Battle Mage - Rückkehr des Drachen - Peter A. Flannery - E-Book

Battle Mage - Rückkehr des Drachen E-Book

Peter A. Flannery

0,0
12,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Noch immer tobt in den Sieben Königreichen von Grimm ein schrecklicher Krieg zwischen den Menschen und der übermächtigen Armee der Besessenen. Um das Blatt zugunsten der Menschen zu wenden, wagt der junge Kampfmagier Falco Dante ein ebenso kühnes wie verzweifeltes Unterfangen: Er will einen schwarzen Drachen beschwören und auf ihm in die alles entscheidende Schlacht gegen die Besessenen ziehen. Doch schwarze Drachen sind wahnsinnig, das weiß Falco besser als jeder andere, schließlich wurde sein eigener Vater von einem getötet. Dann stößt Falco auf ein Geheimnis, das tief in der Vergangenheit der Sieben Königreiche von Grimm verborgen liegt und das die schwarzen Drachen in einem völlig anderen Licht erscheinen lässt ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 853

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Buch

Noch immer tobt in den Sieben Königreichen von Grimm ein schrecklicher Krieg zwischen den Menschen und der übermächtigen Armee der Besessenen. Um das Blatt zu Gunsten der Menschen zu wenden, wagt der junge Kampfmagier Falco Dante ein ebenso kühnes wie verzweifeltes Unterfangen: Er will einen schwarzen Drachen beschwören und auf ihm in die alles entscheidende Schlacht gegen die Besessenen ziehen. Doch schwarze Drachen sind wahnsinnig, das weiß Falco besser als jeder andere, schließlich wurde sein eigener Vater von einer solchen Bestie getötet. Dann stößt Falco auf ein Geheimnis, das tief in der Vergangenheit der Sieben Königreiche von Grimm verborgen liegt und das die schwarzen Drachen in einem völlig anderen Licht erscheinen lässt …

Der Autor

Peter A. Flannery studierte Kunst und Design und arbeitete nach dem College in der Forstwirtschaft. Nach einem Arbeitsunfall war er im Gartenbau und für die Spielzeugindustrie tätig, um schließlich als Autor für Target Games UK zu schreiben. Heute widmet er sich ganz dem Schreiben seiner Romane und lebt mit seiner Familie in einem idyllischen Dorf in Schottland. Mit Rückkehr des Drachen setzt er sein großes Fantasy-Epos, das er mit Kampf der Magier begonnen hat, fort.

PETER A. FLANNERY

BATTLEMAGE

Rückkehr des Drachen

Roman

Aus dem Englischen übersetztvon Bernhard Stäber

WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN

Titel der englischen Originalausgabe:Battle Mage (Part two) Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Deutsche Erstausgabe 06/2020 Redaktion: Joern Rauser Copyright © 2017 by Peter A. Flannery Copyright © 2020 der deutschsprachigen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München Covergestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung einer Illustration von Federico Musetti Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck ISBN: 978-3-641-25121-5V001www.heyne.de

Für meinen Bruder Anthony, der den Funken entzündete. Für Tolkien, der ihn zu einer Flamme entfachte. Für die kreativen Talente, die sie weiter am Brennen halten. Und für all jene, die Fantasybücher lieben. Dies ist meines. Ich hoffe, es gefällt euch.

