Aus Liebe zu den Pferden - Mark Rashid - E-Book

Aus Liebe zu den Pferden E-Book

Mark Rashid

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Beschreibung

Emotional und unterhaltsam erzählt Mark Rashid, der Horseman aus Colorado, von unvergesslichen, beeindruckenden und ganz persönlichen Begegnungen mit Pferden, die sein Leben nachhaltig geprägt haben. Ein Buch, das man zurecht als eine Zusammenfassung seines Lebenswerks bezeichnen kann.

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Seitenzahl: 358

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Titel

Aus Liebe zu den Pferden

Lehren aus den Begegnungen mit Charakter-Pferden

Mark Rashid

KOSMOS

Impressum

Alle Angaben in diesem Buch erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen. Sorgfalt bei der Umsetzung ist indes dennoch geboten. Verlag und Autoren übernehmen keinerlei Haftung für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden, die aus der Anwendung der vorgestellten Materialien und Methoden entstehen könnten. Dabei müssen geltende rechtliche Bestimmungen und Vorschriften berücksichtigt und eingehalten werden.

Distanzierungserklärung

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Umschlagsabbildung: © Gramisci Editorialdesign, Isabelle Fischer, unter Verwendung zweier Farbfotos von Crissi McDonald.

© 2024, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG

Pfizerstraße 5–7, 70184 Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Wir behalten uns auch die Nutzung von uns veröffentlichter Werke für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

ISBN 978-3-440-50969-2

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

VorwortDas Buch, das beinahe nicht erschienen wäreEin Blick zurückGepflanzte SamenEin verschwommener WegDie Wolken verschwindenDie Kunst in der KunstWahrhaftig bleibenWarum tun Pferde, was sie tun?Die Perspektive des PferdesDas Pferde-GehirnNeue OffenbarungenInnere Elemente des HorsemanshipBeobachten und LernenVerbindungPerspektivwechselConsidering the Horse – 30 Jahre späterRückblick und AusblickNachwort Ein Besuch von Walter

VORWORT

Mark Rashid beginnt das vorliegende Buch damit, dass er auf sein erstes Buch »Considering the horse...« (dt. Titel: »Der auf die Pferde hört...«) zurückschaut. Er berichtet, dass sein erstes Werk Gefahr lief, nicht veröffentlicht zu werden und wie er sich behaupten musste, um den Titel beibehalten zu können.

»Considering the horse ...« hätte ebenso gut ein passender Titel auch für dieses Buch sein können. Darin teilt er mit uns die gesammelten Erfahrungen eines nahezu halben Jahrhunderts mit zahlreichen Problemlösungen und Lernprozessen.

Er erklärt zudem, dass er beim Schreiben seines ersten Buches keine Schritt-für-Schritt-»Bedienungsanleitung« verfassen wollte. Dem aufmerksamen Leser wird nun nicht entgehen, dass dies exakt für das vorliegende Buch gilt. Es ist kein Buch mit einer schrittweisen Anleitung, sondern es enthält Lehrstunden, die Sie führen und zum Nachdenken in Bezug auf Ihren eigenen Weg mit Pferden anregen.

Es zeigt, wer Mark ist und wie er sein Leben führt. Wenn Sie ihn auf dieser Reise durch mehrere Jahrzehnte mit Pferden begleiten, werden Sie sehen, wie die Prinzipien der Kampfkunst Aikido und ihre Adaption für Pferdemenschen, Aibado, eine innere Stille und Sanftheit fördern, die seine Arbeit mit Pferden und das Unterrichten geprägt haben.

Während Sie Marks Worte lesen, erkennen Sie, dass er es vermochte, sich einen »offenen und fragenden Anfängergeist« zu erhalten, was sehr schwierig ist, wenn man es so weit gebracht hat wie er.

Diese Seiten stellen den Mentor aus Marks Jugendjahren, Walter (»der alte Mann«), in einer Art und Weise vor, wie man es nicht erwartet. Falls jemals eine Aussage Mitgefühl und Menschlichkeit in der Zusammenarbeit mit Pferden versinnbildlicht hat, dann wäre Walters Kommentar: »Und wie, glaubst du, fühlt sich das Pferd jetzt damit?« Das gleiche Wohlwollen, ruhig und bedächtig im Umgang mit Pferden, ist durch das gesamte Buch hindurch fühlbar.

Ich habe die Diskussionen mit Mark intensiv genossen und bin beeindruckt von seinem unstillbaren Wissensdurst. Er zeigt alle Merkmale eines guten Wissenschaftlers. Beim Lesen dieses Buches erkennen Sie, wie er zu jeder Zeit hinterfragt, beobachtet und lernt und dabei bescheiden bleibt – ganz ohne Ego. Er möchte um des Pferdes willen mehr wissen, für sich und auch für seine Schüler und Leser.

Ich denke, dieses Buch stellt das wichtigste Werk dar, das Mark bisher geschrieben hat. Es lohnt sich sehr, diese Seiten zu lesen, denn sie beinhalten durchweg aufschlussreiche und tiefgründige Lehren. Was würden Sie denn anderenfalls von einer guten »Bedienungsanleitung« erwarten?

Dr. Steve Peters, Master of Science … (…)

Co-Autor des Buches »Evidenzbasiertes Horsemanship« mit Martin Black

Vor einer Weile wollte ich etwas aus dem Lagerraum in der unteren Etage holen. An der Wand, die denselben von unserem Gästezimmer trennt, hängt ein schön gerahmter Abzug von meinen zwei ersten Buchtiteln »Considering the Horse« und »Ein gutes Pferd hat keine schlechte Farbe«. Ich könnte nicht ansatzweise sagen, wie oft ich in den letzten Jahren daran vorbeigegangen bin, aber ich weiß, es war so oft, dass ich nur selten, wenn überhaupt, noch hinschaue. An einen Tag im Frühjahr 2021 jedoch, da hatte ich das Gefühl, eine Pause einlegen zu müssen, um dieses gerahmte Bild anzuschauen.

Mir gingen eine ganze Reihe Gedanken durch den Kopf, während ich dort stand. Zunächst fiel mir auf, wie gut die Handarbeit dieses Rahmens über die Jahre erhalten geblieben war. Dieser war von einem Freund hergestellt worden, der damals eine Werkstatt für Bilderrahmen bei uns in der Stadt hatte. Er brauchte beinahe einen Monat, um den Rahmen fertigzustellen. Dann dämmerte mir, dass sowohl der Freund als auch die Werkstatt schon seit mehr als zwanzig Jahren der Geschichte angehörten.

