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VIEL MEHR ALS NUR EINE AFFÄRE von MARY LYNN BAXTER Emma kann seinen zärtlichen Küssen kaum widerstehen - doch gerade, als sie bereit ist, sich in eine leidenschaftliche Affäre mit diesem attraktiven Fremden zu stürzen, erfährt sie: er hat sie belogen. Weder heißt er Burt, noch ist er zufällig in ihrer Heimatstadt. WENN AUS VERLANGEN SCHICKSAL WIRD von OLIVIA GATES Selene genießt leidenschaftliche Stunden mit dem Erzfeind ihrer Familie. Danach verschwindet Aristedes Sarantos jedoch und lässt sie mit gebrochenem Herzen zurück. Als sie ihn wiedersieht, weiß Selene: Der stolze Grieche darf nie erfahren, dass jene Nacht ihr ganzes Leben verändert hat … EIN UNWIDERSTEHLICHER TRAUMPRINZ von BRENDA JACKSON Sexy vom Stetson bis zu den Stiefeln - und Mitglied einer der reichsten Familien: Ramsey Westmoreland ist ein Traumprinz für alle Frauen. Deswegen will Chloe ihn auch für das Titelbild ihrer Zeitschrift haben - und als es dann heftig zwischen ihnen knistert, will sie ihn auch für sich.
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Seitenzahl: 607
Mary Lynn Baxter, Olivia Gates, Brenda Jackson
BACCARA EXKLUSIV BAND 194
IMPRESSUM
BACCARA EXKLUSIV erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
Erste Neuauflage in der Reihe BACCARA EXKLUSIVBand 194 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
© 2006 by Mary Lynn Baxter Originaltitel: „To Claim His Own“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Eleni Nikolina Deutsche Erstausgabe 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1445
© 2011 by Olivia Gates Originaltitel: „The Sarantos Secret Baby“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Sarah Heidelberger Deutsche Erstausgabe 2012 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1711
© 2010 by Brenda Streater Jackson Originaltitel: „Hot Westmoreland Nights” erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Andrea Greul Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1657
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 05/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733726782
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
Calhoun Webster blieb vor Überraschung einen Moment der Mund offen stehen. Dann presste er die Lippen fest zusammen. Sein Anwalt und Freund Hammond Kyle lächelte nachsichtig. „Deine Sprachlosigkeit ist verständlich. An deiner Stelle ginge es mir wohl nicht anders.“
„Willst du mich auf den Arm nehmen, Kyle?“, verlangte Cal zu wissen. „Wenn ja, dann hast du einen ganz schön miesen Humor.“
„Beruhige dich, Cal. Niemals würde ich dich in einer so ernsten Angelegenheit auf den Arm nehmen.“ Hammond fuhr sich mit der Hand durch das schüttere graue Haar. „Wie ich dir eben schon sagte, du bist Vater. Du hast ein Kind. Einen Sohn, um genau zu sein.“
Cal stieß heftig die Luft aus. Er war blass geworden und fühlte sich plötzlich unglaublich erschöpft. Die Anstrengungen wegen seines Auftrags in Kolumbien steckten ihm noch in den Knochen, und er wurde schnell müde. „Macht es dir etwas aus, wenn ich mich setze?“
„Ich wollte es dir selber gerade vorschlagen.“ Wieder umspielte ein Lächeln die Lippen des Anwalts. „Es wäre mir sehr unangenehm, wenn ein erwachsener Mann mitten in meinem Büro einfach umkippte.“
Cal warf ihm einen finsteren Blick zu, während er sich in einen der bequemen Sessel vor Hammonds schwerem Schreibtisch fallen ließ. Unzählige Fragen schwirrten ihm durch den Kopf, aber er konnte keine Ordnung in sie bringen.
Er hatte einen Sohn?
Das war unvorstellbar.
Unmöglich.
Nein, nicht unmöglich, aber es musste ein Irrtum sein. Das war es, nichts als ein Irrtum.
Cals Stimmung hob sich ein wenig bei diesem Gedanken, und er setzte sich etwas gerader auf. „Es muss sich um einen Irrtum handeln.“
„Das glaubst du doch selbst nicht“, antwortete Hammond ruhig.
„Aber Connie lebt nicht mehr“, erwiderte Cal fast verzweifelt. „So viel habe ich auch schon mitbekommen.“
Hammond warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. „Deine Exfrau war schwanger, als sie dich verließ, behielt das aber offensichtlich für sich.“ Er seufzte tief. „Kommt immer wieder vor und lässt den armen Teufel von Vater wie einen Idioten dastehen, wenn er es schließlich doch herausfindet.“
Cal biss die Zähne zusammen, gleichzeitig umklammerte er die Armlehnen des Sessels so fest, dass die Knöchel an seinen Händen weiß wurden. „Miststück“, sagte er mehr zu sich.
„Das wusstest du doch schon, als du sie geheiratet hast“, bemerkte Hammond ungerührt.
„Stimmt. Aber ich weiß immer noch nicht, warum sie mir nichts von ihrer Schwangerschaft gesagt hat.“ Cals Stimme hatte etwas von ihrer Lebhaftigkeit wiedergewonnen.
„Wenigstens musstest du nicht beides auf einmal erfahren, ihren Tod und die Existenz des Babys.“ Hammond hielt kurz inne. „Wenn dir das ein Trost ist.“
Cals Miene wurde finsterer. „Mit wem war sie zusammen, als sie getötet wurde? Ich weiß, dass sie nicht allein war.“
„Nachdem Connie dich verlassen hat, ließ sie sich mit irgend so einem Biker ein. Sie kamen beide bei dem Unfall ums Leben.“
„Waren sie verheiratet?“
„Nicht dass ich wüsste. Es heißt, dass sie zusammenlebten.“
„Woher weiß ich dann, dass es mein Kind ist?“
„Dein Name steht auf der Geburtsurkunde“, sagte Hammond.
Cal sprang auf und griff nach dem Dokument, das sein Anwalt ihm reichte. Nachdem er es geprüft hatte, trat er ans Fenster und starrte hinaus in den strahlenden Sonnenschein.
Über ein Jahr lang hatte er sich diesen Luxus, für alle deutlich sichtbar vor einem Fenster zu stehen und keine Angst um sein Leben zu haben, nicht leisten können. Sein Job als Undercover-Agent der Regierung hatte ihn gezwungen, ständig auf der Hut zu sein, da er sich überwiegend im gefährlichen Drogenmilieu bewegt hatte.
Bevor er zum Geheimdienst gegangen war, hatte Cal sich eigentlich für einen recht normalen Mann gehalten, der vielleicht ein wenig hitziger und störrischer war als die meisten. Dann hatte er Connie Jenkins geheiratet, und sofort waren ihm Zweifel gekommen, ob er wirklich so normal war, wie er immer angenommen hatte, denn die Heirat war der größte Fehler seines Lebens gewesen.
Nun, da er den Dienst quittiert hatte, konnte sein Leben wieder in normalen Bahnen verlaufen. Dennoch hatte er insgeheim ein ungutes Gefühl, obwohl er nach außen hin sehr ruhig wirkte. Seit er sich mit dem Abschaum der Menschheit befasst hatte, wusste er nicht mehr so genau, wohin er gehörte oder wer er war. Manchmal befürchtete er, er könnte inzwischen den Mistkerlen, mit denen er zu tun gehabt hatte, ähnlicher sein, als ihm lieb war. Eins wusste er allerdings genau. Er würde sich nie wieder in den Morast zurückziehen lassen, der ihn fast zerstört hätte.
Sein Blick fiel auf das Schreiben, das der Anwalt ihm gereicht hatte, und er zuckte zusammen. Wenn dieses Kind wirklich seins war – und er war noch lange nicht bereit, das zu glauben –, war er doch unmöglich in der Lage, ihm ein richtiger Vater zu sein.
Cal versank in Grübeleien, bis ihm eins klar wurde: Er mochte in vielerlei Hinsicht ein Hundesohn sein, aber er hatte noch nie seine Pflichten vernachlässigt und würde auch jetzt nicht damit anfangen. Wenn sich tatsächlich herausstellen sollte, dass in seinen Adern dasselbe Blut wie in den Adern des Kindes floss, wer weiß, vielleicht könnte er es lernen, sich um seinen Sohn zu kümmern.
„Cal, hörst du mir noch zu?“
Cal stieß heftig die Luft aus und wandte sich mit entschlossener Miene vom Fenster ab. „Ich versuche noch zu verarbeiten, was du mir da gerade gesagt hast.“
„Du kannst natürlich einen DNS-Test machen lassen“, sagte Hammond. „Und das solltest du wohl auch, da sie ja mit einem anderen Mann zusammengelebt hat.“
„Ich könnte auch vergessen, dass du mir je von dem Kind erzählt hast.“ Cal hob eine Augenbraue. „Das ist doch auch eine Möglichkeit, oder?“
Hammond zuckte die Achseln. „Das hängt natürlich ganz von dir ab.“
„Aber du weißt, dass ich das nicht tun werde“, fuhr Cal fort. „Wenn mein Name auf der Geburtsurkunde steht, dann ist es mein Kind, und ich nehme die Verantwortung an.“
„Das überrascht mich nicht, mein Freund. Du hast noch nie halbe Sachen gemacht. Für dich heißt es immer: alles oder nichts. Was wohl auch keine schlechte Lebensphilosophie ist.“ Hammond stemmte seinen langen, schlaksigen Körper aus dem Sessel und ging zur Bar, wo er sich eine Tasse Kaffee einschenkte. „Willst du auch einen?“, fragte er.
