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Geld, eine hübsche Freundin, Karrierechancen von denen andere nur träumen. Als Sohn reicher Eltern hat Leo alles, was man sich nur wünschen kann. Selbst ein Sportunfall kann seine heile Welt nicht erschüttern. Wohl aber Leos Arzt Cameron, der in ihm Gefühle weckt, die er noch nie zuvor hatte – und einem Mann gegenüber auch nicht haben will. Dass Cameron sein Interesse auch noch zu erwidern scheint, lässt Leo plötzlich alles in Frage stellen – seine Sexualität, seine berufliche Zukunft, seine Familie. Aber ist Cameron all das wirklich wert? Band 2 des Buches!
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Seitenzahl: 705
Deutsche Erstausgabe (ePub) März 2015
© 2010 by Rona Cole
Verlagsrechte © 2015 by Cursed Verlag
Inh. Julia Schwenk, Fürstenfeldbruck
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,
des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung
durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit
Genehmigung des Verlages.
Satz Layout: Cursed Verlag
Covergestaltung: Hannelore Nistor
ISBN ePub: 978-3-95823-587-8
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Klappentext:
Band 2 des Buches!Geld, eine hübsche Freundin, Karrierechancen von denen andere nur träumen. Als Sohn reicher Eltern hat Leo alles, was man sich nur wünschen kann. Selbst ein Sportunfall kann seine heile Welt nicht erschüttern. Wohl aber Leos Arzt Cameron, der in ihm Gefühle weckt, die er noch nie zuvor hatte – und einem Mann gegenüber auch nicht haben will. Dass Cameron sein Interesse auch noch zu erwidern scheint, lässt Leo plötzlich alles in Frage stellen – seine Sexualität, seine berufliche Zukunft, seine Familie. Aber ist Cameron all das wirklich wert?
Band 2
Rona Cole
Er hat aufgelegt. Fassungslos starre ich auf mein Display, das mir, zusammen mit dem Besetztzeichen, sagt, dass mein Gesprächspartner die Verbindung unterbrochen hat.
Dieser Feigling. Legt einfach auf, mitten im Gespräch. Wobei es ja keines war, denn nur er hat geredet, nein, gestammelt trifft es wohl eher, und ich hab zugehört. Ich kann nicht glauben, was er da grade alles zu mir gesagt hat. War dann wohl so etwas Ähnliches wie eine Entschuldigung für das, was er mir vorhin an den Kopf geworfen hat. Zusammen mit einem Geständnis, dass er sich in mich verliebt hat, auch wenn er sich wohl mit allem, was er hat, dagegen gewehrt hat. Nur am Ende konnte er es wohl nicht mehr. Nicht aufhören, an mich zu denken und sich zu wünschen, dass es anders zwischen uns gelaufen wäre. Genauso wie ich. Ja, ich glaube, das hat er tatsächlich zu mir gesagt. Und er hat keinen blassen Schimmer, wie glücklich er mich damit gemacht hat.
Ich könnte immer noch heulen. Und das tue ich auch. Ein bisschen jedenfalls. Aber nicht mehr, weil ich wütend auf ihn bin. Ich bin's immer noch, weil er diese Dinge zu mir gesagt hat und ich ihn dafür immer noch hasse. Aber ich heule nicht deswegen. Nicht mehr… diese Tränen, die ich mir verstohlen wegwische, die heule ich, weil ich so erleichtert bin. Weil es irgendwie ein befreiendes Gefühl ist, das mich da gerade überkommt. Weil ich immer so gehofft hab, dass ich mich nicht in ihm getäuscht hab. Dass selbst er das, was zwischen uns war, nicht einfach nur spielen kann, sondern dass er mich auch liebt. Und ich bin einfach nur glücklich. Auch wenn ich ihm nicht mehr sagen konnte, dass ich ihn immer noch will und ihm das alles schon irgendwann verzeihen kann.
Ich wähle seine Nummer. Muss ihn jetzt einfach noch mal sprechen, ihm sagen, dass ich ihn auch liebe und es mir genauso geht. Dass ich ihn immer noch will, egal, was war. Ich bin mir sicher. So sicher wie noch nie in meinem ganzen Leben.
Leider ist es nur seine Mailbox, die rangeht. Vermutlich hat er sein Handy ausgeschaltet und braucht jetzt einen Moment für sich. Aber den brauche ich auch. Ich sehe das Handy an und höre in meinem Kopf noch einmal, was er mir grade gesagt hat. Er ist in mich verliebt. Er will mich… und er hat auch nicht gesagt, dass er mir diese Sache mit Manja nicht verzeihen kann. Ich hoffe nur, ich kann mir das irgendwann selbst verzeihen. Und ein bisschen hoffe ich natürlich auch, sie kann es.
Nach unserem ersten Gespräch, das sie wohl mitbekommen hat, musste ich erst mal vor die Tür. Hab sie verheult mit einem harschen Lass mich in Ruhe einfach stehen lassen und war ihr dankbar dafür, dass sie mir nicht gefolgt ist.
Und jetzt steht sie da, an die Arbeitsplatte der Küche gelehnt, die Arme verschränkt und sieht mich wortlos an. Ich kann sehen, dass sie ebenfalls geheult hat. Und ein bisschen komme ich mir schlecht vor, weil es mich nicht wirklich berührt. Weil da nur er ist in meinem Kopf. Ich muss meine Sachen packen. So schnell wie möglich. Ich muss zu ihm. Ich kann keine Sekunde mehr warten.
»Was machst du da?«, fragt sie, als ich ein paar Minuten später mit meinen Sachen aus dem Badezimmer komme und sie in meiner Reisetasche verstaue.
»Ich muss zurück, Manja. Es tut mir leid, aber diese Sache mit Cameron und mir… Wir haben grade noch mal telefoniert und… Na ja… ich… Es geht nicht anders… Wir sind… verliebt… Cam hat nur eine Weile gebraucht, es zu kapieren.« Noch immer hört es sich irreal an, wenn ich es laut ausspreche. Aber trotzdem ist da ein wahnsinniges Gefühl in meiner Brust. Ich bin aufgewühlt, verwirrt, weiß nicht, wohin das alles am Ende führt, aber trotzdem genieße ich diesen Moment. Dieses Gefühl, ganz tief in mir drin, das mich einfach nur glücklich macht. Ich muss zurück nach Hamburg. Unbedingt. Ihn in meine Arme schließen, ihn ansehen, küssen, spüren… einfach bei ihm sein.
»Hörte sich für mich nicht nach der großen Liebe an, euer Telefonat. Wenn du mich fragst, dann…«
»Ich frage dich aber nicht, Manja«, sage ich ruhig und packe weiter.
»Hörte sich eher so an, als hätte deine Cameron sich ziemlich schnell getröstet. Noch am selben Tag, an dem ihr das erste Mal zusammen geschlafen habt. Scheint wirklich die große Liebe für sie zu sein!«
»Davon verstehst du nichts!«, fauche ich.
»Nein«, sie lacht zynisch, »davon verstehe ich wohl wirklich nichts. Weder davon, mit jedem Typen zu schlafen, den ich kriegen kann, noch davon, dass es nach einem Mal Sex die große Liebe ist. Du solltest dich mal sehen, Leo… Ein Telefonat genügt und du springst…«
»Es ist nicht so, wie es scheint.«
»Das hoffe ich sehr für dich. Und ich hoffe, dass du dich da nicht in was verrennst. Wenn du mich fragst, machst du dich grade lächerlich. Du bist ein Spielzeug für sie, eine nette, kleine Abwechslung. Wenn sie wirklich so viel älter ist als du, dann kannst du doch nicht ernsthaft glauben, dass sie wirklich fest mit dir zusammen sein will. Zumal sie offenbar nicht gerade wählerisch ist… Zumindest klang euer Telefonat nicht danach, dass sie es geschafft hätte, eine Woche ohne einen anderen Mann auszukommen. Keine Frau, die etwas auf sich hält, ist so leicht zu haben, Leo. Gibt es da irgendetwas über den Sex hinaus, was dich an ihr fasziniert? Ich meine, mag ja sein, dass sie auf diesem Gebiet mehr Erfahrung hat als ich, aber wenn ich dafür in der Woche mehrere unterschiedliche Typen im Bett haben muss, dann kann ich darauf verzichten… und auf deine komischen, neu entdeckten Vorlieben sowieso… Ich finde das nämlich ziemlich ekelhaft!«
Ich muss mich beherrschen, nichts darauf zu erwidern. Denn ich will nicht, dass sie so von Cameron redet. Selbst wenn sie mit manchen Dingen vermutlich deutlich näher an der Wahrheit liegt, als mir lieb ist. Aber all das zählt für mich nicht. Für mich zählt nur, dass er mich liebt. Dass er's mir gesagt hat. Und dass ich jetzt bei ihm sein will.
