Basiswissen Digital Design - Kim Lauenroth - E-Book

Basiswissen Digital Design E-Book

Kim Lauenroth

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Beschreibung

Pflichtlektüre für angehende und erfahrene Digital Designer - Schrittweises Eintauchen in die Thematik - Grundlegende Prinzipien und exemplarische Praktiken zur Umsetzung - Mit Projektbeispielen, Erfahrungsberichten und ReflexionsfragenZunehmende Komplexität, steigende Anforderungen an die Digitalisierung und immer neue Möglichkeiten digitaler Technologien stellen die Industrie vor neue Herausforderungen. Das Berufsbild »Digital Design« begegnet diesen Herausforderungen mit einem ganzheitlichen Gestaltungsanspruch durch die Integration von drei Kompetenzfeldern: Gestaltungskompetenz, Kompetenz in digitalen Technologien und Querschnittskompetenz für interdisziplinäres Arbeiten. Dieses Buch vermittelt die Grundlagen und gibt einen fundierten Überblick über alle relevanten Aspekte der ganzheitlichen Gestaltung digitaler Lösungen und Systeme. Es beschreibt  - die Kompetenzfelder des Digital Designs, - das Design mit digitalem Material und den Bauprozess, - die Strukturierung von Bauprozessen aus Sicht des Digital Designs, - wichtige digitale Technologien, - Designkompetenz und Designarbeit auf Lösungs-, System- und Elementebene sowie - die ganzheitliche Gestaltarbeit entlang des Bauprozesses.Abschließend werden Frameworks für den Bauprozess und die soziale Dimension des Bauprozesses behandelt. Das Buch orientiert sich am Lehrplan zum »Digital Design Professional – Foundation Level« (DDP) des International Requirements Engineering Board (IREB) und eignet sich daher nicht nur bestens zur Prüfungsvorbereitung, sondern dient gleichzeitig als kompaktes Grundlagenwerk zu diesen Themen in der Praxis und an Hochschulen.

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Kim Lauenroth gestaltet seit 2011 digitale Lösungen und vertritt seit 2022 das Lehrgebiet Digital Design an der Fachhochschule Dortmund. Er ist Mitinitiator und Erstunterzeichner des Bitkom Digital-Design-Manifests und engagiert sich ehrenamtlich für die berufliche Aus- und Weiterbildung als erster Vorsitzender des IREB e.V. Kim hat Informatik, Betriebswirtschaft und Psychologie an der Technischen Universität Dortmund studiert und im Bereich Requirements Engineering für Produktlinien an der Universität Duisburg-Essen promoviert.

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Kim Lauenroth

Basiswissen Digital Design

Konzepte und Werkzeuge für die ganzheitliche Gestaltung digitaler Lösungen und Systeme

Aus- und Weiterbildung zum

Digital Design Professional

· Foundation Level

· nach IREB-Standard

Kim Lauenroth

[email protected]

Lektorat: Christa Preisendanz

Lektoratsassistenz: Julia Griebel

Copy-Editing: Ursula Zimpfer, Herrenberg

Satz: inpunkt[w]o, Wilnsdorf (www.inpunktwo.de)

Herstellung: Stefanie Weidner, Frank Heidt

Umschlaggestaltung: Eva Hepper, Silke Braun

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:

Print

978-3-98889-000-9

PDF

978-3-98890-114-9

ePub

978-3-98890-115-6

1. Auflage 2024

Copyright © 2024 dpunkt.verlag GmbH

Wieblinger Weg 17

69123 Heidelberg

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Falls Sie Anregungen, Wünsche und Kommentare haben, lassen Sie es uns wissen: [email protected].

Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

Es wird darauf hingewiesen, dass die im Buch verwendeten Soft- und Hardware-Bezeichnungen sowie Markennamen und Produktbezeichnungen der jeweiligen Firmen im Allgemeinen warenzeichen-, marken- oder patentrechtlichem Schutz unterliegen.

Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.

Vorwort

Wer ein Haus bauen will, zieht kompetente Architektinnen und Architekten hinzu. Ebenso wird die Notwendigkeit von Industriedesign nicht infrage gestellt, wenn es um physische Produkte geht. Aber an wen denken Sie, wenn es um Digitalisierung oder den digitalen Wandel geht?

Genau hier setzt dieses Buch an und bietet Digital Design als Antwort. Es steht für eine Praxis der ganzheitlichen Gestaltung digitaler Lösungen und Systeme auf der Basis einer fundierten Kompetenz in digitalem Material. Dieses Verständnis geht zurück auf die Taskforce Software-Gestalter des Bitkom aus dem Jahr 2016 und den Leitfaden Rollenideal »Digital Design«. Dieser Leitfaden hat einen Nerv getroffen. In der Folge wurde 2018 das Digital Design Manifest veröffentlicht, das Digital Design als wichtiges Berufsbild für die Gestaltung von Digitalisierung formuliert. Motiviert durch das Manifest startete im International Requirements Engineering Board (IREB) die Arbeit am Digital Design Professional (DDP).

Gut acht Jahre nach der Taskforce ist aus einer Idee greifbare Realität geworden. Unternehmen stellen Digital Designerinnen und Designer ein, bieten Digital Design als Dienstleistung an und widmen ganze Unternehmensbereiche dem Digital Design. Ebenso gibt es Studiengänge und Professuren, die Digital Design im Namen tragen. Schließlich wurde Ende 2023 die zweite Version des DDP vom IREB veröffentlicht. Was bisher noch fehlte, war ein passendes Lehrbuch, das Digital Design in seiner ganzen Breite umfassend darstellt.

Dieses Buch schließt diese Lücke und nimmt Sie mit auf eine Reise in die Gedankenwelt des Digital Design. Dabei geht es vor allem um das große Ganze und die Zusammenhänge. Sie werden einer Vielzahl von Konzepten und Werkzeugen begegnen, und an einigen Stellen wird es auch recht grundlegend und kleinteilig. Aber gerade diese Details sind notwendig für ein umfassendes und ganzheitliches Verständnis. Wenn Sie sich auf diese Reise einlassen, verspreche ich Ihnen, dass Sie am Ende dieses Buches die Gestaltung von Digitalisierung mit anderen Augen sehen werden.

Kim Lauenroth, Bönen im Februar 2024

Über das Foto auf dem Cover

Das Foto auf dem Cover ist ein Dokument der bisherigen Geschichte des Digital Design. Es entstand 2019 während eines Workshops am Bauhaus in Dessau zum Thema »Digital als Material«. Das Staatliche Bauhaus war und ist eine wichtige Inspirationsquelle für das Digital Design, weshalb dort schon einige Workshops zu diesem Thema stattfanden.

Mit Blick auf Digital Design hat das Foto noch eine weitere spannende Dimension. Das LEGO-Modell auf diesem Foto ist inspiriert durch Modelle von Gary Garvin. Als Fan des Bauhauses in Dessau wollte ich natürlich mein eigenes Modell bauen. Dabei bin ich im Internet auf eine Software von LEGO gestoßen, mit der man LEGO-Modelle konstruieren kann. Und diese Software hieß LEGO® Digital Designer – was für ein schöner Zufall.

Aber die Geschichte geht noch weiter. Die Steine für das Modell habe ich auf der Plattform www.bricklink.com gekauft. Hierzu musste ich nur die Konstruktionsdatei aus dem LEGO® Digital Designer auf die Plattform hochladen. Die Plattform hat mir dann aus drei verschiedenen Second-Hand-Geschäften die erforderlichen Steine bestellt, sodass ich wenige Tage später das bis dahin digitale Modell tatsächlich bauen konnte. Die Bauanleitung wurde ebenfalls mit dem LEGO® Digital Designer erstellt.

Der gesamte Entstehungsprozess dieses Modells ist ein wunderbares Beispiel für gutes Digital Design im Sinne dieses Buches. Umso mehr freue ich mich, dass dpunkt das Foto für das Cover genommen hat.

Danksagung

An Büchern sind meist mehr Menschen beteiligt, als auf dem Cover aufgeführt sind, so ist es auch bei diesem Buch. Diesen Menschen möchte ich gebührend danken. Dank gilt natürlich zuallererst meiner Frau Pamela und meinem Sohn Robin, die mir die Zeit gelassen haben, dieses Buch zu schreiben1.

Christa Preisendanz gebührt Dank für das Lektorat. Sie hat mir sehr dabei geholfen, aus einer Rohfassung ein echtes Buch zu machen. Dank für das Copy-Editing geht an Ursula Zimpfer, Dank für das Design des Covers an Eva Hepper und Dank für die Gestaltung des Buches an inpunkt[w]o.

Darüber hinaus möchte ich mich bei den vielen Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern bedanken, mit denen ich in den letzten Jahren intensiv über Digital Design und damit auch über die Inhalte dieses Buches diskutieren konnte: Simon Albersmeier, Martina Beck, Sibylle Becker, Georg-Christof Bertsch, Dominik Birkmeier, Stan Bühne, Michael Burmester, Lars Everding, Stefan Gärtner, David Gilbert, Martin Glinz, Ronald Hartwig, Oliver Hehlert, Thomas Immich, Erik Kamsties, Michael Kemper, Gabriele Kunau, Albert Lang, Karsten Lehn, Beatrice Nickel, Axel Platz, Ruth Rossi, Linda Schmidt, Norbert Seyff, Melanie Stade, Hans-Jörg Steffe, Stefan Sturm, Frank Termer und Marcus Trapp.

Inhaltsübersicht

1Einleitung und Motivation

Teil I

Grundlagen des Digital Design

2Kompetenzfelder des Digital Design

3Design mit digitalem Material

4Rollen und Tätigkeiten im Bauprozess

5Strukturierung des Bauprozesses

6Überblick über digitale Technologien

7Designarbeit

Teil II

Designkompetenz

8Designarbeit auf der Lösungsebene

9Designarbeit auf der Systemebene

10Designarbeit auf der Elementebene

11Ganzheitliche Designarbeit entlang des Bauprozesses

Teil III

Querschnittliches & Ausklang

12Frameworks für den Bauprozess

13Die soziale Dimension im Bauprozess

Ausblick – wie kann es weitergehen?