Cal schüttelte den Kopf.
Hammond nahm einen Schluck von seinem Kaffee und fuhr fort: „Andererseits solltest du dieses eine Mal besser schlafende Hunde ruhen lassen, wenn du verstehst, was ich meine. Vielleicht solltest du das Kind einfach vergessen und völlig unbelastet ein neues Leben beginnen. Das wäre in diesem Fall nicht das Schlechteste.“
„Für mich schon“, entgegnete Cal schroff.
„Es tut mir leid, dass ich dich gleich mit Problemen konfrontieren musste, wo du doch erst seit zwei Tagen wieder in der Stadt bist. Aber ich wollte, dass du es von mir erfährst, und nicht von den hiesigen Klatschmäulern. Du weißt doch, wie es hier bei uns in Tyler zugeht. Es ist wie in allen Kleinstädten in Texas. Dieser Ort ist nicht so groß, dass die Leute ihre Nachbarn nicht mehr kennen und sich nur um ihren eigenen Kram kümmern.“
„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich musste es erfahren, und ich erfahre es lieber von dir als von sonst jemandem. Dir kann ich wenigstens vertrauen.“
„Du kannst vielen Leuten vertrauen, Cal. Du hast Freunde, die froh darüber sind, dass du wieder in die Zivilisation zurückgekehrt bist.“
„Ich weiß, ich werde nur ein wenig Zeit brauchen, um mich davon zu überzeugen.“
„Es ist selbstverständlich, dass du nicht darüber sprechen kannst, was du durchgemacht hast oder wo du gewesen bist, aber war es tatsächlich so schlimm, wie es den Anschein hat?“
„Schlimmer“, sagte Cal knapp.
„Nun, wenigstens hast du es jetzt hinter dir.“
„Wenn mein Plan aufgeht, werde ich demnächst für eine Sicherheitsfirma arbeiten“, erwiderte Cal. „Dann habe ich es wirklich hinter mir.“
Hammond setzte sich und nippte an seinem Kaffee. „Ich dachte, man hätte dich schon eingestellt.“
„Das stimmt. Ich habe allerdings noch nicht endgültig zugesagt. Sie lassen mir sechs Wochen Zeit, mich zu entscheiden.“
„An der Neuigkeit über dein Kind kann es nicht liegen, dass du zögerst. Ich hatte den Eindruck, das war schon vorher der Fall.“
„Verdammt, Hammond, ich werde bei diesem Job wieder oft ins Ausland reisen müssen, wenn auch in sichere Gebiete.“
„Und?“
„Und ich möchte vielleicht zur Abwechslung auch mal ein bisschen Zeit in meiner Heimat verbringen.“
„Was also bedeutet, dass du dich außerhalb der Staaten aufgehalten hast.“
Cal sah seinen Freund aus zusammengekniffenen Augen an. „Das habe ich nicht gesagt.“
„Okay. Schon gut, ich weiß, deine Arbeit ist top secret.“
„Genau, also hör auf, nach Informationen zu angeln.“
Hammond verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. „Ich bin nur neugierig, mehr nicht.“
„Nun, das kannst du ein für alle Mal vergessen, weil mein Job bei Onkel Sam nie ein Thema zwischen uns sein wird.“
Hammond lächelte. „Ich wette, du warst verdammt gut in deinem Job, was für einer es auch war. Du hattest schon immer den Ruf, ein hartgesottener Kerl zu sein.“
„Du musst dich ausführlich mit meinem Exschwiegervater unterhalten haben.“ Cal hatte es nur als sarkastischen Scherz gemeint, aber als Hammond nicht darauf einging, sondern ihn nur weiter ernst ansah, gingen bei ihm alle Alarmglocken los. Allerdings war er auch darauf trainiert worden, auf alles Ungewöhnliche zu achten.
„Seltsam, dass du das sagst“, meinte Hammond und senkte den Blick.
„Hast du etwa wirklich mit Patrick Jenkins gesprochen?“
„Nein“, antwortete Hammond.
„Aber?“
Hammond seufzte und sah auf seine auf Hochglanz polierten Stiefel hinunter.
„Er hat das Kind“, stellte Cal entsetzt fest.
„Nein, seine Tochter Emma hat den Jungen.“
Cal stieß einen herzhaften Fluch aus.
„Ich wusste, dass dir das nicht gefallen würde.“
Cal fluchte noch einmal. „Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Der Mistkerl hasst mich, und seine Tochter tut es sicher auch, obwohl ich nie das Vergnügen hatte, sie kennenzulernen.“ Seine Stimme triefte vor Sarkasmus. Er hatte nie den Wunsch gehabt, die Beziehung zur Familie seiner Exfrau zu vertiefen. Wie die Dinge jetzt standen, würde er es sich allerdings anders überlegen müssen.
Cal fühlte sich angespannt und rieb sich den Nacken. „Persönlich ist es mir völlig egal, was sie von mir halten, aber …“
„Aber jetzt haben sie etwas, das dir gehört.“
„Da hast du verdammt recht.“
„Ich bin froh, dass du das sagst, Cal.“ Hammond erhob sich und füllte seine Kaffeetasse wieder nach. Sein sonst so freundlicher Gesichtsausdruck war verschwunden, und er sah Cal grimmig an. „Ich muss zugeben, dass die Zuversicht, die ich vorhin so gekonnt an den Tag gelegt habe, nicht ganz echt war. Ein bisschen habe ich schon befürchtet, du würdest einfach aus meinem Büro spazieren, wenn ich dir von dem Baby erzähle.“
„Das hätte ich wahrscheinlich auch tun sollen.“
„Keiner zwingt dich zu etwas. Ich ganz bestimmt nicht. Ich bin sicher, Logan …“
„So heißt der Kleine also“, unterbrach Cal ihn.
„Ja. Vielleicht war es Schicksal oder weiß der Kuckuck, was. Jedenfalls bin ich Jenkins neulich zufällig begegnet, und er hatte den Jungen bei sich.“
„Sieht er mir überhaupt ein wenig ähnlich?“, fragte Cal zögernd und kämpfte mit einer Unmenge verwirrender Gefühle, die ihn plötzlich überkamen. Zum Teufel mit Connie, dachte er ohne besondere Schuldgefühle.
Wenn das bedeutete, dass er gefühllos war, dann war das eben so. Man konnte ihm viel vorwerfen, aber nicht, dass er ein Heuchler war. Er hatte immer alles ohne Angst vor den Konsequenzen beim Namen genannt und ging keinem Feind aus dem Weg, wenn er ihn bekämpfen konnte. Deswegen hatte er es auch geschafft, einen der härtesten Drogenringe des Landes zur Strecke zu bringen, der auch international tätig gewesen war.
Aber diese Phase seines Lebens lag hinter ihm. Er musste lernen, sich in die Gesellschaft einzufügen und sich mit der Familie seiner Exfrau gut zu stellen. Und doch wurde ihm übel bei dem Gedanken, irgendetwas mit Patrick Jenkins und seiner zweiten Tochter zu tun zu haben.
„Es ist nicht so leicht zu sagen, wem ein Kind ähnelt. Jedenfalls für mich“, sagte Hammond schließlich. „Jetzt, da du weißt, wo Logan ist – wie ist dein Plan?“
„Ich habe keinen.“
„Jedenfalls kannst du nicht einfach so aus heiterem Himmel auf ihrer Türschwelle auftauchen.“
„Warum nicht?“
Hammond verdrehte die Augen. „Diese Frage verdient keine Antwort.“
„Connies Schwester hat mich noch nie gesehen.“
„Das heißt also, dass du zuerst zu ihr gehst?“
Cal zuckte die Achseln. „Vielleicht. Ich habe erst mal eine ganze Menge zu verdauen, bevor ich irgendwelche Schritte unternehme.“
„Genau. Und du weißt natürlich, dass ich dich in allem beraten werde, was die rechtliche Seite angeht.“
„Danke. Ich kann mir gut vorstellen, dass es Krieg geben wird.“
„Damit musst du wohl rechnen.“ Hammond stellte die Kaffeetasse ab. „Es war offensichtlich, dass Jenkins an dem kleinen Jungen hängt. Er wird ihn vermutlich nicht ohne Kampf hergeben. Und ich bin sicher, dass die Tochter genauso empfindet.“
„Was weißt du von ihr, abgesehen von ihrem Namen?“, fragte Cal.