Die Erkenntnis, dass mein Freund schon so lange verstorben war, ließ mich realisieren, dass mein erstes Buch »Considering the Horse« nun auch schon vor über 20 Jahren erschienen sein musste. Aber wie konnte das sein? Es schien, als hätte ich es erst wenige Monate zuvor geschrieben. Während ich also »Considering the Horse« im Rahmen ansah, begann ich zu rechnen: Wir hatten den Rahmen in Auftrag gegeben, als »Ein gutes Pferd hat keine schlechte Farbe« gerade erschienen war, und mein Freund verstarb 1997. Das bedeutet, der Rahmen war vermutlich 1996 hergestellt worden. »Considering the Horse« erschien zwei oder drei Jahre früher, was bedeuten würde, das Erscheinungsjahr müsste 1993 gewesen sein.

Sollte das wahr sein? Ich ging die Treppe hinauf zu dem Bücherregal, wo Crissi die Bücher aufbewahrt, die wir beide geschrieben haben und überprüfte das Erscheinungsjahr im Einband von »Considering the Horse«. Tatsächlich, es war 1993 erschienen. Das bedeutete, dass das Buch bald 30 Jahre alt werden würde!

Ich begann darüber nachzudenken, wie dramatisch sich mein Leben mit der Veröffentlichung dieses kleinen Buches verändert hatte. In den folgenden Wochen überlegte ich mir, wie ich den bevorstehenden Jahrestag feiern könnte. Ein weiteres Buch zu schreiben kam dabei zunächst nicht infrage. In den letzten Jahren habe ich mich vom Schreiben von Sachbüchern abgewendet und meine Energie auf das Verfassen von Drehbüchern für Filme verwendet, davon ist eines vor Kurzem in die Entwicklungsphase eingetreten.

Je mehr ich darüber nachdachte, umso klarer tendierte ich zur Möglichkeit eines Jubiläumsbuchs (in Ermangelung eines besseren Begriffs). Zwei große Fragen tauchten auf. Die erste war: Hätte ich überhaupt etwas zu sagen, das für einen Leser von Wert wäre? Die zweite war: Wenn ich etwas zu sagen hätte, würde es ausreichen, um ein ganzes Buch zu füllen?

Es dauerte nicht lange und ich fing an, ein paar Ideen zu notieren, von denen ich dachte, dass sie für die Leute interessant sein könnten. Aus diesen wiederum entstand eine Skizze und aus derselben ergab sich schließlich das Buch, das Sie jetzt in Händen halten.

In diesem Werk sind viele wichtige Konzepte, Prinzipien und sogar wissenschaftlich fundierte Informationen enthalten, die einen großen Einfluss auf meine Arbeit mit Pferden (und Menschen) hatten. Vieles davon finde ich sehr aufregend und hoffe, Sie finden es ebenso spannend und hilfreich für Ihren eigenen Weg des Horsemanship.

Dieses Buch enthält auch einige Geschichten, die den Lesern meiner Bücher aus der Vergangenheit vielleicht bekannt vorkommen. Das ist gewollt. Es gibt bestimmte Erfahrungen in unserem Leben, auf die wir im Nachhinein zurückblicken und verstehen, wie diese Momente zu wichtigen Prüfsteinen oder Wendepunkten wurden, die uns zu dem gemacht haben, was wir heute sind.

Ich glaube nicht, dass es gut ist, zu sehr in der Vergangenheit zu leben, aber ich glaube, dass ein gelegentlicher Rückblick auf die wichtigen Momente im Leben eine gesunde Erinnerung sein kann – nicht nur daran, wo wir gewesen sind, sondern auch wohin wir gehen werden. Das gibt uns hoffentlich auch die Möglichkeit, diese vergangenen Momente aus einer neuen Perspektive des Wachstums und des Lernens zu erleben.

Denn was wäre ein Jubiläumsbuch, wenn wir nicht zumindest ein wenig in Erinnerungen schwelgen würden?

Ich danke Ihnen, dass Sie »Aus Liebe zu den Pferden« in die Hand genommen haben, und ich wünsche Ihnen allen Frieden, Gesundheit und Glück.

Mark Rashid

Estes Park, Colorado

DAS BUCH, DAS BEINAHE NICHT ERSCHIENEN WÄRE

Im Sommer 1991 zwischen zwei Ranch-Jobs kam ich auf die Idee, eine kleine Reitschule zu gründen, um mit dem Einkommen meine Rechnungen besser bezahlen zu können. Es war nichts Besonderes, nur fünf oder sechs Schüler, die meisten mit begrenzter Pferdeerfahrung, und alle suchten nach Möglichkeiten, besser zu werden.

Wenn du an die Weggabelung kommst, nimm sie!

Yogi Berra

Die von uns verwendeten Pferde stammten vom BLM (Bureau of Land Management) Mustang-Programm. Es waren Tiere, die kürzlich in Nevada zusammengetrieben und in das Gefängnis von Cañon City in Colorado gebracht wurden, wo die Insassen lernen sollten, sie zu handhaben und zu trainieren. Ich hatte den Programmverantwortlichen etwa ein Jahr zuvor bei einer zufälligen Begegnung kennengelernt. Es war auf einer kleinen Pferdeausstellung in Denver, wo man mich bat, eine Vorführung mit Mustangs zu geben, die vom BLM bereitgestellt wurden. Er gab mir nach der Vorführung seine Visitenkarte, und ich benutzte sie, um anzurufen und zu erfahren, ob ich ein paar Pferde ausleihen könne, um sie für meine angehende Reitschule zu verwenden. Er kam meinem Wunsch gerne nach.

Ungefähr zwei Monate nach Beginn des Programms kam eine der Schülerinnen, eine Frau namens Julie, nach dem Unterricht zu mir und erwähnte, dass ihr Mann darüber nachdenke, sein Pferd zu verkaufen. Sie fragte, ob ich kommen und mir den Wallach ansehen und ihnen sagen könne, wie viel er meiner Meinung nach wert wäre. Ich sagte zu, an diesem Abend vorbeizuschauen, und so kam es, dass ich mich mit Halfter und Seil in der Armbeuge in ihrem Pferdeauslauf wiederfand und zusah, wie der große Palomino nervös durch den Innenbereich des Auslaufs stürmte.

»Wie ich schon sagte«, bemerkte Julies Ehemann Scott, als das Paar direkt vor dem Zaun stand, »er ist manchmal ein bisschen schwer einzufangen.«

Das Pferd namens Max flitzte um die wenigen Ponderosa-Kiefern herum, die in dem Bereich wuchsen, stampfte mit den Füßen auf der Rückseite eines dreiseitigen Unterstands, in dem eine Fuchsstute stand und träge mit ihrem Schweif Fliegen verscheuchte, tauchte hinter dem Unterstand auf und rannte bockend und pupsend zum anderen Ende der Umzäunung. Bevor ich etwas tun oder sagen konnte und ohne jegliches Zögern von seiner Seite drehte er sich um und wiederholte genau den gleichen Weg, den er gerade genommen hatte, mit der gleichen Geschwindigkeit und Intensität.

