ganz unschädlich, wenn man ein Messer hat“, beschwichtigte Karak den Erschrockenen. „Kann man sich freilich nicht von ihnen befreien, dann saugen sie einem das Blut bis zum letzten Tropfen aus. Wehe aber dem, den der gepanzerte Wurm packt. Gegen den hilft auch das schärfste Messer nicht. Aber zum Glück ist er so groß, dass man geradezu blind sein müsste, um ihm nicht rechtzeitig ausweichen zu können.“

Durch Richards Kopf blitzte ein Strahl der Erkenntnis. Diese Schlangen oder Würmer waren nichts anderes als riesenhafte Blutegel. Er schüttelte sich vor Grauen.

Nach einer halben Stunde beschwerlicher Wanderung lichtete sich das Dunkel. Sie hatten den letzten Baum am Waldessaume erreicht, und jeder suchte sich den bequemsten und sichersten Ast aus, von dem aus er liegend alles übersehen konnte.

Nicht nur eine Waldblöße, sondern auch eine sehr große, von Bäumen befreite Fläche breitete sich vor ihnen aus. Sie war zum größten Teil als Kornfeld bestellt, stieg nach der Mitte zu auf, und auf der höchsten Stelle lag ein von Palisaden umgebenes Dorf aus Holzhütten, von denen aber auch einige größere, aus Backsteinen ausgeführte Gebäude, abstachen. Am Fuße des Hügels erglänzte der Spiegel eines Teiches, aus dem ein Pfahlbau hervorragte. Auf grünen Triften weideten Rinder und Schweine, auch schien für Ställe Sorge getragen zu sein.

Die Felder waren wohlbestellt, und überall, besonders aber nahe am Walde, erhoben sich auf ihnen Stangen, an denen teils kleine, klappernde Mühlen, teils lange Flügel aus feinem, bunten Gewebe befestigt waren, das sich beim geringsten Windhauch hob. Dies war wohl auch der allein mögliche Schutz der Felder gegen die Wiederkäuer des Waldes. Denn was konnte wohl solch ein Mammut abhalten? Doch höchstens nur die Furcht vor dem Unbekannten. Dennoch mochte es oft genug vorkommen, dass in einer windstillen Nacht ein einziges Mammut zum Nachtisch ein paar Äcker leer fraß.

Auf den Feldern wurde gearbeitet. Riesige Ochsen zogen eine Art von Pflug, dessen Bronzemesser, wenn sie sich aus dem Boden hoben, wie Goldglänzten. Nackte Menschen trieben sie an, nackte Arbeiter hockten auf dem Boden, und ab und zu befand sich ein in braunes Tuch gekleideter Mann darunter, der bei Gelegenheit mit einer langen Peitsche unbarmherzig auf die Nackten einschlug. Die Farken behandelten also ihre Sklaven schlecht, sie gönnten ihnen nicht einmal Kleider.

Sklaven und Treiber gehörten zwei ganz verschiedenen Rassen an. Die ersteren waren schlank, sehr mager, aber sehnig, meist blond, und besaßen einen langen, schmalen Kopf, die Farken waren kurz und untersetzt. Ihr Kopf war schwarz und rund, und ihre Gesichtszüge erinnerten an die der Nomaden oder mehr noch an die der Sklaven. Außer dem dunkelbraunen Gewand trugen sie mit Riemen befestigte Sandalen, in den Ohren und ebenso an den Fingern, am Handgelenk und am Oberarm große Ringe aus goldglänzender Bronze. In dem Ledergürtel aber steckte ein langer Dolch mit zierlichem, auffallend kurzem Griff.