„Sie ist Besitzerin einer gut gehenden Gärtnerei und liefert die Pflanzen für die Bürokomplexe, die die Firma ihres Vaters aus dem Boden stampft.“
Cal schnaubte verächtlich. „Patrick ist also immer noch im Baugewerbe tätig?“
„Ja, und er macht damit ein Vermögen.“
„Das hatte er schon, als ich noch mit Connie verheiratet war. Das war ja eins unserer Probleme. Sie war Daddys blonde Prinzessin, der man alles auf einem silbernen Tablett servieren musste.“
„Offenbar ist Emma ganz anders, aber wer weiß das schon so genau? Ich kann mich nur an Gerüchte aus Jenkins’ Kreisen halten.“
Cal schnaubte wieder. „Diese Leute sind das reine Gift, und wenn es nach mir geht, werde ich ihnen so weit wie möglich aus dem Weg gehen.“
„Es tut mir leid, dass du nach deiner aufreibenden Arbeit schon wieder in ein Wespennest gerätst.“
Cal zuckte die Achseln und ging zur Tür. „Ist ja nicht deine Schuld.“
Hammond folgte ihm und reichte ihm die Hand. „Lass von dir hören.“
„Oh, da kannst du sicher sein.“
„Und in der Zwischenzeit gehe es langsam an und gewöhne dich wieder an den Gedanken, dass es in dieser Welt auch anständige Menschen gibt.“
„Ja, okay“, sagte Cal und verließ das Büro.
Erst als er hinter dem Steuer seines neuen Jeeps saß, atmete er tief durch. Doch sofort fiel ihm das Gespräch mit Hammond wieder ein, und er schlug heftig mit der Handfläche auf das Lenkrad. Was in aller Welt sollte er nur tun? Er wollte seinen Sohn sehen – und andererseits auch wieder nicht. Lieber Himmel, allein das Wissen, dass er ein Kind hatte, war überwältigend.
Es war nicht leicht, eine Entscheidung zu treffen. Nach allem, was er durchgemacht hatte, war er kaum in der Verfassung, sich um ein Kind zu kümmern. Nicht, solange er jedes Mal, wenn er die Augen schloss, einen Kerl vor sich sah, der ihm eine Waffe an die Schläfe drückte und mit dem größten Vergnügen russisches Roulette mit seinem Leben spielte.
Wieder brach ihm der kalte Schweiß aus, und es wurde ihm übel. Am liebsten wäre er an den Straßenrand gefahren und hätte sein Mittagessen von sich gegeben. Irgendwie schaffte er es jedoch, sich zusammenzureißen, bis das Schwindelgefühl vorbei war und sein Herz wieder ruhiger schlug.
Na schön, das Leben hatte ihm noch einen Schlag versetzt, aber er würde es überstehen. Wenn Connie ihm wirklich einen Sohn geschenkt hatte, dann konnte ihn nichts auf der Welt davon abhalten, ihn sich wenigstens anzusehen. Was danach kommen würde … nun, das musste er entscheiden, wenn es so weit war.
Zunächst einmal musste er sich einen Plan machen, das war etwas, das er perfekt beherrschte. Vater und Tochter Jenkins ahnten nicht, was sie erwartete. Er war noch nie einer Herausforderung ausgewichen und würde es auch jetzt nicht tun. Zum ersten Mal seit er zu Hause war, gab es wieder ein Ziel in seinem Leben.
Und das war ein wundervolles Gefühl.
Was für ein wundervoller Frühlingstag.
Emma betrachtete den texanischen Himmel, dessen Schönheit von keiner einzigen Wolke beeinträchtigt wurde. Niemand hätte sich besseres Wetter wünschen können, schon gar nicht jemand, der seinen Lebensunterhalt unter freiem Himmel verdiente wie sie mit ihren Pflanzen. Allerdings erledigte sie selten die körperliche Arbeit. Die Gärtnerei gehörte ihr, und die Buchführung, die Bestellungen und die Verwaltungsarbeiten fesselten sie praktisch die ganze Woche an den Schreibtisch.
Aber es gab auch Tage wie diesen, an denen sie die Gelegenheit ergreifen und durch ihr Reich, wie sie es gern nannte, wandern konnte, um an den Rosen zu schnuppern und um sich an allem zu erfreuen, was sie erreicht hatte.
Ihr Vater hatte natürlich auch sehr viel mit dem Erfolg von „Emmas Baumschule“ zu tun. Er hatte ihr vor einigen Jahren das Startkapital geliehen, das sie ihm inzwischen wieder zurückgezahlt hatte. Aber es war vor allem ihre harte Arbeit gewesen, die die Gärtnerei zu dem gemacht hatte, was sie heute war. Es war ein typisches Emma-Projekt, denn wenn sie sich erst einmal zu etwas entschloss, dann gab sie nicht auf, bis sie ihr Ziel erreicht hatte.
„Du bist viel zu dickköpfig, Mädchen“, sagte ihr Vater ihr ständig, doch sie wusste, dass er ihre Hartnäckigkeit eigentlich bewunderte, weil er genauso war.
Bei dem Gedanken an ihren Vater erschien ein kleines Lächeln auf ihrem Gesicht. Sie war zwar nie seine Prinzessin gewesen – Connie hatte diese Ehre gehabt –, aber sie hatte immer Patricks Respekt gespürt.
Patrick Jenkins hatte mit seiner Baufirma Millionen verdient. Er hatte inzwischen das Rentenalter erreicht und könnte sich eigentlich zur Ruhe setzen, doch er lebte für seine Arbeit – und für seinen Enkelsohn.
Emma musste wieder lächeln. Ihr kleiner Junge war ihr wichtiger als jede Karriere. Er bedeutete ihr alles und gab ihrem Leben einen tieferen Sinn.
Sie war fünfunddreißig und immer noch ledig und wollte das auch nicht ändern, besonders jetzt, da sie die Vormundschaft für das Kind ihrer Schwester erhalten hatte. Es hatte zwar Männer in ihrem Leben gegeben, sogar einen besonderen, den sie vielleicht sogar geheiratet hätte, wenn die Umstände anders gewesen wären, aber das waren sie nicht, und sie bedauerte nichts.
Auch wenn sie nie mehr haben sollte als ihre Arbeit und das Kind ihrer Schwester, würde sie trotzdem zufrieden sein. Das Leben meinte es gut mit ihr.
„Hallo, mein Mädchen, wie läuft es heute Morgen?“
Emma drehte sich um und lächelte ihren Vater an, wobei sie die Arbeitshandschuhe auszog. „Wunderbar. Und bei dir?“
„Alles in Ordnung bei mir.“
Patrick sah allerdings nicht so aus und klang auch nicht so, als entspräche das den Tatsachen, und Emmas Herz zog sich beunruhigt zusammen. Seit ihre Schwester Connie bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen war, fürchtete sie sich vor dem Unerwarteten. Und wenn Patrick Jenkins nicht wie üblich ruhig und gefasst war, dann stimmte etwas nicht.
Emma versuchte sich ihre Unruhe nicht anmerken zu lassen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihrem Vater einen Kuss auf die raue Wange. Dann trat sie einen Schritt zurück und sah zu ihm auf. Mit seinen achtundsechzig Jahren bot er einen attraktiven Anblick. Er war immer noch sportlich und kleidete sich passend.
Jahrelang hatte er auf den Baustellen an der Seite seiner Männer in der heißen Sonne gearbeitet. Seine Haut war stark gebräunt und wies tiefe Falten auf. Er kniff immer leicht die Augen zusammen, als müsste er sie vor der brennenden Sonne schützen. Sein dunkles Haar war dicht und zeigte nicht die geringste Spur von Grau.
Patrick war ein gut aussehender Mann und hatte mehr als eine Gelegenheit gehabt, wieder zu heiraten, hatte sie allerdings nie ergriffen. Emma hatte immer gehofft, dass er seine Meinung noch änderte, aber jetzt, da Logan in ihr Leben getreten war, zweifelte sie sehr daran.
Der Kleine war Connies Sohn, und das machte ihn zu etwas Besonderem. Patrick hatte seine jüngere Tochter vergöttert und war davon überzeugt gewesen, dass sie nichts falsch machen konnte, obwohl sie sich seinen Wünschen widersetzt und einen Mann geheiratet hatte, den Patrick entschieden missbilligt hatte. Der viel zu frühe Tod seiner Lieblingstochter hatte ihn sehr viel mehr getroffen als der seiner Frau.
„Gibt’s Kaffee?“, fragte Patrick.
„Klar.“ Emma warf ihre Handschuhe zur Seite und ging auf das kleine Backsteingebäude zu, in dem sich ihr Büro und ihr Geschäftsraum befanden. Nachdem sie den großen, luftigen Raum betreten hatten, der nach frisch geschnittenen Blumen duftete, hielt Patrick abrupt inne und lächelte. „Was macht er denn hier?“
Emmas Blick folgte seinem zur weichen Spieldecke auf dem Boden, wo ihr achtzehn Monate alter Neffe dicht an seinen Teddybären, Mr. Wiggly, geschmiegt schlief.
„Er hatte heute Morgen ein wenig Temperatur und wollte nicht, dass ich weggehe.“
„Also wechselst du dich mit Janet ab?“
„Genau. Obwohl ich ihn wirklich nur sehr ungern mit ins Geschäft bringe.“
„Ach, ab und zu schadet das schon nichts“, meinte Patrick und sah seinen Enkel liebevoll an.
