Bahnwärter Thiel von Gerhart Hauptmann - Textanalyse und Interpretation - Gerhart Hauptmann - E-Book

Bahnwärter Thiel von Gerhart Hauptmann - Textanalyse und Interpretation E-Book

Gerhart Hauptmann

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Beschreibung

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In diesem Band findest du alles, was du zur Vorbereitung auf Referat, Klausur, Abitur oder Matura benötigst – ohne das Werk komplett gelesen zu haben.

 

Alle wichtigen Infos zur Interpretation sowohl kurz (Kapitelzusammenfassungen) als auch ausführlich und klar strukturiert.

 

Inhalt:

- Schnellübersicht

- Autor: Leben und Werk

- ausführliche Inhaltsangabe

- Aufbau

- Personenkonstellationen

- Sachliche und sprachliche Erläuterungen

- Stil und Sprache

- Interpretationsansätze

- 6 Abituraufgaben mit Musterlösungen

NEU: exemplarische Schlüsselszenenanalysen

NEU: Lernskizzen zur schnellen Wiederholung

 

Layout:

- Randspalten mit Schlüsselbegriffen

- übersichtliche Schaubilder

NEU: vierfarbiges Layout

 

In der novellistischen Studie Bahnwärter Thiel geht es um den gleichnamigen Protagonisten, der am Verlust seiner Frau und schließlich seines Sohnes zerbricht.

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Seitenzahl: 170

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KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN

Band 270

Textanalyse und Interpretation zu

Gerhart Hauptmann

Bahnwärter Thiel

Rüdiger Bernhardt

Alle erforderlichen Infos zur Analyse und Interpretation plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen

Zitierte Ausgaben:Gerhart Hauptmann:Bahnwärter Thiel. Husum/Nordsee: Hamburger Lesehefte Verlag, 2022. Zitiert als HL.Gerhart Hauptmann:Bahnwärter Thiel. Ditzingen: Reclams Universal-Bibliothek Nr. 6617, 2017. Zitiert als R.

Über den Autor dieser Erläuterung: Prof. Dr. sc. phil. Rüdiger Bernhardt lehrte neuere und neueste deutsche sowie skandinavische Literatur an Universitäten des In- und Auslandes. Er veröffentlichte u. a. Studien zur Literaturgeschichte und zur Antikerezeption, Monografien zu Henrik Ibsen, Gerhart Hauptmann, August Strindberg und Peter Hille, gab die Werke Ibsens, Peter Hilles, Hermann Conradis und anderer sowie zahlreiche Schulbücher heraus. Von 1994 bis 2008 war er Vorsitzender der Gerhart-Hauptmann-Stiftung Kloster auf Hiddensee. 1999 wurde er in die Leibniz-Sozietät gewählt, 2018 erhielt er den Vogtländischen Literaturpreis.

1. Auflage 2023

978-3-8044-7100-9

© 2023 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelbild: Hans Baluscheks Ölgemälde Zur Grube von 1914 © picture alliance / akg-images | akg-images

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Inhaltsverzeichnis

1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht

2. Gerhart Hauptmann: Leben und Werk

2.1 Biografie

2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund

Reichsgründung und Sozialistengesetz

Der deutsche Naturalismus und die moderne Technik

Kunst und Wissenschaft: Die Suche nach der Kunst-Formel

2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken

3. Textanalyse und -Interpretation

3.1 Entstehung und Quellen

3.2 Inhaltsangabe

3.3 Aufbau

„Novellistische Studie“ als Genrebezeichnung

Orts- und Zeitangaben

Erzählsituation, Symbole und Motive

Der Konflikt

3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken

Bahnwärter Thiel

Thiels erste Frau Minna

Thiels zweite Frau Lene

Tobias

3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen

3.6 Stil und Sprache

Sprachliche Unterschiede in den drei Teilen

Das Begriffsfeld „Ordnung“ und seine Zerstörung

Parallelen zu Georg Büchners Woyzeck

3.7 Interpretationsansätze

Die „novellistische Studie“ als Beispiel des Naturalismus

Das Motiv des vernachlässigten Kindes

Moderne Technik, Eisenbahn und Mensch

Darstellung einer Dreiecksbeziehung: Das „Gleichen“-Modell

Zahlensymbolik: die Zahl Drei

Die Rolle der Religion: die Herrnhuter Brüdergemeine

3.8 Schlüsselstellenanalysen

4. Rezeptionsgeschichte

Zeitgenössische Rezeption

Paul Ernsts Erzählung Die Frau des Bahnwärters (1928)