„Nun höre meinen ausführlichen Plan“, begann Karak, als sich die Arbeiter entfernt hatten. „Du siehst jetzt die Lage des Dorfes. Es bleibt beim alten, ich erlege am Abend ein Wild, wir begeben uns ruhig an die Holzwand, wo du die auf der einen Seite während der Nacht freigelassenen, aber durch die Mauer doch eingeschlossenen Wölfe fütterst, und ich schleiche mich unterdessen auf der anderen Seite ein und befreie Maka. Gelingt es uns, die misstrauischen Hunde für längere Zeit ruhig zu halten, so haben wir es sehr leicht. Dann nimmst du Maka und eilst an diesen Baum zurück, den du dir merken musst, und ich füttere die Hunde weiter, bis ich euch in Sicherheit weiß. Auf diese Weise gewinne ich einen Vorsprung, dass sie mich nicht mehr einholen, und unsere Spur nicht weiter verfolgen können. Schlagen sie aber vorzeitig Lärm, nachdem ich eben erst mit Maka das Dorf verlassen habe, so müssen wir uns trennen. In diesem Falle lenke ich die Wölfe auf mich, suche mich ihrer zu erwehren und verlasse mich auf die Schnelligkeit meiner Füße, bis ich wiederum diesen Baum erreicht habe, wo ich in Sicherheit bin. Du dagegen nimmst dich meiner Tochter an. Siehst du dort den Teich mit dem Pfahlbau in der Mitte? Letztere sieht aus wie die Hütte eines Pfahlbewohners, aber er ist ein Heiligtum der Farken, in welchem sie die ausgetrockneten Leichen ihrer Häuptlinge aufbewahren. Dorthin fliehst du mit Maka, dort seid ihr sicher, denn niemand darf den Tempel betreten, als nur einmal im Jahr eine Priesterin, niemand denkt auch daran, euch dort zu suchen, denn man glaubt ja, ich allein hätte Maka befreit und die Flucht mit ihr sei mir geglückt. Ich kenne diese Wölfe, wenn ich sie einmal auf meine Spur gebracht habe, verfolgen sie keine andere mehr, und dann wird die eure auch von den herauskommenden Rundköpfen schnell zertreten werden. Dort bleibt ihr also den ganzen Tag, und morgen Nacht hole ich euch ab.“

Richard hatte gegen diesen Plan nichts einzuwenden, der erfahrene Karak musste ja die Verhältnisse am besten kennen.

Sie aßen nun die reichlichen Reste der gestrigen Abendmahlzeit, dann ging Karak davon, um sich noch mehr Pfeile anzufertigen, deren Schäfte er aus Zweigen schnitt, während er die steinernen Pfeilspitzen einem am Halse hängenden Beutelchen entnahm und sie in einen Spalt des Schaftes klemmte, den er mit Lederriemchen festband. Richard sah ihm zu, staunend über die wunderbare Geschicklichkeit des Höhlenmenschen, der zur Herstellung solch eines Pfeiles keine fünf Minuten brauchte. Dann beobachtete er wieder seine Umgebung.

Die Arbeiter verließen die Felder und zogen sich hinter die Palisaden zurück. Dann wurde das Vieh hineingetrieben, und mit Lanzen und Bogen bewaffnete Farken, die mit Jagdbeute beladen waren und von großen, genau wie Wölfe aussehenden Hunden begleitet wurden, kamen aus dem Walde und verschwanden ebenfalls hinter den Palisaden. Bei Anbruch der Dunkelheit aber wurde ein Thor geschlossen, und als die Nacht kam und die schmale Sichel des Mondes am Himmel erschien, deren Verschwinden Makas Tod auf dem Opferaltar der Götter bedeuten sollte, lag die Landschaft in friedlicher Stille da, bis die Tierstimmen des nächtlichen Waldes laut wurden, angstvoll und drohend, grunzend und knurrend, pfeifend, heulend, wiehernd, brüllend und donnernd.

Im Dorfe selbst musste noch Leben sein, überall flackerten Lichtchen auf oder erglänzte es wie erleuchtete Fenster.

Richard bemerkte, wie der neben ihm liegende Karak leise nach dem Bogen griff und einen Pfeil darauf legte, und als er der Richtung des schussfertigen Geschosses folgte, gewahrte er unter sich ein großes vierfüßiges Tier, in dem er, als es noch einige Schritte machte und in den Mondschein trat, eine schlanke Gazelle von der Größe eines englischen Rennpferdes erkannte, die auf der Stirn nur ein einziges, langes gewundenes Horn trug. Es war das sagenhafte Einhorn. Den dünnen Hals weit vorgestreckt, äugte es begehrlich nach dem saftigen Grün der Felder, wie solches ihm seine Weidegründe im Walde nicht bot.