„Außer dass es ihn auf die Idee bringen könnte, er kann mich um den kleinen Finger wickeln und es zur Regel werden lassen.“
Patrick schnaubte amüsiert. „Das kann er doch sowieso schon.“
Emma warf ihm einen gespielt empörten Blick zu. „Ich weiß, dass ich ihn viel zu sehr verwöhne, aber ausgerechnet du kannst dich nicht darüber mokieren.“
Patrick lachte. „Ich sage doch auch nichts. Das wäre wie der Esel, der seinesgleichen Langohr schimpft.“
Emma holte zwei Tassen aus dem Schrank und schenkte sich und ihrem Vater Kaffee ein. Sie setzten sich und tranken ihren Kaffee, während sie das schlafende Kind betrachteten.
Schließlich sah Emma ihren Vater an. „Ich habe das Gefühl, dass dein Besuch nicht nur geselliger Natur ist, Dad.“
„Ist er auch nicht“, gab Patrick zu.
Emma spürte wieder leise Unruhe in sich aufsteigen. „Was ist los?“
„Nichts ist los. Zumindest hoffe ich das.“
„Warum hast du dann diese Leichenbittermiene aufgesetzt?“
„Wegen Cal Webster.“
Emmas Hände begannen zu zittern, und sie setzte ihre Kaffeetasse ab, weil sie befürchtete, sie könnte ihr aus der Hand fallen. „Was ist mit ihm?“, fragte sie leise.
„Er ist wieder in der Stadt.“
Ihr Vater hörte sich an, als würde er über eine unheilbare Krankheit sprechen. Emma presste unwillkürlich eine Hand auf ihre Brust, und ihr Blick ging zu dem kleinen Kind auf dem Boden. „Oh mein Gott“, flüsterte sie.
Patrick stand auf, machte ein paar Schritte und setzte sich wieder. Es war lange her, dass Emma ihren Vater so rastlos erlebt hatte – nicht seit dem Tag, an dem Connie gestorben war. Und auch da war er nicht wirklich rastlos gewesen, sondern am Boden zerstört und unvorstellbar wütend. Dieselbe Wut sah sie auch jetzt in seinem Blick.
„Dad …“ Ihre Stimme versagte.
„Ich glaube nicht, dass es Grund zur Panik gibt“, sagte Patrick rau. „Jedenfalls noch nicht.“
„Wie kannst du das sagen?“, rief Emma erregt.
„Ich habe die Neuigkeit von einem Freund, der ihn gesehen hat.“ Patrick hielt inne. „Ich glaube nicht, dass Webster überhaupt von Logan weiß.“
„Du glaubst nicht?“ Emma stand auf und ging nun ebenfalls nervös auf und ab. „Das reicht mir nicht.“
„Ich kümmere mich darum, Emma. Lass mir nur etwas Zeit. So wie ich Cal Webster kenne, hätte er schon längst an meine Tür geklopft, wenn er den leisesten Verdacht hätte, dass ich seinen Sohn habe.“
„Oh, Daddy, ich will ja nicht in Panik geraten, aber wenn ich mir vorstelle, wir könnten Logan verlieren …“
Patrick hob abrupt eine Hand, um Emma zum Schweigen zu bringen. Dann tätschelte er ihr den Arm. „Denk nicht an so etwas, Kind. Zumindest jetzt nicht. Bleib ganz ruhig. Selbst wenn er es herausfinden sollte, lasse ich nicht zu, dass der Mistkerl etwas erreicht. Er hat mir schon einen Menschen genommen, den ich liebte, und ich verspreche dir, dass er das nicht noch einmal tun wird.“
Emma entspannte sich ein wenig. Kaum jemand schaffte es, sich ihrem Vater in den Weg zu stellen und ungestraft davonzukommen. In dieser Stadt hatte Patrick Jenkins großen Einfluss, und er hatte keine Skrupel, ihn einzusetzen. Manchmal fragte Emma sich, ob er auch unfaire Methoden anwendete, um seinen Willen durchzusetzen oder einen Vertrag an Land zu ziehen, aber da sie dafür keinen Beweis hatte, dachte sie nicht länger darüber nach.
Es wäre in jedem Fall nutzlos gewesen. Sie wusste, dass sie ihn nicht ändern konnte, selbst wenn sie es versuchte. Und sie wollte es eigentlich auch gar nicht. Schon gar nicht, da es nun um Logan ging. Um ihn zu behalten, war ihr jedes Mittel recht, und sie würde jedes Opfer bringen und so ziemlich alles tun, um den Jungen nicht hergeben zu müssen. Und das bedeutete wohl, dass sie ihrem Vater ähnlicher war, als sie bisher gedacht hatte.
„Und was tun wir jetzt?“, fragte sie schließlich.
„Nichts.“
„Nichts?“
„Genau. Webster muss den ersten Schritt machen. Warum sollen wir ihn mit der Nase darauf stoßen, dass er einen Sohn hat? Ich wette, ein Kind wäre das Letzte, was er sich jetzt aufbürden lassen will. Als er mit deiner Schwester verheiratet war, war er völlig unberechenbar und wild und hatte selbst vor dem Teufel keine Angst. Wir halten schön still.“
„Deswegen konnte ich ja auch nie begreifen, warum sie ihn geheiratet hat.“ Emma schauderte.
„Einen Schlägertypen habe ich ihn immer genannt“, sagte Patrick grimmig. „Sein Vater war ein nichtsnutziger Tagedieb, der sich am Ende zu Tode trank. Und seine Mutter ist später dann an schierer Faulheit gestorben, glaube ich.“
„Kein Wunder, dass er so verwildert war“, sagte Emma traurig.
„Das entschuldigt sein Benehmen nicht“, fuhr Patrick auf.
„Aber das muss ihn zum Geheimdienst gezogen haben.“ Emma schauderte wieder. „Weiß der Himmel, was er da alles hat tun müssen.“
„Das werden wir nie erfahren“, sagte Patrick. „Und es ist mir auch völlig gleichgültig. Ich will den verdammten Hundesohn einfach nie wiedersehen müssen.“
Emma seufzte. „Es ist ganz gut, dass ich ihn nie kennengelernt habe.“
Als ihre Schwester sich mit Cal Webster zusammengetan hatte, hatte Emma in Europa studiert. Als sie zurückkam, war die Ehe schon am Ende gewesen.
„Schon das erste Mal als deine Schwester ihn mit nach Hause brachte“, sagte Patrick, „wusste ich, dass er Ärger bedeutete. Er war frech und arrogant, obwohl er kein Hemd auf dem Leib trug und im Grunde nichts als ein Hungerleider war.“
Emma konnte sehen, dass das Gespräch unangenehme Erinnerungen in ihrem Vater geweckt hatte. Sie ging zu ihm und legte ihm beschwichtigend eine Hand auf den Arm. „Ist schon gut, Daddy. Wie du schon gesagt hast, ist er wahrscheinlich nur auf der Durchreise und wird bald zu einem neuen Einsatz geschickt werden.“
„Das hoffe ich stark“, sagte Patrick giftig.
Bevor Emma etwas erwidern konnte, stieß Logan einen leisen Schrei aus. Sie lief sofort zu ihm und hockte sich neben ihn auf die Decke. „Hi, Süßer“, sagte sie lächelnd. „Mommy ist ja da. Und Grandpa auch.“
„Hi, kleiner Bursche“, sagte Patrick und zerzauste seinem Enkel das dunkle Haar. „Sei heute ein lieber Junge, dann spendiere ich dir nachher ein Eis, okay?“
„Eis“, wiederholte Logan mit einem breiten Lächeln.
„Wir sehen uns dann später, wenn du Feierabend hast“, sagte Patrick zu seiner Tochter. „Ich habe in zehn Minuten ein Meeting.“
Emma nickte. „Halt mich auf dem Laufenden wegen Webster.“
Patricks Miene war immer noch finster. „Das versteht sich von selbst.“
Nachdem er gegangen war, drückte Emma Logan so fest an sich, dass er sich zu beschweren begann.
„Entschuldige, mein Kleiner. Ich wollte dir nicht wehtun.“ Sie legte ihm eine Hand auf die Stirn, die sich wieder kühl anfühlte. Zum Glück hatte er kein Fieber mehr.
„Mama“, sagte Logan mit seinem unwiderstehlichen Grinsen.
„Oh“, rief Emma und riss die Augen auf. „Ich höre schon Mickeys Laster.“
„Laster“, wiederholte Logan fröhlich.
„Stimmt. Und das heißt, Mama muss gehen. Du bleibst bei Janet, und ich bin in einer Minute wieder da.“
Wie aufs Stichwort erschien ihre Assistentin im Raum und nahm Logan auf den Arm. Die Unterlippe des Kleinen begann sofort zu zittern.
„Ach, mein Süßer, es ist ja gut. Janet wird mit dir spielen, ja?“
Logan strampelte mit den Beinen, nickte und legte Emma die Arme um den Hals, um ihr einen nassen Kuss auf die Wange zu geben. Emma lachte glücklich, während sie hinausging.
Cal war gar nicht sicher, ob es eine gute Idee war. Vielmehr ahnte er, dass es reiner Wahnsinn war, und doch hatte er sich dazu entschlossen, den verrückten Plan in die Tat umzusetzen. Und jetzt war es sowieso zu spät, es sich anders zu überlegen. Er parkte schon vor der Baumschule seiner Exschwägerin, und sein Lastwagen war vollgeladen mit Pflanzen.
