Ausgewählte Predigten - Petrus Chrysologus - E-Book

Ausgewählte Predigten E-Book

Petrus Chrysologus

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Beschreibung

Petrus Chrysologus ("Petrus der Goldredner, ca. 380 - ca. 450) war von etwa 433 bis zu seinem Tod Bischof von Ravenna. Er ist als "Doktor der Homilien" bekannt, weil er während seiner Zeit als Bischof prägnante, aber theologisch reichhaltige Betrachtungen anstellte. Er wird von der römisch-katholischen Kirche und der orthodoxen Ostkirche als Heiliger verehrt und wurde 1729 von Papst Benedikt XIII. zum Kirchenlehrer erklärt. In diesem Band finden sich ausgewählte Predigten aus seiner Amtszeit.

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Seitenzahl: 462

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Ausgewählte Predigten

 

PETRUS CHRYSOLOGUS

 

DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER

 

 

 

 

 

 

Ausgewählte Predigten, Petrus Chrysologus

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849660833

 

Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522

 

Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

I. Vorträge über das Matthäus-Evangelium... 2

II. Vorträge über das Markusevangelium... 76

III. Vorträge über das Lukas-Evangelium... 89

IV. Vorträge über das Johannes-Evangelium... 126

V. Vorträge über die Briefe Pauli143

VI. Vorträge über die Psalmen. 163

VII. Vorträge über das apostolische Glaubensbekenntnis. 169

VIII. Thematische Homilien ohne Anlehnung an einen Schrifttext183

Fußnoten. 203

 

 

Ausgewählte Predigten

 

Bibliographische Angaben:

 

Titel Version: Ausgewählte Predigten (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Ausgewählte Predigten In: Des heiligen Petrus Chrysologus Erzbischofs von Ravenna ausgewählte Predigten . Aus dem Lateinischen übers. von G. Böhmer. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 43) München 1923.

 

 

 

 

I. Vorträge über das Matthäus-Evangelium

 

Erster Vortrag: Über die Stelle:“Mit der Geburt Christi verhielt es sich so…” bis “fand es sich, dass sie vom Hl. Geist empfangen hatte.” Mt 1,18

 

Jedesmal, wenn nach Vollendung des Kreislaufes eines Jahres der Tag der Geburt des Herrn herannaht und der Glanz der Jungfrauengeburt die ganze Welt mit feurigem Glanze überstrahlt, enthalten wir uns aus Absicht, nicht aus Furcht, der Predigt. Welcher Geist möchte sich auch erkühnen, hervor zutreten bei der Geburt des göttlichen Königs selbst? Wenn die Strahlen der Sonne hervorbrechen, wird das Auge des Menschen geblendet, wenn aber Gottes Licht erstrahlt, wie sollte dann nicht erlöschen aller Geister Licht? Erst jetzt also, wo sich unsere Sinne wieder erholt haben von dem Glanze dieses neuen Lichtes, ist es an der Zeit, dass auch wir, die wir die Geburt des Herrn im Fleische geschaut haben, betrachten das Geheimnis seiner Gottheit selbst “Mit der Geburt Christi”, sagt der Evangelist, “verhielt es sich so.”1

Brüder! Wenn wir diese Worte verstehen wollen, dürfen wir sie als göttliche Worte nicht nach Menschenweise wägen; abzulegen ist menschliche Auffassung, wo alles göttlich ist, von dem die Rede ist. So ist die Geburt Christi nicht ein gewöhnliches Ereignis, sondern ein Zeichen2 ; nicht das Werk der Natur, sondern das Werk [göttlicher] Kraft; nicht geschehen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, sondern ein Beweis [göttlicher] Macht; sie ist ein Wunder des Himmels, nicht zu erfassen mit dem menschlichen Verstande. Was soll davon die Weisheit dieser Welt begreifen? Was soll hier forschen der Scharfsinn des Fleisches? “Mit der Geburt Christi”, heißt es, “verhielt es sich so.”

Nicht heißt es: “So ist sie geschehen”, sondern: “So war sie”; denn Christi Geburt war schon vor dem Vater, als er aus der Mutter geboren wurde. Was er3 war, war er immer; was4 geschah, wurde ihm gegeben; er war Gott, er wurde Mensch; aus dem Mutterschoß nahm er uns5 an, er, der uns gebildet hatte aus dem Kote.

“Als Maria, seine Mutter verlobt war”6 .

Es hätte genügt, zu sagen: “als Maria verlobt war”. Was aber heißt das: eine Mutter-Braut? Wenn sie Mutter, dann war sie nicht Braut; wenn sie Braut, dann war sie noch nicht Mutter! “Als Maria, seine Mutter, verlobt war.” Durch ihre Jungfräulichkeit ist sie Braut, durch ihre Leibesfrucht Mutter; Mutter, ohne einen Mann zu erkennen, und doch ihrer Empfängnis bewußt! Oder wie? War sie nicht schon vor der Empfängnis Mutter, sie, die nach der Geburt Jungfrau-Mutter blieb? Oder wann war sie denn einmal nicht Gebärerin, sie, die den Schöpfer aller Zeiten gebar, der Welt ihren König gab?7 Die jungfräuliche Natur ist immer Mutter, wie sie immer eine Stiefmutter ist, wenn sie verdorben ist. Das ist also die Auszeichnung der Jungfräulichkeit, dass sie durch Gott als Jungfrau wiedergebiert, was eine Jungfrau8 durch Gott geboren hat. Gott und jungfräuliche Unversehrtheit haben einen himmlischen Bund geschlossen, die Jungfräulichkeit mit Christo vereinigt, ist die vollkommenster Machtverbindung. Dass eine Jungfrau empfängt, ist ein Ehrengeschenk des Hl. Geistes, nicht Wirkung des Fleisches; dass eine Jungfrau gebiert, ist ein Geheimnis Gottes, nicht das Werk des ehelichen Umganges; dass Christus geboren wird, ist die Tat der Allmacht Gottes, nicht eines schwachen Menschen; die Fülle der göttlichen Herrlichkeit ist da, wo das Fleisch nichts von Unehre erkennen läßt.

“Als seine Mutter Maria mit Joseph verlobt war, fand es sich, ehe sie zusammenkamen, dass sie vom Hl. Geiste empfangen hatte.”9 Woher kommt es, dass einer Braut und nicht einer Freien das Geheimnis der himmlischen Unschuld übergeben wird? Woher kommt es, dass so durch die Eifersucht des Bräutigams die Braut selbst Gefahr läuft? Woher kommt es, dass eine so große Tugend als ein Verbrechen, sicheres Heil als Gefahr an gesehen wird? Woher kommt es, dass die Schamhaftigkeit unter Unschuldigen so sehr leiden muß, dass die Unschuld unterliegt, die Keuschheit erniedrigt, die Treue verletzt wird? Woher kommt es, dass eine Anklage erhoben wird, die Anschuldigung [den Beleidigten] quält, eine jede Entschuldigung unmöglich gemacht wird? Denn wer möchte wohl eine Braut entschuldigen, die eine Empfängnis anklagt? Oder was wird ein äußerer Verteidiger nützen, wenn die Tat selbst als ein innerer Zeuge redet? Brüder! Was staunen wir? Weder die Punkte noch die Buchstaben, weder die Silben noch die Worte, weder die Namen noch die Personendes Evangeliums entbehren des göttlichen Sinnbildes. Eine Braut wird gesucht, damit durch sie versinnbildet werde die Kirche als Braut Christi nach den Worten des Propheten Osee: “Ich werde dich mir verloben in Gerechtigkeit und Recht, in Gnade und Erbarmung; ich werde dich mir verloben in Treue”10 . Daher sagt auch Johannes: “Wer die Braut hat, ist Bräutigam”11 , und der hl. Paulus: “Ich verlobte euch einem Manne, Christo, als reine Jungfrau darzustellen”12 . Sie [die Kirche] ist in Wahrheit eine Braut, welche durch eine Jungfraugeburt wiedergebiert die neue Kindschaft Christi [durch die Taufe]. Joseph wird als Bräutigam genommen, damit er erfülle das Vorbild des Leidens Christi, das in jenem Joseph13 vorgebildet war.