»Ich glaube, es macht keinen Sinn, das jetzt zu diskutieren. Lass uns irgendwann ganz in Ruhe darüber reden. Es liegt nicht an dir, Manja. Selbst wenn es Cam nicht gäbe… das mit uns, es hätte keine Zukunft. Das wäre nicht ich.« Geräuschvoll ziehe ich den Reißverschluss meiner Tasche zu. Wenn ich mich beeile, schaffe ich noch den Autozug in einer Stunde.
»Sorry, Manja«, sage ich, schultere die Tasche, gehe an ihr vorbei und nehme meine Jacke von der Garderobe.
»Du gehst also tatsächlich?« Es klingt fassungslos. »Du gibst all das auf für ein bisschen abartigen Sex und redest von Liebe? Du wirfst drei Jahre weg für eine Frau, die ein bisschen Ablenkung braucht? Ich kann das nicht glauben… nicht nach gestern Nacht… Wir wollten doch neu anfangen und…«
»Nein, Manja, ich werfe das nicht für eine andere Frau weg. Es ist viel komplizierter. Aber ich liebe Cameron. Ich muss zurück…«, sage ich leise.
»Und was ist mit mir? Mich liebst du nicht mehr?«
Ich sehe sie an, wie sie da vor mir steht. Wütend und verletzt, den Tränen nah. Ich kann sehen, dass sie sich zusammenreißt, um nicht zu weinen. Aber ich weiß, dass sie sich nicht mehr lange beherrschen kann. Und ich, ich komme mir mal wieder wie ein Arschloch vor. Aber ich kann ihr nicht die Wahrheit sagen. Und selbst wenn ich es ihr sagen würde, ich bin mir nicht sicher, ob es das leichter machen würde für sie.
»Ich muss dann los«, sage ich noch einmal leise. »Möchtest du mit zurück nach Hamburg?«
»Nein«, entgegnet sie, »ich möchte, dass du bleibst!«
»Das kann ich nicht… und das werde ich auch nicht! Ich liebe Cameron. Ich kann nichts tun, damit es aufhört… Ich hab's versucht, wirklich, das musst du mir glauben, aber…«
»Verstehe…« Sie lacht bitter auf.
»Ich bin nicht sicher, ob du das tust«, entgegne ich. Ich weiß, dass diese Antwort nicht grade passend ist. Aber was soll ich denn sonst zu ihr sagen? Dass alles anders ist, weil es überhaupt keine andere Frau gibt? Weil er ein Mann ist und ich eben Männer liebe? Einen Mann, um genau zu sein, für den ich sie verlasse. Weil ich ihn will und mich schon der Gedanke daran, dass er mich auch will, glücklicher macht, als sie es jemals könnte? Irgendwann werde ich ihr sagen, dass Cameron ein Mann ist. Dass ich schwul bin und dass es nicht an ihr gelegen hat.
Eine Sekunde lang denke ich darüber nach, es jetzt und hier zu tun, aber das ist wohl keine besonders gute Idee. Denn so, wie sie mich grade ansieht, hat sie keinen blassen Schimmer, weil sie, trotz der Gerüchte, einfach an das glaubt, was sie glauben will. Sie wäre geschockt und verletzt und… ja, vermutlich wäre sie entsetzt und würde sich ekeln. Immerhin hab ich mit einem Mann geschlafen und danach mit ihr. Und das, worum ich sie gestern Nacht gebeten habe, weil ich so sehr wollte, dass es sich ein bisschen nach ihm anfühlt, ekelt sie an. Ich hab also nicht die leiseste Ahnung, wie sie reagieren würde, und ich will es auch gar nicht wissen. Denn mit Sicherheit bestünde die Gefahr, dass mein Geständnis schneller in Hamburg ist als ich selbst, und um es meinen Eltern und meinem Umfeld zu sagen, dafür brauche ich dann wohl doch noch ein bisschen Zeit. Selbst wenn ich jetzt tatsächlich mit Cam zusammenkommen sollte.
Ich hoffe nur, er hat kein Problem damit, dass ich mit dem Outing vor meinen Eltern noch ein bisschen warten will. Erfreut sein werden sie nicht gerade, über ihren neuen Schwiegersohn in spe. Und auch nicht darüber, dass ich wohl der letzte Nachkomme unserer traditionsreichen Familie sein werde. Ich bin schwul. Und diese Gefühle, die ich nur bei einem Mann habe, werden nicht einfach verschwinden. Und so, wie es sich die letzten Tage mit Cameron angefühlt hat, will ich auch gar nicht, dass sie es tun. Weil es sich nach Sonnenschein anfühlt. Und kleinen Blumen. Ich schätze also, ich hab keine Wahl. Auch wenn es ein seltsamer Gedanke ist, die Idee von einer Familie, die ich immer hatte, dafür zu begraben. Aber er ist bei Weitem nicht so schlimm, wie der an Leben allein... und den Rest davon für irgendwen mit einer Frau zu verbringen.
»Was hat sie, Leo? Was hat sie, dass du das alles aufgibst?«, reißt Manja mich aus meinen Gedanken und holt mich zurück in die schäbige Realität.
»Ich liebe Cameron«, sage ich leise und es fühlt sich gut an, das auszusprechen. Auch wenn ich sie damit verletze.
»Ist ein bisschen früh, um von Liebe zu sprechen. Und vor allem scheint sie eurer Liebe nicht allzu viel Bedeutung beizumessen… Immerhin konntest du sie nicht mal befriedigen…«, entgegnet sie schnippisch.
»Das konntest du mich auch nicht. Soll vorkommen«, rutscht es mir raus. Und im selben Moment, in dem es meine Lippen verlässt, bereue ich es. Hörbar schnappt sie nach Luft und ehe ich mich versehe, landet ihre Hand in meinem Gesicht. »Da wusste ich ja noch nicht, auf was für eklige Sachen du stehst… Du bist doch pervers, Leo! Ich will gar nicht wissen, was sie alles mit dir gemacht hat!«
»Ist wohl besser so«, entgegne ich.
»Ja, ist es… Du bist erbärmlich, Leo. Du widerst mich an!«
»Ich geh dann jetzt.«
»Ja, geh ruhig… zu deiner… Nutte!«
Für einen ganz kleinen Moment bin ich versucht zurückzuschlagen. Aber dann lasse ich es. Sie ist verletzt. Sie steht neben sich und sie weiß nicht, was sie tut.
»Ich möchte nicht, dass du jemals wieder so etwas über Cameron sagst«, sage ich ruhig. »Ich hab mir das nicht ausgesucht, aber ich kann nicht immer weiter vor mir selbst davonlaufen. Sag den Markwarts Bescheid, wenn du abreist, und wirf den Schlüssel in Hamburg einfach in unseren Briefkasten oder gib ihn deiner Mutter. Sie soll ihn meiner geben.«
»Hau einfach ab, Leo! Verschwinde!«, faucht sie.
»Manja, man kann sich nicht aussuchen, in wen man sich verliebt…« Ich hab keine Ahnung, wie ich's ihr sonst erklären soll. Ich schätze, es ist sowieso sinnlos. Ich sollte wohl wirklich besser gehen.
Ein letztes Mal sehe ich sie an, wie sie dasteht und mich anklagend ansieht. Immer noch zeigt sie keine Tränen. Weil man ihr Haltung beigebracht hat. Und ich wünsch ihr, dass sie das irgendwann mal ablegen kann. Dass sie glücklich wird. Und vielleicht jemanden findet, der ihr erklärt, dass Leben allein nicht reicht…
Ich hab den übernächsten Zug geschafft. Wenigstens etwas. In der Zeit, in der ich gewartet habe, hab ich noch ein paar Mal versucht, ihn zu erreichen. Aber er ist nicht rangegangen. Also hab ich ihm auf die Mailbox gesprochen, dass ich ihn liebe. Und dass ich mich beeile.
Ungefähr achtzig Kilometer vor Hamburg fängt meine Tankanzeige an zu blinken. Hat mich sowieso gewundert, dass sie's nicht schon früher getan hat. Eigentlich hab ich für so banale Dinge keine Zeit, ich bin sowieso viel zu spät. Erst musste ich eine Ewigkeit warten, bis ich mal auf den Autozug gekommen bin, und dann bin ich zweimal im Stau gestanden. Ich Idiot hatte selbstverständlich die ganze Zeit mein Handy an, weil ich ja gehofft habe, dass er sich meldet. Natürlich hab ich während der Fahrt auch ein paar Mal illegalerweise versucht, ihn zu erreichen, aber es war wieder nur die Mailbox dran. Das macht mich ein bisschen nervös. Er wird doch jetzt nicht einen Rückzieher machen? Was, wenn er jetzt doch keine feste Sache mehr mit mir will, sondern nur eine Affäre? Was soll ich denn dann machen? Ich will doch mit ihm zusammen sein.