Zu seinem Ärger schwitzte er, als hätte er Holz gehackt oder sich sonst wie körperlich angestrengt. Sicher, dieser Frühlingstag war heißer als üblich, aber das war nicht der Grund. Zum Teufel, er war nervös. Fast hätte er laut aufgelacht, so absurd war diese Situation. Er hatte sich während seiner Einsätze in den anrüchigsten Sündenpfuhlen aufgehalten, die man sich vorstellen konnte, ohne sich eine Regung anmerken zu lassen, und bei dem Gedanken daran, einer harmlosen, gesetzestreuen Frau gegenüberzutreten, brach ihm der kalte Schweiß aus.
Nur wusste er eben, dass es nicht einfach irgendeine Frau war, sondern der Vormund seines Sohnes. Aber jetzt musste er seine Nervosität in den Griff bekommen, und das sollte ihm nicht schwerfallen. Wenn er es in seinem Beruf nicht geschafft hätte, die Kontrolle über seine Reaktionen zu behalten, hätte es seinen Tod bedeutet.
Mit einem leisen Fluch sprang Cal vom Lastwagen herunter. Obwohl er nicht mehr im Dienst war, hatte er sich innerlich immer noch nicht ganz davon befreit. Nun, darüber würde er später nachdenken. Im Moment hatte er Wichtigeres zu tun. Er packte sein Klemmbrett und ging zum vorderen Teil des Wagens. Als er Emma auf sich zukommen sah, blieb er abrupt stehen.
Sie war nicht annähernd so schön wie Connie, aber es war offensichtlich, dass sie Schwestern waren. Beide hatten das gleiche ovale Gesicht, und ihre Augen hatten die gleiche Form, wenn auch nicht die gleiche Farbe. Auch Emmas Mund erinnerte Cal an Connie.
Aber mehr Ähnlichkeit bestand nicht zwischen ihnen. Je näher Emma kam, desto mehr starrte Cal sie fasziniert an, und dabei hatte er den Frauen doch abgeschworen.
Die meisten Frauen, die er kannte, würden lieber sterben als ungeschminkt aus dem Haus zu gehen. Emma Jenkins war eine Ausnahme, und es passte gut zu ihr. Ihre Haut sah zart und strahlend aus. Er konnte keine einzige Falte entdecken, dabei wusste er, dass sie Mitte dreißig sein musste. Nur weiter so, Mädchen, dachte er beeindruckt.
Aber es war vor allem die Art, wie sie sich kleidete, die wirklich seine Aufmerksamkeit gefangen nahm. Sie trug einen purpurroten Overall mit locker sitzenden Trägern. Darunter sah er ein knappes T-Shirt, das ihre vollen Brüste umschmiegte und viel Haut sehen ließ. Er hätte sein letztes Geld darauf verwettet, dass sie keinen BH trug. Und bei näherem Hinsehen musste er zugeben, dass sie auch keinen brauchte. Ihre Brüste waren herrlich fest und …
Mannomann, es war wirklich lange her, dass er die Brüste einer Frau mit solchem Interesse betrachtet hatte, und jetzt sollte es ihm ausgerechnet bei der Schwester seiner Exfrau passieren? Auf keinen Fall.
Cal zwang sich, den Blick von ihrer Brust abzuwenden, und konzentrierte sich wieder auf ihr Gesicht. Im Gegensatz zu Connie war sie nicht im herkömmlichen Sinne schön und auch nicht so aufdringlich sexy, wie ihre Schwester es gewesen war. Und doch war Emma ausgesprochen reizend. Und was noch wichtiger war, sie hatte Klasse.
Sie war groß und schlank – Cal schätzte sie auf etwa eins fünfundsiebzig – und trug ihr dunkles Haar kurz. Der freche Schnitt betonte ihre makellose Haut und die vollen Lippen. Aber es waren vor allem ihre Augen, die ihn faszinierten. Sie waren von einem außergewöhnlichen Blau, umgeben von dichten Wimpern.
„Mickey, es wurde Zeit, dass du endlich kommst …“ Emma hielt inne und runzelte die Stirn. „Sie sind nicht Mickey“, fügte sie verblüfft hinzu.
„Nein, Ma’am“, sagte Cal langsam. „Das bin ich nicht.“
„Wo ist Mickey?“, fragte sie und musterte ihn neugierig.
Cal hätte gern gewusst, was sie über ihn dachte, nahm jedoch an, ihre Gedanken würden ihm nicht schmeicheln. Er machte sich keine Illusionen über sein augenblickliches Aussehen.
Sein Haar war zu lang, und seine Jeans und das T-Shirt, das er trug, waren in einem ziemlich verwahrlosten Zustand. Was sein Gesicht anging, wirkte er abgespannt und farblos – in jedem Fall kein schöner Anblick. Wenn sie ihm allerdings etwas Zeit ließe, sich zu erholen, und er sich etwas Mühe gäbe, könnte er ganz passabel aussehen. Er hatte nur bis jetzt weder die Zeit noch die Lust gehabt, sich um sein Aussehen zu kümmern.
„Soviel ich weiß, ist ihm eine andere Route zugeteilt worden. Ich habe in der Zeitung von der freien Stelle gelesen.“
Sie legte den Kopf leicht schräg und sah ihn misstrauisch an. Einen Moment sah es aus, als wollte sie etwas darauf erwidern, aber dann überlegte sie es sich anders. „Und wer sind Sie?“
Cal zögerte einen Moment, doch er hatte zu oft in seinem Leben eine falsche Identität annehmen müssen, um sich jetzt aus der Fassung bringen zu lassen. Der falsche Name kam ihm wie selbstverständlich über die Lippen: „Burt McBride.“
Wow!
Das war das erste Wort, das Emma in den Sinn kam, als sie ihm in die dunklen Augen sah. Sie hatte schon viele Fahrer gesehen, seit sie ihre Gärtnerei führte, aber keiner war so beeindruckend gewesen wie dieser hier. Dabei hatte sie schon Männer getroffen, die wesentlich besser aussahen als er, das war es nicht. Burt McBride hatte etwas an sich, das sofort ihre Aufmerksamkeit auf sich zog.
Vielleicht lag es an der etwas harten, gefährlich wirkenden Miene, die sein gewohnter Gesichtsausdruck zu sein schien. Emma schluckte erregt. Wer war dieser Mann? Und noch wichtiger: Wie konnte sie nur so unvernünftig heftig auf einen völlig fremden Menschen reagieren? Noch dazu auf einen Lastwagenfahrer.
Sie war ganz und gar kein Snob, aber normalerweise brauchte es schon etwas mehr als einen hochgewachsenen, sonnengebräunten muskulösen Mann mit faszinierenden Augen, um ihr Interesse zu wecken. Und dieser hatte nicht einfach nur ihr Interesse geweckt. Du liebe Güte, sie konnte ja kaum den Blick von ihm lassen!
Obwohl sie spürte, dass sie rot wurde, konnte Emma sich nicht zusammenreißen. Sie musste den neuen Fahrer weiter anstarren. Vielleicht waren die Grübchen in seinen Wangen daran schuld oder seine regelmäßigen weißen Zähne.
Na schön, es handelte sich also um ein besonders hinreißendes Exemplar von Mann, aber was machte das schon? Sie hatte schon öfter in ihrem Leben attraktive Männer kennengelernt, ohne dass sie auch nur mit der Wimper gezuckt hätte.
Warum war das bei diesem Mann anders?
Er war nicht einmal ihr Typ, weil er einen viel zu rauen, zu bedrohlichen Eindruck machte. Während sie sich stumm gegenüberstanden, wandte sie jedoch nicht den Blick ab, sondern betrachtete ihn von oben bis unten. Weder das enge T-Shirt noch die knapp sitzende Jeans konnten verbergen, was für ein eindrucksvoll durchtrainierter Körper darunter steckte.
Emma errötete noch mehr. Ein seltsames Prickeln durchrieselte sie. Als ihr bewusst wurde, wie völlig unbegreiflich sie sich benahm, hob sie widerstrebend den Blick und konzentrierte sich auf sein Gesicht. Dabei entdeckte sie, dass auch er sie musterte, und zwar voller Bewunderung und Interesse.
Zu ihrem Entsetzen hatte sie plötzlich das Gefühl, nicht mehr richtig atmen zu können.
„Ich nehme an, Sie sind Emma Jenkins“, sagte Cal schließlich.
Seine tiefe, heisere Stimme war genauso sexy wie der ganze Mann. Emma brachte einen Moment kein Wort heraus, so sehr hatte sie mit ihren Gefühlen zu kämpfen. Was war hier nur los? Und vor allem, was war mit ihr los?
Nichts, redete sie sich trotzig ein. Sie reagierte ganz einfach nur auf einen gut aussehenden Mann, mehr nicht. Einerseits fühlte es sich gut an, weil sie sich schon seit einer Ewigkeit für keinen Mann mehr interessiert hatte, andererseits jagte es ihr einen Heidenschrecken ein. Sie wollte nicht so sein wie ihre Schwester.
Emma räusperte sich. „Äh … ja, das stimmt.“
Er streckte ihr nicht zur Begrüßung die Hand entgegen, was Emma einen Moment irritierte, dann sagte sie sich, dass es auch besser so war, wenn man ihre verrückte Reaktion auf ihn bedachte.