Hans Francks Novelle Quitt (1928)

Bahnwärter Thiel als Hörspiel (1946), Fernseherzählung (1982) und Oper (2004)

5. Materialien

6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen

Aufgabe 1 *

Aufgabe 2 **

Aufgabe 3 ***

Aufgabe 4 **

Aufgabe 5 **

Aufgabe 6 ***

Lernskizzen und Schaubilder

Literatur

Zitierte Ausgaben

Primärliteratur

Ausstellungskataloge

Lernhilfen und Kommentare für Schüler:innen

Sekundärliteratur

Verfilmungen

1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht

Damit sich alle Leser:innen in diesem Band schnell zurechtfinden und das für sie Interessante gleich entdecken, hier eine Übersicht.

 

Im 2. Kapitel wird Gerhart Hauptmanns Leben beschrieben und auf den zeitgeschichtlichen Hintergrund verwiesen:

Gerhart Hauptmann lebte von 1862 bis 1946. Erste dichterische Erfolge erlebte er nach 1885 in Berlin. 1889 löste sein soziales Drama Vor Sonnenaufgang einen Theaterskandal aus.

Bahnwärter Thiel erschien 1888 als Text des deutschen Naturalismus. Der hatte sich nach Reichsgründung 1871 und Sozialistengesetz 1878 aus enttäuschten Hoffnungen junger Schriftsteller und in Opposition zum Deutschen Reich, orientiert an ausländischen Vorbildern wie Zola und Ibsen, entwickelt.

Vernachlässigte soziale Gruppen wie Arbeiter, Kleinbürger und kleine Beamte, auch Ausgestoßene, Dirnen, Wahnsinnige und Alkoholiker rückten in die Figurenensembles ein; ästhetische Schönheit trat zugunsten einer wahrhaftigen und naturgetreuen Abbildungen der Problemfelder zurück. Schriftsteller:innen sollten nur noch bedingt Gestaltungsmöglichkeiten erhalten, im Übrigen Protokollant:innen der Wirklichkeit sein.

Neue Themen wie technische Anlagen, die Eisenbahn und Verkehrssysteme wurden ebenso beschrieben wie neue wissenschaftliche Erkenntnisse (Vererbungslehre, Milieutheorie, Psychoanalyse). Literatur sollte möglichst nahe an Wissenschaft herangeführt und mit vergleichbaren Gesetzen beschreibbar werden.

Gerhart Hauptmann wurde zum Repräsentanten des deutschen Naturalismus für das Theater, sein soziales Drama Vor Sonnenaufgang bedeutete den Sieg des Naturalismus auf der Bühne. Soziale, ökonomische und naturwissenschaftliche Probleme drangen auch in seine Dichtung ein.

Im 3. Kapitel wird eine Textanalyse und -interpretation geboten.

Bahnwärter Thiel – Entstehung und Quellen:

Die „novellistische Studie“ geht auf einen Unglücksfall an der Bahnstrecke von Erkner nach Fürstenwalde zurück und nutzt Erfahrungen des Dichters während seines Lebens am Rande von Berlin. Ein genaues Ereignis konnte nicht ermittelt werden. Ortsangaben, Milieu und Landschaftsbeschreibungen entsprechen den vorhandenen Verhältnissen. Bei ihrer Veröffentlichung in der naturalistischen Zeitschrift Die Gesellschaft stand die „Studie“ inmitten von Beiträgen zum entscheidenden naturalistischen Vorbild Henrik Ibsen und neben einer berühmten naturalistischen Programmschrift Conrad Albertis.

Inhalt:

Thiel heiratet nach dem Tod seiner ersten Frau die Kuhmagd Lene, weil er seinen Sohn Tobias betreut wissen möchte. Die neue Frau hat Thiel mit ihrer sexuellen Kraft bald völlig in ihrer Gewalt. Thiel hat sich in seinem abgelegenen Bahnwärterhaus ein Heiligtum für die erste Frau eingerichtet und hält die zweite Frau davon fern. Da ein Kartoffelfeld, das Thiels zur Pacht bekommen haben, in der Nähe des Bahnwärterhauses liegt, dringt sie zu Thiel vor. Bei einem Besuch auf dem Acker wird Tobias von einem Schnellzug erfasst und stirbt. Thiel tötet in einem Anfall von Wahnsinn seine Frau und beider Kind; er wird in die Irrenabteilung eingeliefert.