Anhang

AHinweise zur Vorbereitung auf die Zertifizierungsprüfung zum Digital Design Professional (DDP)

BAbkürzungsverzeichnis

CLiteratur

Index

Inhaltsverzeichnis

1Einleitung und Motivation

1.1Ein Berufsbild für die ganzheitliche Gestaltung digitaler Lösungen

1.1.1Drei Stufen der Verwendung digitaler Technologien

1.1.2Erweiterung des Gestaltungsspielraums mit jeder Stufe

1.1.3Berufsbild »Digital Design«

1.2Digital Design als Berufsbild und nicht als »Superrolle«

1.3Zertifizierung zum »Digital Design Professional«

1.4Ziele und Aufbau dieses Buches

1.4.1Ziele des Buches

1.4.2Aufbau des Buches

Reflexionsfragen

Teil I

Grundlagen des Digital Design

2Kompetenzfelder des Digital Design

2.1Designkompetenz

2.1.1Veränderungsnotwendigkeit verstehen und formulieren

2.1.2Ziel der Veränderung verstehen und formulieren

2.1.3Lösung für das Ziel entwerfen

2.1.4Realisierung der Lösung begleiten

2.1.5Lösung wirksam machen

2.2Kompetenz in digitalem Material

2.2.1Wissen um das Spektrum digitaler Technologien

2.2.2Wissen um die technischen Fähigkeiten, Grenzen und Voraussetzungen von Technologien

2.2.3Wissen um die Randbedingungen und Auswirkungen einer Technologie

2.2.4Bewusstsein für Weiterbildung und für Hypes

2.2.5Materialkompetenz ist nicht gleich Realisierungskompetenz

2.3Querschnittskompetenzen

2.3.1Projektdimension

2.3.2Produktdimension

2.3.3Soziale Dimension

Reflexionsfragen

3Design mit digitalem Material

3.1Digitales als Material verstehen

3.2Das FFQ-Modell für digitale Lösungen

3.2.1Form, Funktion und Qualität

3.2.2Die wahrnehmbare und zugrunde liegende Ebene

3.2.3Säulen und Ebenen als FFQ-Modell im Zusammenspiel

3.3Arbeitsmodell für das Design digitaler Lösungen

3.4Digitale Technologien als Material für die Gestaltung

Reflexionsfragen

4Rollen und Tätigkeiten im Bauprozess

4.1Wesentliche Stakeholder-Rollen im Bauprozess

4.1.1Wesentliche Stakeholder-Rollen im Detail

4.1.2Zusammenspiel zwischen den Rollen im Bauprozess

4.1.3Weitere wichtige Stakeholder-Rollen

4.2Tätigkeitsbereiche im Bauprozess

4.2.1Kerntätigkeitsbereiche im Bauprozess

4.2.2Querschnittliche Tätigkeitsbereiche im Bauprozess

4.3Ablauf und Zusammenarbeit im Bauprozess

4.3.1Grundsätzlicher Ablauf eines Bauprozesses

4.3.2Zusammenspiel der Tätigkeitsbereiche

Reflexionsfragen

5Strukturierung des Bauprozesses

5.1Die drei Designperspektiven

5.1.1Die Perspektive des Menschen (Erwünschtheit)

5.1.2Die Perspektive des Business (Tragfähigkeit)

5.1.3Die Perspektive der Technologie (Machbarkeit)

5.2Die drei Ebenen einer digitalen Lösung

5.2.1Aufbau des Ebenenmodells

5.2.2Das Ebenenmodell anhand eines Beispiels

5.3Die drei essenziellen Schritte zum Bau einer digitalen Lösung

5.3.1Auftragsklärung

5.3.2Konzeptarbeit

5.3.3Entwicklung und Betrieb

5.4Die Modelle im Zusammenspiel

5.4.1Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Bauprozess

5.4.2Komplexität einer Lösung beherrschen

5.4.3Komplexität von Prozess und Lösung im Zusammenspiel beherrschen

Reflexionsfragen

6Überblick über digitale Technologien

6.1Einführung in wahrnehmbare Technologien

6.1.1Digitale Endgeräte als Zugangspunkt

6.1.2Interaktionstechnologien

6.2Einführung in zugrunde liegende Technologien

6.2.1Technologien zur Programmierung

6.2.2Technologien für den Betrieb von Software

6.2.3Technologien für die digitale Kommunikation

6.3Fähigkeiten und Grenzen am Beispiel

6.3.1Digitale Kommunikationstechnologien

6.3.2Maschinelles Lernen

Reflexionsfragen

7Designarbeit

7.1Denkmodelle für Designarbeit

7.1.1Der Design Squiggle als Modell für den Designprozess

7.1.2Dual-Mode-Modell des Designs

7.1.3Von zahmen (tame) und vertrackten (wicked) Problemen

7.2Designkonzepte als Mittel und Ergebnis

7.2.1Grundlagen zu Designkonzepten

7.2.2Nutzen von Designkonzepten

7.2.3Grenzen von Designkonzepten

7.3Prototypen als Mittel zum Design und zur Evaluation

7.3.1Grundlagen zu Prototypen

7.3.2Verwendung von Prototypen im Bauprozess

7.4Prototypen in verschiedenen Disziplinen

Reflexionsfragen

Teil II

Designkompetenz

8Designarbeit auf der Lösungsebene

8.1Grundlegende Aspekte zum Entwerfen der Lösung

8.1.1Vision der Lösung (als Zielbild)

8.1.2Form der Lösung

8.1.3Funktion der Lösung

8.1.4Qualitätsanforderungen an die Lösung als Ganzes

8.1.5Randbedingungen für die Lösung als Ganzes

8.2Aspekte der Lösungsebene im Zusammenspiel

8.3Evaluation der Entwurfsarbeit auf der Lösungsebene

8.3.1Evaluation mit Blick auf die Mensch-Perspektive

8.3.2Evaluation mit Blick auf die Business-Perspektive

8.3.3Evaluation mit Blick auf die Technologie-Perspektive

8.4Designarbeit auf der Lösungsebene im Bauprozess

8.4.1Die Lösungsebene in der Auftragsklärung

8.4.2Die Lösungsebene in der Konzeptarbeit

8.4.3Die Lösungsebene in der Entwicklung und im Betrieb

Reflexionsfragen

9Designarbeit auf der Systemebene

9.1Grundlegende Aspekte zum Entwerfen des Systems

9.1.1Ziele des Systems

9.1.2Form des Systems

9.1.3Funktion des Systems

9.1.4Qualitätsanforderungen an das System als Ganzes

9.1.5Randbedingungen für das System als Ganzes

9.2Aspeke der Systemebene im Zusammenspiel

9.3Evaluation der Entwurfsarbeit auf der Systemebene

9.3.1Evaluation mit Blick auf die Mensch-Perspektive

9.3.2Evaluation mit Blick auf die Business-Perspektive

9.3.3Evaluation mit Blick auf die Technologie-Perspektive

9.4Designarbeit auf der Systemebene im Bauprozess

9.4.1Die Systemebene in der Auftragsklärung

9.4.2Die Systemebene in der Konzeptarbeit

9.4.3Die Systemebene in der Entwicklung und im Betrieb

Reflexionsfragen

10Designarbeit auf der Elementebene

10.1Grundlegende Aspekte zum Entwerfen eines Elements

10.1.1Ziele des Elements

10.1.2Form des Elements

10.1.3Funktion des Elements

10.1.4Qualitätsanforderungen an das Element

10.1.5Randbedingungen für das Elements

10.2Aspekte der Elementebene im Zusammenspiel

10.3Evaluation der Entwurfsarbeit auf der Elementebene

10.3.1Evaluation mit Blick auf die Mensch-Perspektive

10.3.2Evaluation mit Blick auf die Business-Perspektive

10.3.3Evaluation mit Blick auf die Technologie-Perspektive

10.4Designarbeit auf der Elementebene im Bauprozess

10.4.1Die Elementebene in der Auftragsklärung

10.4.2Die Elementebene in der Konzeptarbeit

10.4.3Die Elementebene in der Entwicklung und im Betrieb

10.4.4Strategien für das richtige Maß an Details zur richtigen Zeit

Reflexionsfragen

11Ganzheitliche Designarbeit entlang des Bauprozesses

11.1Designarbeit über die Ebenen hinweg

11.1.1Ganzheitliches Design der Ziele

11.1.2Ganzheitliches Design von Form, Funktion und Qualität

11.1.3Ganzheitliche Arbeit an Randbedingungen

11.2Designarbeit entlang der drei Designperspektiven

11.2.1Design in der Mensch-Perspektive

11.2.2Design in der Business-Perspektive

11.2.3Design in der Technologie-Perspektive

11.2.4Ganzheitliches Design am Schnittpunkt von Mensch, Business und Technologie

11.3Die Bedeutung iterativer Arbeit

11.3.1Iteratives Vorgehen in der Auftragsklärung

11.3.2Iteratives Vorgehen in der Konzeptarbeit

11.3.3Iteratives Vorgehen in der Entwicklung und im Betrieb

Reflexionsfragen

Teil III

Querschnittliches & Ausklang

12Frameworks für den Bauprozess

12.1Ausgewählte Frameworks aus Sicht des Digital Design

12.1.1Future Search

12.1.2Design Thinking

12.1.3Design Sprint

12.1.4Plangetriebene Entwicklung

12.1.5Scrum

12.1.6Lean Startup

12.2Kombination von Frameworks in einem Bauprozess

12.2.1Design Thinking, Lean Startup und Scrum als Abfolge

12.2.2Plangetriebene Entwicklung und Scrum parallel

Reflexionsfragen

13Die soziale Dimension im Bauprozess

13.1Grundlagen zum Mindset

13.2Die soziale Dimension in den drei Schritten

13.2.1Die soziale Dimension in der Auftragsklärung

13.2.2Die soziale Dimension in der Konzeptarbeit

13.2.3Die soziale Dimension in der Entwicklung und im Betrieb

13.3Wesentliche Aspekte für ein gestalterisches Mindset

13.3.1Designarbeit bedeutet, durch die Augen anderer Menschen zu schauen

13.3.2Gute Kommunikation kultivieren

13.3.3Experimentieren mit Alternativen für gute Lösungen

13.3.4Schöpferische Zugkraft beobachten und fördern

13.3.5Auf richtige Führung und Teamzusammensetzung achten

13.3.6Gestaltung benötigt durchgängige Erkenntnisprozesse

13.4Gestaltung ist Teamwork

Reflexionsfragen

Ausblick – wie kann es weitergehen?