Jetzt ist der Akku wohl endgültig leer. Und mein Ladekabel fürs Auto habe ich im Haus vergessen. Er kann mich also nicht mehr erreichen und ich ihn dummerweise auch nicht. Thema erledigt. Ich hab nicht mal mehr eine altmodische Telefonkarte. Aber vermutlich gibt's in Blankenese sowieso keine Telefonzellen. Mir sind dort zumindest noch nie welche aufgefallen. Ich werde wohl einfach bei ihm klingeln müssen.
Kurz vor Hamburg fahre ich dann doch noch eine Tanke an. Die letzte vor der Ausfahrt, denn meine Leuchte leuchtet schon seit guten zwanzig Minuten permanent und ich trau mich nicht, es zu riskieren. Wenn ich jetzt noch ohne Handy mit dem Auto liegen bleibe, dann schaffe ich es heute überhaupt nicht mehr zu ihm. Es ist sowieso schon fast halb neun. So lange hab ich von Sylt zurück noch nie gebraucht. Aber egal, ich bin ja fast da.
Die Tankstelle hat einen ziemlich großen Shop und ich überlege kurz, ob ich ein Ladekabel für mein Telefon kaufen soll, um ihn sicherheitshalber doch noch mal anzurufen, aber dann zahle ich nur das Benzin und kaufe ein bisschen Eis. Keine Ahnung, ob er das mag, und vermutlich ist es auch längst geschmolzen, bis ich bei ihm bin, aber ich will nicht mit leeren Händen dastehen, und ich schätze, Cam kann sich eher für Häagen-Dazs begeistern als für ein Plüschbärchen, das ein I love you-Herz hält. Wer zur Hölle kauft so was eigentlich?
Ich nehme auch eine Flasche Sekt mit, den teuersten, den sie haben, auch wenn er mit Sicherheit ziemlich lausig schmecken wird. Aber es zählt ja eher die Geste. Ich lege noch ein Päckchen Kaugummi dazu und eigentlich bräuchte ich auch Kondome, aber ich finde keine bei den Toilettenartikeln und ich traue mich nicht, danach zu fragen.
Vielleicht haben sie ja auf der Toilette drüben im Rasthof einen Automaten. Außerdem ist Cam für so was ja auch ausgerüstet. Jedenfalls hatte er beim letzten Mal noch einen ziemlichen Vorrat in seiner Schublade. So viele Gummis kann man in einer Woche gar nicht verbrauchen. Und er hat da noch ganz andere Dinge drin, wenn wir schon dabei sind. Handschellen und ein paar Sachen, von denen ich nicht ganz sicher weiß, ob sie das sind, was ich vermute. Aber ich schätze, wenn wir zusammen sind und er auf so was steht, dann werde ich das schon irgendwann erfahren.
Ich sollte vielleicht tatsächlich besser ein Päckchen Kondome besorgen, wirkt irgendwie erfahrener…
Obwohl ich ja eigentlich gar nicht weiß, ob wir überhaupt Sex haben werden. Vielleicht will er ja erst mal nur reden.
Wie peinlich ist es bitte, nach einem astreinen Seelenstrip drei Stunden zu brauchen, sich dazu zu überwinden, sein Handy wieder anzuschalten? Mittelmäßig? Irgendwie nicht grade tröstlich, denn ich hab sogar fast vier gebraucht. Und zur Sicherheit hab ich, nachdem ich aufgelegt hatte, gleich noch den Stecker vom Festnetz aus der Wand gezogen. Man kann ja nie wissen…
Vielleicht war aufzulegen feige, aber ich wollte einfach nicht über das, was ich ihm gestanden habe, reden. Brauchte einen Moment für mich, um nachzudenken und mir klar darüber zu werden, was da grade mit mir passiert. Dass ich all das, was ich ihm gesagt habe, auch so gemeint hab und dass ich in ihn verliebt bin. Dass ich ihn will, obwohl ich das nicht wollte… Aber am Ende ist es einfach passiert. Und es fühlt sich verdammt okay an, dass wir es miteinander probieren werden, falls er das, also mich, immer noch will. Ich hoffe es so sehr, dass es mich beinahe wahnsinnig macht, es nicht zu wissen. Weil ich mir nicht vorstellen kann, was ich tun werde, wenn er's nicht mehr will. Jetzt, wo ich es will… Gott, ich klinge echt bescheuert. Science and progress do not speak as loud as my heart…Und ja, er soll zurückkommen, mir sagen, dass er mich liebt, mir auf die Nerven gehen oder wie auch immer man haunt in diesem Fall sonst so übersetzen kann, scheißegal, einfach bei mir sein, bleiben und ich schwöre, ich fang noch mal von vorne mit ihm an.
Er hat versucht, mich zu erreichen, ein paar Mal, ich kann's auf dem Display sehen und meine Mailbox teilt's mir mit. Aber nicht mal die kann ich abhören. Ich bin zu feige. Stelle mir lieber die Frage, was das jetzt bedeutet. Beschließe, ihn anzurufen… muss ich wohl… aber nicht jetzt. Ich brauch noch einen Moment. Oder vielleicht auch noch mal vier Stunden. Will noch nicht wissen, ob er es noch will oder eben nicht. Will noch ein bisschen Hoffnung haben, dass ich's nicht vollkommen versaut und ihn so sehr verletzt hab, dass er's mir niemals verzeihen kann und stattdessen lieber bei seinem Mädchen bleibt. Sein Heteroleben weiterlebt und sich dafür selbst aufgibt. Aber vielleicht tut er das gar nicht. Selbst wenn ich das nicht glaube. Ich weiß, dass er schwul ist… nein, ich hoffe es nur… Er kann es doch nicht einfach nicht sein.
Der Gedanke daran, dass er es sich vielleicht, trotz meines Eingeständnisses, anders überlegt hat und mich, egal wie sehr ich es bereue, nicht mehr will, bereitet mir immer mehr Unbehagen, je weiter ich ihn spinne. Ich versuche, es wegzuschieben, aber es ist da, irgendwo in meiner Magengegend. Oder es ist das Croissant, war vielleicht doch ein bisschen zu viel Nutella.
Gott… was mache ich denn, wenn er mir mit seinen Anrufen nur sagen wollte, dass er nicht mehr will? Dass er viel mehr Gefühle für dieses Mädchen hat, als er jemals für mich hatte?
Vielleicht waren sie ja am Ende dann doch nicht so groß, wie sie ihm im ersten Moment vorgekommen sind. Ich jedenfalls hab immer noch welche für ihn… Und ich hab keinen blassen Schimmer, wie ich es überleben soll, wenn er mich nicht mehr will. Aber auf der anderen Seite hab ich immer irgendwie überlebt. Außerdem hat er am Telefon ja nicht gesagt, dass er sie liebt, sondern nur, dass er verzweifelt war und nicht mehr dran geglaubt hat, dass ich mich bei ihm melde. Deswegen ist er nach Sylt abgehauen. Mit diesem Mädchen, das ihn immer noch liebt.
Aber wie könnte man jemanden wie ihn auch nicht lieben? Vielleicht ist sie es ja gewesen, die ihn verführt hat. Vermutlich ist sie ganz gut mit dem Mund und vielleicht macht es für Leo dann, mangels Erfahrung, nicht so einen großen Unterschied… Vielleicht ist sie sogar besser als ich, stille Wasser sind tief und ich weiß ja nicht, wie schwul er ist. Was, wenn er am Ende doch bi ist? Scheiße, ist ja eigentlich nicht gerade das, was ich wollte. Im Gegenteil, ich wollte nichts davon… weder was Festes noch einen so jungen Typen, der, möglicherweise, zu allem Überfluss auch noch bi ist. Aber selbst wenn er das ist, ändert das nichts an meiner Entscheidung und an dem, was ich da vorhin zu ihm gesagt habe. Ich scheiß drauf, ob er auch auf Mädchen steht. Also eigentlich natürlich nicht, aber ich hab in den letzten Tagen viel zu oft an ihn gedacht, um weiter verdrängen zu können, dass ich mit ihm zusammen sein will. Wenn's sein muss, sogar zu seinen Bedingungen.
Immer noch denke ich an ihn. Pausenlos. Ich will ihn. Und da ist nichts weiter… da ist einfach nur er in meinem Kopf… und selbst wenn ich ein Ignorant bin, bin ich nicht so ein großer, dass ich es am Ende nicht weiß. Dass sie alle recht hatten mit dem, was sie mir gesagt haben. Dass ich mich einfach nur nicht den Tatsachen stellen wollte. Weil ich nicht wollte, dass es stimmt. Und das will ich eigentlich noch immer nicht. Aber es nutzt nichts… denn ich will ihn. Will ihn sehen, weil ich ihn so wahnsinnig vermisse. Und ich will, dass er mich jetzt, verdammt noch mal, anruft. Sofort! Immerhin hab ich das blöde Handy schon vor mindestens zehn Minuten angeschaltet.