Die muskulöse Rechte des Höhlenmenschen zog die Sehne zurück, mit einem leisen Pfeifen schnellte der Pfeil vom Bogen, und auf der Stelle brach das riesige Tier zusammen, ohne noch einen Laut von sich zu geben oder noch einmal zu zucken. Richard war sprachlos vor Staunen. Der Pfeil hatte das Herz getroffen, war aber auch glatt durch den ganzen Riesenleib gegangen, eine Leistung, die kaum ein modernes Gewehr fertiggebracht hätte. Mit solch einem machtvollen Geschoss musste es den Höhlenmenschen ja eine Kleinigkeit sein, den fürchterlichsten Bären und Löwen zu erlegen, wenn sie nur wollten, wenn sie es nämlich nicht für Feigheit hielten und es nicht vorzogen, ihm nur mit dem Steinmesser gegenüber zu treten. Ja, Richard zweifelte nun nicht mehr, dass solch ein Pfeilschuss selbst die Haut eines Dickhäuters, die selbst der Spitzkugel trotzte, zu durchdringen vermöchte.

Makas Befreiung

Karak war mit Benutzung eines dünneren Baumstammes herabgestiegen und häutete das Tier ab, um es dann in Stücke zu zerlegen.

Unterdessen erlosch im Dorfe ein Licht nach dem anderen. Noch einmal begannen die gezähmten Wölfe innerhalb der Palisaden heulend die Stimmen der Kollegen im Walde zu erwidern, dann verstummten auch sie. Sie mochten zur Ruhe gewiesen oder so abgerichtet sein, dass sie nur heulten, wenn sich eine Gefahr näherte.

Ein Zischen rief jetzt auch Richard von seinem luftigen Sitze herab. Endlich konnte er die eingeschlafenen Glieder dehnen. Karak hatte den größten Teil des Wildes zerlegt und die Stücke in die Haarseite des Felles gepackt. Die blutige Seite desselben aber hatte er nach außen gewandt und daran aus Schlingpflanzen gefertigte Stricke zum Ziehen befestigt.

„Schleppen wir dies Wild bis in die Nähe der Holzmauer“, sagte er zu Richard, „dann werden die Wölfe nur diese deutliche, blutige Spur und keine andere verfolgen.“

Die Idee war wirklich sehr gut. Sie spannten sich also vor und zogen die Last auf dem holprigen Wege nach dem still daliegenden Dorfe. Ohne die herkulische Kraft seines Begleiters hätte Richard sie allerdings keinen Zoll vorwärts gebracht.

In einiger Entfernung von den Palisaden machten sie halt, und Karak nahm mehrere Zentner der zusammengeschnürten Fleischstücke auf den Rücken und schlich mit Richard bis dicht an die aus jungen Baumstämmen bestehende Wand. Das übrige Fleisch ließen sie liegen, damit es vielleicht auch noch die freigelassenen und ewig heißhungrigen Wölfe von einer Verfolgung ablenkte.

Noch einmal drückte der Höhlenmensch seinem jungen Begleiter die Hand, warf selbst ein Stück Fleisch aus dem aufgeschnürten Bündel über die Holzwand und war im Schatten derselben verschwunden.

Richard befand sich allein mit seinem wild stürmenden Herzen. Schnell warf er einige Fleischstücke nach. Da heulten die gezähmten Wölfe, die ersten, treuen Gesellschafter der Menschheit, die noch nicht wie Hunde bellen konnten, laut auf. Doch bald verstummten sie wieder, und nun ließ sich hinter den Palisaden ein Reißen, Schmatzen, ein leises Knurren und Streiten vernehmen. Es war, als wüssten die vierbeinigen Wichte, dass sie etwas Unrechtes begingen und deshalb leise sein mussten. Immer schneller warf Richard die Fleischstücke, damit ja kein offener Streit zwischen ihnen entstände, während tausend Fragen sein Hirn durchkreuzten.

Wie weit war Karak? Fand er Maka? Waren alle Wölfe hier versammelt? Und was sollte werden, wenn das Fleisch zu Ende ging?

Eine Viertelstunde verstrich so, schon war der Fleischvorrat verzehrt, da rief plötzlich eine raue Stimme:

„Hallo, was haben denn die Hunde?“

Richards Herzschlag setzte aus.