Anhang

AHinweise zur Vorbereitung auf die Zertifizierungsprüfung zum Digital Design Professional (DDP)

BAbkürzungsverzeichnis

CLiteratur

Index

1Einleitung und Motivation

One’s rational understanding of a motorcycle is therefore modified from minute to minute as one works on it and sees that a new and different rational understanding has more quality.

– Robert Pirsig in [Pirsig 1974]

Die ganzheitliche Gestaltung digitaler Lösungen und Systeme steht im Zentrum dieses Buches.1 Das ist schon ein ordentlicher Anspruch, der hier formuliert wird. Wir digitalisieren doch kräftig und seit vielen Jahren. Warum sollte man sich jetzt so grundsätzlich mit diesem Thema auseinandersetzen? Und was hat dies mit Motorrädern und dem Zitat oben zu tun?

Beginnen wir mit der ersten Frage, hier ist meine Antwort immer die gleiche: Die Welt der Digitalisierung und insbesondere die der Softwareentwicklung hat sich in den letzten 15 bis 20 Jahren massiv verändert. Diese Veränderungen führen dazu, dass ganzheitliche Gestaltungskompetenz für die Digitalisierung immer wichtiger wird.

Und was hat es mit den Motorrädern auf sich? Das Zitat oben stammt aus dem Buch »Zen and the Art of Motorcycle Maintenance« von Robert M. Pirsig, einem, wie ich finde, sehr faszinierenden Buch. Eine wesentliche Aussage in diesem Buch ist, dass sich unser rationales Verständnis einer Sache (z.B. über ein Motorrad) verändern kann, wenn wir ein neues Verständnis entdecken, das besser ist (mehr Qualität hat). Genauso verhält es sich für mich mit der Digitalisierung. Unser bestehendes Verständnis der Gestaltung von Digitalisierung und vor allem der Softwareentwicklung kommt aufgrund verschiedener Entwicklungen an seine Grenzen und es braucht ein neues Verständnis, das mehr Qualität hat und einfach besser passt. Es hat den Namen Digital Design.

Welche Entwicklungen sind hier genau gemeint? Was ist denn Besonderes passiert in den letzten Jahren? Abbildung 1–1 verdeutlicht dies. Sie stammt ursprünglich aus einem Vortrag von mir aus dem Jahr 2017 auf der REConf® – Konferenz für Requirements Engineering – und ist auf der sprichwörtlichen Serviette entstanden, um eine für mich wichtige Beobachtung zu visualisieren: Das Spannungsfeld zwischen den Fähigkeiten und den Erwartungen an die Technologie hat sich irgendwann in den letzten 15–20 Jahren gedreht.

Abb. 1–1Zusammenhang zwischen Erwartungen an und Fähigkeiten von Technologie

Die Anfänge der Computertechnologie waren geprägt durch eine Form von Mangelwirtschaft. Software war nie gut genug, Rechner waren nie schnell genug, Speicher gab es nie genug und Festplattenkapazität sowieso nicht. Grundsätzlich bestand immer eine Lücke zwischen Erwartungen und Fähigkeiten. Die Menschen haben seit den Anfängen der Computertechnologie immer mehr erwartet, als die Technologie leisten konnte. Diese übermäßigen Erwartungen haben viele Menschen dazu motiviert, die Technologie immer weiter zu verbessern und stärker zu machen, um die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen mit Blick auf die Technologie zu erfüllen. Aus dieser Perspektive ist das also eine gute Entwicklung.

Wichtig für das Gesamtbild ist hier, dass die Technologie den Wünschen und Bedürfnissen gefolgt ist. Technologie wurde dazu eingesetzt, um verstandene Prozesse und Probleme der realen Welt mit Software zu unterstützen. Ein Höhepunkt des Spannungsfelds zwischen Erwartungen und Fähigkeiten von Technologie ist das Platzen der DotCom-Blase gewesen. Die Erwartungen der Menschen an die Technologie haben sich in einer Aktienblase manifestiert und als klar wurde, dass die Technologie diese Erwartungen nicht erfüllen konnte, ist die Blase geplatzt.

In den 2000er-Jahren hat sich dieses Verhältnis umgekehrt. Das erste iPhone ist dafür ein prominentes Beispiel, es hat 2007 das Smartphone als Geräteklasse und damit als Technologie für einen breiteren Markt verfügbar gemacht. Ich kann mich noch lebhaft daran erinnern, als ich mein erstes iPhone in den Händen hielt und mich über dessen technische Fähigkeiten gefreut habe (z.B. mobiles Internet, Touchscreen und GPS).

»Was man damit wohl alles anstellen kann?«, fragten sich zu dieser Zeit vermutlich viele Menschen. Diese Frage bedeutet im Kern, dass von diesem Moment an die technischen Möglichkeiten schneller wuchsen als die Erwartungen der Menschen an die Technologie. Das Smartphone ist aber nur ein Beispiel für die Explosion der technischen Möglichkeiten in den letzten 15 Jahren. Einige Stichworte sollen hier als Beispiel dienen: virtuelle Realität, 5G-Mobilfunk, Blockchain, maschinelles Lernen (ML) und Internet of Things (IoT). Jeder Begriff steht für eine digitale Technologie, die uns neue Fähigkeiten verspricht.

Und was hat das mit rationalem Verständnis zu tun? Ergänzen wir dazu die Abbildung gedanklich um einige Jahreszahlen zum Auftreten relevanter Aspekte von Softwareentwicklung und Digitalisierung. Software Engineering ist seit den 1960er-Jahren ein Begriff, die Geburtsstunde des Requirements Engineering wird auf 1977 datiert, seit Mitte der 1980er-Jahre gibt es Interaction Design, Usability Engineering geht auf den Anfang der 1990er-Jahre zurück, UX Design auf Ende der 1990er, Businessanalyse erscheint zum Jahrtausendwechsel auf der Bildfläche und das Agile Manifest wurde 2001 unterzeichnet. Alle diese Begriffe stehen für Tätigkeiten, Rollen und Aufgaben, die uns Angebote machen, wie wir die Gestaltung von Software und auch die Gestaltung von Digitalisierung verstehen können. Diese Inhalte und Angebote haben die Menschen und die Industrie dahingehend geprägt, wie Software entwickelt und gestaltet wird. Problematisch ist, dass all diese Angebote lange vor der zuvor beschriebenen Technologieexplosion entstanden sind und demnach davon ausgehen, dass Lösungen für bekannte Herausforderungen zu entwickeln sind.

Digital Design ist ein Ansatz, um die Herausforderungen, die sich aus den wachsenden technischen Möglichkeiten ergeben, mit vielen vorhandenen Gestaltungskompetenzen zu integrieren. Digital Design wurde als Berufsbild gezielt für die ganzheitliche Gestaltung digitaler Lösungen entwickelt und soll vor allem unser Verständnis für die ganzheitliche Gestaltung digitaler Lösungen erweitern. Dies bedeutet jetzt sicher nicht, dass Digital Design die bestehenden Ansätze verdrängen oder komplett ersetzen soll. Vielmehr das Gegenteil ist der Fall. Digital Design bildet die dringend benötigte Klammer, die uns dabei hilft, die Gestaltung von Digitalisierung besser zu verstehen und unsere bereits vorhandenen Fähigkeiten so zu integrieren, dass wir ganzheitlich gestalten können und bessere Lösungen in die Welt bringen. Unterm Strich bedeutet das mehr Qualität. Mit dieser Motivation schauen wir uns jetzt an, warum es dazu ein neues Berufsbild braucht.

1.1Ein Berufsbild für die ganzheitliche Gestaltung digitaler Lösungen

Eine wichtige Voraussetzung für das Verständnis von Digital Design ist das Verständnis des Technologieeinsatzes. Hierzu werden im Folgenden drei Stufen der Verwendung digitaler Technologien eingeführt. Dabei wird deutlich, dass mit jeder Stufe der Gestaltungsspielraum wächst und schließlich so groß wird, dass ein neues Berufsbild für die Gestaltung digitaler Lösungen notwendig wird.

1.1.1Drei Stufen der Verwendung digitaler Technologien

Die Entwicklung digitaler Technologien verändert die Art der digitalen Lösungen und kann durch die folgenden drei Stufen charakterisiert werden: Datendigitalisierung, Prozessdigitalisierung und digitale Transformation. Daten- und Prozessdigitalisierung werden typischerweise unter dem Oberbegriff »Digitalisierung« zusammengefasst. Für das Verständnis der technologischen Entwicklung ist diese Trennung jedoch wichtig.

Abb. 1–2Drei Stufen der Verwendung digitaler Technologien

Stufe 1 – Datendigitalisierung

Datendigitalisierung meint, dass digitale Technologien für die Speicherung und Verarbeitung von Daten eingesetzt werden. Etwas plakativer kann man auch von Elektrifizierung sprechen. Vormals analoge Daten (z.B. Papierakten) werden in digitale Daten übertragen (also elektrifiziert bzw. digitalisiert), um die Daten besser verarbeiten und transportieren zu können. Datendigitalisierung gab es im Übrigen schon vor der Erfindung von Computern, man kann z.B. das »Morsen« von Text als eine frühe Form der Datendigitalisierung verstehen, da Information im Sinne von Text durch das Morsealphabet in elektronische Signale übertragen wurde. Bleiben wir aber bei der Computertechnologie.

In der Geschichte der Computertechnologie haben Daten eine wichtige Rolle gespielt – und tun dies noch heute. In den Anfängen sprach man von »Elektronischer Datenverarbeitung« (EDV), hier sind die Daten und die Elektrizität noch sehr prominent. Vorreiter der Entwicklung waren z.B. Banken und Versicherungen, die schon früh damit begonnen haben, ihre Daten in Computersystemen zu speichern und zu verarbeiten.

Ein wesentliches Merkmal der Datendigitalisierung ist die Tatsache, dass bestehende Daten mit verstandenen Strukturen (z.B. Bankkonten, Versicherungsverträge, Video oder Musik) in ein Computersystem übertragen werden. Die Herausforderung bestand also darin, die Strukturen der analogen Daten zu verstehen, um einerseits eine sinnvolle technische Abbildung der Daten im Computer zu realisieren und andererseits eine Grundlage für die Verarbeitung der Daten zu schaffen.

Stufe 2 – Prozessdigitalisierung

Mit der Fähigkeit zur Speicherung und Verarbeitung von Daten in Computern ist es technisch gesehen nur ein kleiner Schritt in Richtung Prozessdigitalisierung, d.h. der Erschaffung digitaler Prozesse. Unter digitalen Prozessen werden Abläufe aus der realen Welt verstanden, die zu wesentlichen Teilen in den Computer übertragen werden und dort stattfinden.