Ich stand da und beobachtete, wie Max auf diese Art und Weise einige Minuten lang herumraste. Als er näherkam, trat ich vor ihn, was dazu führte, dass er anhielt, sich drehte und in die entgegengesetzte Richtung lief, wobei er dasselbe Muster rückwärts wiederholte. Nach ein paar Runden in diese Richtung trat ich wieder vor ihn. Er bremste scharf, drehte sich und rannte für ein paar Runden in die ursprüngliche Richtung zurück, bevor ich wieder vor ihn trat. Das ging noch ein paar Minuten so, bevor er schließlich einfach stehen blieb und mich näherkommen ließ.

Wie sich herausstellte, war das Eingefangen werden nicht das einzige, womit Max zu kämpfen hatte. Hatte man ihn eingefangen, wollte er nicht aufgehalftert werden. Wurde er dann gehalftert, wollte er beim Führen nicht folgen. Sobald er folgte, stellten wir fest, dass er Grenzen nicht verstand und in die Führperson hineinlief. Nach alledem wollte er nicht stillstehen beim Aufsatteln. Sobald er gesattelt war, ließ er den Reiter nicht mehr aufsteigen. Nachdem der Reiter saß, ging er nicht vorwärts. Und sobald er ein einmal vorwärts ging, hielt er nicht wieder an.

In fast jedem Fall, in dem er unerwünschtes Verhalten zeigte, schien es, als müssten wir uns nur darüber im Klaren sein, was wir wirklich von ihm wollten. Dies bewirkte in der Regel innerhalb weniger Minuten eine positive Veränderung bei ihm. Von Anfang an zeigte sich, dass er ein williges Pferd war, aber einfach verwirrt darüber, was man von ihm erwartete.

Nachdem wir die Missverständnisse ausgeräumt hatten, wurde Max nicht nur viel ruhiger, sondern auch für die meisten Aufgaben sehr zugänglich. Wenige Stunden später, nachdem er gesehen hatte, wie angenehm sein Pferd in Wirklichkeit war, entschied Scott, dass er es doch nicht verkaufen würde. Er wollte Max behalten und sehen, ob er es schaffen könne, dass die Dinge zwischen ihm und seinem Pferd ein wenig besser laufen würden.

Julie und Scott folgten mir zu meinem Truck, als ich mich zum Aufbruch fertig machte. »Hast du jemals darüber nachgedacht, ein Buch darüber zu schreiben, wie du mit Pferden arbeitest?« fragte Scott scheinbar aus heiterem Himmel.

Ich kannte Scott erst seit ein paar Stunden, aber während dieser Zeit wurde mir bewusst, dass er einen etwas trockenen Humor hatte. Als er die Frage stellte, nahm ich einfach an, dass er scherzte. Ich stieß instinktiv ein kleines Kichern aus, sowohl über das, was ich als einen Witz wahrnahm, als auch über die Idee, dass irgendjemand auch nur im Entferntesten daran interessiert sein könnte, ein ganzes Buch darüber zu lesen, wie ich mit Pferden arbeite.

Anders als sonst, wenn er einen Witz machte, folgte darauf dieses Mal jedoch kein angedeutetes Lächeln. Mein Kichern verebbte, als mir klar wurde, dass er es vielleicht ernst meinte.

»Ein Buch?«

»Ich habe die Artikel gelesen, die du für »Western Horseman« geschrieben hast«, sagte er. »Ich mochte sie.«

»Ah, die Artikel im Magazin ›Western Horseman‹.«

Ein paar Jahre zuvor arbeitete ich als Manager für den Tierbestand bei einer der lokalen Gästeranches und stellte zur Aushilfe in der Herbst- und Wintersaison einen Burschen namens Matt Bowers ein. Wie sich herausstellte, war dieser ein ziemlich gut vernetzter Marketingleiter, der sich zwischen zwei Marketingjobs befand und auf der Suche nach einer Aushilfsarbeit mit Pferden war.

Es war Matts Idee, nachdem er mir bei der Bewältigung eines Problems mit einem Pferd in Schwierigkeiten zugesehen hatte, einen Artikel für das Western Horseman-Magazin darüber einzureichen, was ich getan hatte, um dem Tier zu helfen. Es stellte sich heraus, dass er den leitenden Redakteur des Magazins kannte und nach einer telefonischen Einleitung und einer Erklärung, was ich mit dem Pferd gemacht hatte, stimmte der Redakteur zu, sich eine Probe anzusehen. Also habe ich den Artikel geschrieben und abgeschickt. Dieser wurde nicht nur in der Zeitschrift veröffentlicht, sondern der Herausgeber gab mir auch eine Liste mit mehreren anderen Themen, über die ich schreiben sollte, die es ebenfalls alle in die Zeitschrift geschafft haben.

»Ich habe nie daran gedacht, ein Buch zu schreiben«, sagte ich zu Scott.

»Das solltest du«, erwiderte er. »Und wenn ja, kann ich helfen.«

Es stellte sich heraus, dass Scott einen eigenen Verlag besaß, der teilweise unter einem größeren arbeitete. Diese Firma hatte ihren Standort ganz in der Nähe in Boulder und konzentrierte sich bis zu dieser Zeit hauptsächlich auf historische Bücher über den Westen der USA. Die Leute dort suchten nach Titeln, die ihnen helfen sollten, auf dem Pferdebuchmarkt Fuß zu fassen, und Scott dachte, ein Buch von mir könnte genau das sein, wonach sie suchten.

»Danke«, sagte ich, als wir uns die Hände schüttelten und ich in meinen Truck stieg. »Das werde ich auf jeden Fall im Hinterkopf behalten.«

Und das war es dann. Kaum hatte ich die Einfahrt verlassen, vergaß ich die Idee wieder. Um ehrlich zu sein war mein Kopf mit dringenderen Dingen beschäftigt, beispielsweise wie ich meinen Lebensunterhalt verdienen sollte, wenn der Sommer zu Ende ging und meine viermonatige Reitschule vorbei war. Klar, ich hatte fast immer Privatkunden, die Unterricht oder Training suchten. Aber die Arbeit war bestenfalls sporadisch und wurde noch seltener, sobald das kalte Wetter einsetzte.

Nicht, dass es mir viel ausmachte, wenn man bedenkt, dass ich damals fast so viel meiner Zeit an Kunden verschenkte wie ich ihnen berechnete. Das empfand ich nur als fair, da ich oft meine eigenen (manchmal steilen) Lernkurven durchlief, wenn es um Training und Unterricht ging. Trotzdem, die Praxis, Zeit zu verschenken, war finanziell nicht besonders hilfreich, besonders mit einer Frau, drei kleinen Kindern und vielen offenen Rechnungen.