Nein, es wäre ein großer Fehler, ihn zu berühren, und zwar gerade weil sie es so sehr wollte. Emma zwang sich, ihm eine Ruhe vorzuspielen, die sie ganz und gar nicht empfand. Sie lächelte mühsam. „Ich hoffe, mit Mickey ist alles in Ordnung. Er war so oft bei mir, dass wir uns angefreundet haben.“ Sie hielt inne. „Es wundert mich, dass er mir nichts von der Änderung seiner Touren erzählt hat.“
„Oh, ich bin sicher, das wird er noch tun“, sagte Cal und sah auf den Lieferschein in seiner Hand. „Alles in meinem Wagen ist für Sie bestimmt.“
„Das überrascht mich nicht.“
„Sie müssen sehr gute Geschäfte machen mit Ihren Pflanzen.“
„Ja, das stimmt.“
Er lächelte, und ihr Herz machte einen Sprung.
„Dann werden wir uns wohl noch sehr oft begegnen, schätze ich mal.“
„Nicht, wenn Mickey wieder zurückkommt.“
„Ich glaube nicht, dass das so schnell geschehen wird. Jedenfalls nicht in nächster Zukunft.“
„Wenn Sie ihn sehen, sagen Sie ihm doch bitte, er soll mal bei mir vorbeischauen, okay?“
„Natürlich.“
Wieder standen sie sich schweigend gegenüber. Cal räusperte sich umständlich und wollte gerade zu sprechen anfangen, als ein Geräusch ihn innehalten ließ.
Auch Emma hatte es gehört. Sie drehte sich um und sah Logan auf sich zukrabbeln. Janet eilte entsetzt hinter ihm her.
„Es tut mir leid, Em, aber plötzlich war er nicht mehr da, der kleine Racker.“
Emma lächelte und nahm Logan auf den Arm. Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange und sagte liebevoll: „Du bist ein böser, kleiner Junge, weißt du das?“
„Böse“, sprach Logan nach und legte ihr die Arme um den Hals, während er Cal neugierig ansah.
„Hübsches Kind.“
„Danke.“
„Gehört er zu Ihnen?“
Irgendetwas ließ Emma zögern. Sie wollte mit diesem Mann nichts Persönliches besprechen. Aber dann fiel ihr Mickey ein. Als er ihr dieselbe Frage gestellt hatte, hatte sie nichts dagegen gehabt, sie ihm zu beantworten. Bei diesem Mann allerdings war alles anders. Sie hatte so heftig auf ihn reagiert, dass es ihr Angst machte. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er endlich seine Arbeit erledigte und von ihrem Gelände verschwand. Erst dann würde sie wieder ruhig atmen können.
Und doch wollte sie gleichzeitig, dass er blieb. Das ergab überhaupt keinen Sinn! Um sich von ihren beunruhigenden Gedanken abzulenken, sagte Emma in entschiedenem Ton: „Ja, er gehört zu mir.“ Dann zögerte sie und fügte mit einem stolzen Lächeln hinzu: „Oder zumindest wird er das bald.“
„Möchten Sie mir das näher erklären?“
Emma dachte nicht daran. „Im Moment nicht.“
Cal lachte und zwinkerte ihr zu. „Bevor ich mich völlig unbeliebt bei Ihnen mache, entlade ich besser den Wagen und fahre weiter.“
„Das ist eine gute Idee.“
Cal hielt inne und musterte sie noch einmal auf eine Weise, die Emma den Atem raubte. Dann ging er zum hinteren Teil des Wagens und begann ihre Ware auszuladen. Als er fertig war, gab er ihr den Lieferschein, damit sie unterschreiben konnte. Allerdings kam er ihr dabei näher, als es Emma lieb war. Überrascht stellte sie fest, dass von ihm nur der Duft nach Seife ausging, obwohl der Morgen sehr warm war. Sie gestattete sich noch einen tiefen Atemzug, dann reichte sie ihm hastig die Kopie des Lieferscheins. Wenn dieser Mann sich nicht endlich beeilte und ihr aus den Augen ging, dann konnte sie für nichts mehr garantieren.
„Wir sehen uns dann, Emma“, sagte er mit einem hinreißenden Lächeln.
„Ja, sicher.“ Sie sah zu, wie er in den Lastwagen kletterte. „Danke.“
Er nickte. „Gern geschehen.“ Dann fügte er hinzu: „Passen Sie auf den Jungen auf, hören Sie?“
Emma war völlig durcheinander und hatte das Gefühl, ihre Beine würden aus Gummi bestehen und jeden Augenblick unter ihr nachgeben. Sie blieb stehen, bis der Lastwagen außer Sichtweite war. Mit Logan auf dem Arm ging sie ins Haus zurück. Der Kleine kam ihr auf einmal sehr viel schwerer vor als sonst.
Nachdem sie Logan wieder in Janets Obhut gegeben hatte, ging Emma in ihr Büro, schloss die Tür, setzte sich in ihren Sessel und holte einige Male tief Luft, um ihr klopfendes Herz zu beruhigen.
„Hör schon auf damit“, schimpfte sie laut, griff nach dem Lieferschein und zwang sich, die Preise zu überprüfen. Doch wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass ihre Finger zwar ihren Dienst verrichteten und über die Spalten strichen, ihre Gedanken aber ganz woanders waren. Sie musste ständig an diesen verflixten neuen Fahrer denken. Irgendetwas an ihm hatte eine katastrophale Wirkung auf sie.
Hör auf, dachte sie ärgerlich. Sie hatte sich vor langer Zeit geschworen, nie zu werden wie ihre Schwester. Als ihr das jetzt einfiel, musste sie lachen, so albern war der Gedanke. Selbst wenn sie es gewollt hätte, wäre es unmöglich für sie, so zu werden wie Connie.
Connie war eine wahre Prinzessin gewesen mit ihrer zierlichen Figur, den blonden Locken, dem hinreißend femininen Körper und ihrer lebhaften Persönlichkeit. Die Menschen, vor allem Männer, fühlten sich zu ihr hingezogen wie die Motten zum Licht. Aber unter der Fassade der Südstaaten-Schönheit hatte Connie eine unbeherrschte Wildheit verborgen, die sie nie zu kontrollieren gelernt hatte.
Andererseits schienen die Männer genau das an ihr geliebt zu haben. Und nicht nur sie fühlten sich zu ihr hingezogen, auch Connie war verrückt nach Männern. Die Tatsache, dass sie, Emma, in Bezug auf das andere Geschlecht nicht den gleichen Appetit hatte, hatte ihr immer den Spott ihrer Schwester eingebracht. Emma erinnerte sich noch gut an ihr letztes Gespräch zu diesem Thema: „Gott, du bist eine solche Spießerin“, sagte Connie wie so oft.
„Tut mir leid, wenn du das denkst.“ Emma antwortete so ruhig wie möglich.
„Nein, das tut es nicht. Das ist ja gerade das Schlimme.“ Connie schenkte ihr bei solchen Gelegenheiten meist ein breites Lächeln. „Warum lässt du mich nicht einen Mann für dich aussuchen? Wir gehen zu viert aus, und ich zeige dir, wie du dich mal richtig amüsieren kannst.“
„Danke, aber das ist nicht meine Art.“
„Was ist eigentlich dein Problem? Bist du lesbisch oder was?“ Connie konnte hart sein, wenn sie wollte.
Emma ließ sich ihren Ärger nicht anmerken, weil sie wusste, dass sie Connie damit eine Freude machen würde. Sie lächelte nur und sagte: „Du weißt, dass das nicht stimmt, Connie. Ich suche mir meine Männer nur gern selbst aus, mehr nicht.“
Connie schnaubte undamenhaft. Das war auch eine ihrer Angewohnheiten. „Ja, klar doch.“
Emma seufzte und verdrängte die Gedanken an die Vergangenheit. Connie war tot, und es nützte nichts, an die schlechten Zeiten von früher zu denken, wenn sie auch zugeben musste, dass es nicht sehr viele gute Zeiten gegeben hatte, an die sie denken konnte.
Sie wusste, dass ihr Vater sie liebte, aber Connie hatte er vergöttert. Er hatte zwar versucht, seine Vorliebe nicht zu zeigen, es war ihm jedoch nicht gelungen. Und die Bewunderung für seine jüngere Tochter blieb selbst dann noch erhalten, als sie heiratete, sich scheiden ließ und bald danach sogar anfing, Drogen zu nehmen. Als das Baby zur Welt kam, konnte sie es nicht ertragen, ans Haus gefesselt zu sein. Und kurze Zeit danach ließ sie sich mit einem Biker ein. Damals hatte Connie sie, Emma, zum Vormund ihres Kindes ernannt. Sie hatte ihr Logan übergeben und war verschwunden. Sie sahen sie erst wieder, als sie tot in ihrem Sarg lag. Nach Connies Unfall hatte nur sein Enkel Patrick davor bewahrt, endgültig zusammenzubrechen.
Als Emma merkte, dass sie schon wieder ins Grübeln geraten war, sprang sie abrupt auf und atmete tief durch. Sie hatte sich mit dem Tod ihrer Schwester abfinden müssen, aber gleichzeitig hatte sie sich geschworen, nie wie sie zu werden, sich von der Leidenschaft für einen Mann nicht ins Unglück stürzen zu lassen.