Ich fummle in meiner Hosentasche nach meiner letzten Zigarette. Zünde sie an, öffne die Terrassentür und lehne mich mit dem Rücken gegen den harten Türrahmen. Spüre den Rauch rau in meinen Lungen und das beruhigende Gefühl, das sich in mir ausbreitet. Erst mal runterkommen. Und nach der Kippe werd ich versuchen, ihn zu erreichen.
Wieso kann er nicht einfach hier klingeln und da sein? Immerhin hab ich ihm doch gesagt, dass ich in ihn verliebt bin. Also nicht wirklich, aber für meine Verhältnisse irgendwie schon. Ich brauch Zeit für was Festes… und ich fürchte, ich bin immer noch nicht besonders gut darin.
Ich hatte nie so was, wie er es sich vorstellt. Eine monogame Sache, in der man sich treu ist, gemeinsam in Urlaub fährt und auf Familienfeste geht und solch abturnende Bezeichnungen wie Lebensgefährte in seinen Wortschatz aufnimmt. Der personifizierte Hetero-Albtraum sozusagen… Und gerade finde ich den Gedanken daran gar nicht mal so übel.
Ich sehe dem Rauch nach, den der Wind hinaus in den Garten trägt. Ich wünsche mir, dass er hier wäre. Mit jedem beschissenen Zug. Würde diese Ruhe, die ich eigentlich so liebe und die trotzdem grade eine Qual für mich ist, weil sie nicht durch einen Klingelton unterbrochen wird, eintauschen für ihn. Würd alles eintauschen für ihn, das Chaos, das er verbreitet, sein Lachen und sein Ich mag nicht, dass du so viel rauchst. Beinahe muss ich lachen, wenn ich an ihn denke. Über ihn. Und ein bisschen über mich. Darüber, dass ich echt in ihn verliebt bin. In einen Jungen. Dieser Bengel, er ist nicht mal wirklich erwachsen. Also in meinen Augen ist er's jedenfalls nicht. Wird er vermutlich nie sein. Aber vielleicht ist es ja grade das, was ich an ihm liebe. Zusammen mit all den anderen tausend kleinen Dingen, die ihn perfekt für mich machen. So perfekt, dass ich mich nicht mehr wehren konnte. Und jetzt will ich's nicht mehr. Weil er so besonders für mich ist. Natürlich, er ist wahnsinnig jung. Zwar ist er kein Kind mehr, aber es sind elf Jahre, die uns trennen. Elf schwule Jahre, die ich ihm voraus bin… und für ihn ist alles neu. Ich weiß nicht, ob das gut gehen kann, selbst wenn ich es wirklich will. Und eigentlich weiß ich, also jedenfalls mein Kopf, dass es nicht funktionieren wird… Aber ich bin mir sicher, wenn ich's nicht versuche, dann werd ich's mein Leben lang bereuen.
Eine Stunde später sitze ich immer noch da und warte auf seinen Anruf. Versuche mich abzulenken, so gut es geht, beantworte E-Mails, gehe meinen Schichtplan durch und lese meine Unterlagen für die Fortbildung am nächsten Wochenende, die gestern hier angekommen sind. Dieses Ding, das ich mit Alf getauscht hab. Ist natürlich ganz ungünstig jetzt. Wäre dann ja wohl immerhin unser erstes offizielles, gemeinsames Wochenende, das ich ohne schlechtes Gewissen mit ihm in meinem Bett verbringen würde. Nackt und mit Ficken. Und ich Vollidiot muss nach Berlin.
Die Zeit schleicht in Zigarettenlängen. Mittlerweile sind wir bei Schachteln… und er hat sich immer noch nicht bei mir gemeldet. Mittlerweile hab ich sogar die Kippen, die Mark mal hier vergessen hat, geraucht. Mit diesem Scheißzeug kann man sich das echt abgewöhnen, aber ich wollte nicht weg, um welche zu holen. Vor zehn Minuten hab ich Mark angerufen, nur um die Möglichkeit auszuschließen, dass mein Handy nicht geht. Er hat, mit viel Spott, zurückgerufen, seine Stimme verstellt und Leo von Rührmichnichtan, ich liebe dich, Camy geflötet. Fand er irre witzig… Ich nicht so. Er ist echt ein Arsch. Und ich hab keine einzige Zigarette mehr im Haus. Also beschließe ich, eine Runde zu laufen.
Zum Kippenautomaten und zurück. Diese Warterei macht mich sonst wirklich komplett irre. Wieso, verdammt noch mal, ruft er nicht an? Zweimal hab ich mittlerweile den Versuch unternommen, meine Mailbox abzuhören. Aber ich hab nach seinem Ich bin’s, Leo gekniffen, weil es irgendwie komisch klang und ganz und gar nicht so, als würde er gleich Ich liebe dich, Camy sagen… Und ich hatte keinen Bock, dass er einfach so am Telefon mit mir Schluss macht.
Ich gehe ins Schlafzimmer und ziehe meine Sportsachen und meine Laufschuhe an. Suche nach meinem MP3-Player, der, oh Wunder, ausnahmsweise sogar mal Batterien hat, ziehe mir eine Kapuzenjacke über und nehme die Schlüssel. Das Handy lasse ich auf dem Wohnzimmertisch liegen. Aber dann gehe ich noch mal zurück und stecke es doch ein.
Ich ziehe die Tür hinter mir zu und gehe über den Kies, der unter meinen Schritten knirscht, durch die kleine Tür neben der Einfahrt hinaus auf die Straße. Um diese Zeit ist hier kaum noch Verkehr. Also laufe ich einfach, ohne wirklich nachzudenken und, ganz entgegen meiner Erwartung, gelingt es mir sogar einigermaßen. Wieso, um alles in der Welt, meldet er sich denn nicht? Okay, es gelingt mir doch nicht… Fuck!
Ich begegne einer älteren Frau, die mich irritiert mustert und dann ihr Handy zückt. Schätze, in spätestens fünf Minuten werden die Bullen da sein, weil sie denkt, ich sei nicht aus der Gegend und wolle irgendwo einbrechen. Ist mir, ohne Scheiß, vor knapp eineinhalb Jahren schon mal passiert. Damals war es Winter und ich hatte eine Wollmütze auf. Zum Glück hatte ich meinen Ausweis dabei, auf dem meine Adresse steht.
Das erste Lied ist natürlich, wie kann es anders sein, Coldplay. Volltreffer, weil Lovers in Japan. Wieder sehe ich ihn vor mir, in meinen Armen, in diesem unglaublichen, bunten Konfetti-Regen, wie er mit großen Augen diese lächerlichen Schmetterlinge aus Papier ansieht, einen greift, fast liebevoll ansieht und sich dabei im Takt der Musik wiegt. Aber ich kann ihn grade nicht sehen, drücke das Lied weg, springe weiter zum nächsten. The hardest Part – welch eine Ironie…
Ich bin nicht sicher, ob ich das Licht angelassen habe. Aber ich kann von der Straße aus sehen, dass die Laternen, die den kurzen Weg zum Haus beleuchten, an sind und auch das Licht unter dem Vordach brennt. Vielleicht bin ich aus Versehen vorhin im Flur auf den Schalter gekommen oder es war mal wieder diese beschissene Katze von den Nachbarn, die heimlich eine sexuelle Beziehung mit meinem Bewegungsmelder führt. Hoffentlich war es wirklich nur das Vieh und sie haben mir in diesen zwanzig Minuten nicht die Hütte ausgeräumt, während ich mir den Kopf darüber zerbrochen hab, ob die Bullen mich für einen Einbrecher halten könnten. Jedenfalls auf dem Hinweg. Denn auf dem Rückweg, da hab ich die meiste Zeit wieder nur an ihn gedacht. An Leo.
Ich hirnverbrannter Vollidiot. Dabei hat er sich noch immer nicht gemeldet. So langsam bin ich echt angefressen. Ich weiß zwar nicht so genau, was ich erwarte, aber wenigstens will ich wissen, was Sache ist. Immerhin denke ich die ganze Zeit an einen Kerl, der vielleicht, ganz unbeeindruckt davon, dass ich in ihn verliebt bin, grade mit einer Tussi die große Reunion auf Sylt erlebt. Ich weiß nicht, ob es der Gedanke daran ist, der mir Übelkeit bereitet, oder eher die Tatsache, dass ich schlecht geatmet hab, könnte auch eine Mischung aus beidem sein. Jedenfalls könnte ich kotzen. Und mir dafür in meinen selbstgefälligen Arsch treten, dass da diese paranoiden Gedanken in meinem Kopf sind und diese Sache mich so runterzieht. Schließlich bin ich es ja gewesen, der es versaut hat.