Dann, eines Abends, ungefähr zwei Wochen, nachdem ich Scott getroffen und Zeit mit seinem Pferd verbracht hatte, klingelte das Telefon. Das war noch zu einer Zeit, als Telefone an der Wand hingen und man sie physisch abnahm, um herauszufinden, wer in der Leitung war. Handys steckten noch in den Kinderschuhen und lebten größtenteils in schwarzen Taschen, die so viel wogen wie ein kleines Kind, so viel Platz einnahmen, dass man auf der Sitzbank eines Pickups keinen Beifahrer haben konnte, und man nur am Dienstagnachmittag und Donnerstagmorgen ein Netzsignal bekam, solange das Wetter gut war und kein Baum, keine Parkbank oder kein Hund in der Nähe das Signal störte.

»Hallo?«

»Spreche ich mit Mark?« fragte die Stimme am anderen Ende der Leitung.

»Ja.«

»Hier ist Scott, du hast vor ein paar Wochen mit meinem Pferd Max gearbeitet.«

»Oh ja. Hallo Scott. Alles okay?« 

»Alles ist gut«, sagte er mit einem Lächeln in der Stimme. »Max und ich verstehen uns super.« »Gut. Freut mich zu hören …«

»Der Grund, warum ich anrufe«, unterbrach er, »ist, zu hören, ob du noch weiter darüber nachgedacht hast, dieses Buch zu schreiben.«

»Buch?«

»Ja, worüber wir gesprochen haben, als du hier warst.«

»Ähm … nein, ich habe nicht darüber nachgedacht …«

»Ich habe morgen ein Treffen mit dem Verleger in Boulder, wenn du also ein Exposé fertig hast, würde ich es mitnehmen und ihnen anbieten.«

Ich hatte kein Exposé. Tatsächlich wusste ich nicht einmal, was ein solches ist, geschweige denn, wie man eines erstellt. Außerdem war ich kein Schriftsteller. Warum versuchte dieser Typ, mich zu überreden, einer zu werden? Ich hatte nicht vor, ein Buch zu schreiben. Ich war ein Pferdemensch. Leute, die Bücher schreiben, sind schlau sowie artikuliert und haben normalerweise etwas Kluges zu sagen. Ich hatte keine dieser Eigenschaften.

Das war zumindest das Ergebnis meiner mentalen Gymnastik in dem Moment zwischen unseren Sätzen.

»Ich bin kein Schriftsteller.«

»Doch, bist du. Ich habe deine Artikel gelesen.«

»Einen Artikel zu schreiben ist eine Sache, ein Buch zu schreiben etwas ganz anderes.« Ich sagte dies mit der Autorität eines Menschen, der von beidem sehr wenig wusste.

»Schreiben ist Schreiben«, lautete seine Antwort.

»Aber …«

»Wie wäre es damit: Was sind die Eigenschaften eines Pferdebuchs, das du lesen möchtest?«

Ich musste innehalten und nachdenken. Ich hatte in letzter Zeit wenige Pferdebücher gelesen und verlor ziemlich schnell das Interesse an denen, die ich zu lesen versuchte, weil sie eine Art Schritt-für-Schritt-Lehrbuch waren, für die ich nie eine Vorliebe entwickelte.

»Kein Ratgeberbuch«, sagte ich. »Ich mag Bücher, die Geschichten erzählen – der Art, wie James Herriot sie geschrieben hat.«

»Okay«, sagte Scott. »Was ist mit Grafiken im Buch? Ja oder nein?«

»Die Illustrationen in den Büchern von Will James haben mir schon immer gefallen.«

Für diejenigen, die es vielleicht nicht wissen: James Herriot war ein englischer Tierarzt, der eine Reihe von anekdotischen Büchern mit erlebten Geschichten von den 1930er bis 1950er Jahren schrieb. Er war einer meiner Lieblingsautoren. Will James war ein Cowboy, Schriftsteller und Künstler. Die meisten seiner Texte stammen aus den 1920er und 30er Jahren. Eines seiner besten Bücher war meiner Meinung nach Smokey the Cowhorse.

»Was ist mit dem Thema?« fragte Scott.

»Das kann so ziemlich alles sein, was mich interessiert.«

»Was ist mit Problemlösungen?«

»Ja, schon möglich.«

»Ich denke, die Pferdewelt braucht ein Problemlösungsbuch.« Damit kehrte das Lächeln in seine Stimme zurück. »Ich hatte keine Ahnung, dass Max missverstanden hatte, was ich wollte. Ich dachte, er hasst mich. Ich wette, es gibt viel mehr Leute da draußen, die genauso über ihre Pferde denken – aus den gleichen Gründen.«

»Ja, vielleicht.« Ich merkte, wie ich zustimmend nickte.

Damals wusste ich noch nichts davon, aber das Gespräch, das nun folgte, sollte letztendlich tiefgreifende Auswirkungen auf mein Leben und meine Zukunft haben. Aber so laufen die Dinge eben manchmal.

In den nächsten zwei Stunden arbeiteten Scott und ich den Rahmen für das aus, was letztendlich mein erstes Buch werden sollte – »Considering the horse: Geschichten über gelöste Probleme und gelernte Lektionen«, obwohl die Titelfindung ein ganz anderer Prozess werden sollte, der erst viel später folgte.

Als wir unser Gespräch an diesem Abend beendeten, besaß Scott die gesamte Gliederung, die er brauchte, um sie am nächsten Tag dem Verlag vorzustellen. Er rief mich am folgenden Abend an, um mir mitzuteilen, dass der Verlag interessiert sei, aber vor einer Zusage, müssten sie zuerst mindestens zwei vollständige Kapitel sehen.

Ungefähr zu diesem Zeitpunkt begann für mich die Realität der Situation zu dämmern. Ich war zugegebenermaßen während unseres Gesprächs am Vorabend von Scotts Enthusiasmus gefangen und redete mir ein, dass ich definitiv ein Buch schreiben könnte. Verdammt, warum nicht? Je länger wir redeten, desto begeisterter war ich von der Idee. Natürlich ist es immer leicht, sich für eine Idee zu begeistern, wenn keine echten Karten im Spiel sind.

Aber jetzt, mit der Nachricht, dass ein Verleger tatsächlich daran interessiert war, dass ich ein richtiges Buch schreibe, schienen die Dinge sehr schnell sehr real zu werden.