Chronologie und Schauplätze:

Die Handlungszeit ist die erste Hälfte der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts im Deutschen Reich unter Kaiser Wilhelm I. Die Orte befinden sich in der Nähe Erkners an der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahnstrecke. Der Bahnwärter Thiel lebt am untersten Ende der Beamtenhierarchie; er hat keinen Kontakt zur Bevölkerung der Fischer, Land- und Waldarbeiter sowie der Arbeiter in den Kalkwerken von Rüdersdorf. Nach zehn Jahren Pflichterfüllung als Bahnwärter treffen Thiel mehrere Schicksalsschläge, denen er nicht gewachsen ist.

Personen:

Thiel

ca. 43 Jahre

seit zehn Jahren Bahnwärter nach langem Militärdienst

korrekter, pflichtbewusster Mensch

zwanghafte Verpflichtung gegenüber der Kirche, aber privat modifizierte Religiosität

Begeisterung für Nächtliches, Mystisches, Geheimnisvolles

Minna

sorgsame und liebevolle Partnerin Thiels

erscheint ihm in den Träumen wie eine Heilige

Verkörperung der Kind-Frau, die Hauptmann lebenslang liebte

von überirdischer Sinnlichkeit und mystischer Fremdheit

Lene

ohne „Seele“ (HL 6/R 5), mitleid-, rücksichts- und erbarmungslos

ähnelt einer Maschine

fühlt sich dem Alltag und seiner Sicherung verpflichtet

Tobias wird von ihr misshandelt

Thiel ist ihr sexuell hörig

Tobias

Vermächtnis der auf besondere Art geliebten Minna

von Mutter geerbte Kränklichkeit und Empfindsamkeit

von Stiefmutter misshandelt, ihren spontanen gewaltsamen Zornausbrüchen hilflos ausgeliefert

Stil und Sprache:

Untergeordnete Rolle des naturalistisch gepflegten Dialekts

Unterschiedliche sprachliche und stilistische Gestaltung der drei Abschnitte des Gesamttextes: I. sachliches Protokoll II. linear erzählte Geschichte und III. zerfallende Ordnung (Ordnung als Lebensprinzip und Lebensinhalt Thiels)

Ziel: naturalistisch detaillierte Milieuschilderung der psychopathologischen Verwirrung Thiels, verbunden mit psychoanalytischen Fragen nach den Gründen seines Wahnsinns

Ähnlichkeit von Büchners Woyzeck und Hauptmanns Bahnwärter Thiel u. a. in sprachlicher Struktur

Verschiedene Interpretationsansätze bieten sich an:

Das „Lichte der Wahrheit“ (HL 8/R 7) als naturalistisches Prinzip und seine Folgen

Die Stellung der Kinder in den naturalistischen Figurenensembles

Eisenbahnwesen, Technik und Mensch in naturalistischer und anderer Dichtung

Konstrukt, mit zwei Frauen – der toten Minna und der lebendigen Lene – zu leben

Lösung durch das „Gleichen-Problem“ (CA VII, 246)

Moderne Technik (Eisenbahn) als fragiles Gebilde, das der Willkür von Natur und Zufall ausgesetzt ist

Rezeptionsgeschichte:

Die „novellistische Studie“ erhielt Zustimmung, trat aber hinter Vor Sonnenaufgang zurück. Sie wurde zu einem bevorzugten Interpretationsobjekt für Literaturwissenschaftler:innen und zu einem fast dauerhaften Schulstoff.

Daneben hat sie eine beispielhafte künstlerische Rezeption erlebt: Sie wurde von Paul Ernst, Hans Franck und anderen variiert und bei ähnlicher Handlungs- und Figurenkonstellation zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt.

Sie wurde als „Fernseherzählung“ und als Oper in andere Genres aufgenommen.