Ich hab direkt zwei Schachteln Zigaretten gekauft und eigentlich hätte ich gute Lust auf ein Sixpack von der Tanke gehabt und vielleicht sogar darauf, Mark noch mal anzurufen. Ihm zu sagen, dass ich keinen Bock auf Leo von Rührmichnichtan habe und lieber gepflegt meinen Ex vögeln will, als ob's kein Morgen gäbe. Aber Sex und Alkohol sind keine Lösung. Ich klinge schon wie meine Mutter. Die es, wenn sie es wüsste, zu allem Überfluss auch noch ganz reizend fände, dass ich mich bis über beide Ohren verliebt hab. Immerhin hab ich's fast vierunddreißig Jahre geschafft, dem zu entgehen.
Als ich näherkomme, sehe ich, wieso das Licht brennt. Denn er sitzt da, auf meiner Treppe, halb im Dunkeln, aber trotzdem kann ich sofort erkennen, dass er es ist. Ich würd ihn überall erkennen. Ohne jedes Licht der Welt. Was ja für solche Situationen wie neulich im Toms überaus hilfreich ist.
Er sieht zerknirscht und ein bisschen erschöpft aus. Er muss wohl direkt nach unserem Telefonat losgefahren sein. Ein warmes, ruhiges Gefühl steigt in mir hoch, obwohl mein Atem vom Laufen noch immer ein bisschen schneller geht. Aber er ist hier und mein Zeitgefühl sagt mir, er hat es verdammt eilig gehabt, mich zu sehen. Okay, er hätte anrufen können, aber mit einem Mal bin ich einfach wahnsinnig glücklich, ihn zu sehen. Obwohl ich ja gar nicht weiß, was er hier eigentlich will. Ich hoffe nur, er hat sich nicht die Mühe gemacht herzukommen, nur um mir zu sagen, dass er sich's anders überlegt hat.
Sylt ist weit, nicht grade ein Katzensprung von Hamburg, kein Weg, den man mal eben auf sich nimmt, um jemanden abzuservieren. Vor allem hat er das mit dem Abservieren bei seiner Freundin nach drei Jahren Beziehung eher uncharmant am Telefon gemacht. Ich bin bisher nur eine Affäre und ich hab ihm, so sehr ich mich dafür schäme, wohl wahnsinnig wehgetan. Wäre ich er und wollte mir mitteilen, dass meine Einsicht und die Liebe ein bisschen spät kommen, ich würde mir eine SMS schreiben. Und vermutlich würde Fuck you drinstehen. Und selbst das müsste er nicht mal. Es wäre schon mehr als anständig von ihm, wenn er es täte.
Neben ihm steht eine Flasche Sekt und irgendwas, das er in Zeitungspapier gewickelt hat. Als ich näher komme, sehe ich, dass seine Jeans am Knie gerissen und seine Hand aufgeschürft ist. Aber dann sehe ich sein Lächeln… sehe nur noch ihn und sein Gesicht. Ich gehe ein wenig langsamer, kann nicht ganz einordnen, ob mein Herz plötzlich einfach nur so hart in meiner Brust schlägt, weil ich gelaufen bin oder weil er es ist. Weil er, nachdem ich die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, von ihm zu hören, einfach da vor meiner Tür sitzt und auf mich wartet.
»Hey!«, sagt er, als er sicher ist, dass ich ihn hören kann.
»Hey!«, entgegne ich, weil ich nicht weiß, was ich sonst zu ihm sagen soll.
»Warst du aus?« Fragend mustert er mich.
»So?« Demonstrativ lasse ich meine Augen nach unten zu meinen Schuhen wandern.
»Hätte ja sein können…« Es klingt ein kleines bisschen unsicher.
»Quatsch.« Ich muss lachen. Hallo!? Ich trage eine schwarze Jogginghose, Laufschuhe und eine alte Kapuzenjacke. Bin nicht rasiert, hab mir die Haare nicht gemacht, schwitze und sehe vermutlich echt scheiße aus. Ich hoffe, mein Aufzug schreckt ihn nicht ab und er verschwindet wieder, jetzt, wo er endlich hier ist.
»Stör ich?«, will er wissen.
»Nein.« Ich schüttle den Kopf.
»Ich wusste nicht, ob ich warten soll…«
»War nur Zigaretten holen«, sage ich.
»Mag nicht, wenn du so viel rauchst.«
»Was hast du denn mit deinem Knie gemacht?«, ignoriere ich seinen Tadel, aber ganz tief drinnen finde ich es sogar schön, dass er's sagt.
»Bin hingefallen«, gibt er zu. »Beim Klettern über deinen Zaun. Aber der Sekt hat's überlebt und das Eis auch. Ist vermutlich nicht grade der beste, ist von der Tanke, aber dafür ist das Eis von Häagen-Dazs, ich hoffe, du magst es und…«
»Eis?«, frage ich und setze mich, als er nicht antwortet, einfach neben ihn auf die Stufen. Lasse ein bisschen Abstand zwischen uns, weil ich bestimmt nicht nur nicht besonders sexy aussehe, sondern vermutlich auch nicht besonders gut rieche. Denn ich schwitze immer noch. Mir ist warm und mein Herz schlägt wie verrückt in meiner Brust. Nur an meinem Hintern, da ist es grade ziemlich kalt, wegen der Steinstufen. Aber für einen Moment geht's schon. Ich hoffe, er wartet noch nicht so lange auf mich. Aber ich wüsste da ein paar Dinge, um ihn wieder aufzuwärmen.
»Bist du… allein?«
»Ja, ich hatte keine Ahnung, dass noch jemand… also, dass du kommst. Ich trag nicht grade meinen Sonntagsanzug«, sage ich.
»Egal… ich musste dich sehen. Ich… hab wohl ziemlichen Mist gebaut.« Es ist nur ein Flüstern.
»Mist?« Ich sehe ihn von der Seite an. Er spürt es, weicht meinem Blick aus, presst seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und wiegt, beinahe unmerklich, seinen Oberkörper hin und her.
»Leo?« Gott, hat er auf dem Rückweg hierher jemanden überfahren?
»Ich… Es tut mir so leid, Cam, aber es ist einfach passiert, ich…« Es klingt verzweifelt. Wirklich verzweifelt. Mein Hals schnürt sich zu, da ist ein riesiger Kloß, denn ich fürchte, ich weiß, was er mir sagen will. Nur eigentlich will ich's nicht noch mal hören und es ist mir auch egal in diesem Moment. Denn er ist hier. Neben mir, vor meiner Tür… und nur das ist wichtig für mich.
»Ich bin ein großer Junge, Leo, das ist schon in Ordnung.«
»Nein, ist es nicht… war es nicht. Es war 'ne echt bescheuerte Idee und…«
»Ich hab mich auch nicht grade ruhmreich verhalten. Was ich dir da gesagt hab am Telefon…«
»Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass du mir am Ende gesagt hast, was ich hören wollte… Ich hab so gehofft, dass du es sagst…« Er lächelt ein bisschen unsicher.
»Und ich hab so gehofft, dass es nicht zu spät ist…«
»Wirklich?«
»Natürlich wirklich…«
»Es ist spät, aber nicht zu spät…«
»Das ist gut«, sage ich leise.
»Ja, das ist gut.« Ganz vorsichtig schiebt er seine Hand in meine und ich nehme sie einfach. Halte sie fest für diesen Moment, sitze da, spüre mein Herz und sage einfach nichts.
»Ich… Gott… Cam… Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte und…«, versucht er nach ein paar Sekunden wieder, sich zu erklären. Aber das muss er nicht. Es ist schon okay. Ich werd ihm den Fick mit der Tussi verzeihen. Ich würde ihm alles verzeihen. Und ich hoffe, dass er mir meinen Anteil an dieser ganzen Misere auch verzeihen kann. Irgendwann. Und ich hoffe, dass er bleibt. Denn ich weiß, dass er nicht nur das gehört hat, was er hören wollte, da am Telefon. Ich hab ihn verletzt. Hab ihm wehgetan, weil ich einfach wollte, dass es sich für ihn so ähnlich anfühlt wie für mich. Dabei hat es sich für ihn vermutlich schon die ganze Zeit so angefühlt… schon seit diesem Morgen, an dem ich ihn weggeschickt habe. Aber ich werd's nie wieder tun. Ich werd ihn nie wieder wegschicken.
»Ist schon okay, Leo. Wirklich… Ist eben passiert.« Ohne ihn loszulassen, fahre ich ihm mit der anderen Hand durchs Haar und dann über seine Wange. »Lass uns nicht drüber reden, jetzt bist du ja wieder hier.«
Er nickt und sieht mich an.
»Es tut mir leid«, sagt er dann leise und in seinen wunderschönen Augen glitzert es verdächtig.