Joseph zog sich den Haß [seiner Brüder] zu durch seine prophetischen Träume: Christus lud den Neid [der Juden] auf sich, durch seine prophetischen Gesichte; Joseph wurde in die Zisterne des Todes14 ge worfen, stieg aber lebendig aus ihr hervor: Christus wurde dem Grabe des Todes übergeben, ging aber lebendig aus dem Grabe hervor; Joseph wurde verkauft: Christus wurde nach Geldwert eingeschätzt; Joseph wurde nach Ägypten geführt: Christus wurde auch nach Ägypten verbannt; Joseph verteilte unter das hungernde Volk in reichlicher Fülle Brot: Christus sättigte durch das Brot des Himmels die Völker, die auf der ganzen Erde weilen. So ist es klar, warum dieser Joseph das Vorbild des himmlischen Bräutigams bedeutete, sein Bild an sich trug, ihn vorbedeutend wandelte Eine Maria wird seine Mutter genannt. Und heißt Maria nicht Mutter?15 “Die Sammlungen der Wasser”, heißt es, “nannte er Meere [maria]”16 . Hat dies17 nicht das Volk, das aus Ägypten auszog, in dem einen Mutterschoß empfangen, um es aus demselben wieder neugeboren hervor zubringen als ein himmlisches Geschlecht zu einer neuen Schöpfung nach den Worten des Apostels: “Unsere Väter waren alle unter der Wolke und gingen alle durch das Meer, und alle wurden auf Moses in der Wolke und in dem Meere getauft”?18 Und damit eine Maria immer dem Heile der Menschheit vorauseile, ist sie mit Recht im Liede dem Volke vorangegangen, das durch die Wogen des Meeres als Mutter ans Licht gebracht wurde: “Maria” heißt es, “die Schwester Aarons, nahm die Pauke in ihre Hand und sprach:”Laßt uns singen dem Herrn, denn glorreich ward er verherrlicht!"19 Dieser Name ist in Wahrheit ein prophetischer Name, den wiedergeborenen eine Rettung, das Kennzeichen der Jungfräulichkeit, der Schmuck der Keuschheit, der Ruhmestitel der Reinheit, das Weihegeschenk Gottes, die Kraft der Gastlichkeit20 , der Mittelpunkt der Heiligkeit. Mit Recht also ziemt dieser mütterlicher Name der Mutter Christi.

Wir haben nun gesagt, warum eine Braut Mutter, warum Joseph der Bräutigam war, warum Maria der Name einer Mutter zukomme, um zu zeigen, dass bei der Geburt Christi alles geheimnisvoll gewesen sei; jetzt wollen wir noch mit anderen Gründen erklären, warum eine Braut auserkoren wurde zur Geburt Christi. Isaias hatte vorhergesagt, dass eine Jungfrau gebären solle den Gott des Himmels, den König der Erde, den Herrn des Erdkreises, den Wiederhersteller der Welt, den Bezwinger des Todes, den Wiederbringer des Lebens, den Urheber der Unsterblichkeit. Wie betrübend dies für die Weltmenschen, wie erschreckend für die Könige, wie furchterregend für die Juden war, bezeugt die Geschichte der Geburt Christi selbst. Denn sobald die Juden durch die Worte der Weisen hörten, dass Christus geboren sei, sobald Herodes davon Kunde bekam, bemühten sich gleich die Juden, Christum zu verderben, Herodes ihn zu töten; während sie einen Thronfolger fürchte ten, versuchten sie den Erlöser aller zu verderben. Und schließlich, da sie ihn nicht finden konnten, verwüsteten sie seine Geburtsstätte, mischen die Milch mit Blut, töten in mörderischer Wut seine Geburtsgenossen; sie zerreißen die Genossen der Unschuld, da sie keine Schuldgenossen zu strafen fanden21 . Wenn sie nun dies tun, nachdem Christus geboren war, was hätte wohl diese wilde Rotte getan, wenn sie gehört hätte von der Empfängnis Christi? Das ist der Grund, warum ein Bräutigam genommen wurde, warum der Schein einer ehelichen Verbindung gewahrt wurde, damit das Wunder verheimlicht, das Zeichen verdeckt, die Geburt aus einer Jungfrau verhüllt würde, damit dem Verbrechen kein Raum gegeben würde, die Nachstellungen der Wütenden vereitelt würden. Wenn Christus, der zwar dem Tode geweiht war, schon im Mutterleibe getötet worden wäre, würde der Tod zu schnell hinweggenommen haben, was gekommen war, uns zu retten. Weil uns aber diese Stelle [der Hl. Schrift] noch viel Stoff geben kann zur Erklärung, so möge es uns für heute genügen, Brüder, das Geheimnis des Herrn nur vorverkostet zu haben.

 

Zweiter Vortrag: Über die Stelle: „Mit der Geburt Christi verhielt es sich also…“ bis:„denn er wird sein Volk erlösen von seinen Sünden.“ Mt 1,18-21

 

Heute, Brüder, werdet ihr hören, wie uns der hl. Evangelist das Geheimnis der Geburt Christi erzählt. „Mit der Geburt Christi“, heißt es, „verhielt es sich also. Als seine Mutter Maria mit Joseph verlobt war, fand es sich, ehe sie zusammenkamen, dass sie vom Hl. Geiste empfangen hatte. Joseph aber, ihr Mann, gedachte, da er gerecht war und sie nicht ins Gerede bringen wollte, sie heimlich zu entlassen“22 . Wie ist denn der gerecht, der glaubte, über die Schwangerschaft seiner Braut keine Untersuchung anstellen zu sollen, der nicht nachforschte nach der Ursache der eingetretenen Schande, der die Ehre des Ehebettes nicht rächt, sondern preisgibt?23 . „Er gedachte, sie heimlich zu entlassen.“ Ein solches Verhalten scheint mehr einem liebenden als einem gerechten Manne zu ziemen; doch so urteilt der Mensch, aber nicht Gott. Vor Gott gilt keine Liebe ohne Gerechtigkeit und keine Gerechtigkeit ohne Liebe; nach himmlischer Auffassung gibt es keine Rechtlichkeit ohne Güte und keine Güte ohne Rechtlichkeit. Sobald man diese Tugenden voneinander trennt, verfallen beide; Rechtlichkeit ohne Güte ist Rohheit und Gerechtigkeit ohne Liebe Grausamkeit.

Joseph war also in der Tat gerecht, weil er liebte, und er liebte, weil er gerecht war. Deshalb also war er frei von Grausamkeit, weil er die Liebe erwog; weil er die Angelegenheit in Ruhe überdachte, wahrte er sich sein Urteil; indem er die Strafe aufschob, entging er dem Verberechen; indem er dem Ankläger aus dem Wege ging, traf ihn auch nicht die Verurteilung. Gewiß klopfte ihm sein heiliges Herz, durch das unerhörte Ereignis gewaltig erregt; denn [vor ihm] stand seine Braut, schwanger und doch eine Jungfrau; sie stand da im Besitze ihres Leibessegens, doch ihrer Unschuld nicht beraubt; sie stand da, selbst in Sorgen wegen ihrer Empfängnis, aber ihrer Unversehrtheit gewiß; sie stand da vor ihm im Schmucke ihres Muttersegens, aber nicht entblößt der Ehre der Jungfräulichkeit. Was sollte der Bräutigam diesen Tatsachen gegenüber tun? Sollte er sie des Verbrechens anklagen? Aber er war doch selbst der Zeuge ihrer Unschuld! Sollte er sie für schuldig erklären? Aber er war doch selbst der Wächter ihrer Unschuld! Sollte er ihr Ehebruch vorwerfen? Aber er war doch selbst der Beschützer ihrer Jungfräulichkeit! Was sollte er also tun? Er gedenkt, sie zu entlassen, weil er sie einerseits nicht dem öffentlichen Gerede preisgeben, andererseits nicht das Geschehnis verheimlichen konnte. Er gedenkt, sie zu entlassen, und stellt das Ganze Gott anheim, weil er es einem Menschen nicht anvertrauen kann. Brüder! So laßt auch uns, so oft uns eine Sache beunruhigt, der Schein uns trügt, das Äußere der Angelegenheit uns das Innere nicht erkennen läßt, das Urteil vermeiden, die Straffe zurückhalten. das Verdammungsurteil nicht aussprechen, laßt uns das Gange Gott anheim geben, damit wir nicht, indem wir vielleicht leichtfertig über einen Unschuldigen die Strafe zu verhängen trachten, uns selbst ein Strafurteil sprechen, wie der Herr sagt: „Mit dem Gerichte, mit dem ihr richtet, werdet auch ihr gerichtet werden“24.

Sicherlich wird, wenn wir schweigen, Gott re den; der Engel wird Antwort geben, der auch dem Joseph also [mit seiner Mahnung] zuvorkam, die Unschuldige nicht zu verlassen, indem er sprach: „Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, dein Weib, zu dir zu nehmen; denn was in ihr erzeugt ward, ist vom Hl. Geiste. Sie aber wird Mutter eines Sohnes werden, und du sollst ihm den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk erlösen von seinen Sünden“25 . „Joseph, Sohn Davids.“ Ihr seht, Brüder, dass mit der Person auch das Geschlecht genannt wird; ihr seht, dass in dem einen [d. i. Joseph] die ganze Verwandtschaft aufgezählt wird; ihr seht, dass in Joseph der ganze Stammbaum Davids erwähnt wird. „Joseph, Sohn Davids.“ Geboren aus dem achtundzwanzigsten Stamme26 : wie kann er anders Sohn Davids heißen, als weil [durch ihn] das Geheimnis der Geburt eröffnet, die Treue der Verheißung erfüllt, die übernatürliche Empfängnis der himmlischen Geburt im Schoße der Jungfrau bereits angezeigt wird? „Joseph, Sohn Davids.“ Mit diesem Worte war an David die Verheißung Gottes, des Vaters, ergangen:„Der Herr schwor David Wahrheit, und er wird sie halten: von deines Leibes Frucht will ich [einen] setzen auf deinen Thron“27 . Als schon geschehen rühmt er in diesem Psalme: „Es sprach der Herr zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten“28 . „Von der Frucht deines Leibes“: ganz in Wahrheit eine Leibesfrucht, ganz recht aus dem Schoße einer Mutter; denn der göttliche Gast, der Bewohner des Himmels, stieg so herab in die Wohnung des Schoßes einer Mutter, ohne das Siegel des Leibes zu verletzen; so ging er aus der Wohnung des Schoßes hervor, ohne dass die jungfräuliche Pforte sich öffnete, so dass in Erfüllung ging, was gesungen wird im Hohen Liede:

„Ein verschlossener Garten bist du, meine Schwester, meine Braut; ein verschlossener Garten, eine versiegelte Quelle“29 . „Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht!“ Der Bräutigam wird ermahnt, wegen der Umstände der Braut nicht zu fürchten; denn ein wahrhaft liebendes Gemüt fürchtet mehr, wenn es mit [anderen] leidet. „Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht!“: wenn du sicher bist über ihre Unschuld, unterliege nicht ob der Unkenntnis dieses Geheimnisses! „Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht!“ Was du an ihr siehst, ist Tugend, kein Verbrechen; hier liegt kein menschlicher Fehltritt, sondern göttlicher Einfluß30 vor; hier ist Belohnung, keine Schuld; hier ist ein Geschenk des Himmels, nicht eine Schwächung des Körpers31 ; hier findet keine Bloßstellung einer Person statt, sondern hier waltet das Geheimnis des Richters32 ; hier ist der Sieg des Rechtes, nicht die Strafe der Verurteilung; hier hat nicht der Mensch veruntreut, sondern Gott einen Schatz hinterlegt, hier ist nicht die Ursache des Todes, sondern des Lebens. Und darum fürchte dich nicht, denn sie, die das Leben gebiert, verdient nicht den Tod33 . „Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, dein Weib, zu dir zu nehmen.“ Dass die Braut hier Weib genannt wird, geschieht nach dem Gesetze Gottes. Wie sie also Mutter ist, trotzdem ihre Jungfräulichkeit unversehrt bleibt, so wird sie Gattin genannt, trotzdem ihre Keuschheit unberührt ist. „Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria dein Weib zu dir zu nehmen; denn was in ihr erzeugt ward, ist vom Hl. Geiste.“

Nun mögen kommen und hören, die da fragen, wer der sei, den Maria geboren hat! „Was in ihr erzeugt ward, ist vom Hl. Geiste.“ Kommen mögen sie und hören, die mit griechischer Verwirrung die lateinische Klarheit zu umnebeln sich bemühten und sie schmähten als „Menschen und Christusgebärerin“, um ihr den Namen „Gottesgebärerin“ zu rauben.34 „Was in ihr erzeugt ward, ist vom Hl. Geiste.“ Was vom Hl. Geiste geboren ist, ist Geist35 , denn „Gott ist Geist“36 . Was forschest du also darnach, wer der ist, der vom Hl. Geiste erzeugt wurde, da er doch die als Gott selbst die Antwort gibt, dass er Gott sei? da doch Johannes dich anklagt, wenn er sagt: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Und das Wort, Gott, ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen“37 . Johannes sah seine Herrlichkeit, sah auch seine Verunglimpfung durch den Ungläubigen: „Was in ihr erzeugt ward, ist vom Hl. Geiste“. „Und wir haben seine Herrlichkeit gesehen.“ Wessen Herrlichkeit? Dessen, der erzeugt wurde vom Hl. Geiste, dessen, der als „Wort ist Fleisch geworden und unter uns gewohnt hat“. „Was in ihr erzeugt ward, ist vom Hl. Geiste.“ Die Jungfrau empfing, aber vom Hl. Geiste; die Jungfrau gebar, aber den, von dem Isaias vorausgesagt hat: „Siehe die Jungfrau wird in ihrem Schoße empfangen und einen Sohn gebären, und seinen Namen wird man nennen Emanuel, d. h. Gott mit uns“38 . Gott mit uns, mit jenen [Gemeint sind die Irrlehrer] der Mensch: „Verflucht sei, der seine Hoffnung setzt auf einen Menschen“39 . Hören sollen das, die da fragen, wer der sei, der von Maria geboren wurde. „Sie40 wird Mutter eines Sohnes werden“, sagt der Engel, „und du sollst ihm den Namen Jesus geben.“ Warum Jesus? Der Apostel sagt: „Auf dass im Namen Jesu sich die Knie aller beugen, die im Himmel, auf Erden und unter der Erde sind“41 . Und du, du listiger Untersucher, du fragst jetzt noch, wer Jesus sei: „Jede Zunge bekennt ja schon, dass der Herr Jesus ist in der Herrlichkeit Gottes des Vaters“42 , und du fragst noch, wer dieser Jesus sei?

„Sie wird Mutter eines Sohnes werden, und du sollst ihm den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk erlösen.“ Nicht [das Volk] eines anderen wird er erlösen. Wovon? „Von seinen Sünden.“ Wenn du den Christen nicht glaubst, dass er Gott sei, der die Sünden vergibt, so glaube es, du hartnäckigster Ungläubiger, den Juden, die sagen: „Du bist ein Mensch, und du machst dich selbst zu Gott“43 , und: „Wer kann Sünden vergeben als nur Gott allein?“44 . Jene erkannten ihn als Gott nicht an, weil sie nicht glaubten, dass er Sünden nachlasse; und du glaubst, dass er Sünden vergeben könne, zögerst aber, ihn als Gott zu bekennen? „Das Wort ist Fleisch geworden“, damit das Fleisch des Menschen erhoben werde zur Herrlichkeit Gottes, nicht damit Gott hinabgezogen werde zur Erniedrigung im Fleische, wie der Apostel sagt: „Wer sich mit dem Herrn verbindet, ist ein Geist mit ihm“45 , und wie soll Gott nicht einer [mit ihm] sein, wenn Gott sich mit dem Menschen verbindet? Menschliche Gesetze erklären nach Ablauf von dreißig Jahren alle Streitsachen für ungültig, und Christus steht schon fünfhundert Jahre46 lang wegen seiner Geburt auf der Anklagebank, ist wegen seiner Abstammung in einen Prozeß verwickelt, muß [heute noch] Untersuchungen über sich ergehen lassen wegen seines Standes! Irrlehrer! Laß ab, Gericht zu halten über deinen Richter, und bete im Himmel den als Gott an, den der Magier als Gott anbetete auf Erden47 .

 

Dritter Vortrag: Über die Stelle: “Als Jesus geboren war in Bethlehem Juda…” bis: “und kamen, ihn anzubeten.” Mt 2,1-2

 

Die kluge, vorbeugende Kunst des Arztes verwendet jedesmal gegen die tödlichen Krankheiten ein Gegengift in heilsamen Säften. Doch wenn es der Kranke gegen die [Vorschriften der] Wissenschaft, gegen die Anordnungen des Arztes, zu unrechter Zeit einzunehmen wagt, kann es für ihn Ursache einer Lebensgefahr werden, so es doch hätte gesund machen sollen. So ist es auch mit dem Worte Gottes: Für denjenigen, der ohne die Weisungen des Lehrers, ohne die Zucht des gläubigen Gemütes, ohne die Beachtung der Grundsätze des Glaubens48 als ein verwegener Zuhörer das Wort Gottes zu verstehen sich anmaßt, wird es ein Anlaß zum Verderben, wo es doch ist eine Quelle des Lebens. Darum müssen wir, Brüder, darnach trachten, dass uns nicht durch unkluges Auffassen dessen, was uns Gott zu unserem Heile aufzeichnen läßt, Schaden für unsere Seele entstehe. Glaubt ihr etwa, dass der Evangelist durch unsere heutige Lesung uns hätte belehren wollen, dass sternkundige Chaldäer49 , Magier, die den Sternen nacheilen, die des Himmels Weisungen erforschen im Dunkel der Nacht, die die Ursache des Werdens und Sterbens zuschreiben dem Laufe der Gestirne, die Glück und Unglück der Menschen festgesetzt glauben durch den Einfluß der Himmelslichter glaubt ihr etwa, dass der Evangelist uns hätte belehren wollen, dass sie die Geburt Christi, die der Welt noch verborgen war, entdeckt hätten durch die Führung des Sternes? Das sei ferne! So meint es die Welt, so glauben es die Heiden, so scheint es zwar der Text anzudeuten. Aber die Erzählung des Evangeliums verkündet nichts Menschliches, sondern Göttliches; nichts Alltägliches, sondern etwas Neues; nichts, was trügt durch Zauberkünste, sondern was wirklich ist durch Wahrheit;nichts, was die Augen blendet, sondern das Herz ergreift; nichts, was unsicher ist durch Zweifel, sondern was feststeht durch die Tatsache50 ; was von Gott kommt, nicht bewirkt ist vom Schicksal; was nicht mit Zahlen berechnet ist, sondern erworben ist durch Tugenden.