Plakative Beispiele für Prozessdigitalisierung sind der Buch- oder Musikhandel. Eine analoge Form des Handels ist der Verkauf von Büchern oder CDs in Ladengeschäften. Menschen gehen in ein Geschäft, schauen sich nach Büchern oder CDs um, lassen sich vielleicht vom Personal beraten, kaufen hoffentlich etwas und gehen wieder heim. Die digitalisierte Form des Handels ist uns heute ebenso geläufig. Wir besuchen eine Webseite oder eine App, suchen nach Büchern oder CDs, bekommen Empfehlungen angezeigt, kaufen ein oder mehrere Bücher und lassen sie uns nach Hause liefern.

Hier geht es nicht um die Vor- und Nachteile der beiden Varianten des Buchhandels. Vielmehr soll aufgezeigt werden, dass durch digitale Technologien Prozesse oder Abläufe, die bisher in der realen Welt und mit analogen Mitteln (z.B. mechanischen Registrierkassen) durchgeführt wurden, in die digitale Welt übertragen werden. An dieser Stelle könnten jetzt noch viele weitere Beispiele folgen, aber in vielen Lebensbereichen ist die Digitalisierung schon so präsent, dass Sie vermutlich selbst genug Beispiele für dieses Verständnis von Prozessdigitalisierung finden werden.

Die Herausforderung bei der Prozessdigitalisierung ist ähnlich wie die Herausforderung bei der Datendigitalisierung. Die bestehenden analogen Prozesse müssen durchdrungen und verstanden werden, damit sie in sinnvollen und brauchbaren digitalen Prozessen realisiert werden können. Darüber hinaus müssen die Technologien über eine angemessene Verbreitung und Akzeptanz verfügen, damit die digitalen Prozesse von Kunden bzw. Benutzern als sinnvolle Alternative angenommen werden.

Diese beiden Herausforderungen mögen auf den ersten Blick ein wenig spitzfindig erscheinen, sind aber für das Gesamtbild wichtig. Eine digitale Lösung kann handwerklich noch so gut gestaltet und technisch noch so gut gemacht sein – wenn die Kunden und Benutzer die Technologie nicht akzeptieren oder die Technologien nicht flächendeckend verfügbar sind, hat die Lösung auch keine wirkliche Chance.

Stufe 3 – digitale Transformation

Mit der Fähigkeit, gute digitale Prozesse auf der Basis bestehender und verstandener Prozesse zu realisieren, können wir uns auf die dritte Stufe der digitalen Transformation bewegen. Auf dieser Stufe werden digitale Technologien dazu verwendet, Transformationen von Wirtschaft und Gesellschaft in Gang zu setzen. Es entstehen neue Prozesse, Geschäftsmodelle oder auch Produkte, die ohne digitale Technologien nicht realisierbar wären. Auf diese Weise entstehen Innovationen, die unsere Lebenswelt verändern, d.h. transformieren.

Ein gutes Beispiel für die digitale Transformation ist unser Umgang mit dem Medium Video oder Musik. Lange Zeit waren der Fernseher oder das Radio im Wohnzimmer und das Programm der Sendeanstalten die dominierende Quelle für Video und Musik. Heute hat sich der Medienkonsum stark verschoben auf diverse Video- und Musikplattformen, auf denen kommerzielle Filme und Musik, aber auch Videos und Musik privater Personen zu beliebigen Zeiten konsumiert werden können. Ein anderes Beispiel für die digitale Transformation sind soziale Netzwerke, die unser zwischenmenschliches Kommunikationsverhalten nachhaltig verändern.

Die Herausforderung bei der digitalen Transformation ist die gleiche wie bei der Digitalisierung, mit einer zusätzlichen Dimension: Die Kunden bzw. Benutzer müssen die gedachte Innovation als solche akzeptieren und nutzen, damit die Lösung erfolgreich sein kann. Diese Dimension ist essenziell für das Verständnis des Unterschieds zwischen Digitalisierung und digitaler Transformation. Bei der Digitalisierung werden bestehende und etablierte Prozesse mithilfe digitaler Technologien realisiert. Die grundsätzliche Frage nach dem Erfolgspotenzial stellt sich hier nicht. Zum Beispiel ist relativ klar, dass Menschen online Bücher kaufen oder lesen. Am Anfang der Entwicklung sozialer Netzwerke war jedoch nicht klar, ob Menschen sehr persönliche Informationen über ihr Leben auf einer digitalen Plattform teilen würden.

1.1.2Erweiterung des Gestaltungsspielraums mit jeder Stufe

Mit der zuvor beschriebenen Umkehr des Verhältnisses von Erwartungen und technischen Fähigkeiten sowie den drei Stufen der Verwendung digitaler Technologien lässt sich ein Trend ableiten: Der Gestaltungsspielraum mit Blick auf digitale Technologien wächst erheblich und wird vermutlich auch noch weiter wachsen. Viele Menschen sprechen in diesem Zusammenhang davon, dass wir uns im digitalen Wandel befinden.

Die drei Stufen der Technologieverwendung bieten unterschiedliche Gestaltungsspielräume, es handelt sich jedoch nicht um ein trennscharfes Modell. Viele digitale Lösungen sind vermutlich irgendwo in der Grauzone zwischen Prozess- und Transformationsorientierung angesiedelt. Wichtig ist hier, den wesentlichen Unterschied in den Herausforderungen und damit im Gestaltungsspielraum zu verstehen. Bringt man die drei Stufen nun mit der skizzierten zeitlichen Entwicklung der Erwartungen und der technischen Entwicklung zusammen, dann zeigt sich, dass erst durch den extremen Anstieg der technischen Fähigkeiten viel neues Potenzial für digitale Transformation entstanden ist.

Jetzt mag man fragen, warum diese Entwicklung ein Problem ist. Grundsätzlich ist diese Entwicklung positiv, denn neue Möglichkeiten und Fähigkeiten eröffnen neue Innovationspotenziale. Allerdings erfordert der Umgang mit dieser veränderten Situation eine veränderte Sicht auf die erforderlichen Kompetenzen. Bei der Daten- und Prozessdigitalisierung steht das Verständnis bestehender Daten und Prozesse im Vordergrund. Es gibt auf dieser Stufe eine Vorlage, die analysiert werden muss, um auf Basis dieses Verständnisses eine digitale Lösung zu realisieren. Hierfür haben sich in der Vergangenheit spezialisierte Kompetenzen etabliert, wie das Requirements Engineering für den professionellen Umgang mit Anforderungen und die Businessanalyse für das professionelle Arbeiten in wirtschaftlichen Kontexten. Darüber hinaus spielt die Qualität einer Lösung aus Sicht des Benutzers eine wichtige Rolle. Hierfür haben sich die Fachkompetenzen des Usability Engineering und User Experience (UX) Design herausgebildet. Und für die technische Umsetzung im Sinne von Software hat sich das Gebiet der Softwarearchitektur etabliert. Vor dem Hintergrund der Herausforderungen der Daten- und Prozessdigitalisierung sind diese Kompetenzen notwendig, gut und wichtig. Der Erfolg vieler Lösungen unterstreicht, wie wichtig diese Spezialisierungen sind.

Gehen wir jedoch auf die Stufe der digitalen Transformation und nehmen die ständig wachsenden technischen Möglichkeiten dazu, reichen die Spezialisierungen nicht mehr aus. Es braucht neben den Spezialisierungen eine Ergänzung im Sinne einer ganzheitlichen und übergreifenden Perspektive auf die Gestaltung einer digitalen Lösung, die in allen vorhandenen Freiheitsgraden operieren kann.

1.1.3Berufsbild »Digital Design«

Diese Entwicklung hat eine Gruppe von Menschen im Bundesverband Bitkom e.V. motiviert, mit dem »Digital-Design-Manifest« das Berufsbild und die Idee des Digital Design zu propagieren [Bitkom 2018]:

Digital Design

Die kreative und ganzheitliche Gestaltung digitaler Lösungen.

Die kreative und ganzheitliche Gestaltung digitaler Lösungen wird durch eine ganzheitliche Betrachtung der technischen Möglichkeiten des digitalen Materials, der wirtschaftlichen Aspekte und der aktuellen oder zukünftigen Bedürfnisse der Menschen erreicht. Digital Designerinnen und Designer sind Menschen mit Kompetenzen in der ganzheitlichen Gestaltung digitaler Lösungen. Dies umfasst neben der schöpferischen und kreativen Gestaltung vor allem das Verständnis digitaler Technologien als gestaltbares Material sowie entsprechendes Wissen über digitale Technologien und den Bau digitaler Lösungen. Bei dieser innovativen Form von Technologiekompetenz geht es nicht um Realisierungskompetenz, es geht vielmehr um ein breites Wissen über die Möglichkeiten und Grenzen digitaler Technologien.

In Kapitel 2 werden wir die Kompetenzfelder des Digital Design genauer betrachten und im weiteren Verlauf des Buches tiefer in weitere Details einsteigen. Zunächst bleiben wir aber noch bei einer grundlegenden Perspektive, die wichtig für das Verständnis von Digital Design ist.

Zur Begrifflichkeit »Digital Design«

Begriffliche Präzision ist wichtig für ein Lehrbuch und für eine gute Kommunikation. Daher soll im Folgenden kurz auf die Mehrdeutigkeit des Begriffs »Digital Design« eingegangen werden. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird mit Digital Design auch Folgendes bezeichnet:

Design von Produkten mit digitalen Werkzeugen

Design von integrierten Schaltkreisen (ICs)

Design von User Interfaces (z.B. von Webseiten oder Apps)

Design von visueller Kommunikation mit digitalen Interfaces

Diese Mehrdeutigkeit ist kein Mangel, sondern sprachliche Normalität. Ein Wissen um diese Mehrdeutigkeit ist nützlich, um Missverständnissen vorzubeugen. Insbesondere die letzten beiden Bedeutungen weisen bereits in Richtung der Digitalisierung, werden aber häufiger als Kommunikationsdesign, Interaction Design oder User Interface Design bezeichnet.