»Mir doch auch, Leo. Lass uns später reden…« Und ohne selbst noch etwas zu sagen, schlinge ich einfach meine Arme um ihn. Ziehe ihn fest an mich, wiege ihn ein bisschen hin und her, halte ihn fest, vergrabe meine Nase in seinem Haar, atme seinen Geruch tief ein und merke, wie die Anspannung aus seinem Körper weicht. Er seufzt erleichtert und ich spüre, wie er sich fest an mich schmiegt und seinen Kopf irgendwo in meiner Jacke vergräbt, die vermutlich nicht mal halb so gut riecht wie er. Denn er riecht nur nach sich… und so unglaublich gut. Ich hatte es beinahe vergessen, nein, verdrängt trifft es wohl eher, aber kaum dass er in meinen Armen ist, bin ich sofort wieder süchtig danach. Nach ihm… Seinen Augen, seinem Mund, seinem Haar, seinem Lächeln. Diesen schmalen Schultern, diesem hübschen, kleinen, sommersprossigen Gesicht. Seinem Bauch, seinem Arsch, seinen Ohren, einfach allem… Und jetzt, wo er wieder hier ist, kann ich ganz deutlich spüren, dass ich ihn so schnell nicht mehr gehen lassen werde. Und alles dafür tun, ihn glücklich zu sehen… wirklich… so was sag ich nicht nur so.
»Ich… ich war so enttäuscht und wütend und…« Immer noch versucht er, sich zu erklären. Ich löse mich ein bisschen von ihm, damit ich sein Gesicht sehen kann, küsse ihm die Tränen, die ihm über die Wangen kullern, weg und sehe ihn an.
»Ich weiß, wir beide waren das. Es tut mir auch leid, Leo.«
»Hältst du mich fest?«, bittet er kleinlaut und es gibt nichts, was ich grade lieber täte.
»Natürlich«, sage ich zärtlich und küsse sein Haar. »Komm her zu mir.«
Eine ganze Weile sitzen wir da und ich halte ihn in meinen Armen. Genieße es, ihn ein bisschen zu beschützen und alles wiedergutzumachen. Oder es zumindest zu versuchen. Ist ein wunderschönes Gefühl in meiner Brust, ihn wieder bei mir zu haben. Ganz warm und ruhig… Nur mein Arsch, der ist immer noch ein bisschen kalt. Genauer gesagt, friert er wohl grade fest. Aber das macht nichts. Denn selbst das fühlt sich in seiner Nähe einfach perfekt an.
»Hast du… also ist es aus… mit ihr?« Ich will die Stimmung nicht kaputtmachen, aber ich muss das wissen.
Er nickt.
»Gut«, sage ich erleichtert.
»Ich hab keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht hab. Vielleicht, dass es das Beste wäre, so weiterzumachen wie bisher… ohne dich… mit Manja… Leben allein, weißt du…? Kannst du das ein bisschen verstehen?«
Ich nicke stumm.
»Aber dann… dann hab ich gemerkt, dass das nicht reicht… Ich meine, ich wusste es, aber ich wollte es nicht wahrhaben…« Tapfer versucht er ein Lächeln. »Aber ich will einen Schmetterling! Oder jemanden, der mir einen aus Papier schenkt…«
»Ich doch auch.«
»Aber ich will ihn lieber ohne kleine Blumen.« Er zieht die Nase ein bisschen misstrauisch kraus und mustert mich dabei.
»Okay, ohne kleine Blumen«, sage ich und er lächelt. Ich küsse ihn auf die Nasenspitze und für eine Sekunde ganz keusch auf den Mund. Ohne Zunge. Ich hab geraucht… und ich muss wirklich duschen, dringend. Er hat schon meinen Respekt, dass er sich in meinem nassgeschwitzten Zustand so lang von mir hat umarmen lassen.
»Lass uns reingehen, Leo«, schlage ich deswegen vor. »Langsam wird's kalt…« Ohne ihn loszulassen, ziehe ich ihn mit mir nach oben. Sehe ihn an und überlege, ob ich ihm was sagen soll… Aber ich entscheide mich dagegen… Ich liebe ihn. Aber um es ihm zu sagen, ist es einfach zu früh. Ich werd's ihm sagen, aber es ist zu wichtig, um es hier draußen auf der Treppe zu machen. Irgendwie will ich dafür einen besonderen Moment. Und es ist allerhöchstens besonders bescheuert, wenn ich dabei anfange, mit den Zähnen zu klappern. Ich muss echt ins Haus. Ich friere.
»Okay, ich glaube, ich brauch jetzt sowieso erst mal dringend einen Arzt… ein Chirurg wär wohl gut«, sagt er. Ich grinse.
»Lach nicht, das tut doll weh…« Ein bisschen weinerlich verzieht er sein hübsches Gesicht.
»Lass mich mal sehen.« Liebevoll nehme ich seine Hand und betrachte sie. Es sind nur ein paar Kratzer, nichts Weltbewegendes.
»Nur ein paar Kratzer.« Es ist beinahe ein Reflex, dass ich ihn küsse, um ihn zu trösten. Ihn noch ein kleines bisschen fester an mich ziehe, ihn in meinen Armen halte. Er schmiegt sich an mich. Ganz fest. Aber ich schwitze. Ich muss duschen.
»Na komm schon mit rein, dann seh ich mir auch das Knie an«, sage ich und muss wieder ein bisschen grinsen. Dieser Chaot. Klettert einfach über meinen Zaun. Der ist schmiedeeisern und fast zwei Meter hoch. Ganz offensichtlich wollte da am Ende dann doch jemand ziemlich dringend zu mir. Und ich bin froh, dass er da ist. Und mit einem Mal spielt sie und alles, was er mit ihr getan hat, überhaupt keine Rolle mehr… Denn jetzt ist er hier. Und ich will, verdammt noch mal, dass er bleibt, also ziehe ich ihn einfach an mich und küsse ihn.
Er erwidert es, unsere Zungen treffen sich. Ein bisschen komme ich mir vor, als wären wir zwei Schiffbrüchige, die sich auf einem winzigen Floß aneinanderklammern. Ich hab ihn so sehr vermisst… Ich muss mich beherrschen, dass er nicht sofort spüren kann, dass ich eigentlich mehr will als diesen Kuss.
Ich ziehe ihn noch ein bisschen enger an mich, vergesse, dass ich die Tür aufschließen wollte, vergesse alles um uns herum, küsse ihn und kann gar nicht mehr aufhören damit. Er wohl auch nicht. Gott… ich bin so verrückt nach ihm.
Und er ist es nach mir und alles, was jetzt kommen wird, sollten wir wohl besser drinnen tun. Sonst ruft hier nämlich irgendwer am Ende tatsächlich noch die Bullen. Und dieses Mal nicht, weil sie uns für Einbrecher halten, sondern wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses und so… Eine Nummer im Freien kann man vielleicht irgendwo auf der Reeperbahn schieben, aber ganz sicher nicht hier vor meiner Haustür in Blankenese. Nicht mal als Hetero.
»Lass uns reingehen«, sage ich noch mal, drehe endlich den Schlüssel im Schloss und ziehe ihn in meinen Armen mit mir durch die große Eingangstür. Nickend folgt er mir und noch bevor ich die Tür mit einem sanften Tritt hinter uns schließe, spüre ich seine Lippen wieder auf meinen. Oh mein Gott, ich hab ihn so sehr vermisst…
Irgendwie haben wir es ins Schlafzimmer geschafft. Ich ohne Kapuzenpullover, der liegt im Flur, denn Leo hat mit einem heiseren Zieh das aus daran herumgezerrt.
Hat meinen Hinweis, dass ich auch nicht grade meine Sonntagswäsche trage, mit einem Dann zieh sie eben auch aus kommentiert und mich einfach zu meinem Bett dirigiert. Wir sind knutschend drauf gelandet und jetzt liege ich hier, halb über ihm und kann nicht mehr denken. Bin nur noch verrückt nach ihm, hab Herzklopfen wie ein Teenager und will ihn so sehr, dass der Gedanke daran, dass ich vorher unbedingt unter die Dusche muss, beinahe körperlich wehtut.
Wenn ich mich nicht zusammenreiße, komme ich noch, bevor überhaupt wirklich was passiert ist. War vielleicht sogar Glück, das mit der Nicht-Sonntags-Unterwäsche.
»Cam… ich…« Plötzlich löst er sich von mir und setzt sich auf. Er schiebt die Hände unter seinen Po und sitzt irgendwie verloren da auf der Bettkante.
»Sorry, ich geh ja schon duschen«, sage ich. Denn bestimmt rieche ich fürchterlich. Aber ich musste ihn jetzt erst mal ein bisschen küssen. Um glauben zu können, dass er tatsächlich bei mir ist. Es war ein Reflex, ich will ihn so sehr, ich konnte nicht anders. Ist mir allerdings fast ein bisschen peinlich jetzt, dass ich mich so durchgeschwitzt an seinen Hals geworfen hab. Ich hoffe, er fand es nicht allzu eklig.
»Nein, das ist okay, es ist nur…« Er schlägt die Augen nieder und kaut auf seiner Unterlippe. Ich rapple mich auf und setze mich neben ihn. Mit ein bisschen Abstand. Aber er rückt näher.