2. Gerhart Hauptmann: Leben und Werk

2.1 Biografie[1]

Gerhart Hauptmann

(1862–1946) © picture alliance / akg-images | akgimages

Jahr

Ort

Ereignis

Alter

1862

Ober- Salzbrunn/Schlesien (heute: Szczawno Zdrój)

15. November: Gerhard (sic!) Hauptmann wird im Hotel Schlesien „Zur Krone“ als Sohn des Hotelbesitzers Robert Hauptmann und seiner Frau Marie, geb. Straehler, und als jüngerer Bruder des Dichters Carl Hauptmann (1858–1921) geboren. Vorfahren waren u. a. Häusler, Weber und Gastwirte, der Großvater mütterlicherseits Brunneninspektor.

 

1868

Ober- Salzbrunn

Besuch der Dorfschule bis 1874.

6–12

1870– 1874

Ober- Salzbrunn

Dem kranken Gerhard spielen die Geschwister im Pappfigurentheater Hamlet vor. Früheste poetische Anregung. Erlebt Beginn des deutsch-französischen Krieges.

8

1873

Ober- Salzbrunn

Privater Lateinunterricht.

10

1874– 1878

Breslau

Eintritt in die Städtische Realschule I. Ordnung am Zwinger. Leidet unter der Schule. Umfangreiche außerschulische Lektüre.

11–15

1876

Breslau

Erlebt Gastspiele der „Meininger“, prägendes Theatererlebnis.

14

1877

Sorgau

Verarmung der Eltern; sie übernehmen die Bahnhofswirtschaft in Sorgau (Nieder-Salzbrunn). Freundschaft mit Alfred Ploetz.

15

1878/79

Lohnig

Vorzeitiger Schulabgang mit befriedigendem Zeugnis.

16

Lederose

Bis 1879 Landwirtschaftsschüler auf den Gütern seines Onkels. Auseinandersetzung mit Herrnhuter Geist. Lektüre des Neuen Testaments (seine spätere Grab-Beigabe).

1879

Breslau

Vorbereitung auf Examen für Einjährig-Freiwilligen Militärdienst, ein Jahr später aufgegeben. „Blutsbrüderschaft“-Gruppe mit pangermanischen Idealen (Mitglieder: Bruder Carl, Alfred Ploetz, Ferdinand Simon).

17

1880

Breslau

Gedichte und Epos Hermann (heroisierende Dichtungen in der Tradition Felix Dahns); Besuch der Bildhauerklasse der Königlichen Kunst- und Gewerbeschule; Schulausschluss wegen schlechten Betragens.

18

1881

Breslau

Durch Prof. Haertel Wiederaufnahme an Schule; plastische Arbeiten. Ablehnung Zolas.

19

Hohenhaus

Kennenlernen der Töchter des Großkaufmanns Thienemann. Die drei Brüder Georg, Carl und Gerhard(t) heiraten später die drei Schwestern Adele, Martha und Marie (1860–1940). Hochzeit Georgs mit Aufführung von Gerhards Liebesfrühling.

1882

Breslau

Besuch Maries, die ihm wirtschaftliche Sicherheit verschafft.

20

Jena

Abgang von der Kunstschule, anschl. Studium der Geschichte und Literatur, Beschäftigung mit alten Griechen (Homer, Hesiod), Jean Paul und Lord Byron.

Hohenhaus

Heimliche Verlobung mit Marie Thienemann.

1883

Weimar Jena/Berlin

Wanderung zu den klassischen Stätten, evtl. auch zur Totenfeier für Richard Wagner[2].

21

Spanien, Rom, Monaco, Neapel

Studienabbruch. Beeindruckt von Berlin. Nach Mittelmeerreise (u. a. mit Carl) Niederlassung in Rom als Bildhauer.

1884

Rom

Typhuserkrankung. Besuch Maries. Freundeskreis gründet Verein Pacific; Aufgabe des Plans einer sozialistischen Ikarier-Siedlung nach Ploetz’ Besuch in Amerika.

22

Dresden

Sechswöchiger Besuch der Zeichenklasse der Akademie der Künste. Offizielle Verlobung mit Marie.

Berlin

Zwei Semester bei Ernst Curtius und du Bois-Reymond. Wunsch: Schauspieler. Begeistert von Ibsens Nora oder Ein Puppenheim. Lektüre: Lessings Hamburgische Dramaturgie. Eigenes Werk Promethidenlos.

1885

Dresden

Eheschließung mit Marie; Hiddenseebesuch, Rügenreise. Militäruntauglich.

23

Erkner

Wohnung in Erkner. Bekanntschaft mit kleinen Leuten, auch einem Bahnwärter. Lektüre: Turgenjew, Zola, Daudet u. a.