Ich schlief in dieser Nacht nicht viel. Ich wälzte mich hin und her und machte mir Sorgen, ob ich das Zeug dazu haben würde, dieses Ding zu schreiben. Ich stand auf und ging umher, öffnete diesen nochmals und schaute hinein, lief noch etwas umher, öffnete den Kühlschrank wieder, setzte mich auf die Couch, starrte aus dem Fenster, ging auf dem Flur auf und ab, schaute wieder in den Kühlschrank.

Und dann, irgendwann zwischen Mitternacht und etwa drei Uhr morgens, wurde mir etwas bewusst. Seit ich klein war, glaubte ich immer daran, dass ich alles tun könnte, was ich mir in den Kopf gesetzt habe – von Schlagzeug- und Gitarrenunterricht über Fallschirmspringen, den Bau meiner eigenen Saiteninstrumente bis hin zur Nachverfolgung der Lewis-und-Clark-Expedition auf dem Missouri River in einem Kanu; Kampfsportler, Körpertherapeut für Pferde und sogar Tontechniker werden.

Als ich ungefähr zum 17. Mal in dieser Nacht in den Kühlschrank sah, wurde mir klar, dass wenn dieses Buch geschrieben werden sollte, ich mich nur dazu entscheiden musste, es zu tun – und dann war es so weit.

Am nächsten Morgen fing ich an zu schreiben. Und wenn ich sage, dass ich geschrieben habe, dann tat ich genau das. Schreiben – ganz altmodisch, mit Tuschefeder und auf gelbem Notizblock. Da ich absolut keine Verwendung für die minimalen Schreibfähigkeiten hatte, die ich während eines Schreibmaschinenkurses als Wahlfach in der High School entwickelte, um einen billigen Kredit zu bekommen, entschied ich, dass es einfacher und schneller für mich wäre, alles in Schreibschrift zu verfassen, als zu versuchen zu tippen.

Auf diese Weise beendete ich das erste Kapitel in etwas mehr als einer Woche. Das zweite Kapitel war in einer weiteren Woche fertig. Dann schrieb ich sicherheitshalber ein drittes Kapitel. Von diesen handgeschriebenen Seiten tippte meine Frau (die im Gegensatz zu mir eine geübte Schreibkraft war) alles in ein gebrauchtes Textverarbeitungsprogramm, das wir irgendwo besorgt hatten, und als sie fertig war, gab ich Scott die Kapitel und er wiederum dem Verlag.

In der Zwischenzeit sprach ich auf Scotts Vorschlag mit meinem Freund Ron Ball, einem Künstler aus dem Westen, dessen Kunstwerke stark denen von Will James ähnelten. Ron stimmte gerne zu, die Grafiken für das Buch sowie den Buchumschlag zu erstellen, falls der Verlag sich dafür entscheiden sollte.

Ein weiterer Monat verging, bevor wir etwas vom Verlag hörten. Dann meldeten sie sich, um ein Treffen mit Scott und mir an ihrem Firmensitz in Boulder zu vereinbaren.

Als ich zum Meeting kam, traf mich eine sehr angenehme Frau namens Mira in der Lobby und führte mich durch den gesamten Betrieb, einschließlich der Produktion, wo die Bücher gedruckt wurden. Danach leitete sie mich in einen kleinen Besprechungsraum, wo Scott, eine Frau namens Barbara, die sich als Eigentümerin der Firma entpuppte, und Steve, der Marketingdirektor, bereits warteten.

Wir wurden einander vorgestellt, und nach ein paar Minuten Smalltalk kam schließlich der Zweck des Treffens zur Sprache.

»Uns gefällt, was Sie geschrieben haben.« Barbara lächelte. »Und wir würden Ihnen gerne einen Vertrag für Ihr Buch anbieten.«

Es kam mir seltsam vor, dass sie die Worte »Ihr Buch« benutzte. Bis zu diesem Moment hatte ich es nicht als mein Buch betrachtet. In meinen Augen war es das Buch oder ein solches, aber nicht meines.

Sie öffnete eine Dokumentenmappe, die vor ihr auf dem Tisch lag, und nahm ein paar Papiere heraus.

»Wir haben uns erlaubt, einen Vertrag zu machen.« Sie reichte mir die Seiten. »Sie werden sehen, es ist weitgehend Standard. Und wenn Sie mit Ihrer Unterschrift heute damit einverstanden sind, können wir Ihren Vorschuss mit einem Scheck auszahlen, bevor Sie gehen.«

»Vorschuss?« fragte ich. Scott und ich hatten zahlreiche Gespräche geführt, seit diese ganze Sache begann, aber in keinem von ihnen sprachen wir darüber, wie ich bezahlt werden würde. Es ist fast schon peinlich zuzugeben, dass ich damals absolut nichts über Zahlungsgewohnheiten in der Buchbranche wusste und was ein Vorschuss ist bzw. wie er funktioniert.

»Ja«, sagte Barbara. »So steht es im Vertrag. Wir geben Ihnen heute die Hälfte Ihres Vorschusses als Vorauszahlung, die andere Hälfte, wenn das fertige Manuskript geliefert wird.«

»Vorauszahlung?« wiederholte ich. Der Raum wurde für ein paar Sekunden still, während alle registrierten, dass ich keine Ahnung hatte, wovon sie sprach.

»Für deine zukünftigen Tantiemen«, mischte sich Scott ein. »Es soll dir finanziell helfen, während du das Buch schreibst. Alle Autoren bekommen diese Vorauszahlung. Sobald das Werk veröffentlicht ist und sich zu verkaufen beginnt, wird dein Vorschuss automatisch von deinen Tantiemen abgezogen, bis derselbe zurückgezahlt ist. Von da an gehen die restlichen Lizenzgebühren in deine Tasche.«

»Oh. Ja. Okay.«

Scott, der schließlich mein Redakteur für das Projekt wurde, war so freundlich, mir den Vertrag so zu erklären, dass es ein Pferdemensch verstehen konnte. Rückblickend hätte ich wahrscheinlich einen Anwalt konsultieren sollen, aber damals konnte ich mir sowieso keinen leisten. Also hörte ich auf Scott, unterschrieb den Vertrag und ging mit einem Scheck hinaus, der mehr Geld wert war, als ich seit einer ganzen Weile gesehen hatte.

Überraschenderweise fand ich anschließend den eigentlichen Prozess des Schreibens relativ einfach. Nachdem ich mich für eine grundlegende Prämisse für den Inhalt entschieden hatte, der eine Kombination aus Geschichten über Walter war, dem alten Horseman, für den ich als Kind gearbeitet hatte, und Geschichten über Dinge, die ich seitdem mit Pferden erleben durfte, kam ich in einen angenehmen Rhythmus, der bis zum Ende des Buches anhielt.

Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass alles rund um das Buch komfortabel war. Beispielsweise gestaltete sich der Versuch, dafür einen Titel zu finden, ein wenig anstrengend. Wir hatten einen Arbeitstitel für die ursprüngliche Einreichung, aber ich weiß nicht mehr, wie er lautete, und wir waren ihn sowieso ziemlich schnell losgeworden, als ich den Vertrag unterschrieben hatte.

Ich schrieb gerade das vierte oder fünfte Kapitel, als Scott vorschlug, dass wir ernsthaft darüber nachdenken sollten, wie wir das Ding nennen würden. Zu diesem Zweck schrieben sowohl Scott als auch ich so viele potenzielle Titel auf, wie wir uns vorstellen konnten und begannen dann, einen nach dem anderen zu eliminieren, auf die wir uns nicht einigen konnten oder die uns nicht gefielen.

Nach ein oder zwei Wochen haben wir die Liste schließlich auf zwei potenzielle Titel reduziert, einen von Scott und einen von mir. »Considering the Horse« war meiner und Scotts »Through the Eyes of Horses« der andere. Wir schickten beide Titel an den Verlag, um Feedback zu erhalten, und sie bevorzugten (angesichts des Inhalts der Seiten, die sie bisher gesehen hatten) »Considering the Horse«. Der Vorbehalt war, dass sie das »ing« aus dem Wort »Considering« entfernen wollten, wodurch der Titel »Consider the Horse« entstand.

Ich mochte die Änderung nicht. Die Verwendung des Wortes »Consider« (dt.: etwas berücksichtigen/erwägen) fühlte sich wie eine Aufforderung an, als würden wir den Lesern sagen, was sie tun sollten. Das war überhaupt nicht das Gefühl oder die Absicht, die das Buch darstellen sollte. Die ganze Idee war, von Anfang an zu zeigen, dass wir uns bemühen, bei der Arbeit mit Pferden Rücksicht zu nehmen, Geschichten aus dem wirklichen Leben über Situationen zu erzählen – gute, schlechte und gleichgültige – und dann den Lesern die Entscheidung zu überlassen, ob ihnen die Informationen nützten oder nicht. Ich war der festen Überzeugung, dass der Titel die Idee der Wahl verkörpern sollte. Insofern repräsentierte das Wort »Considering« meiner Meinung nach etwas Fortlaufendes und Aktives, eine Entscheidung, die wir trafen und die wir letztendlich durchzusetzen versuchten.

In den nächsten Wochen fanden eine Reihe von Diskussionen über diese drei Buchstaben statt. Aber am Ende und mit Scotts begeisterter Empfehlung auf der Grundlage der Kapitel, die ich ihm schickte, stimmte der Herausgeber schließlich dem Wort »Considering« zu.

Zu diesem Zeitpunkt war der Winter bereits weit vorangeschritten und ich ungefähr zur Hälfte mit dem Schreiben des Buches fertig, als ich einen Anruf von Steve, dem Marketing-Mitarbeiter des Verlags, erhielt. Mit wenig mehr als einem herzlichen »Hallo, wie geht es dir?« wandte er sich sofort dem Zweck seines Anrufs zu.

»Ich habe einige Nachforschungen über Pferdebücher angestellt«, sagte er mit einem sachlichen Ton in der Stimme, »und die aktuell fünf besten Pferdebücher auf dem Markt gekauft und gelesen.«

»Okay…?« Meine Antwort war eher eine Frage als eine Feststellung. »Ich habe auch alles gelesen, was Sie bisher eingereicht haben.«

»Okay…?« wiederholte ich.

»Jedes dieser meistverkauften Bücher sind Ratgeber. Was Sie schreiben, ist kein Ratgeber«, sagte er, als wäre das eine Überraschung.

»Nein, ist es nicht«, stimmte ich zu.

»Warum nicht?«

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Frage verstehe.«

»Warum ist Ihr Buch kein Ratgeber?«

Es gab ein langes, verwirrtes Schweigen meinerseits.

Während des Treffens, bei dem ich den Vertrag unterschrieb (und bei dem Steve anwesend war) diskutierten wir ausführlich über die anekdotische Natur des Buches. Tatsächlich war das Geschichtenerzählen eines der Hauptverkaufsargumente und laut Barbara, der Verlegerin, ein wichtiger Grund, warum sie es überhaupt veröffentlichen wollte. Plötzlich gefragt zu werden, warum das Buch nicht etwas war, was es nie sein sollte, besonders nach vier Monaten und sechs Kapiteln, beunruhigte mich ein wenig.

Im Laufe des Gesprächs wurden die Gründe für Steves Besorgnis über das, was wir jetzt unter »Considering the Horse« veröffentlichen wollten, immer deutlicher. Erstens und wie er bereits sagte, waren damals die meistverkauften Pferdetrainingsbücher Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Aus diesem Grund sei er zu dem Schluss gekommen, dass Leser von Pferdetrainingsbüchern diese Art von Büchern bevorzugten.

Ich führte ins Feld, dass Ratgeberbücher vielleicht deshalb so beliebt schienen, weil sie zu dieser Zeit mehr oder weniger die einzige verfügbare Option waren. Ich nahm an, wenn man die Wahl hätte, könnten Pferdemenschen zu etwas weniger Starrem tendieren.

Das überzeugte ihn nicht.

Der zweite und wahrscheinlich wichtigste Grund, warum Steve so besorgt über »Considering the Horse« war, dass er nicht wusste, wie er es vermarkten sollte.

»Ist das ein Geschichtenbuch?« fragte er, »Oder ist es ein Trainingsbuch?«

»Ein bisschen von beidem«, antwortete ich.

»Es sollte entweder das eine oder das andere sein«, beharrte er, »besonders von einem Marketing-Standpunkt aus gesehen.«

Fairerweise muss man sagen, der Verlag hatte damals nur einen anderen Pferdetitel, ein Buch über Packpferde, und dies war bereits lange bevor Steve Marketingleiter wurde erschienen. Infolgedessen hatte er keinerlei Erfahrung darin, irgendein Pferdebuch zu bewerben, geschweige denn eines, das seiner Meinung nach nicht in eine bestimmte Kategorie passte.

Ein weiterer Faktor, der Steve sicherlich sehr beschäftigte, war die Tatsache, dass der Verlag klein und daher finanziell ziemlich konservativ war. Laut Scott nahmen sie nur Titel an, von denen sie sich zu neunundneunzig Prozent sicher waren, dass sie eine Rendite erzielen würden. Je länger Steve und ich sprachen, desto mehr gewann ich den Eindruck, dass er nicht glaubte, dass sich »Considering the Horse« verkaufen würde, und aus diesem Grund wollte er nicht für das verantwortlich gemacht werden, was er als das einzige Buch in der Unternehmensgeschichte ansah, das einen Verlust einfahren würde.