Digital Design, so wie es in diesem Buch beschrieben ist, ist umfassender zu verstehen und bewegt sich auf der gleichen Ebene wie das Industriedesign oder die Architektur. So wie der Begriff »Industriedesign« für die ganzheitliche Gestaltung von Produkten im industriellen Kontext steht (vgl. [VDID 2012]), so bezeichnet Digital Design die ganzheitliche Gestaltung digitaler Lösungen auf Basis digitaler Technologien im Kontext der digitalen Transformation. Und, natürlich wird im Digital Design auch mit digitalen Werkzeugen gearbeitet.

Diese Vielfältigkeit in Bezug auf das Digitale und auch der ganzheitliche Anspruch werden durch den Begriff »Digital Design« wunderbar zum Ausdruck gebracht. Gleichzeitig werden Sie im Verlauf des Buches sehen, dass die vielfältigen Kompetenzen zur Gestaltung digitaler Lösungen durch Digital Design in einen größeren Kontext gestellt werden und dadurch an Stärke, Bedeutung und Wirksamkeit gewinnen.

Ganzheitliche Gestaltung digitaler Lösungen als Fokus

Im Digital Design geht es um die ganzheitliche und kreative Gestaltung digitaler Lösungen. Eine digitale Lösung ist mehr als ein technisches System und ist wie folgt definiert:

Digitale Lösung

Ein soziotechnisches System, das ein reales Problem mit digitalen Mitteln löst.

Der Begriff des soziotechnischen Systems im Sinne des Zusammenspiels von Mensch, Organisation und Technologie klingt zunächst etwas sperrig. Er eignet sich aber sehr gut, um eine digitale Lösung und den Anspruch an das ganzheitliche Design treffend zu charakterisieren.

Ganzheitlich und kreativ bedeutet in erster Linie, dass es beim Design einer digitalen Lösung nicht nur darum geht, ein technisches System für einen gegebenen Kontext zu gestalten, sondern vielmehr darum, das technische System im Zusammenspiel mit seinem Kontext ganzheitlich im Sinne einer innovativen Lösung zu gestalten. Im Digital-Design-Manifest wird dieser Anspruch wie folgt formuliert.

Teile der Gestaltungsarbeit nach dem Digital-Design-Manifest [Bitkom 2018]

Ziel, Nutzen und Mittel im Zusammenspiel gestalten: Gestaltungsarbeit heißt nicht nur, eine Lösung für ein Problem und einen Weg zu einem Ziel zu finden. Neue Möglichkeiten und neue Technologien erlauben es, neue Ziele zu definieren, die vorher nicht denkbar schienen. Daher schließt Gestaltungsarbeit auch die Arbeit an Zielen mit ein.Im Großen und Kleinen gestalten: Gestaltung im Großen bezieht sich auf Geschäftsmodelle, -prozesse und -strategien. Gestaltung im Kleinen betrifft kleine Dinge im Alltag und Bausteine einer Lösung.Sichtbares und Verborgenes gestalten: Viele Funktionen einer digitalen Lösung laufen im Verborgenen. Sie sind aber genauso wichtig für den Erfolg der Lösung wie die sichtbare Oberfläche.Materielles und Immaterielles gestalten: Digitale Technologien werden oft mit immateriellen Dingen gleichgesetzt, obwohl viele Teile der Digitalisierung (z.B. Endgeräte) materielle Gegenstände sind.Den Gestaltungsprozess gestalten: Digitale Lösungen sind komplex und insbesondere ihr Softwareanteil kann sich fortlaufend weiterentwickeln. Der Gestaltungsprozess ist nicht trivial und muss daher ebenfalls fortlaufend mit methodischer Kompetenz und Sorgfalt gestaltet werden.
Zehn Prinzipien für gutes Digital Design

Für das Verständnis eines Berufsbilds sind Kompetenzen und Fähigkeiten eine wichtige Grundlage. Ebenso wichtig ist aber auch die Haltung, die durch ein Berufsbild verkörpert werden soll. Das Digital-Design-Manifest definiert dazu zehn Prinzipien:

Zehn Prinzipien für gutes Digital Design [Bitkom 2018]

Gutes Digital Design ist nützlich und gebrauchbar.Gutes Digital Design ist elegant und ästhetisch.Gutes Digital Design ist evolutionär.Gutes Digital Design ist explorativ.Gutes Digital Design nimmt den ganzen Menschen in den Fokus.Gutes Digital Design antizipiert die Auswirkungen seiner Ergebnisse.Gutes Digital Design achtet den Datenschutz und die Datensicherheit.Gutes Digital Design ist nachhaltig und schafft Nachhaltigkeit.Gutes Digital Design würdigt Analoges und Digitales in gleicher Weise.Gutes Digital Design setzt Digitales nur dort ein, wo es erforderlich ist.

Die zehn Prinzipien sind nicht als Checkliste gedacht. Sie beschreiben vielmehr eine Haltung gegenüber dem digitalen Material und der Gestaltung guter digitaler Lösungen. Sie beziehen sich immer auf gutes Digital Design und damit sowohl auf den Prozess als auch auf das Ergebnis.

1.2Digital Design als Berufsbild und nicht als »Superrolle«

Im Verlauf dieses Buches werden wir sehen, dass das Kompetenzprofil von Digital Design sehr breit und vielfältig ist. In Projekten und Organisationen wird oft von Rollen gesprochen, daher ist der Unterschied zwischen Rolle und Berufsbild wichtig für das Verständnis von Digital Design.

Unter einer Rolle wird eine Funktion verstanden, die eine Person in einer bestimmten Situation einnehmen kann. Eine Rolle kann durch Aufgaben, Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten definiert werden. Auch wenn diese Sichtweise etwas spitzfindig ist, so ist sie doch sehr wichtig, um Klarheit über Personen und ihre Rollen zu gewinnen.

Nur weil einer Person eine Rolle zugewiesen wird (z.B. die Rolle eines Qualitätsmanagers) und diese Rolle der Person im obigen Sinne erläutert wird, heißt dies noch lange nicht, dass die Person diese Rolle auch adäquat ausfüllen kann. Hier kommt das Berufsbild im Sinne eines Kompetenz- und Fähigkeitsprofils der Person zum Tragen. Nur wenn Rolle und Profil übereinstimmen, kann eine Person eine Rolle sinnvoll ausfüllen.

Würde man das Profil des Digital Design auf eine einzelne Rolle übertragen, so ergäbe sich eine Art »Superrolle«, die eine einzelne Person vermutlich überfordern würde bzw. nur für sehr kleine und überschaubare Lösungen funktionieren würde.

Der umgekehrte Weg ist vielversprechender. Rollen und Prozesse müssen spezifisch für eine konkrete Situation definiert werden. Ebenso können sich Rollen je nach Situation schnell ändern. Unser Ziel muss es sein, Menschen im Sinne des Digital Design sehr breit und vielfältig zu qualifizieren, damit sie im Team und in unterschiedlichen Rollen an der Gestaltung digitaler Lösungen arbeiten und gemeinsam Verantwortung für die Gestaltung übernehmen können. Wesentlich ist dabei, dass das Digital Design einen Rahmen bietet, der die Aufgaben und Verantwortlichkeiten festlegt, und dieser Rahmen dann genutzt wird, um konkrete Rollen zu definieren. Je nach Rolle sind dann natürlich Zusatzqualifikationen erforderlich, die über das Digital Design hinausgehen.

1.3Zertifizierung zum »Digital Design Professional«

Einen Einstieg in das Thema Digital Design bietet das Zertifikat »Digital Design Professional (DDP) – Foundation Level« des International Requirements Engineering Board (IREB) [DDP FL 2023]. Unter einem DDP sind Personen zu verstehen, die auf dem Gebiet des Digital Design fachkundig sind. Wesentliche Qualifikationsziele des Foundation Level bestehen in

einem ganzheitlichen Verständnis digitaler Lösungen,

einem umfassenden Verständnis über den Bauprozess

2

digitaler Lösungen, d.h. über den gesamten Prozess von der ersten Idee über die Umsetzung bis zum Lebensende einer Lösung, und

einem breiten Verständnis der Gestaltung digitaler Lösungen sowie der erforderlichen Material- und Querschnittskompetenzen.

Mit dem Erreichen der genannten Qualifikationsziele sollen Fachleute mit spezialisierter Ausbildung dabei unterstützt werden, den Bau und vor allem die Gestaltung digitaler Lösungen in ihrer Ganzheitlichkeit besser zu erfassen und zu strukturieren. Dadurch können die eigenen Stärken besser in den Prozess und in das Team eingebracht werden. Darüber hinaus hilft es dabei, das eigene Kompetenz- und Fähigkeitsprofil in das Profil des Digital Design einzuordnen, um die eigene Weiterbildung in Richtung Digital Design sinnvoll zu strukturieren und voranzutreiben.

Der Foundation Level ist für alle Berufsbilder und Rollen nützlich, die im weitesten Sinne mit der Gestaltung und Entwicklung digitaler Lösungen zu tun haben. Sie erhalten ein besseres Verständnis für die Gestaltung digitaler Lösungen und auch für die dazu erforderlichen Schnittstellen. Schlussendlich definiert der Foundation Level eine gemeinsame Sprache und unterstützt damit die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Disziplinen.

Das Zertifikat zum DDP Foundation Level ist somit der Nachweis, dass eine Person über ein umfassendes Verständnis über Digital Design verfügt und die Sprache des Digital Design beherrscht.

1.4Ziele und Aufbau dieses Buches

1.4.1Ziele des Buches

Dieses Buch orientiert sich am Lehrplan zum »Digital Design Professional – Foundation Level« (DDP) [DDP FL 2023] und verfolgt drei Ziele:

1. Digital Design in seiner Breite und Tiefe darstellen

Der Anspruch an eine ganzheitliche Gestaltung erfordert ein umfassendes Verständnis und ein vielfältiges Spektrum an Fähigkeiten und Kompetenzen. Dieses Buch strukturiert und ordnet diese Vielfalt im Sinne eines Grundlagenwerks, um Digital Design umfassend zu vermitteln. Leserinnen und Leser erhalten so eine gut lesbare Einführung und ein umfassendes Verständnis der Konzepte und Werkzeuge des Digital Design, um erste Schritte in der ganzheitlichen Gestaltung digitaler Lösungen und Systeme erfolgreich zu gehen.