1886

Erkner

Geburt des ersten Sohnes Ivo. Schauspielunterricht. Bekanntschaft mit Frühnaturalisten Max Kretzer, Wilhelm Bölsche, Bruno Wille.

24

Putbus

Beziehungen zum Fürstlichen Theater. Blutsturz.

1887

Berlin

H. sieht Ibsens Gespenster im Residenztheater.

25

Erkner

April/Mai: Entstehung des Bahnwärter Thiel. Kontakt zum 1886 gegründeten Verein Durch!, deren Mitglieder ihn besuchen. Vortrag im Durch! über Georg Büchner[3].

Altlandsberg

Erste Vernehmung wegen des Vereins Pacific im Breslauer Sozialistenprozess; Gefühl der Verfolgung. Er schreibt sich „Gerhart“ statt „Gerhard“ und will fortan so gedruckt werden.[4]

Erkner

Begegnung mit Richard Dehmel, Ola Hansson, Käthe Kollwitz, Arne Garborg, Wilhelm Bölsche, Bruno Wille, Arno Holz.

Schlesien

Wanderung mit Hugo Ernst Schmidt durch das Riesengebirge; Entdeckung der Heimat für seine Dichtung.

Breslau

Vernehmung Hauptmanns im Sozialistenprozess.

1888

Zürich

Flucht vor Verfolgung nach Zürich zu Carl und Martha Hauptmann. Großer Freundeskreis mit Carl Henckell, Ploetz, Simon, John Henry Mackay, Wille, Bölsche, Frank Wedekind u. a.

26

Burghölzli

Psychiatrische Studien bei Auguste Forel, Besuch der Irrenanstalt.

Erkner

Rückkehr aus Schweiz. In Zeitschrift Die Gesellschaft erscheint Bahnwärter Thiel. Zustimmende Zuschriften aus dem Leserkreis.

1889

Hamburg

Familienreise nach Hamburg. Arbeit mit Hilfe der naturalistischen „Notizbuchmethode“ Zolas, wie schon in Zürich.

27

Berlin

Enge Freundschaft zu Arno Holz und Johannes Schlaf. Gründung der Freien Bühne, in dessen Vorstand er eintritt. Eröffnung mit Ibsens Gespenster. Freundschaft mit Otto Brahm und Samuel Fischer.

Erkner

Erste Begegnung mit 14-jähriger Margarete Marschalk (Schwester des Komponisten Max M.). Vor Sonnenaufgang (urspr. Der Sämann) erscheint, wird an der Freien Bühne aufgeführt und verursacht einen Theaterskandal.

Charlottenburg

Übersiedlung; Begegnung mit Max Halbe, der ihn beeindruckt.

1890

Italien/Schweiz

Reise. In Zürich Treffen mit Simon und Ploetz.

28

Erkner

Wohnung bei befreundetem Lehrer Ashelm.

Friedrichshagen

Beziehungen zur Künstlerkolonie.

Schreiberhau

Kauf eines Hauses.

1891

Berlin

Treffen mit Henrik Ibsen. Reisen ins Eulengebirge. Studien und Gespräche mit Augenzeugen des Weberaufstandes von 1844.

29

Schreiberhau

Einzug in umgebautes Haus, später folgt Familie Carl Hauptmanns.

1892

Berlin

De Waber wird von Zensurbehörde verboten.Der Apostel erscheint mit Bahnwärter Thiel als Novellistische Studien.

30

Franken

Studienreise zur Vorbereitung des Florian Geyer. In Nürnberg Erlebnis des Sebaldusgrabes. Abschluss der dem Hochdeutschen angenäherten Fassung Die Weber.

1893

Berlin

Uraufführung Die Weber in der Freien Bühne (Neues Theater[5]) als geschlossene Aufführung. Malerin Käthe Kollwitz wird dadurch zum Weber-Zyklus angeregt. Aufhebung des Weber-Verbots für das Deutsche Theater. Entscheidende Begegnung mit Margarete Marschalk. Uraufführung Hannele.

31

Zürich

Erfolgreiche Premieren Der Biberpelz und Hannele.

1894

New York

Marie bricht mit Kindern nach New York auf, Hauptmann – der mit Margarete lebt – folgt ihr. Ehe wird erst 1904 geschieden; im gleichen Jahr heiratet Hauptmann Margarete Marschalk.