Unser Gespräch dauerte vielleicht 20 Minuten und nichts, was ich während dieser Zeit sagte, schien irgendeinen Einfluss darauf zu haben, wie Steve die Situation empfand. Am Ende des Anrufs, kurz bevor er auflegte, sagte Steve mir in unmissverständlichen Worten, er würde den Zuständigen vorschlagen, dass mein Vertrag annulliert werden sollte, ich den Vorschuss zurückzahle und wir getrennte Wege gehen.

Ich geriet in Panik. Der Vorschuss war längst aufgebraucht, um Kleidung für die Kinder zu kaufen, Rechnungen zu bezahlen und Essen zu kaufen. Es war Winter und ich hatte nicht viel Pferdearbeit. Ich hätte den Vorschuss nicht zurückzahlen können, selbst wenn ich gewollt hätte.

Ich rief Scott an, sobald ich das Gespräch mit Steve beendet hatte.

»Ja«, sagte Scott, nachdem er gehört hatte, was passiert war. »Er hat mich auch angerufen. Machen wir uns darüber nicht zu viele Gedanken.«

»Aber ich kann den Vorschuss nicht zurückzahlen.«

»Ich glaube nicht, dass es dazu kommen wird«, prophezeite er. »Wir werden das so machen: Ich halte sie hin und du schreibst weiter.«

In seiner Stimme war nur der Hauch eines Tonfalls, der mich kurz an einen dieser alten Gangsterfilme aus den 1930er Jahren erinnerte. »Ja Bugsy. Hier ist der Plan, siehst du? Ich halte sie auf, und du rennst davon.«

Nachdem ich mich von dem Bild von Scott in Nadelstreifenanzug und Krawatte mit einem leicht zur Seite gekippten Fedora und einer Zigarette, die bedenklich unter einem bleistiftdünnen Schnurrbart hervorbaumelte, befreit hatte, schlug ich vor, dass wir vielleicht einen etwas besseren Plan brauchen könnten.

Dann erklärte er, warum wir uns seiner Meinung nach nicht allzu viele Sorgen um die Situation machen müssten. Wie sich herausstellte, hatte der Verlag jedes Jahr einen bestimmten Produktionsplan für die neuen Bücher, die er produzierte, und der Zeitplan stand normalerweise ein oder manchmal zwei Jahre im Voraus fest.

Kurz gesagt, der Zeitplan hing davon ab, wann jedes einzelne Buch physisch in den Druck ging und davon, wann jeder Autor ein fertiges Manuskript einreichte. So wie Scott es beschrieb, konnte der Druck pünktlich beginnen, wenn das Manuskript rechtzeitig vorlag. Mit anderen Worten, alle Autoren waren während des Jahres in ihrem eigenen Produktionsslot. Je weiter der Abgabetermin eines Autors entfernt war, desto einfacher wäre es für den Verlag, ihn bei Bedarf im Zeitplan zu ersetzen. Je näher der Abgabetermin rückte, desto schwieriger wäre es, einen Ersatzautor zu finden, der in dieses Zeitfenster passte.

Es waren noch einige Monate bis zum Abgabetermin meines Buches, aber ich war bereits ungefähr zur Hälfte fertig und schrieb im Durchschnitt alle paar Wochen ein Kapitel. Bei diesem Tempo wäre ich mindestens zwei Monate vor Ablauf meiner Frist fertig, vielleicht auch schon früher. Scott dachte sich, wenn es hart auf hart kommen würde und es Steve gelänge, den Verleger dazu zu bringen, mich zu ersetzen, müsste Scott den Verleger nur etwa einen Monat lang davon abhalten, eine Entscheidung zu treffen. Wenn er das könnte, gäbe es keinen anderen Autor, der bereit wäre, meinen Platz im Produktionsplan einzunehmen, und wir würden gewissermaßen automatisch veröffentlicht.

Wie sich herausstellte, passierte genau dies. Steve hatte seine Position anscheinend effektiv genug argumentiert, sodass der Verleger ernsthafte Zweifel an meinem Buch hatte. Bald darauf erhielt Scott einen Anruf von ihnen, in dem sie die Durchführbarkeit von »Considering the Horse« infrage stellten und anscheinend darüber nachdachten, meinen Vertrag zu kündigen. Getreu seinem Wort gelang es Scott irgendwie, ihre Entscheidung so lange hinauszuzögern, bis sie keinen anderen Autor finden konnten. Infolgedessen, und wie von Scott vorhergesagt, wurde »Considering the Horse« wie geplant veröffentlicht.

Aber nur weil das Buch auf dem Weg zur Veröffentlichung war, bedeutete das nicht, dass Steve seine Ansicht darüber änderte. Die einzige Werbung, die es erhielt, war ein Erscheinen im Verlagskatalog vor seiner Veröffentlichung. Tatsächlich war sogar ich davon überzeugt, dass sich mein Buch nicht verkaufen lässt, so sehr, dass ich einfach annahm, dass es das einzige Buch sei, das ich jemals schreiben würde. Aus diesem Grund fügte ich in letzter Minute fast eine ganze Seite mit Danksagungen an alle hinzu, die mir auf meiner Horsemanship-Reise bis zu diesem Punkt geholfen hatten.

Wie vermutet verzeichnete das Buch nach seiner Veröffentlichung düstere Verkaufszahlen und eine Zeit lang schien es, als würde Steve Recht behalten mit der Voraussage einer Katastrophe für das Unternehmen. Aber dann geschah etwas ziemlich Interessantes. Das Buch wurde an einige prominente Pferdemagazine verschickt, in der Hoffnung, es rezensiert zu bekommen, und ein paar Monate später erfolgte die Veröffentlichung dieser Rezensionen. Die allererste davon, die das Werk erhielt, kam von der Zeitschrift EQUUS. Darin hieß es unter anderem: »… ein Colorado-Klon von James Herriot enthüllt die Entwicklung seines Trainings durch gut erzählte Geschichten.« Die nächste Rezension veröffentlichte das renommierte Quarter Horse Journal: »Rashid schreibt in einem anekdotischen Format über die universelle Wahrheit, dass man nicht als Sieger hervorgeht, wenn man seine Ergebnisse mit Gewalt erzielt.« Darauf folgte das ebenso prestigeträchtige Paint Horse Journal: »Von buchstäblich Hunderten von Büchern über verschiedene Aspekte der Pferdepflege und Reitkunst … ohne Zweifel … ist dies das interessanteste.«

Und damit startete das Buch durch. Die erste Auflage war innerhalb weniger Wochen ausverkauft, die zweite, viel größere innerhalb weniger Monate und die dritte in ein paar weiteren Monaten. Bis Ende des Jahres hatte der Verlag vier Auflagen hinter sich und mit der fünften begonnen. Bis heute wurde »Considering the Horse« in zwölf verschiedene Sprachen übersetzt und weltweit über eine Million Mal verkauft.