“Als Jesus”,heißt es, “geboren war in Bethlehem Juda, in den Tagen des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenlande nach Jerusalem und sagten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Denn wir sahen seinen Stern im Morgenlande und kamen, ihn anzubeten.”51 In der Geburt Christi wird geboren der Ursprung der Welt, wird erzeugt der Urheber des Menschengeschlechtes52 , wird geboren der Schöpfer der Natur, um die Natur wiederherzustellen, um die Menschheit zu erneuern, um den Ursprung wiederzubeleben. Adam, der erste Mensch, der Vater des Menschengeschlechtes, der Ursprung der Zeugung, hat durch seine Sünde das Glück der Natur, die Freiheit des Geschlechtes, das Leben der Nachkommen so verdorben, dass die beklagenswerte Nachkommenschaft an sich trug das Übel der Natur, die Knechtschaft des Geschlechtes, den Tod des Samens. Darum stellte Christus durch seine Geburt die Natur wieder her, überwand durch seinen Tod den Tod, belebte das Leben wieder durch seine Auferstehung. Und er, der dem Menschen die Seele gegeben hatte vom Himmel her53 , verlieh auch von dorther dem Menschen die Kraft, im Fleische zu bestehen, damit nicht irdische Makel wieder den himmlischen Sinn herabstürze in den Fall des Fleisches, wie der Apostel sagt: “Der erste Mensch von Erde ist irdisch, der zweite Mensch vom Himmel ist himmlisch, wie der Irdische, so auch die Irdischen, und wie der Himmlische, so auch die Himmlischen”54 , und der Evangelist Johannes: “Jeder, der aus Gott geboren ist, sündigt nicht, sondern die Geburt aus Gott bewahrt ihn”55 . Deshalb also wird Christus geboren, damit er die im Schoße der Erde Darniederliegenden erhebe zur [Teilnahme an der] himmlischen Natur. “Als Jesus geboren war in Bethlehem Juda.”

Bethlehem, Brüder, heißt in der hebräischen Sprache “Haus des Brotes”. Mit diesen Worten wird hingewiesen auf das Haus Juda, wird genannt sein Geschlecht, damit die Treue der Verheißung, die Wahrheit der Weissagung in Erfüllung gehe, die Jakob gegeben hat: “Juda! Dich werden deine Brüder preisen, deine Hände werden liegen auf dem Rücken deiner Feinde, und beugen werden sich vor dir die Söhne deines Vaters56 , und bald darauf:”Es wird nicht fehlen der Fürst aus Juda noch der Herrscher aus seinen Lenden, bis der kommt, dem das Erbe gehört57 , und der sein wird die Erwartung der Völker“58 und David ruft deshalb aus:”Juda, mein König!“59 .”Als Jesus geboren war in Bethlehem Juda in den Tagen des Herodes." Woher kommt es, dass zur Zeit des ruchlosen Königs Gott zur Erde herniedersteigt, dass sich die Gottheit mit dem Fleische vermischt60 , dass der Himmel eine Verbindung eingeht mit einem irdischen Leibe? Woher kommt das? Kam er denn damals nicht als ein wahrer König, um den Tyrannen zu vertreiben, das Vaterland zu rächen, den Erdkreis wiederherzustellen, die Freiheit wieder zurückzugeben? Herodes hatte ja als ein Abtrünniger des jüdischen Volkes das Reich an sich gerissen, die Freiheit aufgehoben, das Heiligtum geschändet, die Ordnung verwirrt und vertilgt, was an Zucht und was an Gottesverehrung noch geblieben war. Ganz mit Recht also kommt dem Menschengeschlechte göttliche Macht zu Hilfe, da ihm menschlicher Schutz fehlte; Gott selbst steht ihm bei, da kein Mensch da war, der ihm helfen konnte. So wird Christus dereinst wiederkommen, um den Antichrist zu vernichten61 , den Erdkreis zu befreien, die Heimat des Paradieses zurückzugeben, der Welt ewige Freiheit zu verleihen, die Knechtschaft der Welt zu zerstören. “Siehe, da kamen Weisen aus dem Morgenlande.”

Vom Lande der aufgehenden Sonne kommen Weise zu dem aufgehenden Lichte62 , damit er selbst die Ankommenden aufnehme, denen er zu kommen befohlen hatte. Denn wann würde der Weise Gott suchen, wenn es ihm Gott nicht befehlen würde? Denn wann hätte wohl der Sterndeuter den König des Himmels gefunden, wenn Gott es ihm nicht offenbart hätte? Denn wann hätte wohl der Chaldäer den einen Gott ohne Gottes Hilfe angebetet auf Erden, wo er am Himmel so vielen Göttern diente, als er Gestirne erblickte? Ein größeres Zeichen vom Himmel aber sind die Weisen als die Sterne; denn der Weise kennt den König der Juden, den Urheber des Gesetzes, der Jude kennt ihn nicht! Der Chaldäer bringt ihm Gaben, der Jude verweigert sie ihm, Jerusalem wendet sich ab und flieht, Syrien folgt [dem Stern] und betet an! “Siehe, da kamen Weise aus dem Morgenlande und sagten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir sahen seinen Stern.” Und was heißt das denn, dass er von ihnen gesehen wurde? Ganz recht hat der Apostel, wenn er sagt: “Da er [der Apostel redet von Christus] reich war, wurde er doch arm”63 . Obgleich er reich war in seiner Gottheit, wurde er doch arm in unserem Fleische und begnügte sich mit einem einzigen Stern, er, der das Weltall gemacht. hält und trägt. “Wir sahen seinen Stern.” Nun sieht mit einem Male der Weise den, der den Stern hält, aber nicht gehalten wird von dem Stern; der nicht bestimmt wird durch den Lauf des Sterns, sondern selbst den Lauf des Sterns bestimmt; der den Lauf des Sterns am, Himmel so leitet, so sein Kommen und Gehen regelt, so seinen Weg ihm vorschreibt, dass dieser dem Magier als Diener erscheint und ihm gesandt als Wegweiser. Denn der Stern wandert mit dem wandernden Weisen64 ; als der Weise sich lagerte, stand auch der Stern stille: als der Weise sich zur Ruhe legte, hielt der Stern die Wache. So nun sieht der Weise, dass dem Stern auferlegt ist der Zwang des Gehorsams in gleicher Weise, wie ihnen auferlegt ist die Reise. Und darum hält er den Stern nicht für einen Gott, sondern erkennt ihn als seinen Diener an, da er ihn so mannigfach seinen Diensten unterworfen sah.

“Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir sahen seinen Stern und kamen, ihn anzubeten.” Dadurch, dass sie sagten: Wo ist der neugeborene König der Juden? klingen ihre Worte nicht wie eine Frage, sondern wie Hohn65 . Wenn sie, die doch genaue Kunde hatten, diejenigen fragten, die nichts wußten. so tun sie das nicht, weil sie nichts wüßten, sondern sie beschuldigen jene der Nachlässigkeit, sie schelten sie als träge, sie verraten ihre Schlechtigkeit, sie geißeln ihre Hartnäckigkeit, sie klagen sie an, dass sie als Knechte nicht dem Herrn entgegengekommen seien. Denn was sollten sie bei Menschen suchen, wo sie doch von Gott das erfahren hatten, was sie suchten? Was sollte ihnen in dieser Sache die Erklärung durch einen Menschen nützen, wo ihnen doch des Himmels Gestirne diesen Dienst geleistet hatten? Was sollte ihnen die Leuchte des Tempels, wo ihnen doch leuchtete das Wundergestirn des Himmels? “Wo ist der neugeborene König der Juden?” Damit wollten sie sagen: Warum liegt der König der Juden in einer Krippe, und warum ruht er nicht im Tempel? Warum strahlt er nicht in Purpur, sondern liegt hart in den rauhen Windeln? Warum ist er verborgen in der Höhle, und warum liegt er nicht öffentlich im Heiligtum? Die Tiere haben den in ihre Krippe aufgenommen, den ihr in euer Haus aufzunehmen verschmäht habt. Denn es steht geschrieben: “Der Ochs kennt seinen Eigentümer, und der Esel seinen Herrn; du aber, Israel, hast deinen Herrn nicht gesucht!”66 . “Wir sahen seinen Stern.”

Nicht freiwillig erschien der Stern, sondern auf Befehl, nicht auf einen Wink des Himmels,67 , sondern auf Geheiß Gottes; nicht nach dem regelmäßigen Lauf der Gestirne, sondern als ein neues Wunderzeichen; nicht [glänzt er] durch die Reinheit des Himmels68 , sondern durch die Kraft des Geborenen; nicht künstlich berechnet, sondern von Gott gesandt; nicht durch die Wissenschaft der Astrologen, sondern wegen des Vorherwissens des Schöpfers, nicht nach arithmetischen Berechnungen, sondern nach göttlichen Bestimmung; durch übernatürliche Sorge, nicht durch des Chaldäers Wißbegier; nicht durch Zauberkunst, sondern nach jüdischer Prophezeiung. Sobald aber der Weise sah, dass menschliche Beobachtungen vergeblich seien, dass seine Künste ihn verlassen hätten, dass eitel seien die Bemühungen menschlicher Wissenschaft, dass die Anstrengungen aller Schulen69 zunichte geworden seien, dass die Schätze der Philosophie selbst ganz erschöpft seien, dass die Nächte des Heidentums gewichen, die Nebel der Tagesmeinungen verschwunden, dass selbst die Schattenbilder der Dämonen verscheucht seien, dass selbst der Stern nicht wie ein Komet mit wirrem Schweife, nicht verbergen könne das, was er verkünden sollte, und selbst sein Licht verhülle, sprach er also zu sich selbst: “Es ist recht, dass ich dich mit neuem Glanze, mit hellem Feuer und mit untrüglichem Lichte nach Judäa hin einen sehe, und dass du mir dort die Geburt des Königs zeigst, die wider das Gesetz dieser Welt, wider die Ordnung des Fleisches, wider die menschliche Natur geschene ist.” Und so legte er den Irrtum ab, folgt [dem Stern], eilt ihm nach, kommt zu ihm und findet ihn, freut sich, fällt nieder und betet an70 . Denn nicht durch den Stern, nicht durch seine Kunst, sondern durch Gott hat er zu seiner Freude gefunden den Gott in dem Fleische eines Menschen. So ist, Brüder, durch die heutige Lesung der Trug der Zauberer nicht bestätigt, sondern aufgelöst worden. Doch möge dies für heute genügen, damit das, was noch folgt, unter dem Beistande Gottes noch klarer werde.