„Sie haben Fleisch gestohlen“, erscholl es als Antwort, und dann knallten Peitschenschläge, heulten die Wölfe und begannen entsetzlich zu toben und mit ihrem markerschütternden Geschrei die Luft zu erfüllen. Dazwischen wurden jetzt auch Menschenstimmen vernehmbar:

„Es sind Feinde in der Nähe! Sie füttern die Hunde! Sie sind schon im Dorf! Lasst die Wölfe los! Zu den Waffen!“

So scholl es unter dem Wolfsgeheul wirr durcheinander.

Gleich darauf flogen auf Richard, der Gewehr und Revolver schussbereit machte, zwei Gestatten zu – Karak und ein Mädchen, das in wallende Gewänder gehüllt war.

„Nach dem Leichentempel – im Schatten der Mauer, fort!“, rief ersterer, dann war er bereits wieder entflohen, während das Mädchen, das wohl schon vorher von Karak verständigt worden war, Richards Hand fasste, worauf beide die Palisaden entlang nach dem im Mondschein blinkenden Spiegel des kleinen Sees rannten. Hinten ihnen aber erscholl Wolfsgeheul und hetzende Rufe. Das ganze Dorf war rebellisch geworden.

Am Ende der Palisaden blieben sie stehen. Jetzt galt es über die, vom Mond beleuchtete Ebene den Hügel hinabzulaufen. Zögernd blickten sie sich um. Dort floh bereits Karak in mächtigen Sätzen über die Ebene, und hinten ihm her stürmte ein Rudel Wölfe. Jetzt erreichte ihn der erste, jetzt sprang er an ihm empor, da wandte Karak sich etwas im Laufe und schwang die Steinaxt. Ein furchtbares Schmerzgeheul folgte, und mit unverminderter Schnelligkeit flog er weiter. – Ob er entkam? Doch sie hatten keine Zeit, darüber nachzudenken, denn sie selbst mussten jetzt handeln. Schon tauchten Männer auf, schon blitzten die goldglänzenden Bronzeschwerter in ihren Händen.

Der Himmel war ihnen günstig, der Mond trat hinter eine kleine Wolke. Sie erreichten das Wasser und sprangen hinein. Doch bald verloren sie den Grund. Da hob Richard das Gewehr, legte den Lauf desselben auf den Kopf und schwamm neben dem Mädchen. So gelangten beide glücklich zu der Pfahlhütte. Hier fanden sie eine Leiter, und als der Mond wieder hinter den Wolken hervortrat, befanden sie sich im Inneren der Hütte und schlossen die in Angeln drehende Tür hinter sich.

Im Leichentempel

Beim ersten Schritt prallte Richard entsetzt zurück. Der Mondschein drang durch ein offenes Fenster und fiel hell auf ein menschliches Gesicht – ein schreckliches Gesicht, wachsgelb und mumienartig eingetrocknet, aus dem ein zahnloser Mund ihm entgegengrinste und gläserne Augen ihn anstierten.

„Fürchte dich nicht, wir sind im Leichentempel der Farken“, flüsterte Maka, seine Hand wieder ergreifend, „es sind nur die ausgetrockneten Leichen großer Häuptlinge.“

Auch von selbst hätte sich der unerschrockene Knabe schnell wieder gefasst. Ja, dieses mumienartige Gesicht da vor ihm gehörte allerdings einer einbalsamierten oder trocken geräucherten Mumie an.

Jetzt betrachtete er sie näher. Die Leiche kauerte mit untergeschlagenen Beinen auf einem mit Decken bekleideten Brett, trug ein Gewand von feinem Gewebe, war mit Bronzeschmuck überladen, hielt in der einen Hand eine Streitaxt, in der anderen ein zusammengerolltes Stück Leder, das auch auf der Außenseite kleine Bildchen in roter Farbe zeigte, und in ihrem Schoße lagen Bogen, Pfeile, Dolche und zierlicher Schmuck. Richard gewöhnte sich bald an die Dunkelheit und gewahrte nun, dass er sich in einer großen Gesellschaft solcher seligen Häuptlinge befand.