32

Berlin

Erste öffentliche Aufführung der Weber im Deutschen Theater.

Schreiberhau

Auflösung des Haushalts; Marie siedelt mit den drei Söhnen nach Dresden über, Hauptmann nach Berlin.

1895– 1901

 

Wechselnde Aufenthalte in Berlin, Dresden, Hiddensee, Schlesien, Italien. Grillparzer-Preis 1896 und 1899.

33–39

1901

Agnetendorf

Bezug von „Haus Wiesenstein“ (gehört fortan zu den ständigen Aufenthaltsorten).

38

1903

Hirschberg

Geschworener in einem Prozess gegen einen Weber wegen Brandstiftung und gegen eine Landarbeiterin wegen Kindstötung.

40

1903– 1912

 

Wechselnde Aufenthalte, viele Bekanntschaften. Grillparzer-Preis 1905, Volksschillerpreis 1905, Ehrendoktor in Wien 1905.

40–49

1905

Berlin

Begegnung mit Ida Orloff, heftige Liebe (1906 Trennung), die in zahlreichen Texten nachwirkt.

43

1907

Griechenland

Reise mit Familie und Freunden.

44

1912

Stockholm

Nobelpreis. Zahlreiche Feiern zu seinem 50. Geburtstag.

50

1913– 1914

 

Wechselnde Aufenthalte, erster Film nach einem Hauptmann-Werk (Atlantis), Max Reinhardt erhält ausschließliches Aufführungsrecht aller Werke Hauptmanns für Berlin.

51

1914– 1918

 

Kriegsbegeisterung bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs; nationalistische Gedichte. Später desillusioniert.

52–56

1919– 1933

 

Wichtiger Dichter der Weimarer Republik. Große Ehrungen zum 60. Geburtstag 1922.

57–71

1924

Kloster

Mit Thomas Manns Familie auf Hiddensee; Ärger Hauptmanns über die Gestalt Peeperkorns in Thomas Manns Der Zauberberg.

62

1926

Kloster

Erstmals im „Haus Seedorn“, das er zuerst mietet, 1930 kauft und 1930/31 erweitern lässt.

64

1932

 

Reden zu Goethes 100. Todestag.

70

1933– 1945

 

Opportunistische Haltung Hauptmanns im Faschismus: keine Ablehnung, sondern vereinzelte Zustimmung; zahlreiche Ehrungen in Breslau und Wien.

71–83

1945

DresdenAgnetendorf

Schreibt nach miterlebter Zerstörung der Stadt seine berühmte Klage über den Untergang Dresdens.Besuch von Johannes R. Becher und Grigorij Weiss mit Bitte um Mitarbeit am kulturellen Neuaufbau, Hauptmann stimmt zu.

83

1946

AgnetendorfKloster

6. Juni: Tod Gerhart Hauptmanns.28. Juli: Überführung des Leichnams nach Hiddensee. Seinem Wunsch entsprechend Beisetzung bei Sonnenaufgang auf dem Inselfriedhof.

84

2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund

Zusammenfassung

Gerhart Hauptmann Bahnwärter Thiel erschien 1888 und wurde zu einem beachteten Text der naturalistischen Bewegung. Die hatte sich nach Reichsgründung 1871 und Sozialistengesetz 1878 aus enttäuschten Hoffnungen junger Schriftsteller:innen und in Opposition zum Deutschen Reich entwickelt, orientiert an ausländischen Vorbildern wie Zola und Ibsen, und dabei Zeitschriften, Verlage und Institutionen erobert.

Neue soziale Gruppen wie Arbeiter, Kleinbürger und kleine Beamte, aber auch Ausgestoßene, Dirnen und Alkoholiker rückten in die Figurenensembles ein.

Ästhetische Schönheit trat zugunsten wahrhaftiger und naturgetreuer Abbildungen der Problemfelder zurück. Schriftsteller:innen sollten nur noch bedingt Gestaltungsmöglichkeiten erhalten.

Neue Themen wie technische Anlagen, die Eisenbahn und Verkehrssysteme wurden ebenso beschrieben wie neue wissenschaftliche Erkenntnisse: Die Vererbungslehre, die Milieutheorie und psychoanalytische Erkenntnisse wurden in Kunstwerke aufgenommen.

Literatur sollte möglichst nahe an Wissenschaft herangeführt und mit vergleichbaren Gesetzen ausgerüstet werden.