2. Brücken in die Praxis bauen

Digital Design ist ein vergleichsweise junger Ansatz, dennoch wird die Digitalisierung bereits heute gestaltet und es gibt eine Reihe von Fachleuten auf diesem Gebiet. Für diese Zielgruppe will dieses Buch eine Brücke bauen, um die eigenen Kompetenzen durch die Brille des Digital Design zu betrachten und aufzuzeigen, wie Digital Design in den eigenen Arbeitsalltag passt. Dazu werden zahlreiche Verweise auf weiterführende Literatur zu Techniken und Vorgehensweisen gegeben.

3. Unterstützung für die Zertifizierung zum DDP Foundation Level

Interessierte an einem Zertifikat erhalten einen umfassenden und zugänglich strukturierten Überblick über die Inhalte des Lernstoffs und können das Buch als Ergänzung zu einer Schulung oder zur Vorbereitung auf die Zertifizierung bzw. zum Selbststudium nutzen. Ebenso können Trainerinnen und Trainer des DDP dieses Buch als Grundlage für ihre Schulungen einsetzen.

1.4.2Aufbau des Buches

Inhaltliche Struktur

Dieses Buch ist in erster Linie als Lehrbuch und in zweiter Linie als ständiger Wegbegleiter geschrieben. Als Lehrbuch kann es von vorne nach hinten gelesen werden und vermittelt in drei Teilen folgende Inhalte:

Teil I

ist den Grundlagen gewidmet

. Zunächst werden wir uns mit dem Kompetenzspektrum des Digital Design beschäftigen (

Kap. 2

) und uns einen ersten Überblick über das Design mit digitalem Material verschaffen (

Kap. 3

). Anschließend werden wir zur Strukturierung der Designarbeit den Bauprozess näher betrachten (

Kap. 4

) und verschiedene Modelle zur Strukturierung von Designarbeit kennenlernen (

Kap. 5

). Außerdem wird ein erster Überblick über digitale Technologien (

Kap. 6

) gegeben. Den Abschluss des ersten Teils bilden wichtige Grundlagen der Designarbeit im Allgemeinen (

Kap. 7

).

Teil II

widmet sich der Designkompetenz

. Dazu wird Designarbeit auf drei Abstraktionsebenen im Detail betrachtet: Entwurf, Evaluation und Designarbeit im Bauprozess (

Kap. 8

10

). Abschließend wird eine übergeordnete Perspektive eingenommen und untersucht, wie digitale Lösungen ganzheitlich gestaltet werden können (

Kap. 11

).

Teil III

ist den Querschnittskompetenzen des Digital Design gewidmet

. In diesem Teil werden verschiedene Frameworks für Bauprozesse betrachtet (

Kap. 12

) und ein Überblick über die Bedeutung der sozialen Dimension für den Bauprozess gegeben (

Kap. 13

).

Als Wegbegleiter nimmt das Buch zum Abschluss eine übergeordnete Perspektive ein und gibt einen Ausblick auf nächste Schritte, die mit Blick auf die persönliche Weiterbildung im Digital Design denkbar sind. Darüber hinaus versteht sich das Buch auch als Nachschlagewerk, das für die vielfältigen Aspekte, Werkzeuge und Techniken der ganzheitlichen Gestaltung digitaler Lösungen und Systeme genutzt werden kann. Dabei hilft auch ein umfangreiches Stichwortverzeichnis im Anhang des Buches.

Im Anhang finden sich weiter Hinweise zur Vorbereitung auf die Zertifizierungsprüfung zum DDP Foundation Level mit einer Übersicht über die Lernziele und mit Beispielprüfungsfragen zu jedem Lernziel.

Hervorhebungen von wichtigen Inhalten

Wichtige Begriffsdefinitionen werden im Text gezielt in Boxen hervorgehoben. Diese Definitionen stammen, sofern nicht anders angegeben, aus dem DDP-Glossar und werden wie folgt dargestellt:

Definierter Begriff

Text zur Definition.

Wichtige Hinweise zu Inhalten (bzw. zur Anwendung in der Praxis oder zur Vertiefung) sind wie folgt dargestellt:

Überschrift des Hinweises

Beschreibung des Hinweises

Neben Hinweisen sind an einigen Stellen Exkurse eingefügt, die einen spannenden Sachverhalt beschreiben, der über den Foundation Level hinausgeht. Die Exkurse werden folgendermaßen dargestellt:

Überschrift des Exkurses

Beschreibung des Exkurses

Fallbeispiele als Angebot zur Anwendung der Inhalte

Zur Vertiefung und praktischen Anwendung der Arbeit im Digital Design werden im Text verschiedene Fallbeispiele angeboten.

Fallbeispiele beziehen sich auf die Inhalte eines Abschnitts und laden dazu ein, diese auf ein Fallbeispiel anzuwenden.

Fallbeispiele werden so wie dieser Text durch ein Symbol und eine veränderte Schrift hervorgehoben.

Reflexionsfragen als Angebot zur Vertiefung

Am Ende eines Kapitels sind offene Reflexionsfragen formuliert. Diese offenen Fragen sind als Angebote gedacht, um die Themen eines Kapitels zu reflektieren und zu vertiefen. Dabei zielen die Reflexionsfragen z.B. auf persönliche Erfahrungen und Einschätzungen ab oder regen an, die Inhalte eines Kapitels auf ein Beispiel anzuwenden.

Reflexionsfragen

Drei Stufen der Technologieverwendung

Betrachten Sie digitale Lösungen aus Ihrem aktuellen Umfeld, dies können privat genutzte Apps oder auch ein Projekt aus Ihrem Arbeitsumfeld sein. Ordnen Sie die Lösungen den drei Stufen der Technologieverwendung zu und begründen Sie die Zuordnung für sich.

Thesen für gutes Digital Design

Welche These für gutes Digital Design ist aus Ihrer Sicht am wichtigsten?

Welche guten und schlechten Beispiele fallen Ihnen zu den Thesen ein?

Rollen, Aufgaben und Berufsbilder

Welche Rollen haben Sie bereits in Software- bzw. Digitalisierungsprojekten eingenommen? Notieren Sie die Rollen mit den wichtigsten Aufgaben und Verantwortlichkeiten.

Welchem Berufsbild würden Sie sich zuordnen? Das kann z.B. Ihr Studienabschluss, Ihre Berufsausbildung oder auch etwas ganz anderes sein.

Wie passen Ihre Rollen und Ihr Berufsbild zusammen? Wie gut hat Sie Ihr Berufsbild auf Ihre Rollen vorbereitet? Welche Inhalte waren hilfreich?

Teil I

Grundlagen des Digital Design

2Kompetenzfelder des Digital Design

I thought that the designer should know the process how these things are made and so he has to be schooled first to understand the machine and the whole process of industry. So, we had to bring at least mentally together the totality of the whole process.

– Walter Gropius in »Bauhaus reviewed 1919–1933«

In diesem Kapitel wird das Kompetenzprofil des Digital Design umfassend eingeführt und beschrieben. Für das Kompetenzprofil wurde der griechische Buchstabe π (Pi) als Symbol gewählt (siehe Abb. 2–1 und vgl. [Bitkom 2017]). Es vermittelt, dass die Gestaltung digitaler Lösungen neben einer breiten Querschnittskompetenz zwei Schwerpunktkompetenzen benötigt.

Abb. 2–1Das Pi-förmige Profil des Digital Design

Digital Design und das Bauhaus

Die Kombination aus Design- und Materialkompetenz im Digital Design folgt dem Vorbild bestehender Berufsbilder der Gestaltung und wurde bereits vor 100 Jahren am Staatlichen Bauhaus, besonders in der Zeit in Dessau ab 1925, gelebta. Walter Gropius war Gründer des Bauhauses, sein Zitat zu Beginn dieses Kapitels ist Ausdruck dieser Idee und heute eine selbstverständliche Grundlage für die Architektur und das Industriedesign. In beiden Disziplinen wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass sowohl gestalterische als auch technische Fähigkeiten vermittelt werden.b Dahinter steckt die Erkenntnis, dass isolierte Designkompetenz ohne Materialkompetenz nur bedingt wirksam werden kann. Es besteht einerseits das Risiko, dass durch isolierte Designkompetenz Ideen oder Produkte entworfen werden, die faktisch nicht realisierbar sind, und andererseits, dass die Möglichkeiten der verfügbaren Materialien nicht sinnvoll und vollständig ausgeschöpft werden können, sodass suboptimale Lösungen entstehen.

a.Wenn Sie gedanklich in die Zeit des Staatlichen Bauhauses reisen möchten, dann kann ich Ihnen die Seite https://monoskop.org/Bauhaus empfehlen. Dort finden sich viele spannende Originalpublikationen als PDF, z.B. die Zeitschrift »Bauhaus«.

b.Wer tiefer in diese Disziplinen eintauchen möchte, dem empfehle ich die Dokumentarfilme von Gary Hustwit: »Objectified« und »Rams« zum Thema Industriedesign sowie »Urbanized« zum Thema Bauarchitektur. Alle Filme sind zu finden unter https://www.ohyouprettythings.com/films.

2.1Designkompetenz

Wenn man sich mit dem Kern von Designkompetenz befassen möchte, dann muss man sich auch den Begriff »Design« genauer anschauen – ein schwieriges Thema. Für das zentrale Wort »Design« beginnt der Eintrag im Wörterbuch Design [Erlhoff & Marshall 2008] mit folgender Aussage:

Auf die Gefahr hin, die Leserinnen und Leser zu enttäuschen, müssen wir doch sehr offen eingestehen: Ausgerechnet für die zentrale Kategorie dieses Wörterbuchs gibt es keine allgemein gültige Definition – eben für Design.

Im Anschluss an dieses Bekenntnis folgen mehrere Seiten Erläuterungen über die verschiedenen Bedeutungen und Interpretationen des Begriffs Design. Wenn Sie tiefer in die begriffliche Breite von Design einsteigen wollen, dann kann ich Ihnen empfehlen, die Erläuterungen zu studieren.

Die begriffliche Unschärfe von Design wird gerne als Schwäche der gesamten Idee des Designs ausgelegt. Dieser Auslegung soll an dieser Stelle ausdrücklich widersprochen werden. Design findet in vielfältigen Formen und Bereichen statt und daraus folgt unmittelbar, dass Design ein sehr breites Bedeutungsspektrum umfassen muss. Diese Breite und Vielfalt sind eine Stärke der Idee des Designs. Wichtig ist nur, dass man sich im jeweiligen Kontext klarmacht, welches Verständnis von Design verwendet wird, um nicht missverstanden zu werden.