Dann wandte er seine Aufmerksamkeit dem Höhlenmädchen zu, das vorsichtig zum Fenster hinauslugte, dabei aber nicht vermeiden konnte, dass es vom Mondschein getroffen wurde.

Es war eine eben zur Jungfrau gereifte Gestalt, mit angenehmen Gesichtszügen, braunen Augen und solchen graubraunen Haaren, wie sie Richard schon an Karak beobachtet hatte. Es trug ein ärmelloses Gewand aus einem sehr feinen Gewebe und war, wo sich solcher nur anbringen ließ, mit Bronzeschmuck bedeckt, sodass die Vermutung wohl richtig war, dass man es bereits als Opferlamm festlich geschmückt hatte.

Das Wolfsgeheul verlor sich in der Ferne, und über das Feld eilten nur noch wenige bewaffnete Männer hin und her. War Karak die Flucht gelungen?

„Dir verdanke ich mein Leben, nur dir allein“, wandte sich da Maka an Richard mit sanfter Stimme, „denn wäre ich bei meinem Vater gewesen, so wäre ich den Wölfen nicht entgangen. Wir würden in Stücke gerissen worden sein, was allerdings noch besser gewesen wäre, als wenn ich übermorgen auf dem Opferaltare unter dem Messer der Priesterinnen lebendig verblutete. Mein Vater flüsterte mir zu, wer du seiest, und dass ich dir vertrauen sollte. Ich danke dir, Fremdling, du hast die Tochter des letzten Höhlenmenschen gerettet.“

„Was sagte dir Karak, wer ich sei?“ fragte Richard erwartungsvoll.

„Der erste der Fremden, von denen unsere klugen Frauen geweissagt haben. Vom Aufgang der Sonne werden sie über die Berge kommen, mit ihren Häuptlingen, die auf Tieren sitzen, wie wir sie hier nicht kennen, deren Augen wie der blaue Himmel strahlen und deren Haare so rot wie die Bronze der Farken ist, während die Haut ihrer Frauen der weißen Blüte des Kirschbaumes gleicht. Diese werden das ganze Land erobern, und die Farken müssen wieder vor ihnen weichen, denn jene sind viel tapferer, stärker und viel klüger als sie, und sie werden auch die Tiere des Waldes bezwingen und diesen selbst dann ausrotten. Aber“, setzte Maka in traurigem Tone hinzu, „die einstigen Herrn dieses Landes, die Bewohner der Höhlen, werden sie nicht mehr vorfinden, du, der erste ihres Stammes, siehst den letzten.“

Maka hatte von den Germanen gesprochen.

Dann sagte sie, dass sie hier in diesem Leichentempel sicher aufgehoben seien, bis Karak sie morgen Nacht abholte. Wenn er aber nicht käme, so müssten sie ihre Flucht allein fortsetzen.

Der Schlaf forderte aber seine Rechte, und da Decken, wenn auch nicht für Lebende bestimmt, genug vorhanden waren, so schlummerten die beiden schon in kurzer Zeit friedlich unter den gläsernen Augen der Mumien.

Die Sonne eines neuen Tages hatte sich schon über den Wald erhoben, als Richard von Maka geweckt wurde. Sie stellte einen Becher mit Wasser und einen großen Korb mit getrockneten Früchten, mit Kirschen, Pflaumen, Birnen und Äpfeln vor ihn hin. Richard hatte die Bäume dieser Fruchtarten schon auf der Wasserfahrt wild wachsen sehen, auch in der Pfahlbauhütte hatten Kirsch- und Pflaumenkerne gelegen. Er wunderte sich nur, wie Maka zu diesen Früchten kam.

„Jedes Jahr einmal betritt eine Priesterin dieses Leichenhaus“, erklärte sie, „und bringt dabei den toten Häuptlingen einen Korb mit getrocknetem Obst, denn die Farken glauben, dass deren Leichen des Nachts etwas Speise zu sich nehmen müssten.“

Richard ließ sich das Obst trefflich munden, die Anwesenheit der Mumien störte ihn nicht mehr. Dann gesellte er sich Maka bei, die schon gegessen haben mochte und, entfernt vom Fenster, durch eine Spalte in der Wand, das Farkendorf und die Umgegend beobachtete.