Sie unterdrückte ein Stöhnen. Und heute Morgen? Hatte sie sich heute Morgen nicht von nie gekannten Gefühlen hinreißen lassen, kaum dass sie Burt McBride gegenübergestanden hatte? Und warum? Weil sie sich durch ihn zum ersten Mal in ihrem Leben wie eine Frau gefühlt hatte. Das war verrückt! Höchstwahrscheinlich war er verheiratet, hatte die statistisch üblichen zweieindrittel Kinder und wohnte in einem netten Häuschen mit Zaun davor, in irgendeinem der Vororte. Er hatte zwar keinen Ehering getragen, aber das hieß ja schließlich nichts.
Emma schob jeden Gedanken an den beunruhigenden Fremden beiseite und machte sich auf die Suche nach Logan. Wenn es in ihrem Leben chaotisch zu werden drohte, brachte die Verantwortung, die sie für ihn empfand, sie sofort wieder zur Vernunft.
Wofür sie dem Himmel dankbar war.
An Mut hatte es ihm bisher noch nie gefehlt. Warum hatte er also an diesem Morgen gekniffen und Emma Jenkins nicht gesagt, wer er war?
Cal hatte sich diese Frage inzwischen unzählige Male gestellt und hatte immer noch keine plausible Antwort darauf. Burt! Er verzog gereizt den Mund. Jetzt war es geschehen. Jetzt saß er in der Falle und musste weiterhin vorgeben, jemand anders zu sein.
Was sollte er nun tun? Das war die wichtigste Frage. Aber die Antwort darauf musste erst mal warten. Zunächst musste er in aller Ruhe nachdenken.
Cal bog von der Straße in die lange Auffahrt zu seiner Ranch ein, die einige Meilen nördlich von Tyler lag.
Seine Eltern hatten ihm dieses erstklassige Grundstück nur hinterlassen, weil sie es nicht mehr geschafft hatten, es vor ihrem Tod zu verkaufen. Cal verzog den Mund zu einem bitteren Lächeln, während er sich an seine Eltern erinnerte und daran, wie wenig er ihnen bedeutet hatte. Wenn er nicht von zu Hause fortgelaufen und der Armee beigetreten wäre, wäre er jetzt wahrscheinlich tot oder säße in irgendeinem Gefängnis, denn er hätte sich vermutlich irgendeiner Straßengang angeschlossen und wäre in dieselbe Unterwelt abgetaucht, die er so viele Jahre lang bekämpft hatte.
Er konnte dem Himmel danken, dass das nicht passiert war und dass er diese Ranch besaß, die jetzt sein Zuhause war. Er genoss es, in der Natur zu sein, und er genoss das Gefühl der Freiheit, das er hier empfand. Bis sein neuer Job ihn wieder außer Landes führte, hatte er vor, so viel Zeit wie möglich hier bei seinen Pferden und Rindern zu verbringen.
Er wünschte nur, er könnte auch seinen Sohn hierherbringen.
Cal trat abrupt auf die Bremse, als er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Ihm war plötzlich schwindlig, und er legte den Kopf auf das Lenkrad und wartete, bis es vorbei war.
Sein Kind.
Sein Sohn.
Lieber Gott, er war Vater!
Und noch dazu der Vater eines sehr hübschen Jungen. Als er den Kleinen das erste Mal gesehen hatte, war er von Ehrfurcht ergriffen gewesen, obwohl er sich ständig eingeredet hatte, dass Logan unmöglich sein Fleisch und Blut sein konnte. Es war unmöglich, dass Connie und er in einer Ehe, die ihnen nur Elend gebracht hatte, ein so vollkommenes kleines Wesen geschaffen haben könnten. Also musste das Kind einen anderen Erzeuger haben.
Aber wenn er Logan mit einem alten Babyfoto von sich verglich, das er auf der Ranch gefunden hatte, musste er zugeben, dass es eine gewisse Ähnlichkeit gab. Zum Teufel mit allen Bluttests. Er brauchte sie nicht, um sicher zu sein, dass Logan sein Sohn war.
Mit zitternder Hand wischte sich Cal den Schweiß von der Stirn und der Oberlippe. Er war immer noch zu aufgebracht, um zu dem kleinen Ranchhaus zu fahren. Stattdessen sah er sich nach seinem Vormann um. Art Rutherford war gewöhnlich immer irgendwo in der Nähe und kümmerte sich um die eine oder andere Aufgabe. Als Cal weder Art noch seinen Wagen ausmachen konnte, atmete er erleichtert auf.
Im Augenblick wollte er niemanden sehen und mit niemandem sprechen. Er musste nachdenken. Da er Emma Jenkins belogen hatte, musste er überlegen, was das für seine weiteren Pläne bedeutete. Vielleicht würde sie ihm ja erlauben, das Kind zu sehen, wenn er sich in ihre Gunst einschmeichelte. Dabei musste er sich klar darüber sein, dass er jeden Moment ihrem Vater begegnen konnte, der ihn sofort erkennen und seine Pläne zunichtemachen würde.
Dieses Risiko musste er eingehen. Wenn Patrick Jenkins tatsächlich auftauchen sollte, würde er einfach zu Plan B übergehen. Logan war sein Sohn, und niemand würde ihn ihm wegnehmen.
„Ganz ruhig, mein Junge“, sagte er leise. „Mute dir nicht zu viel zu.“
Er wollte zwar seinen Sohn haben, aber er musste sich vorher eine ehrliche, wenn auch ziemlich brutale Frage stellen. War er überhaupt fähig, ein guter Vater zu sein? Die Antwort darauf war gar nicht so schwierig. Er hatte mit so vielen Problemen zu kämpfen, die Erinnerung an seine Kindheit machte ihm so sehr zu schaffen, dass er alles andere als einen idealen Vater abgeben würde. Die Jenkins-Familie wusste das und würde dieses Wissen mit Sicherheit gegen ihn benutzen. Sowohl der Vater als auch die Tochter hassten ihn aus tiefster Seele. Und um alles noch komplizierter zu machen, hatte Connies Schwester ein Verlangen in ihm geweckt wie schon lange keine Frau mehr.
Das gefiel ihm ganz und gar nicht, aber leugnen konnte er es auch nicht. Emma hatte einen Aufruhr in ihm verursacht, wie er ihn seit einer Ewigkeit nicht mehr erlebt hatte.
Sie war anders als alle Frauen, die er kannte. Sie faszinierte ihn, weil sie offenbar gar nicht wusste, wie sexy sie war. Er hatte noch nie eine Frau kennengelernt, die sich ihrer sinnlichen Ausstrahlung so wenig bewusst gewesen war. Nichts an ihr war gestellt oder geheuchelt. Sie war sehr aufregend und wirkte gleichzeitig völlig unschuldig – eine Mischung, die jeden Mann um den Verstand bringen konnte.
Bis auf mich, dachte er gereizt. Er hatte nicht die Absicht, sich mit irgendeiner Frau einzulassen, ganz besonders nicht mit seiner Exschwägerin, die dazu entschlossen war, ihm seinen Sohn wegzunehmen.
Aber warum zählte er dann ungeduldig die Tage, bis er wieder zur Gärtnerei und damit zu Emma fahren konnte?
„Emma, das ist eine Katastrophe. Anders kann man es nicht nennen.“
Und du bist eine alte Hexe. Emma unterdrückte erschrocken ihren boshaften Gedanken. Sicher, Sally Sue Landrum war ein Quälgeist erster Güte, aber eine Hexe war sie nun auch wieder nicht. Noch nicht.
„Nein, es ist keine Katastrophe, Sally“, erwiderte Emma mit all der Geduld, die sie aufbringen konnte. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich deinen Garten heute fertig bekomme, und ich werde mein Wort auch halten.“
Sally schürzte die Lippen, stemmte die Hände in die Hüften und sah Emma finster an. „Wie soll das gehen – ganz ohne Pflanzen?“
„Ich besorge dir die Pflanzen.“ Emma klang überzeugt und unbeirrt, obwohl sie gar nicht sicher war, dass sie das wirklich schaffen würde. Falls nicht, wäre das allerdings wirklich eine Katastrophe.
Emma übernahm nicht sehr viele Privataufträge, da sie genug mit den Projekten ihres Vaters beschäftigt war. Aber zurzeit gab es eine kleine Flaute in ihrem Geschäft, und so hatte sie zugestimmt, als ihre Freundin Sally anrief und sie praktisch anflehte, doch bitte den Garten ihrer teuren neuen Villa zu gestalten. Emma hatte sich im Grunde auf die Aufgabe gefreut, da es jedes Mal eine Herausforderung bedeutete, sich an einem privaten Grundstück zu versuchen. Aber jetzt, unter Sallys anklagendem Blick, wünschte sie, sie hätte den Job nicht übernommen.
Ihr Lieferant hatte Emma erst gestern versichert, dass die bestellten Pflanzen rechtzeitig geliefert werden würden, was bis jetzt allerdings nicht geschehen war. Sie hatte daraufhin auch andere Lieferanten angerufen, aber keiner konnte ihre Wünsche erfüllen. Zu allem Übel plante Sally eine große Feier, um mit ihrem schicken neuen Heim anzugeben, und das verstärkte den Druck auf Emma noch.