Im Digital Design wird das Wort »Design« im Sinne des Wortes »Gestaltung« bzw. gestalten verwendet. Das Wörterbuch Design [Erlhoff & Marshall 2008] definiert Gestaltung wie folgt:

Gestaltung

Ein Eingriff in die Umwelt, der zu deren absichtsvoller Veränderung führt.

Mit der Definition wird deutlich, dass mit Gestaltung ein ganzheitlicher Anspruch verbunden ist und Gestaltung eine Aktivität darstellt, die bis zur tatsächlichen Veränderung reicht. Dieser Anspruch wird in der Designliteratur dadurch unterstrichen, dass Design als eine Dienstleistung (Service) verstanden wird (vgl. [Nelson & Stoltermann 2014]): Designerinnen und Designer gestalten im Sinne ihrer Auftraggeber und weiterer Stakeholder (z.B. Kunden des Auftraggebers, Benutzer eines Systems).

Abb. 2–2Wesentliche Bestandteile von Designkompetenz im Überblick

Übertragen auf das Digital Design bedeutet dies die absichtsvolle Veränderung der Umwelt durch eine digitale Lösung. Entlang dieses Begriffsverständnisses können wir uns den wesentlichen Bestandteilen von Designkompetenz nähern. Abbildung 2–2 zeigt die verschiedenen Bestandteile und ihr Zusammenspiel im Überblick1. Wichtig für den ersten Überblick zur Designkompetenz ist an dieser Stelle, dass die Bestandteile sowohl aus Tätigkeiten bestehen, die in Richtung der Veränderung arbeiten (dunkelgraue Pfeile), als auch aus Tätigkeiten, die der Evaluation des bisher Erarbeiteten dienen (hellgraue Pfeile). Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass Design auch immer die Evaluation einschließt. In den folgenden Abschnitten werden wir die verschiedenen Bestandteile von Designkompetenz näher betrachten.

2.1.1Veränderungsnotwendigkeit verstehen und formulieren

Designkompetenz beginnt mit der Fähigkeit, die Notwendigkeit einer Veränderung zu erkennen und zu verstehen. Das Verständnis für die Notwendigkeit einer Veränderung wird oft mit einem Problem oder einem Ziel gleichgesetzt, ist diesem Schritt aber vorgelagert. Auf den ersten Blick mag diese Unterscheidung akademisch anmuten, ist aber für Designvorhaben von großer Bedeutung. Denn das Problem oder das Ziel ist schon der zweite Schritt, der die Richtung der Veränderung formuliert.

Die Frage nach der Notwendigkeit bedeutet vor allen Dingen zu verstehen, warum ein Problem ein Problem ist oder warum die Erreichung eines Ziels überhaupt erforderlich ist. Gerade mit Blick auf digitale Lösungen ist die Frage nach der Notwendigkeit einer Veränderung wichtig, da Digitalisierung sehr oft als Selbstzweck missverstanden wird. Mit dem Wissen um den Grund für eine Veränderung kann im Verlauf des gesamten Prozesses überprüft werden, ob ein Vorhaben noch in die richtige Richtung geht oder nicht.

Das Verständnis der Veränderungsnotwendigkeit ist über das inhaltliche Wissen hinaus ein wichtiger sozialer Faktor für die Motivation aller beteiligten Personen und für den Erfolg einer Lösung. Im Sinne einer Kompetenz stecken hinter diesem Verständnis zum einen analytische Kompetenzen, um die Veränderungsnotwendig zu erfassen, aber zum anderen auch kommunikative Kompetenzen, um die Notwendigkeit verständlich an verschiedene Zielgruppen zu kommunizieren. Diese kommunikativen Kompetenzen zählen zu den querschnittlichen Kompetenzen und werden in Abschnitt 2.3 vertieft.

Nehmen Sie als Beispiel eine auf den ersten Blick gut funktionierende Organisation. Das Management kommt zu der Erkenntnis, dass die Organisation ihre Prozesse und Arbeitsweisen mithilfe einer digitalen Lösung verändern muss, um zukunftsfähig zu bleiben. Das Management hat die Notwendigkeit zur Veränderung verstanden und kann mit einer digitalen Lösung eine Veränderung in Gang setzen.

Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass die gesamte Organisation die Notwendigkeit der Veränderung verstanden hat. Für einen guten Designprozess ist es daher erforderlich, dass die Notwendigkeit zur Veränderung von allen Beteiligten verstanden wird, um sinnvoll am Veränderungsprozess mitzuwirken.

2.1.2Ziel der Veränderung verstehen und formulieren

Ausgehend vom Verständnis der Notwendigkeit einer Veränderung muss die angestrebte Veränderung konkreter bestimmt werden. Dies kann allgemein als Problem oder als Ziel aufgefasst werden.

Problem vs. Ziel – einfache Unterscheidung

Die Begriffe »Problem« und »Ziel« sind selbst ein wenig problembehaftet. Für Neueinsteiger sind die folgenden Charakterisierungen hilfreich.

Probleme schauen auf den aktuellen Zustand und können auch als unerwünschte Zustände bzw. zu verändernde Zustände bezeichnet werden. Ziele schauen in die Zukunft und können als zu erreichende Zustände verstanden werden.

Damit hängt die Frage, ob man lieber in Problemen oder in Zielen denkt, von der zeitlichen Perspektive ab. Beide Begriffe sind als Ausgangspunkt für das Design geeignet. Projekte sollen meist sowohl Probleme lösen als auch Ziele erreichen. Von daher muss man sich sowieso mit beiden Sichten beschäftigen.

Mit Blick auf digitale Lösungen ist die Formulierung der Ziele eine echte Herausforderung. In Abschnitt 1.1.1 haben wir gesehen, wie vielfältig die Fähigkeiten digitaler Technologien sein können und welche Potenziale sie entfalten können. Dieses Potenzial kann auf der einen Seite sehr inspirierend wirken und vielfältige Ideen für Ziele eröffnen. Auf der anderen Seite kann dieses Potenzial aber auch lähmend wirken, da vollkommen unklar ist, in welche Richtung sich eine Lösung entwickeln kann.

Gerade bei digitalen Lösungen sind klare Ziele wichtig. Die Ziele geben Orientierung, in welche Richtung sich die angestrebte Lösung entwickeln soll. Ziele helfen auch dabei, zu evaluieren, ob die angestrebte Veränderung richtig verstanden und notwendig ist. Gleichzeitig sind formulierte Ziele ein Referenzpunkt, um zu überprüfen, ob die angestrebte Lösung die Ziele erreichen kann und erreichen wird.

Ebenso wie die Notwendigkeit der Veränderung müssen auch die Ziele sinnvoll kommuniziert werden, damit sie von allen verstanden werden. Designkompetenz umfasst aber nicht nur die analytischen und kommunikativen Fähigkeiten, um Ziele zu erfassen, sauber aufzuschreiben und zu kommunizieren. Aufgrund der Möglichkeiten digitaler Lösungen umfasst Designkompetenz auch eine beratende Komponente in dem Sinne, dass das Digital Design dem Auftraggeber und weiteren Stakeholdern dabei hilft, gute, sinnvolle und erreichbare Ziele zu formulieren.

2.1.3Lösung für das Ziel entwerfen

Haben wir die Ziele erfasst, müssen wir eine Lösung erdenken und formulieren, mit der das Ziel erreicht werden kann. Erdenken und formulieren hört sich als Fähigkeit umständlich an. Besser passt hier der Begriff des Entwerfens, um beide Tätigkeiten zu beschreiben. Entwerfen als Verb wird als »erdenken« verstanden und der Entwurf als Substantiv ist dann die formulierte Dokumentation des »Erdachten« (vgl. [Gänshirt 2021]).

Entwürfe als Dokument und Entwerfen als Fähigkeit ist immer dann wichtig, wenn die angedachte Lösung so komplex ist, dass man sie nicht unmittelbar in die Tat umsetzen kann bzw. wenn man zur Umsetzung auf die Mithilfe weiterer Menschen angewiesen ist. Daher umfasst auch das Entwerfen die Kompetenz zur angemessenen Kommunikation eines Entwurfs an die beteiligten Personen. Für digitale Lösungen ist diese Komplexität unumstritten und daher zählt die Fähigkeit des Entwerfens auch zu den notwendigen Kompetenzen im Digital Design. Der Entwurf einer digitalen Lösung ist allgemein die Basis für die Realisierung der Lösung und gleichzeitig auch ein wichtiger Referenzpunkt für die Evaluation, ob die Realisierung der Lösung dem Entwurf entspricht.

Die Evaluationspotenziale eines Entwurfs beziehen sich aber nicht nur auf die Realisierung einer Lösung. Auf Basis eines Entwurfs kann geprüft werden, ob der erstellte Entwurf das Potenzial hat, die gesteckten Ziele zu erfüllen. Ebenso kann man mit einem Entwurf auch zum ersten Mal überprüfen, ob der Entwurf die angedachte Veränderung erreichen kann. Sowohl das Entwerfen als auch das Evaluieren von Entwürfen wird im Verlauf des Buches weiter vertieft.

2.1.4Realisierung der Lösung begleiten

Genauso relevant wie das Entwerfen ist die Fähigkeit, den Entwurf in die Tat umzusetzen und damit die Veränderung möglich zu machen. Daher gehört die Begleitung der Realisierung ebenfalls zur Designkompetenz. Wesentlich ist hier aber der Gedanke der Begleitung der Realisierung:

Veränderung begleiten heißt nicht, dass man alles selbst machen muss.

Das Herbeiführen von Veränderungen kann leicht dahingehend missverstanden werden, dass die Veränderung mit eigenen Händen herbeigeführt wird. Dies ist mitnichten gemeint.

Eine sehr klare Trennung von Design und Herbeiführung ist beispielsweise im Industriedesign ein charakteristisches Merkmal und der Unterschied zum sogenannten »craftbased Design« (vgl. [Noblet 1996]). Beim craft-based Design werden Design und Realisierung in einer Person oder sogar in einer Tätigkeit vereint. Im Industriedesign wird ein Produkt hingegen von einem Team designt und dann von ganz anderen Personen im Rahmen eines industriellen Herstellungsprozesses produziert.

Im Zusammenspiel mit der Realisierung der Lösung umfasst das Design eine Reihe von Tätigkeiten zur Evaluation. Zum einen muss evaluiert werden, ob die realisierte Lösung dem Entwurf entspricht. Ebenso muss evaluiert werden, ob die realisierte Lösung die definierten Ziele erreicht und ob die Lösung die angestrebte Veränderung herbeiführen kann.