„Auf dem Feld wird nicht gearbeitet, was hat das zu bedeuten?“ murmelte sie dabei gedrückt.

Das Dorf lag zu weit ab, außerdem ja auch oben auf der erhöhten Fläche, sodass man nicht sehen konnte, was darin vorging. Aber etwas Besonderes musste es wohl sein, denn Menschen gingen hastig durch die Tore aus und ein, ohne sich von den Palisaden zu entfernen, und man schien an der Holzwand etwas zu bauen. Niemand aber nahm die gestrige Feldarbeit wieder auf, obgleich, wie Maka erklärte, heute kein Festtag der Farken war.

Endlich kam Ordnung in die vor den Palisaden stehenden und sich durcheinander bewegenden Menschen, sie bildeten einen Zug, und bald schwankte durch das Thor, das zu diesem Zwecke jedenfalls abgedeckt worden war, eine hohe Tragbahre mit Thronhimmel. Der Zug kam näher, er bewegte sich gerade auf den See zu, und Richard sah, dass er nur ans Farken bestand, die alle reich geschmückt und mit Schwertern, Dolchen, Pfeil und Bogen bewaffnet waren. Einige trugen auch Schilde am Arm. Auch der Thronhimmel ward nicht von nackten Sklaven, sondern von gut gekleideten und festlich geschmückten Farken getragen.

„Meine Ahnung!“ hauchte da Maka. „Vor acht Tagen starb der Bruder des Häuptlings und gerade heute wird er hierher gebracht! Nur bei solch einer neuen Leiche darf der Tempel von allen betreten werden – nun sind wir verloren!“

Richard erkannte die Gefahr, in der sie schwebten.

„Was geschieht, wenn sie uns hier finden?“, fragte er erregt.

„Sie martern uns langsam zu Tode, um die erzürnten Seelen der Verstorbenen zu besänftigen, und diesen Tempel mit allen Leichen verbrennen sie, denn wir haben ihn entweiht! Wir sind verloren, Richard!“

„Noch nicht“, erwiderte er, sein Gewehr untersuchend, „wenn es uns ans Leben geht, haben wir das Recht, dasselbe zu verteidigen. Lebendig fangen sollen sie uns nicht.“

Auch Maka schien von vornherein die Absicht gehabt zu haben, sich nicht ohne Kampf zu ergeben, denn sie nahm bereits den Mumien die zahlreichen Pfeile ab und prüfte zwei Bogen, von denen sie den einen dann ihrem Freund anbot, den dieser jedoch zu ihrem Staunen zurückwies. Sie kannte ja noch nicht die Bedeutung des langen Gegenstandes, den Richard in der Hand hielt.

Am Ufer waren inzwischen Kähne befestigt worden, auf die der Thronhimmel gesetzt wurde, unter dem, wie Richard erst jetzt bemerkte, sich auch zwei Frauen befanden. Dann bestiegen die übrigen Farken ebenfalls Kähne, und in geordneter Reihe, voran die Krieger mit den Schilden, ging es in langsamen Rudertakt auf die Pfahlhütte zu.

Der Kampf mit den Farken

Ruhig ließ Richard die Farken herankommen, bis sie nur noch zwanzig Meter von dem Wasserbau entfernt waren. Dann trat er kurz entschlossen auf die Galerie und rief mit schallender Stimme: „Halt!“

Augenblicklich hielten die Boote, und auf den Gesichtern der Herannahenden konnte Richard lesen, von welcher Bestürzung sie ergriffen wurden, als sie aus der Wohnung der Toten solch’ eine fremdartige, unbekannte Erscheinung treten sahen.

„Maka – es ist die entflohene Maka!“ erklang da eine Stimme.

Das Mädchen mochte sich wohl am Fenster gezeigt haben.

„Ja, Maka ist bei mir“, nahm jetzt Richard das Wort, „Ich habe sie gerettet, denn ich will nicht, dass sie auf dem Opferaltar getötet wird, sie steht unter meinem Schutz.“

„Wer bist du?“ erscholl es zurück.

„Ich bin ein Gott“, entgegnete Richard unverzagt.

„Beweise es.“

Da schoss Richard sein Gewehr in die Luft ab. Doch der Schreck, den der Knall verursachte, war keineswegs bedeutend.