 

Vierter Vortrag: Über die Stelle: „Als der König Herodes dies hörte, erschrak er…“ bis: „und opferten ihm, Geschenke, Gold, Weihrauch und Myrrhe.“ Mt 2,3-11

 

Oft haben wir [uns] gefragt, warum Christus so in die Welt gekommen sei, dass er die Enge des Mutterleibes [als Wohnung] nahm, dass er die Unbilden einer Geburt erduldete, dass er die Bande der Windeln ertrug, dass er sich eine armselige Wiege gefallen ließ, dass er durch seine Tränen die Nahrung einer Mutter sich erflehte, dass er die Stufen des Alters und seine Nöten ganz durchmachen wollte. Aber wie hätte er denn [anders] kommen sollen, er, der Gnade bringen, die Furcht verscheuchen und Liebe sich erwerben wollte? Die Natur belehrt uns alle, was ein Kinde vermag, was ein Lind verdient. Was ist doch ein Kind? Gibt es wohl eine Rohheit, die das Kind nicht besiegt? eine Wildheit, die ein Kind nicht besänftigt? eine Grausamkeit, die ein Kind nicht bezwingt? eine Härte, die ein Kind nicht erweicht? eine Rauheit, die ein Kind nicht mildert? Welche Liebe ist wohl, die ein Kind nicht verlangt? Welche Güte, die ein Kind nicht erzwingt? Welcher Dank, den ein Kind nicht auferlegt? Welche Liebe, die ein Kind nicht erlangt? Dass es so ist, wissen die Väter, fühlen die Mütter, erfahren alle; denn das menschliche Herz gibt davon Zeugnis. Darum wollte der [als Kind] geboren werden, der mehr geliebt als gefürchtet werden will. Und doch, hört, was dieses sanfte und gute und liebe Kind erfährt durch die Bosheit der Menschen! „Als der König Herodes“, heißt es,„dies hörte, erschrak er und ganz Jerusalem mit ihm. Und er versammelte alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und fragte sie, wo Christus geboren werden sollte.“71

Wenn Jerusalem, wenn der König, wenn die Schriftgelehrten, wenn die Hohenpriester bestürzt werden schon durch das Kind Christus was würden sie wohl tun, wenn Christus als ein erwachsener Mann plötzlich gekommen wäre, wenn er im Glanze seines Reichtums und seiner Macht, mit gefährlichen und fremden Völkerscharen gekommen wäre? Auf Zeit und Alter und Armut und Eltern nahmen diese Menschen keine Rücksicht, sondern sobald sie hören, dass er geboren sei, bereiten sie dem kaum Geborenen den Tod, dem Unschuldigen Nachstellungen, dem Guten frevelhafte Anschläge. Gegen einen Wehrlosen zücken sie das Schwert, bieten ganze Kriegerscharen auf gegen einen, dem wimmernden Kinde drohen sie mit Mord, der Mutter mit Strafe. Und damit Gewalt sich mische mit Blut, kündigt die Grausamkeit den Kleinen in der Wiege an herzlosen Krieg, durchbohrt mit Pfeilen der Mütter Brüste, stößt die Schilde gegen den Schoß der Mutter, nur um dieses göttliche Kind, noch ehe es die Welt betreten hat, in das Grab hinabzustoßen. Mag auch der König Herodes aus Liebe zu seiner Herrschaft, aus Furcht vor einem Thronfolger, gezwungen gewesen sein, solches zu tun, warum denn aber Jerusalem? Warum, die Hohenpriester? Warum die Schriftgelehrten? Weil der Gottlose nicht die Geburt eines Gottes will, der Sklave nicht die eines Herrn, der Schuldige nicht die eines Richters, der Rebell nicht die eines Herrschers, der Treulose nicht die eines Untersuchers! Jerusalem hatte sich befleckt durch mannigfache Missetat; die Priester hatten das Heiligtum geschändet und, indem sie Handel trieben mit Sünden, die Macht der Verzeihung und der Liebe, die ihnen gegeben war, benützt zu schimpflichem Gewinn. Die Schriftgelehrten hatten die Lehre des Himmels, die heil bringende Wissenschaft, den Lehrstuhl des Lebens umgewandelt in grausame Denkart, zur Schlinge des Unglaubens, zum Geschwätz des Todes. Darum wollen sie nicht, dass Christus geboren werden sollte; darum, fürchten sie sein Leben, weil sie erkannt hatten, dass sie dann bald der Schande preis gegeben, dem Schimpf überliefert, aus dem Tempel vertrieben, des Priestertums entkleidet, der Einnahmen aus den Opfern beraubt werden müßten. Denn nachdem sie einmal von ihrer Leidenschaft entflammt, von ihrem Hochmut ergriffen, von ihren Lastern verwundet, von ihrer Eitelkeit berauscht, durch ihre Schwelgerei entkräftet waren, konnten sie nicht mehr auf Vergebung hoffen, weil sie an ihre Besserung nicht mehr glauben konnten.

Wenn ein guter Verwalter durch unausgesetzte Arbeit reiche Früchte zusammengeschafft hat, wünscht er, dass sein Herr komme, seinen Gewinn zu betrachten; ja er sehnt sich darnach zu seiner eigenen Freude. Wenn der fleißige Arbeiter das Werk der unternommenen Aufgabe vollendet hat, wünscht er, dass der Hausvater komme, damit er seinen Lohn empfange. Der treuergebene Soldat ersehnt nach dem Kampfe, nach dem Siege die Gegenwart seines Königs, damit er ihm lohne die Mühen und Wunden mit dem Lohne des Lorbeers. So wünscht auch der, welcher mit besiegter Kraft die Kämpfe dieser Welt zu Boden geschlagen hat, dass auch Christus komme zu seinem Siege; derjenige aber, der durch die Lockungen der Welt überwunden wegen der Strafe bangt, keine Verzeihung erhofft, wünscht nicht, dass er komme. Brüder! Laßt uns [darum] das Gute tun, das Böse meiden; laßt uns die Laster fliehen, den Tugenden folgen; laßt uns losreißen von der Gegenwart und nur die Zukunft bedenken; laßt uns streben nach unserem Reich, laßt uns trachten nach unserem Siege, laßt uns verlangen nach der Herrlichkeit, mit ganzer Seele eilen zur Krone! Doch nun wollen wir in unserer Rede wieder zurückkehren zu dem, was noch folgt.

„Dann“, heißt es, „berief Herodes heimlich die Weisen, fragte sie genau nach der Zeit des Sterns, der ihnen erschienen war, schickte sie nach Bethlehem und sprach: Gehet und forschet fleißig nach dem Kinde, und wenn ihr es gefunden habt, berichtet es mir, damit auch ich komme und es anbete.“72 Heimlich beruft er die Weisen, weil ein trügerischer Sinn, ein heuchlerisches Gewissen die Öffentlichkeit scheut. Heimlich beruft er die Weisen, weil der Dieb die Nächte liebt, weil der Räuber seine Nachstellungen im verborgenen bereitet. „Genau fragte er nach der Zeit des Sterns.“ Doch, wenn er auch fürchtet für sein Reich, das Zeichen des Himmels fürchtet er nicht, den Urheber der Zeit fürchtet er nicht. Was er schrickst du, Herodes? Bangst du vielleicht wegen eines Thronfolgers?73 Dem die Gestirne dienen, der wird nicht durch ein irdisches Reich eingeschlossen. „Gehet und forschet fleißig nach dem Kinde, und wenn ihr es gefunden habt, berichtet es auch mir!“ Herodes! du irrst: Der Magier hat den Befehl erhalten, anzubeten, nicht anzuklagen74 ; er ist gekommen, um Zeugnis abzulegen, nicht um zu verraten; ihm ward es verliehen, zu sehen, dir ist es nicht gegeben, zu finden. „Gehet und forschet.“

Als hätte es nicht genügt, dass die Weisen einmal fragten! Als die voll Liebe fragten, erhielten sie eine lieblose Antwort; die Nachricht von dem Heile wurde jenen, die sie mit bösem Herzen aufnahmen, zum Falle. Der boshafte Sklave vernimmt, dass sein Herr geboren worden sei, aber legt dem Herrn schon in die Wiege Fallstricke statt der Ehrenbezeugungen; er bereitet ihm den Tod, um der Knechtschaft zu entgehen! Doch weil Gott weder aufhören noch das Heil untergehen noch das Leben getötet werden kann, bleibt der Herr in seiner Ehre, der Sklave in seiner Schande; und zur Strafe wird hiabgezogen derjenige, der es verschmähte, zum Dienste zu kommen; und dem Tode wird überliefert, der nicht kommen wollte zur Gnade. „Gehet und forschet fleißig nach dem Kinde, und wenn ihr es gefunden habt, berichtet es mir!“ Mit Recht heißt es: renuntiate mihi!75 ; denn immer widersagt der dem Teufel, der zu Christus zu kommen sich beeilt; wenn der, der Christ werden will, von dem Priester [die Worte] hört:„Widersagst du dem Teufel?“ so antwortet er: „Ich widersage.“ Ganz mit Recht also sagt Herodes, dass die Weisen ihm widersagen sollten; denn er wußte, dass er des Teufels Platz einnehme, des Satans Rolle spiele. „Damit auch ich komme und anbete.“ Er will lügen, kann es aber nicht; hinkommen wird er, damit er sich winde unter der Folter, unterworfen werde der Strafe, überantwortet werde der Qual, er, der vorgab, anbeten zu wollen, um ihn zu töten. Die Weisen aber gelangten, nachdem sie den Wolken der jüdischen Treulosigkeit entronnen sind und unter dem heiteren Himmel76 des christlichen Glaubens den Stern, den sie früher gesehen hatten, wieder leuchten sahen, unter seinem Voranleuchten und seiner Führung hin zu der hochheiligen Geburtsstätte des Herrn.