»Was ist los, Leo?«, will ich wissen, als er nach einem Moment noch immer nichts sagt. Er antwortet nicht. Stattdessen küsst er mich, viel schüchterner als gerade eben, noch einmal auf den Mund. Sucht mit seiner Zunge nach meiner und löst sich dann nach ein paar Sekunden wieder.
»Was hast du, Leo?« Keine Ahnung, was das jetzt werden soll, vielleicht geht es ihm ja jetzt doch zu schnell. Obwohl er es ja war, der mir vorhin im Flur den Pullover beinahe vom Leib gerissen hat. Ich streichle ihm mit den Fingern ganz sanft an seinem Rückgrat entlang, lege meine Hand dann in seinen Nacken und ziehe ihn wieder an mich. Ganz nah vor mein Gesicht, sehe ihn einen Augenblick lang an und küsse ihn dann. Liebevoll und so zärtlich, wie ich kann, weil ich will, dass er spürt, wie sehr ich ihn vermisst hab.
»Ich…« Er entzieht sich, kaut wieder auf seiner Unterlippe und zögert.
»Was ist denn los?« Ich muss ein bisschen lachen, weil er so süß und schüchtern aussieht dabei.
»Können wir's langsam angehen lassen?«, fragt er so leise, dass ich es kaum hören kann. Ganz toll. Ich will jetzt so gerne mit ihm schlafen. Also erst muss ich duschen und dann will ich mit ihm schlafen. Na gut, eigentlich wäre es auch okay für mich, wenn ich nicht duschen müsste oder wir es gleich unter der Dusche treiben, denn ich halt's kaum noch aus, so scharf bin ich auf ihn. Und ausgerechnet jetzt kommt er mit so was… Oh no! Ich bin nicht gut darin, es langsam angehen zu lassen. Nicht mit ihm und schon gar nicht jetzt… Aber wenn er das wirklich will, dann werd ich da wohl durchmüssen. Er bedeutet mir zu viel und ich werd diese Sache mit uns ganz sicher kein zweites Mal versauen. Allerdings hab ich keinen Schimmer, wie ich eine ganze Nacht lang mit ihm in der Löffelchenstellung aushalten soll.
»Klar…«, sage ich und lasse meine Finger dabei in kleinen Kreisen über seinen Oberarm wandern. »Wenn du keine Lust hast und ein bisschen Zeit brauchst, dann ist das okay.«
Es fällt mir schwer, das zu sagen, denn ich will eigentlich grade nichts mehr als ihn. Aber ich werde mich zusammenreißen. Und wenn er, weil das jetzt eben 'ne Beziehung ist, erst mal nur kuscheln will, dann werd ich mich wohl damit beschäftigen müssen, wie das praktisch so geht. Mehr als diese Löffelchengeschichte hab ich da nämlich nicht drauf. Und die kenn ich eigentlich nur von Nele und da muss definitiv keiner Angst um seinen Hintern haben.
»Ich hab schon Lust, wenn du duschst«, murmelt er leise und sieht kurz auf seine sich durch seine Jeans abzeichnende Erektion.
»Wo ist dann dein Problem? Es ist alles da. Gummis, Gel…« Ich lasse meine Finger ein wenig tiefer wandern und stelle mir dabei seinen süßen Hintern vor. Schon allein der Gedanke daran macht mich verrückt. Wie gern würde ich ihm jetzt einfach sein Shirt ausziehen und mit meiner Zunge seinen Oberkörper erkunden. Seine Nippel, seine Brust, seinen Nabel, seinen Schwanz. Würd ihm einen kleinen, feinen Blowjob verpassen und ihn dann auf den Bauch drehen. Würde mich ganz langsam an seinem Rückgrat entlangküssen, bis ganz nach unten und…
Aber ich schätze, unter es langsam angehen lassen versteht er irgendwie was anderes. Und ich sollte nicht so was denken, sonst geht das hier zumindest bei mir ziemlich, ziemlich schnell.
»Ich… es ist nur… was du da gesagt hast, heute am Telefon… also, dass du es nicht schön findest mit mir und dabei nicht auf deine Kosten kommst…« Er hebt den Kopf und sieht mich mit diesen großen Augen an. Unsicher und irgendwie nervös. Ich bin echt ein Arschloch.
Ich schließe meine Arme um ihn und ziehe ihn an mich. Ganz fest. Genieße es, wie er sich an mich schmiegt, und küsse ihn auf die Nasenspitze.
»Ich muss da wohl mal was klarstellen, Leo…«, sage ich ernst.
»Ja?«
»Ja«, sage ich ruhig.
»Ich… ich will doch, dass es schön ist für dich und… na ja… ich weiß, dass ich nicht besonders gut bin… Ich hab nicht viel Erfahrung… und ich hab Angst, dass es dir nicht…«
»Gott, Leo!« Ich ziehe ihn noch ein bisschen fester an mich und küsse ihn einfach. Weil ich nicht wirklich weiß, was ich sagen soll. Weil es mir leidtut, was ich ihm da an den Kopf geworfen hab in meiner beschissenen, lächerlichen Eifersucht. Dabei ist es mir doch scheißegal, ob er Erfahrung hat. Wir haben Zeit. Und wenn er will, dann helf ich ihm jede Nacht dabei, welche zu sammeln. Und auch wenn's nicht wirklich typisch für mich ist, dann hätt ich gerne, dass er seine sexuellen Erfahrungen exklusiv mit mir sammelt. Bis auf Fetisch-Sachen, die muss er sich, wenn er drauf steht, woanders holen. Aber ansonsten bin ich offen für alles.
Ich streichle seinen Rücken und lasse meine Hand unter sein Shirt wandern, an seinen Wirbeln entlang nach oben und dann, ganz langsam, wieder nach unten. Ich fasse es am Saum und ziehe es über seinen Kopf. Er zögert kurz, aber dann hebt er seine Arme und lässt es geschehen. Ohne mich dabei anzusehen. Aber ich sehe ihn an. Und kann mich an seinem Anblick nicht sattsehen. Er hat keine Ahnung, wie schön er für mich ist.
Ich ziehe ihn an mich, nehme ihn in meine Arme und dirigiere ihn dann vorsichtig rückwärts aufs Bett. Lasse mich neben ihm darauf fallen, küsse ihn und dränge mich gegen ihn.
»Ich… ich bin in dich verliebt, Leo«, sage ich leise. »Und was ich da gesagt hab, also dass es nicht gut mit dir war, das war gelogen. Weil ich fast umgekommen bin vor Eifersucht. Weil du mir gefehlt hast und ich… Scheiße, ich will einfach, dass du das weißt. Dass du vergisst, was ich da gesagt hab, und dass du's mir verzeihst. Es war jedes Mal verdammt schön mit dir, Leo. Weil ich verrückt nach dir bin… viel mehr, als ich's jemals nach irgendjemandem war…«
»Wirklich?« Ein bisschen ungläubig taxiert er mich. Unsicher und fragend. Dieser Idiot.
»Ja, wirklich. Weil ich wirklich in dich verliebt bin.«
»Ich bin auch in dich verliebt, Cameron.« Seine Arme schließen sich um mich und ich liege da, ziehe ihn an mich und halte ihn. Will ihn nie mehr wieder loslassen und schwöre mir, dass ich ihm nie mehr wieder so wehtun werde.
Sein Körper bebt, ich kann es an meiner Brust fühlen, und ich glaube, ihn schluchzen zu hören. Er ist völlig fertig, muss wie ein Irrer gefahren sein und ich, ich bin's irgendwie auch. Aber trotzdem bin ich einfach nur glücklich. Glücklich, ihn wiederzuhaben. Wir sind schon zwei echt bescheuerte Vollidioten.
»Cam«, haucht er einen Moment später atemlos vom Küssen und ich liebe es, wenn er das tut. Wenn er mich so ansieht dabei. Ich lächle. Will ihn ein bisschen aufmuntern. Und gleichzeitig spüre ich, dass sein es langsam angehen lassen mir unendlich schwerfallen wird. Aber wenn er will, warten wir eben. Bis er wieder so weit ist…
»Leo…«
»Was denn?«
»Ich muss echt duschen. Ist auch besser, wenn du es langsam angehen lassen willst…«
Ich hab eine ziemlich ordentliche Erektion und ich muss jetzt entweder sehr kalt duschen oder ich falle über ihn her. Und ich schätze, das ist grade eher kontraproduktiv. Also löse ich mich von ihm und stehe auf.
Er richtet sich auf, sitzt wieder auf der Bettkante. Auch seine Jeans spannt verdächtig im Schritt.
»Ich bin verdammt froh, dass du hier bist«, flüstere ich noch mal, bevor ich mich auf den Weg in Richtung Badezimmer mache. Es ist nur ganz leise. Aber ich sag's ihm.