Im weiteren Verlauf des Buches werden wir sehen, dass das Realisieren einer digitalen Lösung eine andere Art von Vorhaben ist als das Realisieren von Massenprodukten im Sinne des Industriedesigns. Stark vereinfacht kann man sagen, dass das Realisieren einer digitalen Lösung sehr viele detaillierte Designentscheidungen umfasst und dass das Digital Design an diesen Entscheidungen beteiligt ist bzw. die erforderlichen Details zur Realisierung einer Lösung erarbeiten muss.

Daraus ergibt sich, dass die Realisierung einer Lösung die Begleitung des gesamten Prozesses und damit auch das Zusammenspiel mit vielfältigsten weiteren Professionen und Fachleuten erfordert. Die konkrete Liste hängt vom jeweiligen Vorhaben ab. Die Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit diversen Professionen ist ein wesentlicher Teil der Querschnittskompetenz und wird in Abschnitt 2.3 wieder aufgegriffen.

2.1.5Lösung wirksam machen

Mit der realisierten digitalen Lösung ist das Design nicht abgeschlossen, denn im Kern der Definition von Gestaltung ist das Herbeiführen einer Veränderung enthalten. Übertragen auf digitale Lösungen bedeutet dies, dass die Lösung nicht nur technisch in Betrieb genommen, sondern auch faktisch wirksam gemacht werden muss.

Auch diese Unterscheidung zwischen Realisieren und Wirksammachen mutet auf den ersten Blick etwas theoretisch an. Für die praktische Arbeit im Digital Design ist dieser Unterschied jedoch sehr wichtig, denn es besteht ein großer Unterschied zwischen der Implementierung einer digitalen Lösung und dem faktischen Wirksammachen. Zum Wirksammachen gehört z.B., dass die Lösung für die Benutzer verfügbar oder vielleicht sogar bekannt gemacht wird. Benutzer müssen ggf. davon überzeugt werden, eine Lösung zu verwenden.

Für das Wirksammachen einer Lösung spielt die Evaluation wieder eine wichtige Rolle. Zum einen muss evaluiert werden, ob die Lösung wie geplant wirksam gemacht wird. Zum anderen trifft die digitale Lösung durch das Wirksammachen auf die Realität. Die Lösung muss nun zeigen, ob die definierten Ziele erreicht werden und ob die gedachte Veränderung auch tatsächlich herbeigeführt wird.

Wie genau dieses Wirksammachen aussieht, hängt vom konkreten Vorhaben haben. Wichtig für das Verständnis der Idee der Ganzheitlichkeit ist an dieser Stelle der Anspruch, die Lösung wirklich wirksam zu machen und nicht nur ein Stück Software zu realisieren. Dies spiegelt sich insbesondere auch in dem eingangs eingeführten Anspruch von Design als Dienstleistung im Sinne des Auftraggebers und weiterer Stakeholder wider. Ebenso schließt das Wirksammachen ein, dass eine im Betrieb befindliche Lösung auf Basis der Erkenntnisse aus der Evaluation und dem Feedback von Kunden und Benutzern sinnvoll verbessert und weiterentwickelt werden muss.

2.2Kompetenz in digitalem Material

Den Begriffen »digitales Material« und »Materialkompetenz« sind wir in diesem Buch schon begegnet: Digital Design bedeutet, digitale Technologien als gestaltbares Material zu begreifen.

Vielleicht haben Sie sich gefragt, was es mit diesem Material auf sich hat. Software als wesentlicher Bestandteil digitaler Lösungen ist doch von seiner Natur her sehr weit weg von dem, was landläufig als Material verstanden wird. Unter Material verstehen wir eher Holz, Metall, Beton, Stein usw. Und bei diesen »echten« Materialien kann man leicht einsehen, dass man mit diesen etwas designen kann, z.B. ein Haus aus Stein und Metall oder ein Möbelstück aus Holz.

Aber digitale Technologien als Material begreifen? Das scheint auf den ersten Blick ein ungewöhnlicher Ansatz zu sein. Doch genau in diesem Ansatz liegt eine wichtige Stärke des Digital Design. Digitale Technologien können sehr gut als gestaltbares Material verstanden werden. Der Gedanke des Materials gibt der Technologie eine Präsenz und eine Art von Substanz, die man betrachten, analysieren und auch zum Design von Lösungen nutzen kann. Schauen wir uns dazu ein einfaches Beispiel an.

Meine Lieblingspizzeria ist im wahrsten Sinne des Wortes ein analoges Geschäft. Es gibt keine wirkliche Webseite und auch keine Onlinebestellung. Man kann anrufen oder vor Ort bestellen und seine Pizza essen bzw. abholen. Ich vermute, Sie kennen ähnliche Orte aus Ihrem Umfeld oder erinnern sich daran, dass es solche Orte mal gegeben hat. Nehmen wir nun ein wenig digitales Material in die Hand, z.B. einen Instant-Messenger (z.B. Signal), einen Online-Bezahldienst (z.B. PayPal) und einen Kartendienst (z.B. GoogleMaps). Wie könnte ich mit diesen drei Materialien meine Lieblingspizzeria etwas digitaler machen?

Sie ahnen vermutlich schon, worauf ich hinaus will. Auf GoogleMaps können wir die Speisekarte, eine Mobilnummer für den Instant-Messenger und einen Hinweis auf die Bestellmöglichkeit per Instant-Messaging hinterlegen. Ich bestelle beispielsweise die Nummer 3 und 6 per Messenger und bekomme den zu zahlenden Betrag samt Link auf PayPal als Antwort. Ich zahle meine Pizza und sobald der Zahlungseingang bestätigt ist, wird meine Pizza gebacken. Ich erhalte dann noch ein freundliches »18:20 isse fertig, mein Superfreund« als Antwort und kann pünktlich um 18:20 mein Essen abholen.

Zugegeben, das Beispiel ist jetzt nicht sonderlich innovativ. Aber es ist im besten Sinne das Design einer sehr einfachen digitalen Lösung mit drei digitalen Materialien. Und warum können wir so denken? Weil wir eine Idee davon haben, was Instant-Messenger, Bezahldienste und Kartendienste alles leisten können. Und genau das ist ein einfaches Beispiel für digitale Materialkompetenz. Je umfangreicher die Lösungen werden, desto vielfältiger und komplexer werden natürlich die Materialien. Aber im Kern ist es immer das Gleiche. Im Folgenden werden die verschiedenen Bestandteile der Materialkompetenz systematisch vorgestellt:

Wissen um das Spektrum digitaler Technologien

Wissen um die technischen Fähigkeiten, Grenzen und Voraussetzungen von Technologien

Wissen um die Randbedingungen und Auswirkungen einer Technologie

Bewusstsein für Weiterbildung und für Hypes

Und zum Abschluss dieses Abschnitts gehen wir noch auf ein wichtiges Missverständnis ein: Materialkompetenz bedeutet nicht zwangsläufig auch Realisierungskompetenz mit Technologien.

2.2.1Wissen um das Spektrum digitaler Technologien

Digitale Technologien decken ein sehr breites Spektrum ab. An erster Stelle denkt man wahrscheinlich an Software. Software im Sinne von Programmen, Services etc. ist der Teil einer Technologie, der eine digitale Lösung zum Leben erweckt. Software stellt User Interfaces dar, berechnet etwas, erzeugt etwas usw. Software würde aber nichts bewirken können, ohne die entsprechende Hardware, die die Software ausführt und betreibt. Genauso wie die Software ist die Hardware ein sehr breites Feld. Es gibt vielfältigste Arten von Endgeräten, Prozessoren, Datenspeicher, Kommunikationsmittel etc.

Neben Software und Hardware sind sonstige Technologien eine dritte Kategorie, die einen Bezug zur Digitalisierung hat. Hierzu zählen z.B. QR-Codes oder RFID-Tags.

Zusammengefasst ist der erste Teil von Materialkompetenz ein Überblick über das vielfältige Spektrum der verfügbaren Technologien. In Kapitel 6 wird ein breiterer Überblick über Technologien gegeben.

2.2.2Wissen um die technischen Fähigkeiten, Grenzen und Voraussetzungen von Technologien

Das Wissen um die reine Existenz von Technologien ist zwar notwendig, aber nicht hinreichend, um eine gute Lösung zu designen. Hierfür braucht es darüber hinaus ein grundlegendes Verständnis über die Fähigkeiten, Grenzen und Voraussetzungen von Technologien.

Mit Fähigkeiten ist gemeint, welche Leistung, Aufgabe oder Funktionalität eine Technologie bietet. Im Beispiel der Pizzeria kann der Messenger-Dienst Nachrichten zwischen zwei Mobiltelefonen oder anderen Endgeräten nahezu in Echtzeit austauschen. Diese Nachrichten können dabei sowohl aus Text, Bildern als auch aus aufgezeichneter Sprache bestehen. Mit Grenzen ist gemeint, welche Beschränkungen eine Technologie mit sich bringt. Zum Beispiel kann ein Messenger-Dienst nur eine bestimmte Anzahl an Zeichen pro Nachricht versenden. Ebenso ist auch die Größe der Bilddateien beschränkt. Unter Voraussetzungen versteht man, was für den Einsatz einer Technologie gegeben sein muss. Für einen Instant-Messenger braucht es z.B. passende Hardware und eine Verbindung zum Internet.

2.2.3Wissen um die Randbedingungen und Auswirkungen einer Technologie

Neben dem technischen Wissen braucht es für das Design mit digitalen Technologien Wissen über die Randbedingungen und Auswirkungen. Die Randbedingungen bestehen aus ökonomischen und rechtlichen Fragestellungen. Ökonomische Fragestellungen umfassen Themen wie Anschaffungs-, Nutzungs- oder Herstellungskosten. Am Beispiel der Pizzeria sind Anschaffungskosten für die drei Technologien im Wesentlichen nicht vorhanden. Dafür fallen aber Nutzungskosten beim Bezahldienstleister an, konkret ein prozentualer Anteil vom gezahlten Betrag. Rechtliche Fragestellungen beziehen sich insbesondere auf die erlaubte Verwendung und auf Fragen zu Lizenzbedingungen. Am Beispiel der Pizzeria ist das die Frage, ob ein Messenger-Dienst für einen kommerziellen Zweck verwendet werden darf.