„Und sie öffneten ihre Schätze und opferten ihm Geschenke: Gold, Weih rauch und Myrrhe.“77 . Gold dem Könige, Weihrauch dem Gotte, Myrrhe dem sterblichen Menschen; dem Herrn opferten sie dies zur Verehrung und allen denen, die später glauben werden, als die größten Schätze der Erkenntnis. So kehren sie in ihre Heimat wieder zurück auf dem Wege der Unschuld, sie, die die [Schleich]wege des betrügerischen Herodes zerstört hatten.

 

Fünfter Vortrag: Über die Stelle: “Es erschien ein Engel des Herrn dem Joseph im Traume…”bis: “denn Herodes wird das Kind suchen.” Mt 2,13

 

Wenn die Empfängnis einer Jungfrau, die Geburt aus einer Jungfrau unsere Predigt nicht erklären, der Sinn nicht fassen, der menschliche Verstand nicht begreifen kann, wer wagt dann zu sagen: Gott sei einem Menschen gleich geflohen? “Es erschien”, heißt es, “ein Engel des Herrn dem Joseph im Traume und sprach:”Nimm das Kind und seine Mutter und fliehe nach Ägypten!“78 . Wenn wir sagten, dass die Geburt Christi ein Werk der Liebe sei, was werden wir sagen, wenn wir lesen, dass er die Flucht ergriffen habe? Ungefähr so, wie wir sagten, dass er geboren wurde, um die Natur wiederherzustellen, können wir jetzt sagen, dass er geflohen sei, um die Flüchtlinge wieder zurückzurufen. Und in der Tat! Wenn er, um das irrende Schäflein zurückzuführen, selbst über die Gebirge dahinirrt79 , wie soll er nicht selbst die Flucht ergreifen, um die fliehenden Völker wieder zurückzuführen?”Nimm das Kind und seine Mutter und fliehe nach Ägypten!". Aber warum wird dieser himmlische Ratschluß so behandelt, dass der Sinn des Menschen verwirrt, der Geist betäubt wird, dass der Verstand beschwert, das Ohr stumpf wird, dass die Glaubenskraft wankt, die Hoffnung erzittert, ja selbst die Geneigtheit zu glauben untergraben wird?.

“Nimm das Kind und seine Mutter und fliehe nach Ägypten!” Ein Mensch verfolgt, und Gott flieht; die Erde rast, und der Himmel zittert; der Staub wirbelt auf, vor Furcht beben die Engel. Ja selbst der Vater ist in Furcht, wo der Sohn flieht! “Nimm das Kind und seine Mutter und fliehe nach Ägypten!” David floh, als Saul ihn verfolgte, nach Judäa, zog sich in ein benachbartes Land zurück80 ; dem Elias genügte das Haus einer einzigen Witwe zum Versteck81 . Und da Christus die Flucht ergreift, ist keine Stätte da, keine Provinz, ihn nimmt kein schützendes Vaterland auf. Als er auswandern mußte, genügten nicht die benachbarten Völker, nicht die angrenzenden Länder, sondern Ägypten. Das an Gewohnheiten, Sprache und Sitten barbarische Ägypten bereitet ihm in der Verbannung einen traurigen Aufenthaltsort. “Nimm das Kind und seine Mutter und fliehe nach Ägypten!” Wenn die Zuflucht der Welt entflieht, der Helfer aller sich verbirgt, wenn die alles stärkende Kraft erzittert, wenn der Schirmherr des Weltalls sich nicht zu schützen vermag, warum wird dann eines Menschen Flucht getadelt, warum die Furcht angeklagt, warum die Angst beschuldigt? Warum wird dem Petrus zum Verbrechen angerechnet, dass er leugnete?82 Dem Johannes, dass er zaghaft floh?83 . Den Jüngern allesamt, dass sie den Herrn verlassen haben vor Furcht?84 . Und wenn auch, Brüder, dies geschehen mußte warum wird es denn noch erzählt? warum in den Büchern berichtet? warum der Nachwelt überliefert? warum wird es zum Gegenstand täglicher Lesung gemacht? warum vor den Augen der Heiden offenbart? Sollte dadurch etwa jede Zunge. jeder Ort, jedes Alter, jede Zeit, sollte etwa die ganze Welt Kunde erhalten von dieser göttlichen Furcht? Denn gleich wie die Lektüre von Heldentaten das Gemüt anfeuert zur Begeisterung, so drückt die Schilderung schwacher Handlungen das Gemüt darnieder. Was will also der Evangelist, dass er dies aufzeichnete zum ewigen Gedächtnisse?

Es ist das Kennzeichen eines seinem Könige treuergebenen Soldaten, dessen Flucht zu verschweigen, aber seine Standhaftigkeit zu rühmen; seine Heildentaten zu verkünden, seine Befürchtungen zu verheimlichen; seine Tapferkeit bekanntzumachen, seine Schwächen zuzudecken, seine Niederlagen zu vertuschen, aber seine Siege zu preisen. Nur so dürfte er imstande sein, den Mut der Feinde zu brechen, und den Mut der Freunde anzufachen. Wenn also der Evangelist solches erzählt, scheint er eher das Gekläffe der Irrlehrer erhoben und den Gläubigen ein Verteidigungsmittel genommen zu haben. “Nimm”, heißt es, “das Kind und seine Mutter und fliehe nach Ägypten!” Zu fliehen, nicht abzureisen wird ihm befohlen. Zwang ist ihm auferlegt, nicht freier Willensentschluß; der Engel kündet ihnen eine geheime Verbannung an, nicht freien Verkehr, damit die Reise, an und für sich schon beschwerlich, auch noch beschwerlicher würde durch die Furcht! Es ist nunmehr Zeit, den Grund für eine solche Erzählung zu untersuchen. “Nimm das Kind und seine Mutter und fliehe nach Ägypten!” Wenn der Soldat im Kriege flieht, so tut er es aus List, nicht aus Furcht; wenn Gott vor dem Menschen flieht, so ist das ein Geheimnis, nicht Furcht, wenn der Mächtige zurückweicht vor dem Schwachen, so fürchtet er nicht den, der ihn verfolgt, sondern sucht ihn auf einen freien Platz zu locken. Denn wer einen öffentlichen Sieg über den Feind davonzutragen wünscht, will ihn auch in der Öffentlichkeit besiegen. Keiner wird es ertragen, einen heimlichen Zweikampf einzugehen, der seinen Triumph der Nachwelt verkündigen will. Ein Sieg im geheimen, eine Heldentat im verborgenen dient der Nachwelt nicht zum Vorbild. Darum geschah es auch, dass Christus floh, um der Zeit, nicht aber dem Herodes auszuweichen. Er, der gekommen war, den Sieg über den Feind davonzutragen, floh nicht vor dem Tode. Er, der gekommen war, die Winkelzüge der Bosheit des Teufels aufzudecken, erschrak nicht über die Nachstellungen der Menschen.