Sehr schnell hatten die Farken sich von ihm erholt und steckten nun die Köpfe zusammen und flüsterten.

„Welcher Gott bist Du?“ fragte endlich der im ersten Boote stehende Krieger, der durch ein besonders langes Schwert ausgezeichnet war.

„Ich bin der Gott des Donners und des Blitzes.“

Das war sicher die beste Antwort gewesen.

„Und was verlangst du von uns?“

„Dass Ihr sofort zurückkehrt, damit ich bis morgen Nacht ungestört mit Maka, die ich zu meiner Braut erkoren habe, hier verweilen kann.“

Wieder entstand ein Flüstern. Dann erhob sich in einem hinteren Boote ein in Purpur gekleideter Mann, mit einer spitzen Mütze auf dem Kopfe, der wahrscheinlich ein Priester war, und rief laut:

„Glaubt ihm nicht! Er ist ein Lügner! Wäre er auch der Gott des Blitzes, so ist er doch dem Sonnengotte untergeordnet, und dieser will, dass Maka ihm geschlachtet wird. Doch er ist gar nicht ein Gott. Er ist ein Mensch wie wir, der nur …“

Da wurde der Priester plötzlich unterbrochen, denn ein Pfeil war ihm durch die Kehle gefahren, und gleichzeitig wurde Richard zurück ins Innere der Hütte gerissen, während unter einem allgemeinen Wutschrei ein Hagel von Pfeilen gegen die Hütte schwirrte.

Die Krieger hatten zu den Rudern gegriffen, das erste Boot schoss auf den Pfahlbau zu.

„Nun keine Schonung mehr“, schrie Richard, noch einmal kühn in die offene Tür springend, dann feuerte er zunächst die beiden Läufe des Gewehres nacheinander, und darauf den Revolver sechs Mal in das nächste Boot ab.

Das wirkte allerdings anders als die Behauptung, ein allmächtiger Gott zu sein. Fünf Männer stürzten tödlich getroffen auf den Boden des Kahnes nieder, und die anderen, die ihre Kameraden wimmernd und blutend liegen sahen, warfen sich entweder ins Wasser, oder ruderten mit verzweifelter Anstrengung zurück, sodass die Boote sich aneinanderdrängten, zwei von ihnen umschlugen, und ein unbeschreibliches Durcheinander entstand.

Schnell hatte Richard Gewehr und Revolver wieder geladen. Er stand noch immer auf der Galerie, doch er hatte nichts mehr zu fürchten. Niemand spannte mehr den Bogen nach ihm, während Maka in die Reihen der Vernichter ihres Gottes Pfeil auf Pfeil mit tödlicher Sicherheit absandte.

Doch da legte jener hochgewachsene Häuptling einen Pfeil auf ihn an. Sofort berührte Richard den Stecher, ein Feuerstrom drang aus dem Gewehr und mit zerschmetterter Stirn brach der Mann zusammen.

Nun gab es kein Halten mehr, bis alle Farken wieder das Ufer erreicht hatten. Aber wenn auch die Bestürzung eine große war, so wurden doch auch jetzt noch drohende Fäuste nach dem Pfahlbau geschüttelt.

Mit gespannter Aufmerksamkeit beobachten Richard und Maka die Vorgänge am Ufer. Bald wurde ihnen klar, was man dort beabsichtigte; man bereitete einen regelrechten Angriff vor, und zwar hielten diesmal alle Krieger, die in die Boote stiegen, große Schilde vor sich.

„Oho, Ihr glaubt wohl, ich habe euch vorhin nur treffen können, weil Ihr euch nicht mit Schilden decktet?“ sagte Richard, das Gewehr in Anschlag bringend. „Nein, ich glaube nicht, dass der Bronzeschild, der gar nicht so schwer zu sein scheint, einer Spitzkugel widersteht, und ihr braucht nicht erst heranzurudern, damit ich Euch das beweisen kann.“

Er zielte auf einen noch am Ufer stehenden Mann, der am Arm einen Schild trug, und sofort nach dem Knall brach dieser zusammen. Wieder entstand eine unbeschreibliche Aufregung, die schon abgesandten Boote ruderten eiligst zurück, und auch die anderen entfernten sich hastig vom Ufer, um erst in einiger Entfernung wieder Halt zu machen. Die weite Tragkraft dieser unsichtbaren Pfeile musste ja diese Naturmenschen in furchtbare Bestürzung versetzen.