»Cam?«
»Was denn?«
»Ich liebe dich.«
Ich forme einen kleinen Kuss mit meinen Lippen, bevor ich endgültig im Bad verschwinde. Mit einem erleichterten Seufzen lasse ich den Rest meiner Klamotten fallen. Endlich. Der Schweißfilm auf meinem Körper ist beinahe wieder trocken und klebt. Ich sehe fertig aus. Aber irgendwie ist da dieses Grinsen in meinem Gesicht. Erinnert mich an Matthias und seine Tumor-Patienten. Aber ich kann's nicht abstellen. Will ich auch nicht.
Ich lasse das Wasser laufen, aber als ich schon beinahe unter der Dusche stehe, überlege ich es mir anders. Ich könnte uns ein Bad einlassen. Schätze, das fände er romantisch. Und bestimmt friert er, schließlich war es ja nicht gerade warm da draußen auf der Treppe.
Romantisch… Oh mein Gott, was war das gleich noch mal? Nele anzurufen und nachzufragen, ist vielleicht grade ein bisschen unpassend. Also muss ich mir wohl selbst was ausdenken. Kerzen wären cool. Ich glaube, ich habe sogar welche, sie müssten im Nachttisch sein.
Ich hatte mal einen Typen, der stand auf Kerzenwachs. Ich nicht, deswegen sind sie nicht wirklich runtergebrannt. Und kann man mit Duschgel ein Schaumbad machen? Theoretisch wohl schon, Tenside sind Tenside. Aber ich müsste sogar noch Babybad dahaben. Von den Jungs, als sie noch kleiner waren, die lieben meine Wanne. Und das wird vermutlich nicht so schnell schlecht. Ich finde es sogar, gebe etwas davon in die Wanne und drehe den Hahn auf. Es riecht angenehm und es schäumt. Perfekt.
Leo sitzt immer noch auf meinem Bett und wirkt ein bisschen verloren.
»Zu Ende geduscht?«, fragt er, als wäre er froh darüber, dass ich zurück ins Schlafzimmer komme und er nicht mehr alleine ist.
»Nicht mal angefangen. Ich dachte, du könntest mit in die Wanne kommen. Schaumbad, Kerzen, du, ich, dein Eis…«
Offenbar gefällt ihm der Gedanke, denn seine Miene hellt sich auf.
»Okay«, sagt er und grinst dann ein bisschen versaut. »Du riechst nämlich immer noch komisch. So kuschle ich ganz bestimmt nicht mit dir. Aber nach einem gemeinsamen Bad könnte ich drüber nachdenken.«
Über Kuscheln… na toll… Ich schnappe nach Luft, aber dann muss ich lachen. Schnell packe ich ihn, drücke ihn nach hinten aufs Bett und küsse ihn.
»So, ich rieche also komisch, ja?«, will ich nach ein paar leidenschaftlichen Küssen wissen.
»Ein bisschen.« Er lacht ebenfalls und als ich anfange, ihn an der Hüfte zu kitzeln, quietscht er und windet sich unter mir. Aber ich lasse ihn nicht entkommen, küsse seinen Hals und halte ihn fest, bis er sagt, dass er sich ergibt. Dann ziehe ich ihn einfach an mich und wir liegen da. Eine ganze Weile sehen wir uns an und sagen einfach nichts. Ich bin einfach nur glücklich, dass er hier in meinen Armen liegt.
»Du bist so hübsch!«, unterbreche ich die Stille und spreche aus, was ich denke, wenn ich ihn ansehe.
»Sagst du das, weil du mich ins Bett kriegen willst?« Er grinst.
»Du bist schon in meinem Bett, Dummkopf.«
»Du weißt, was ich meine…«
»Wir müssen nicht miteinander schlafen«, sage ich leise. »Kuscheln ist okay.« Oh mein Gott! Das hab ich doch jetzt nicht wirklich gesagt.
»Solltest du ihm vielleicht mal mitteilen.« Immer noch grinsend lässt er seinen Blick zu meiner Körpermitte wandern.
»Ignorier's, ich mein's ernst.«
»Was?«
»Dass es nicht Sex ist, weswegen ich wollte, dass du wieder hier bist.«
»Ist das jetzt wieder eine deiner Andeutungen, dass ich darin nicht gut bin?«
»Gott… nein… ich… Das hab ich überhaupt nicht so gemeint, Leo.«
»Gut«, sagt er. »Vielleicht kannst du mir trotzdem ein paar Sachen beibringen? Ich meine, man wird nicht auf Platz eins deiner bescheuerten Liste geboren, oder?«
»Nein, wird man nicht.« Erleichtert schüttle ich den Kopf.
»Vielleicht hab ich ja Potenzial…« Er grinst.
»Hast du.« Wieder muss ich lachen. Und dann küsse ich ihn noch einmal. Gott, er riecht so gut und ist so schön und vor allem: Er macht mich einfach wahnsinnig glücklich.
»Übrigens gebe ich dir recht, Küsschen verteilen ist ziemlich fade…«, sagt er plötzlich.
»So?« Ich ziehe die Augenbrauen hoch.
»Ja.« Er nickt.
»Ich schätze, wenn wir noch eine Weile hier liegen bleiben, dann fluten wir mein Badezimmer«, sage ich leise und als er nickt, stehe ich auf.
»Geh schon mal vor!«, fordere ich ihn auf.
»Was ist?«, fragt er.
»Ich brauch noch was aus der Schublade, ich komm nach.«
»Ich hab welche.« Er grinst, greift in seine Hosentasche und holt ein kleines Päckchen Kondome heraus. »Drei Stück reichen dir doch fürs Bad, oder?«
»Ich meinte was anderes…«
»Du meinst irgendwas von den interessanten Dingen, die du unter den Handtüchern versteckst, nehme ich an?« Er grinst immer noch. Ziemlich vergnügt, aber nicht wirklich geschockt.
»Ich… du…« Gott, werde ich grade mit beinahe vierunddreißig Jahren das erste Mal rot?
»Als ich nach dem Rudern das Blut wegwischen wollte, hab ich nachgesehen, ob du vielleicht ein Taschentuch hast und ein bisschen gewühlt«, gesteht er freimütig und lacht. Und ich kann nicht anders, ich muss einfach mitlachen. Und in diesem Moment fühlt sich alles, wirklich alles, einfach nur richtig an.
»Sind ein paar interessante Sachen dabei. Stehst du auf Handschellen und so einen Kram?«, will er wissen.
»Geht so, du?«, murmle ich verlegen.
»Keine Ahnung, aber wir können es ja irgendwann mal ausprobieren.«
»Ich glaube, fürs Erste reichen uns die Kondome.«
»Ja«, sagt er. »Tun sie wohl. Ich wollte nur sagen, ich bin da durchaus offen…«
»Okay«, sage ich lang gezogen. Was soll ich dazu auch anderes sagen? Dass eine Menge von diesem Kram Mark gehört und ich eigentlich nicht so drauf bin? Eher nicht.
Etwas schwerfällig setze ich mich wieder auf und gehe dann rüber ins Bad, um endlich das Wasser abzudrehen.
»Ich hol schnell Löffel fürs Eis.«
»Links, in der Schublade neben dem Herd.«
»Ich weiß.«
»Natürlich…«, sage ich und schüttle ein bisschen fassungslos den Kopf. War ja klar… Ich schätze, er kennt die Schubladen in diesem Haus wohl besser als ich. Er ist so… ja, er ist einfach so, dass ich mich in ihn verlieben musste. Ich konnte überhaupt nichts dagegen tun…
»Bis gleich im Bad, Babe«, sagt er.
»Ein Löffel reicht«, rufe ich ihm nach. Und einen Moment lang versuch ich mir zu verbieten, es ein kleines bisschen schön zu finden, dass er mich grade Babe genannt hat…
»Wow!«, ist alles, was mir einfällt, als ich mit einem Löffel wieder zurück aus der Küche komme. Und damit meine ich nicht nur Cameron selbst. Er trägt mittlerweile nur noch ein weißes Handtuch um die Hüfte und mein Blick gleitet sehnsüchtig über seinen nackten Oberkörper. Das Licht in seinem Bad ist gedämpft und ich brauche eine Sekunde, um zu realisieren, dass es von den Kerzen kommt, die er am Wannenrand verteilt hat. Dabei hab ich ihm nie erzählt, dass ich das romantisch finde, weil ich immer dachte, er fände es lächerlich. Vermutlich tut er das auch. Aber er hat es trotzdem getan… für mich.
Ich lege den Löffel ab, während er auf mich zukommt und meine Hand nimmt. Er betrachtet sie einen Moment, hebt sie an sein Gesicht und küsst dann jede meiner Fingerkuppen.
»Ist dein Tetanusschutz okay?«
»Hä?«
»Sorry, ich sollte den Arzt wohl im Feierabend lassen. Du wirst es vermutlich überleben.« Er grinst.