Auch fürchtete er sich damals nicht, als er als Kind seiner Menschheit nach die Furcht noch nicht kannte, als Gott aber über alle Furcht erhaben war. Brüder! Wäre Christus mit der ganzen Schar der unmündigen Kinder damals getötet worden, so wäre der Tod für ihn ein Verhängnis, nicht eine freie Willenstat gewesen; es wäre nicht Kraft, sondern Schwäche gewesen; Zwang, nicht Macht; es wäre zwar die Krone für seine Unschuld, nicht aber der Ruhm seiner Allmacht gewesen. Und vollends: was wäre geworden aus dem göttlichen Ausspruch: “Du sollst das Lamm nicht kochen in der Milch seiner Mutter”?85 . “Denn Herodes”, heißt es weiter, “will das Kind suchen.”86 Herodes suchte, vielmehr der Teufel suchte das Kind durch Herodes, sobald er sah, dass die Weisen, die er als Meister in ihren Zauberkünsten ansah87 , ihm entgangen seien. Wenn Christus noch in den Windeln eines Kindes, noch als Säugling an der Brust seiner Mutter, wenn er zu einer Zeit, wo er weder zu reden fähig noch einer Handlung mächtig, ja nicht einmal Fuß zu bewegen imstande war, die Fahnenträger des Teufels, die Weisen, in seine getreuesten Heerführer umzuwandeln vermochte, dann sah der Teufel wohl voraus, was Christus in reiferem Alter zu wirken imstande sein würde. Und darum regte er die Juden auf, stachelte den Herodes an, um dadurch dem schon als Kind für ihn so gefährlichen Christus zuvorzukommen, ihm im voraus die späteren Auszeichnungen seiner Wundertaten abzuschneiden, ihm als ein schlauer Betrüger die Fahne des Kreuzes, das für ihn das Zeichen des Todes, für uns das Zeichen des herrlichsten Sieges war, zu entreißen. Es fühlte der Teufel, er merkte, dass Christus durch seine Lehren und Wundertaten bald das Leben wiederherstellen und den ganzen Erdkreis für sich gewinnen würde, nachdem er schon in der Wiege die Häupter der weltlichen Gewalt88 an sich gezogen hatte, nach den Worten der Weissagung: “Ehe der Knabe weiß, seinen Vater und seine Mutter zu nennen, wird er die Macht von Damaskus und die Beute von Samaria an sich reißen”89 , was die Juden selbst beweisen, indem sie sagten: “Ihr seht, dass wir nichts ausrichten; siehe, alle Welt läuft ihm nach!”90 .

Christus hatte sowohl durch das Gesetz als durch die Propheten verheißen, dass er ankommen werde im Fleische, dass er aufsteigen werde durch die Stufen des Alters, dass er verkündigen werde die Herrlichkeit des himmlischen Reiches, dass er predigen werde die Lehre des Glaubens, durch die bloße Kraft seines Wortes die bösen Geister austreiben, den Blinden das Gesicht, den Lahmen den Gebrauch der Füße, den Stummen die Sprache, den Tauben das Gehör, den Sündern Nachlassung ihrer Sünden, den Toten das Leben wiedergeben werde91 Darum also, weil er dies alles erst im Mannesalter in Erfüllung bringen wollte, schob er in der Kindheit den Tod hinaus, nicht aber floh er vor ihm! Endlich weist der Evangelist darauf hin, dass die Flucht nicht aus Furcht vor der Gefahr, sondern wegen des Geheimnisses einer Weissagung geschehen sei; denn nachdem er gesagt hat: “Nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten”, fügte er alsbald hinzu:“damit erfüllt werde, was Gott durch den Propheten gesprochenm hat: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn berufen”92 . Christus also floh, damit feststände die Wahrheit des Gesetzes, die Glaubwürdigkeit der Verheißung, das Zeugnis des Psalmisten, wie der Herr selbst sagt: “Es war nötig, dass dies alles in Erfüllung ging, was im Gesetz des Moses, bei den Propheten und in den Psalmen von mir geschrieben steht”93 . Christus floh für uns, nicht für sich; Christus floh, um die Geheimnisse für geeignete Zeit aufzubewahren; Christus floh, um den späteren Wundertaten Kraft zu verleihen, indem er einerseits den Abtrünnigen den Stoff zur Ausrede nehmen, andererseits denen, die an ihn glauben wollen, die Glaubenszuversicht mehren wollte. Denn in der Zeit der Verfolgung ist es besser zu fliehen als zu verleugnen. Denn siehe: Petrus, der nicht fliehen wollte, verleugnete den Herrn94 ; Johannes entfloh, um ihn nicht zu verleugnen95 .

 

Sechster Vortrag: Über die Stelle: “In jenen Tagen trat Johannes der Täufer auf…” bis: “seine Nahrung aber waren Heuschrecken und Waldhonig.” Mt 3,1-4

 

Eben recht ist der hl. Johannes zur Fastenzeit als ein Lehrer der Buße zu uns gekommen, ein Lehrer in Wort und Tat, ein wahrer Lehrer. Denn was er im Worte lehrte, zeigte er durch sein Beispiel. Das Lehramt gründet sich auf das Wissen, des Lehramtes Wirksamkeit aber auf das Leben: wer selbst übt, was er lehrt, macht seine Zuhörerfolgsam. Durch Taten lehren ist die einzige Norm des Unterrichtes; nur in Worten unterrichten ist [bloßes] Wissen, [unterrichten] durch die Tat aber Tugend! Wahres Wissen ist nur dann vorhanden, wenn es gepaart ist mit Tugend; das ist nicht menschliche, sondern göttliche Weisheit, wie der Evangelist beweist, wenn er sagt: “Was Jesus von Anfang an tat und lehrte”96 . Wenn der Lehrer tut, was er lehrt, so belehrt er zugleich durch sein Wort und erzielt durch sein Beispiel. “In jenen Tagen”, heißt es, “trat Johannes der Täufer auf, predigte in der Wüste von Judäa und sprach:”Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe!"97

“Tut Buße!” Warum nicht vielmehr: “Freuet euch!”? Ihr sollt euch doch vielmehr freuen, wenn auf Menschliches Göttliches, auf Irdisches Himmlisches, auf Zeitliches Ewiges, auf Schlechtes Gutes, auf Ungewisses gewisses, auf Leiden Glückseligkeit, auf Vergänglichkeit Bleibendes folgt! “Tut Buße!” Buße tun soll, ja sicher Buße tun soll, wer Menschliches dem Göttlichen vorzieht, wer der Welt dienen und nicht die Herrschaft über die Welt mit dem Herrn der Welt besitzen sollte. Buße tun soll, wer leer mit dem Teufel zugrunde gehen als mit Christus herrschen wollte98 . Buße tun soll, wer, der Freiheit der Tugend entfliehend, ein Sklave der Laster sein wollte. Buße tun doll, und ganz Buße tun soll, wer immer, anstatt das Leben zu gewinnen, seine Hände nach dem Tode ausstreckte. “Denn das Himmelreich ist nahe!” Das Himmelreich ist der Lohn der Gerechten, das Gericht der Sünder, die Strafe der Gottlosen. Selig darum Johannes, der durch Buße dem Gerichte zuvorkommen wollte; er wollte nicht, dass das Gericht, sondern der Lohn den Sündern zuteil würde, und dass die Gottlosen eingehen möchten in das Reich und nicht in die Pein. Und damals schon kündigte Johannes an, dass das Himmelreich nahe sei, als die Welt, noch im Kindesalter stehend, erwartete die Vermehrung ihres Lebensalters. Und wie nahe ist nun das Reich Gottes, wo, wie wir wissen, die Welt bereits erschöpft ist im höchsten Greisenalter, ihrer Kraft beraubt ist, wo ihre Glieder erschlafft und ihre Sinne geschwunden sind, wo sie in Schmerzen dahinsiecht, der Heilung wider strebt, dem Leben abstirbt, noch in Krankheit lebt, ihre Ermattung selbst bekundet, ihr Ende selbst bezeugt! Wir sind verstockter als die Juden, weil wir der dahinschwindenden Welt nachlaufen, die zukünftige Zeit vergessen; weil wir nach der Gegenwart haschen und uns, obschon wir mitten im Gerichte stehen, dennoch nicht fürchten; weil wir nicht entgegeneilen dem bereits herannahenden Herrn, lieber den Tod als die Auferstehung der Toten erwarten; weil wir lieber dienen wollen als herrschen und so unseren Herrn selbst an der vollen Herrschaft hindern. Wo bleibt denn das Wort: “Wenn ihr betet, so sprecht: Zukomme uns dein Reich!”?99

Einer größeren Buße also bedürfen wir noch; denn nach der Größe der Wunde muß das Heilmittel bemessen werden. Brüder! Laßt uns Buße tun, schnelle Buße! Denn bereits ist uns die Spanne unseres Lebens beschnitten, die Stunde selbst schon beschlossen, das nahe Gericht beraubt uns der Möglichkeit, Genugtuung zu leisten. Es eile die Buße, damit die Strafe uns nicht zuvorkomme! Wenn der Herr noch nicht gekommen ist, wenn er noch wartet und zögert,100 , weil er nicht unseren Tod, sondern unsere Rückkehr ersehnt, wie er selbst in so großer Liebe zu uns immer gesprochen hat: “Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern dass der Gottlose umkehre auf seinem Wege und lebe!”101 . In Bußfertigkeit also, Brüder, laßt uns zurückkehren; fürchten wir nicht, die Zeit sei kurz; denn der Schöpfer der Zeit kennt keine Einschränkung durch die Zeit. Das beweist jener Schächer im Evangelium, der am Kreuze in der Stunde des Todes sich Gnade erbeutete, das Leben erlang te, das Paradies sich öffnete, den Eintritt ins Reich gewann102 . So laßt uns denn, Brüder, die wir bisher aus freiem Antrieb das Verdienst nicht gesucht haben, doch jetzt notgedrungen nach Tugend streben; laßt uns, damit wir nicht gerichtet werden, selbst unsere Richter sein; laßt uns, damit wir das Strafurteil von uns abwenden, uns selbst Buße auf erlegen! Das höchste Glück ist es freilich, sich stets der Unschuld zu erfreu en, allezeit unbefleckt zu bewahren der Seele und des Leibes Heiligkeit, nie zu empfinden die unreine Berührungen der Welt, nie zu tragen das Bewußtsein der Schuld, nie zu kennen die Wunden der Sünde, immer zu besitzen die Anmut der Tugenden, stets zu leben unter der Hoffnung auf die Belohnungen des Himmels. Aber wenn einmal unser Herz getroffen ist von dem Pfeil der Sünde; wenn das Fleisch aufwallt durch das Verbrechen; wenn durch den Geifer der Laster der gebrechliche Mensch verdorben ist: dann soll zu Hilfe kommen jenes Heilmittel der Buße, das lege man auf das [glühende] Eisen der Reue; dann bringe man herbei die Glut des [Seelen]schmerzes; dann wende man an das Heilmittel der Seufzer; dann kühle der Eifer die Glut des aufwallenden Gewissens; dann soll man abwaschen mit den Tränen den Eiter der Schuld; dann sollen Bußgürtel reinigen die Unreinheit des Leibes! Wer, wie er es sollte, die Gesundheit [der Seele] nicht bewahrt hat, der wende an, der gebrauche die bittere Arznei der Buße!