„Siehst Du, Maka, wir sind doch Herren der Situation“, triumphierte Richard. „Nun bin ich gespannt, was sie weiter unternehmen werden. Oder wollen wir jetzt an unseren Rückzug durch das Wasser nach der anderen Seite hin denken? Die Farken werden uns nicht mehr zu hindern wagen.“

„Du vergisst die Wölfe, Richard.“

In der Tat, eben jetzt wurde ein Rudel der wilden Hunde an Stricken herbeigeführt. Was hatte man mit diesen vor? Auf den Pfahlbau konnten sie doch nicht klettern.

„Aha, da kommt ein Abgesandter des Friedens, er will unterhandeln“, rief Richard plötzlich.

Und so schien es wirklich. Ein Priester in roter Kleidung bestieg ein von zwei Sklaven gerudertes Boot und schwang einen grünen Zweig, der auch schon damals als ein Zeichen des Friedens galt.

„Hüte dich vor ihm“, warnte Maka. „Die Rundköpfe sind listig und betrügerisch.“

„Ich werde mich nicht täuschen lassen, bleibe du in der Hütte und beobachte ihn mit einem Pfeile auf dem Bogen.“

Richard stellte das Gewehr in die Hütte, behielt aber den leicht zu verbergenden Revolver bei sich und trat wieder auf die Galerie.

„Halt!“ gebot er. „Was willst du?“

„Ich bin der Oberpriester der Kolonie Farkolitz und komme, dich zu fragen, ob du ein Gott bist, der dem Blitze befiehlt, oder ein Mensch, der mit einer wunderbaren Schleuder unter Feuer Sterne zu schleudern versteht.“

„Ich bin ein Mensch“, erwiderte Richard nach kurzer Überlegung, denn es gefiel ihm wenig, sich für einen Gott auszugeben.

„So biete ich dir die Gastfreundschaft unserer Kolonie an und sichere dir und deiner Begleiterin vollständige Freiheit zu, wenn du uns lehrst, wie man solche feuerspeiende Schleudern herstellt und sie benutzt.“

„Traue ihm nicht“, raunte da Maka Richard zu, „was ein Rundkopf verspricht, ist Lug und Trug.“

Doch der Priester fuhr fort: „Glaube dem Mädchen nicht. Du kannst dir denken, wie wertvoll uns solch’ eine Schleuder wäre. Wir werden nicht so unklug sein, dich zu töten, wenn wir von dir ihre Anwendung erlernen könnten.“

„Aber hinterher!“

„Wir stellen Geiseln. Karak ist entkommen, rufe ihn, er soll mich als Geisel mitnehmen.“

Wahrhaftig, das musste überlegt werden, und schon hörte Richard nicht mehr auf die unausgesetzte Warnung und das Flehen Makas.

„Verrat! Verrat!“ schrie da mit einem Mal eine Stimme in weiter Ferne. „Wendet euch um! Wendet euch um!“

Richard warf einen Blick zur Seite – dort kam Karak über die Felder gestürmt. Doch dann sprang Richard zurück, von hinten näherten sich nämlich zwei Boote dem Pfahlbau, deren eines mit Kriegern besetzt war, während in dem anderen auf einer Bronzeplatte ein großes Feuer brannte.

Einige Schuss genügten, um das erste Boot mit mehreren Toten eiligst zurückrudern zu lassen; das mit dem Feuer wurde durchlöchert und sank schnell, und ein Pfeilschuss Makas tötete den hinterlistigen Priester, der ihre und Richards Aufmerksamkeit von der anderen Seite hatte ablenken wollen.

In wenigen Sekunden waren sie wieder von ihren Bedrängern befreit, und wandten sich der Richtung zu, von der Karak aus dem Wald kam. Sein Schicksal schien besiegelt zu sein. Die Farken hielten es gar nicht einmal für nötig, auf ihn zuzueilen, sie ließen nur die Wölfe los.