„Sally, geh wieder ins Haus und tu, was du so tust“, sagte Emma. „Überlass mir die Sorge um deinen Garten.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Bitte.“
Sally ließ sich von ihrem Lächeln nicht besänftigen. „Du bist meine Freundin, Emma. Deswegen habe ich gedacht, dass ich mich auf dich verlassen kann.“
„Das kannst du auch“, sagte Emma kurz angebunden. „Noch einmal: Lass mich einfach in Ruhe meinen Job machen. Alles wird gut werden.“
„Das will ich auch stark hoffen.“
Damit wandte Sally sich mit einem dramatischen Ruck um und stolzierte ins Haus zurück, wo sie die Tür laut hinter sich zuknallte. Emma atmete zum ersten Mal an diesem Morgen frei durch, griff zu ihrem Handy und rief ihren Hauptlieferanten an.
„Fred, hier ist …“
„Ich weiß, wer da ist, Emma. Ich kenne deine Nummer inzwischen auswendig.“
„Sind meine Pflanzen endlich da?“
„Ja, dem Himmel sei Dank.“
Emma wurde ganz schwindlig vor Erleichterung. „Danke, Fred.“
„Danke nicht mir.“
„Warum nicht?“
„Danke Burt McBride. Er ist dein rettender Engel.“
„Oh?“, brachte sie nur hervor, und zu ihrem Ärger fing ihr Herz an, schneller zu schlagen. Selbst der Name des Mannes hatte eine unheimliche Wirkung auf sie. Diese Verrücktheit musste endlich aufhören.
„Er hat sich freiwillig auf die Suche nach ihnen gemacht.“
„Und wann erwartest du ihn zurück?“
„Er ist schon auf dem Weg zur Villa.“
„Ich schulde dir was, Fred. Und Burt natürlich auch“, fügte sie noch hinzu, bevor sie das Gespräch beendete.
Im selben Moment war das Quietschen von Bremsen zu hören. Sie wirbelte herum und sah Burt schon aus dem Lastwagen springen und auf sie zukommen. Emma versuchte, nicht auf seine attraktive, auf sie etwas bedrohlich wirkende Ausstrahlung zu reagieren, aber das hätte wohl nur ein Wunder verhindern können. Und im Moment waren ihr die Wunder leider ausgegangen.
„Hi“, sagte er mit seiner tiefen, aufregenden Stimme. Emma erschauerte unwillkürlich. Und sein Blick – den konnte auch keine Frau ignorieren.
Einen Moment lang erstarrte sie unter diesem Blick, der ihr heißer erschien als die Sonne, die auf sie herabbrannte. Dann riss sie sich zusammen. Wie faszinierend dieser Mann auch sein mochte – und sie musste zugeben, dass er umwerfend war –, sie war einfach nicht an ihm interessiert.
Und warum kannst du dann nicht den Blick von seinen breiten Schultern und den muskulösen Oberarmen nehmen, fragte sie sich ärgerlich. Sie hätte nur zu gern auch den Rest seines fantastischen Körpers betrachtet, an den sie sich von ihrer ersten Begegnung nur zu gut erinnerte, wagte es jedoch nicht, den Blick zu senken.
„Hi“, erwiderte sie seinen Gruß und musste nervös schlucken. Sie kam sich wie ein Teenager vor, der zum ersten Mal einem gut aussehenden Mann begegnete. Lieber Himmel, wie lächerlich! Sie war eine erwachsene Frau mit Kind. Was war nur aus ihrem Verstand und ihrem Stolz geworden?
Emma riss sich mühsam zusammen, hörte auf zu lächeln und sagte so kühl und nüchtern sie konnte: „Ich habe gerade mit Fred gesprochen, und er hat mir gesagt, was Sie getan haben. Das war sehr nett von Ihnen. Vielen Dank.“
Ein etwas spöttisches Lächeln erschien um seine Mundwinkel. Gab es eigentlich etwas an diesem Mann, das nicht sexy war?
„Gern geschehen“, erwiderte Cal. „Ich war froh, helfen zu können. Wollen wir uns jetzt an die Arbeit machen?“
Emma sah ihn verblüfft an. „Ich habe eine Crew, Burt. Außerdem bin ich sicher, dass Sie noch andere Kunden beliefern müssen.“
„Heute Nachmittag nicht mehr. Fred sagte, sie seien in Verzug geraten, weil sie so lange auf Ihre Lieferung warten mussten. Also geben Sie mir etwas zu tun, dann helfe ich Ihnen, die verlorene Zeit wieder aufzuholen.“
Emma wollte sich ihm widersetzen, aber dann hielt sie inne. Zum einen wäre ein weiteres Paar Hände wirklich eine große Hilfe, zum anderen wünschte sie sich seine Gesellschaft. Sei vorsichtig, Mädchen, warnte sie eine innere Stimme. Hier begab sie sich in tiefe Gewässer, und wenn sie nicht aufpasste, würde sie noch darin umkommen, das war ihr klar. Und dennoch …
„Sagen Sie mir, was ich tun soll“, sagte Cal. „Und wir werden mit der Arbeit fertig sein, bevor Sie ‚Rumpelstilzchen‘ buchstabiert haben.“
Emma musste lachen. „Da irren Sie sich aber. Ich habe schließlich ein Kind, erinnern Sie sich? Ich kann selbst die schwierigsten Namen der Märchenfiguren buchstabieren.“
„Ach ja … stimmt. Sie haben ein Kind.“
Emma stellte fest, dass Burt McBride plötzlich sehr ernst wirkte, doch bevor sie etwas sagen konnte, hatte er sich abgewandt und fing an, die Pflanzen auszuladen.
Am späten Nachmittag war der größte Teil des Gartens bepflanzt. Emma erinnerte sich nicht, wann sie das letzte Mal so erschöpft gewesen war. Normalerweise beaufsichtigte sie ihre Mitarbeiter bei diesen Arbeiten nur, aber da Burt wie ein Sklave schuftete, half sie selbst auch beim Graben und Einpflanzen mit. Zu ihrer eigenen Überraschung hatte ihr jede Minute davon Spaß gemacht. Sie hatte schon ganz vergessen, wie gut man sich nach anstrengender körperlicher Arbeit an der frischen Luft fühlen konnte.
„Na, was meinen Sie?“, fragte Cal und trat zu Emma, während er sich mit einem Taschentuch den Schweiß vom Gesicht wischte.
Emma musste schlucken, als er ihr so nahe war.
„Nun?“, drängte er, als sie nicht gleich antwortete.
„Es sieht wunderbar aus, und ich kann Ihnen nicht genug danken.“
„Klar können Sie das.“
„Wie?“, fragte sie, ohne zu überlegen.
„Lassen Sie mich Ihnen die beste selbst zubereitete Limonade servieren, die Sie jemals probiert haben“, antwortete Cal sofort. „Bei mir auf meiner Ranch.“
„Hören Sie, ich kann nicht. Ich muss Logan aus der Kindertagesstätte abholen.“
„Sie können ihn doch mitbringen. Kinder mögen Limonade.“
Emma sah ihn stirnrunzelnd an. „Ich weiß nicht …“
„Bitte“, sagte er schmeichelnd. „Es war ein sehr langer, heißer Tag, und wir beide können eine kleine Belohnung gut gebrauchen.“ Und dann schenkte er ihr wieder sein atemberaubendes Lächeln. „Was kann es schon schaden?“
Nichts, außer dass du mich völlig durcheinanderbringst, dachte Emma hilflos.
„Na schön, ich bin einverstanden“, sagte sie schließlich und ignorierte ihre warnende innere Stimme, obwohl sie wusste, dass sie es wahrscheinlich bereuen würde. Schließlich hatte sie sich schon seit einer Ewigkeit zu keinem Mann mehr hingezogen gefühlt, und es könnte Spaß machen, endlich wieder mal die Gesellschaft eines attraktiven Mannes zu genießen. Das hieß noch lange nicht, dass sie so wurde wie ihre Schwester und sich in einen männermordenden Vamp verwandelte.
Dreißig Minuten später hatten sie den Lastwagen abgegeben und waren mit Emmas Wagen losgefahren, um Logan abzuholen. „Und wohin geht’s?“, fragte Emma ein wenig unruhig, als sie den Kleinen in seinem Kindersitz verstaut hatten.
„Zu mir nach Hause.“
Ihr Magen machte einen nervösen Sprung bei diesem Gedanken. Damit sie sich während der Fahrt um Logan kümmern konnte, hatte Burt sich ans Steuer gesetzt. Damit er ihre Verlegenheit nicht bemerkte, drehte sie sich zu dem Kleinen um. Logan schlief. Es war ein langer Tag in der Tagesstätte gewesen. Man achtete dort darauf, dass nicht nur die Intelligenz der Kinder gefördert wurde, sondern man sorgte auch dafür, dass sie sich ausreichend bewegten, und hielt sie auf Trab.
„Er scheint ein sehr liebes Kind zu sein.“
„Ist er auch.“ Emma lächelte. „Das beste Kind auf der Welt.“