Wem sein Leben teuer ist, dem ist kein Mittel zu hart; der Arzt darf ihm nicht unwillkommen sein, wenn dieser ihn auch mit Schmerzen zum Heile zurückführt. Wer die ihm anvertraute Unschuld bewahrt hat, braucht nicht den Zins der Buße zu zahlen. Dies beweist der Herr selbst mit den Worten: “Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken”103 . Und wer diese Kranken sind, erklärt er, indem er hinzufügt: “Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu berufen, sondern Sünder”104 . Johannes ruft uns zurück durch seine Buße, Christus beruft und durch seine Gnade. Deshalb schreitet Johannes nach Kleidung, Lebenshaltung und Wohnrot ganz in der Gestalt der Buße einher: “Johannes der Täufer”, heißt es,“trat auf, predigte in der Wüste von Judäa und sprach: Tut Buße!” Durch die Wüsten von Judäa hin ließ Johannes den Ruf der Buße erschallen; denn diese105 hatten alle Vorschriften des Gesetzes, die Bemühungen der Propheten, die Fruchtbarkeit der Väter, die Früchte Gottes selbst durch ihre völlige Unfruchtbarkeit vernichtet. Deshalb werden sie mit Recht zur Buße gerufen, diese Wüsten, die nicht so fast von Menschen, sondern von jeder Zucht verödet waren. Doch die Stimme ruft, und keiner ist, der sie hört! “Johannes aber trug ein Kleid von Kamelhaaren.”106 Er hätte auch ein Kleid von Ziegenhaaren tragen können; denn er hatte kein Bußkleid verdient. Doch ertrug er die Haare jenes sehr gekrümmten Tieres107 , das kein gerades Glied, keine Anmut, keine Zierlichkeit besitzt, das die Natur bestimmt hat zu harter Arbeit, verurteilt hat zu den schwersten Lasten, ausgeliefert hat der schlimmsten Dienstbarkeit. Gerade mit solcher Kleidung geziemte es sich für den Lehrer der Buße sich zu bekleiden, damit alle, die von dem geraden Wege der Zucht sich abgewandt und sich durch die verschiedenen Sündenarten ganz verunstaltet hatten, der schweren Last der Buße sich unterzögen, die großen Beschwerden der Genugtuung auf sich nähmen, die mühsamen Seufzer der Reue ertrügen, bis sie, wie eine Nadel geschmeidig und zurecht gemacht, hindurchgehen könnten durch die enge Öffnung der Buße in das weite Reich der Gnade, damit so in Erfüllung ginge, was der Herr gesagt hat: “dass ein Kamel durch ein Nadelöhr zu gehen vermöge”108 .

“Seine Nahrung aber waren Heuschrecken und Waldhonig.”109 . Die Heuschrecke, so oft zur Züchtigung der Sünder gebraucht, sinnbildet treffend die Nahrung der Buße, indem sie, von der Stätte der Sünde hinüberspringend, zur Stätte der Buße, sich emporzuschwingen vermag auf den Flügeln der Gnade zum Himmel! Dies meinte auch der Prophet, wenn er sagte: “Wie ein Schatten, der sich neigt, werde ich hinweggerafft und werde ich verscheucht wie eine Heuschrecke. Meine Knie werden kraftlos vor Fasten, und mein Fleisch zehrt ab um der Erbarmung willen”110 Hörst du, wie er von der Sünde verscheucht ist zur Buße gleich einer Heuschrecke, und wie er beugte seine Knie, um der Buße Lasten auf sich zu nehmen? Dazu nahm er als Nahrung Honig, damit die Bitterkeit der Buße gemildert werde durch die Süßigkeit der Erbarmung!

 

Siebter Vortrag: Über die Stelle: “Dann wurde Jesus vom Geiste in die Wüste geführt…” bis: “das aus dem Munde Gottes kommt.” Mt 4,-14

 

Was menschliche Wißbegier, was der Alten Forschergeist, was der Welt Weisheit suchend und lange suchend nicht finden konnte, das läßt uns die göttliche Offenbarung111 so leicht wissen und nicht wissen. Woher das Übel? Woher die Schuld? Woher die Macht der Laster? Woher die Flut der Verbrechen? Woher der Kampf des Fleisches? Woher der Kampf der Seele? Woher des Lebens große Not? Woher des Todes so grauenvoller Schiffbruch? Alles dies wüßte der Mensch nicht, wenn die Offenbarung Gottes112 es uns nicht gezeigt hätte als Werk des Teufels113 . Satan ist des Übels Urheber, die Quelle der Bosheit, der Feind der Welt, des glücklichen Menschen nimmermüder Hasser; er ist es, der die Schlinge legt, den Fall bereitet, die Grube gräbt, den Untergang verursacht, die Fleischeslust erregt, die Geister gegeneinander aufreizt; er ist es, der die Gedanken eingibt, die Zornesausbrüche auslöst, die Tugend ausliefert dem Haß, die Liebe preisgibt dem Laster; er ist es, der den Irrtum sät114 , Zwietracht nährt, den Frieden zerstört, die Liebe verjagt, die Einheit zerreißt; er ist es, der immer nur Böses, nie Gutes sinnt; er ist es, der Gotteswerk verletzt und Menschenwerk versucht. Ja, bis an Christus selbst wagt er sich heran, der verwegene Versucher, wie es heißt: “Und als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, darnach hungerte ihn. Und der Versucher trat herzu und sprach zu ihn: Wenn du Gottes Sohn bist, sprich, dass diese Steine Brot werden!”115 Die dies vernehmen, sollen aufhören, gegen Gott zu eifern; sie sollen nicht die Natur beschuldigen, den Schöpfer nicht schmähen, das Fleisch nicht anklagen, über den Geist sich nicht beschweren, den Zeiten keine Schuld zuweisen, nichts den Sternen zur Last legen,116 . Sie sollen davon ablassen, die unschuldige Natur zu schmähen; sie sollen gestehen, dass das Böse hinzugekommen ist, nichts Geschaffenes ist117 ; sie sollen Gott als den Schöpfer des Guten, den Teufel aber als den Erfinder des Bösen anerkennen, und so sollen sie dem Teufel des Böse, Gott aber das Gute zuschreiben. Sie sollen das Böse meiden, das Gute tun; sie sollen in ihren guten Werken Gott zum Helfer haben, der das Können gibt zu dem, was er befiehlt, und selbst das tut, was er befiehlt118 .

Denn wie der Teufel uns treibt zum Bösen, so führt uns Gott zum Guten. Niemand soll also den Lastern folgen, als seien sie ihm anerschaffen; niemand soll der Natur zuschreiben, was eine Tat des Lasters ist, sondern er soll mit Christus die Waffen des Fastens ergreifen und so die anstürmenden Laster vertreiben, das Heer der Verbrechen zu Boden werfen und unter der Fahne Christi den Sieg erringen über den Urheber des Bösen. Ist nämlich der Teufel besiegt, dann werden die Laster keine Gewalt mehr haben; denn wenn der Herrscher getötet ist, lösen sich die Heere des Herrschers auf in wilder Flucht. Vernimm, was der Apostel sagt:“Wir haben nicht zu kämpfen wider Fleisch und Blut, sondern wider die Geister der Bosheit in den Himmelshöhen”119 . “Dann”, heißt es, “wurde Jesus vom Geiste in die Wüste geführt.”120 . Nicht vom Teufel; es sollte sein der Lauf eines Gottes, nicht das Gehen eines Menschen; es sollte sein das Werk des allwissenden Gottes, nicht der menschlichen Unwissenheit; es sollte sein ein Erweis der Kraft Gottes, nicht aber der Macht des Feindes. Der Teufel sucht immer die Anfänge des Guten zu verhindern; er untergräbt schon die ersten Versuche der Tugend; das Werk der Heiligkeit sucht er schon gleich beim Entstehen zu ver tilgen. Er weiß ja, dass er es nicht mehr unterwühlen kann, wenn es einmal festgeggründet ist. Wohl wußte dies Christus, und doch gestattete er dem Teufel, ihn zu versuchen, damit der Feind durch seine eigene Schlinge gefesselt und gefangen würde, eben dadurch, wodurch er glaubt, fangen zu können, und damit er, so von Christus besiegt, auch den Christen nicht mehr nahen könnte. “Und als er”, heißt es, vierzig Tage und vierzig Nächste gefastet hatte"121