Reichsgründung und Sozialistengesetz

Bahnwärter Thiel erschien im Oktober 1888 in der naturalistischen Zeitschrift Die Gesellschaft – als Wohnort des Verfassers wurde Zürich angegeben – und bekam viel Zustimmung aus dem Kreis der Leser:innen, die ihn mit Werken Zolas und europaweit anerkannten naturalistischen Texten verglich. Dabei war Zola keineswegs das unkritisch gesehene Vorbild, sondern es gab im deutschen Naturalismus Bemühungen, trotz großer Objektivität gegenüber den Themen der Wirklichkeit eine Idealität aufrechtzuerhalten, die man bei Zola vermisste. 1885 war Zolas Roman Germinal aus dem Zyklus Rougon-Macquart[6] erschienen und im gleichen Jahr ins Deutsche übersetzt worden. Der deutsche Naturalismus hatte 1885 erste Höhepunkte erreicht, zahlreiche Zeitungen und Verlage erobert und fühlte sich der vom Klassizismus geprägten reichsdeutschen Literatur, z. B. eines Emanuel Geibel oder Felix Dahn, überlegen. Mit führenden realistischen Schriftstellern wie Gottfried Keller, Theodor Storm oder Wilhelm Raabe fand man kaum eine gemeinsame Sprache, zumal sich die naturalistischen Kräfte in großstädtischen Zentren wie Berlin, München und Leipzig ansiedelten, die realistischen Schriftsteller:innen aber zumeist an der Peripherie des deutschen Sprachraums lebten. In dieser Zeit zog Hauptmann mit seiner jungen Frau nach Erkner und merkte „plötzlich, ich sei nicht allein“ (CA VII, 1047): Er traf auf die jungen Naturalisten und lernte ihre Anthologie Moderne Dichter-Charaktere (veröff. 1884, mit Jahreszahl 1885) kennen.

Der Naturalismus entwickelte sich in Deutschland, in Anlehnung an französische (Zola) und skandinavische (Ibsen), später auch russische Vorbilder (Tolstoi) nach der Reichsgründung 1871. Sie hatte die ihren kulturpolitischen Platz suchenden Intellektuellen enttäuscht; der erwartete Aufschwung von Kunst und Literatur war ausgeblieben. Einerseits empfanden die jungen Künstler:innen und Intellektuellen die nationale Einigung als Gewinn, andererseits brachten die ökonomischen Entwicklungen schärfere soziale Gegensätze hervor. Die Erwartungen der jungen Künstler:innen an eine neue Qualität von Bildung und Kunst erfüllten sich nicht. Trotzdem fühlten sie national und wollten eine entsprechende Literatur erleben. Die gemeinsam attackierten Gegner waren neben Geibel insbesondere Rudolf Baumbach, Georg Ebers, Julius Wolff, Albert Träger und Paul Heyse. Ihnen wollte man eine andere, eine soziale Literatur entgegensetzen, hatten die jungen Schriftsteller:innen doch in ihren Zirkeln neben den Schriften des Evolutionsbiologen Darwin auch die Marxisten Marx, Engels, Bebel und Lassalle studiert. Ältere wie M. G. Conrad, Richard Voß und Peter Hille waren von der verbreiteten moralischen Haltung im Deutschen Reich von 1871 enttäuscht. In Richard Voß’ Visionen eines deutschen Patrioten (1874), einem der frühesten naturalistischen deutschen Texte, desillusioniert ein „Knabe“ in Engelsgestalt (ähnlich Dantes Göttlicher Komödie) einen nationalistisch denkenden Deutschen:

„Deutschland mag groß in seiner Politik sein, in seiner Sittlichkeit ist es ohne Größe, der Krieg mag ruhmvoll sein, sittlich ist er gewiss nicht, er mag den Staat größer, mächtiger und reicher gemacht haben, das Volk hat er weder reicher, noch glücklicher, noch sittlicher gemacht.“[7]

Die junge Autor:innengeneration strebte nach neuen Literaturverhältnissen, die von einer Art gemeinsamen Schaffens und der Verantwortung des Staates für seine Literatur geprägt werden sollten. Schließlich bestimmte sie Kunst und Literatur neu und ordnete sie den Wissenschaften, der Politik, der modernen Technik und deren überprüfbaren Vorgängen zu.