Wie bereits erwähnt, habe ich das gesamte Buch auf einen gelben Notizblock geschrieben, dessen Inhalt meine Frau in ein Textverarbeitungsprogramm getippt und auf eine Diskette gespeichert hat. Für diejenigen unter Ihnen, die es vielleicht nicht wissen, eine Diskette ist das, was Heimcomputer-Pioniere verwendeten, um Informationen zu speichern. Eine Diskette wog 20 Kilo, hatte die Größe eines Esszimmerstuhls, und je nach Schriftgröße konnte man etwa 1.700 Wörter darauf speichern.

Sobald ich eine Diskette mit Text gefüllt hatte, übergab ich sie Scott persönlich, der sie in seinen zimmergroßen Computer mit winzigem Bildschirm einlegte, und gemeinsam gingen wir durch, was ich bisher schrieb.

Als wir uns dem Ende des Schreib- und Bearbeitungsprozesses näherten, erinnere ich mich, dass er bei einem dieser letzten Besuche sagte: »Weißt du, dieses Buch wird Menschen und ihre Pferde verändern.« Er hielt inne. »Es wird sich auch für dich einiges ändern.«

Mein Hauptanliegen war damals nur, das Buch fertigzustellen und an den Verlag zu schicken, bevor es aus dem Zeitplan gestrichen werden konnte und ich gezwungen wäre, den Vorschuss zurückzuzahlen. Der Gedanke, dass es für irgendjemanden etwas ändern könnte – besonders für mich – war mir bis dahin überhaupt nicht in den Kopf gekommen.

Aus diesem Grund hatte ich damals keine Ahnung, wie prophetisch Scotts Worte werden würden.

EIN BLICK ZURÜCK

Gepflanzte Samen

Ein Tag mit einem großartigen Lehrer ist besser als tausend Tage fleißigen Lernens.

Japanisches Sprichwort

In den ersten paar Absätzen von »Considering the Horse« wird dem Leser Walter vorgestellt, der alte Horseman, von dem ich zu lernen begann, als ich noch recht jung war. Er war ein Mann weniger Worte. Wenn Walter sprach, besonders wenn es um Pferde ging, benutzte er seine Worte normalerweise eher als Katalysator, um zum Nachdenken anzuregen und um Anweisungen zu geben.

Auf den ersten Seiten von »Considering the Horse« erzählte ich eine Geschichte, in der Walter und ich zu einer benachbarten Ranch fuhren, um eine Ladung Heu zu holen. Dort hielten wir an, um ein paar Cowboys zu beobachten, die eine junge Stute in einem Roundpen »zuritten«. Die Stute wurde mit einem Lappen über den Augen an einen Pfosten gebunden, während man ihr einen Sattel auf den Rücken schnallte.

Ich habe in der Geschichte erklärt, wie ich das folgende Rodeo, als der Reiter auf dem Rücken saß und die Stute losgelassen wurde, ziemlich aufregend fand. Ich hatte so etwas noch nie zuvor gesehen und keine wirkliche Erfahrung mit Pferden außer dem, was ich in den zweitklassigen Western-Filmen der damaligen Zeit sah. Daher nahm ich einfach an, dass das, was ich erblickte, die Arbeit mit Pferden war.

Bis Walter, der neben mir auf dem alten, verwitterten Zaun saß, mitten in der Aufregung eine einfache Frage stellte: »Was glaubst du, wie sich das Pferd dabei fühlt?«

Dies ereignete sich vor mehr als fünfzig Jahren, und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie oft mir diese Frage seitdem durch den Kopf gegangen ist. Es schien, als ob sie irgendwo tief in meinem Unterbewusstsein lebt, still auf der Lauer liegt und plötzlich auftaucht, wenn ich feststelle, dass ich in einem Pferd übermäßigen Stress auslöse. Sie entwickelte sich zu einem vertrauten Sicherheitsventil und hat mir im Laufe der Zeit ermöglicht herauszufinden, wie ich potenziell unglücklichen Situationen vorbeugen kann, bevor sie tatsächlich zu einer werden.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich kam im Laufe der Jahre in viele Situationen, in denen diese Frage auftauchte, während ich mit einem gestressten Pferd arbeitete, nur um mich dann komplett darüber hinwegzusetzen. Meistens führte meine unkluge Entscheidung dazu, dass die Situation viel chaotischer wurde, als es sein musste, und später habe ich es immer bereut.

Obwohl diese Momente besonders in den letzten Jahren immer seltener geworden sind – aus Gründen, über die wir später sprechen werden – heißt das nicht, dass ich mich nicht weiterhin auf diese im Unterbewusstsein verborgenen Worte von Walter in allen möglichen Situationen verlasse.

Ehrlich gesagt glaube ich, dass vieles von dem, was ich während der gemeinsamen Zeit mit ihm mitbekommen habe, in meinem Unterbewusstsein schlummerte, bis ich anfing, »Considering the Horse« zu verfassen. Es war erstaunlich und in gewisser Weise auch ziemlich beruhigend, wie viele Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit hochkamen, als ich anfing zu schreiben. Eine Erinnerung führte zu einer weiteren, dann zu einer nächsten und noch einer.

Allerdings waren nicht alle dieser im Unterbewusstsein vorhandenen Erinnerungen so hilfreich wie andere. Damals, in den späten 1990er Jahren, nachdem ich die Rancharbeit aufgegeben hatte, um an verschiedenen Orten Reitkurse zu geben, tauchte ein Typ namens Tim Hayes in einer der allerersten Kurse auf, die ich gebeten wurde zu halten. Der Kurs fand im April an einem Ort etwas außerhalb von Los Angeles, Kalifornien, statt, und Tim, der in New York lebte, hörte irgendwie davon und flog hin, um daran teilzunehmen. Er lieh sich ein Pferd zum Reiten, und in den nächsten vier Tagen wurden Tim und ich Freunde.

Wir blieben danach in Kontakt und ein paar Wochen vor Weihnachten desselben Jahres rief er an und fragte, ob er zwischen Weihnachten und Neujahr zu uns nach Colorado kommen könnte, um uns ein paar Tage zu besuchen, über Pferde zu sprechen und vielleicht zu helfen, wo es nötig sei. Ich sagte ihm, dass aufgrund des unvorhersehbaren Wetters zu dieser Jahreszeit nicht viel los sein würde, außerdem seien die meisten unserer Pferde auf der Winterweide, aber er sei auf jeden Fall willkommen, uns Gesellschaft zu leisten.