Inhalt

Erster Teil WUT

1 Konvergenz

2 Die Geschichte von Joergen Focke

3 Die Prüfungen der Anführer

4 Le Matres, Jagd und der Befehlshaber

5 Der Totschläger

6 Die Schwächen gewöhnlicher Menschen

7 Daston

8 Aufsässige

9 Flucht

10 Alte Zeiten

11 Der Ruf zu den Waffen

12 Meister Danté

13 In die Nacht

14 Eile

15 Die Vierte Armee

16 Das Bedeutendste von diesen

17 Eine schmerzliche Wunde

18 An einem späten Frühlingsabend

19 Der serthische Wolf

20 Diplomatie

21 Sünder

22 Das Schwert eines Kampfmagiers

23 Der Ritus von Assay

24 Für das, was du einmal sein wirst

25 Jäger und Gejagte

26 Antworten

27 Finsternis senkt sich

Zweiter Teil ERLÖSUNG

28 Großes Oberhaupt

29 Versöhnt

30 Sidian

31 Le Cœur Noir

32 Unerwartete Bedrohungen

33 Qual, Qual und ewige Qual

34 Eine ungute Vorahnung

35 Wiedergeborene Finsternis

36 Harte Entscheidungen

37 Mina

38 Hoffen

39 Der Preis der Aufsässigkeit

40 Hochmut vor dem Fall

41 Die Schlacht von Navaria

42 Ein Andenken der Liebe und des Verlusts

43 Wiedervereinigt und auseinandergerissen

44 Der Sohn von Aquila Danté

45 Der Dunkle, der Tiefe und der Ernste

46 Der Chevalier

47 Das Tal der Drei Brüder

48 Dämonen mit Feuer und Streitflegeln

49 Patrick Fecklers Mitleid

50 Um die zu retten, die wir lieben

51 Finsternis

52 Von Heilung, Trauer und Hoffnung

53 Alle Horden der Hölle

54 Das Grab der Gefallenen Seelen

Epilog

Danksagung

Erster Teil

WUT

1

Konvergenz

Trotz Aurelians Beharrlichkeit und Merediths Geduld gelang es Falco nicht, hinsichtlich magischer Angriffe irgendeinen Fortschritt zu machen. Aber während er sich mit offensiven Fähigkeiten schwertat, fuhr er wenigstens damit fort, sich in anderen zu verbessern. Als der Zeitpunkt für die Trainingskampagne näher rückte, begannen sie, sich auf Heilung zu konzentrieren, eine Fähigkeit, mit der sich Falco auf natürliche Weise vertraut fühlte. Nicolas war in dieser Hinsicht besonders geschickt und begleitete sie oft auf ihren Besuchen in den Krankentrakt der Akademie.

»Meist sind es eher oberflächliche Verletzungen«, erklärte der Hauptarzt, als Falco seine Hände auf einen Stallburschen legte, der einen Pferdetritt abbekommen hatte. »Verstauchungen, kleinere Wunden und gebrochene Beine wie dieses hier.«

Dem Hauptarzt waren die Heilungskräfte eines Kampfmagiers nicht fremd, und er war immer erfreut, Dusaule in seinen Krankentrakt kommen zu sehen.

»Die Fähigkeit, Schmerz zu lindern, ist eine wunderbare Gabe«, fuhr er fort. »Aber Menschen sterben nicht vor Schmerzen. Atemnot, Blutung, Schock und Infektion … das sind die Dinge, die töten.«

Falco schloss die Augen und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Verletzung, die er im Bein des Mannes fühlte. Er war zwar nicht in der Lage, die genauen Einzelheiten wahrzunehmen, aber immerhin konnte er ein Gespür für sie entwickeln.

»Versuch nicht, die konkrete Verletzung zu heilen«, sagte Meredith, der über ihm stand. »Erfülle nur den Körper, sodass er sich selbst heilen kann.« Neben ihm nickte Dusaule, während der Mann auf dem Bett zuerst wegen des plötzlichen Gefühls von prickelnder Hitze zusammenzuckte und dann aufseufzte, als der Schmerz in seinem Bein nachließ. Erstaunt blickte er Falco an.

»Merci, jeune maître«, sagte er in der Sprache von Clemoncé. »Danke, junger Meister.«

Falco lächelte und trat zurück, als zwei der Bediensteten näher traten, um das Bein des Mannes zu schienen und zu verbinden. Zwar war die Verletzung jetzt noch nicht wieder besser geworden, aber dank Falcos Eingriff würde sie viel schneller heilen.

»Auf die gleiche Art kannst du eine Blutung aufhalten, innere Systeme stabilisieren und Wundfäulnis verhindern«, fuhr Meredith fort. »Aber so ein beschleunigtes Heilen erreicht man nicht ohne einen Preis. Ernsthafte Wunden zu behandeln, das kann einen Kampfmagier auch erschöpfen.«

Falco nickte zum Zeichen, dass er verstand, während sie den Krankentrakt entlanggingen, um zu sehen, wo sie sonst noch helfen konnten. Eine Einheit der Königlichen Ärztegesellschaft würde die Kadetten auf dem Trainingsfeldzug begleiten, und es mochte sie erleichtern zu erfahren, dass sie auf die Dienste eines Kampfmagiers zurückgreifen konnten, selbst auf die eines Kampfmagiers, der noch üben musste – und der immer noch dabei war, das Ausmaß seiner Fähigkeiten zu entdecken.

Am Abend vor der Abreise der Kadetten überreichte Aurelian Falco Rüstung, Schwert und Schild für die Kampagne.

»Das wird schon ausreichen«, sagte der alte Kampfmagier, der die Rüstplatten an Falcos Schulter befestigte. »Ist zwar alles weit von Antonios Standards entfernt, aber die Qualität scheint mir trotzdem nicht schlecht.«

Falco setzte den Helm auf, bevor er den valentianischen Rundschild und das Schwert ergriff.

»Das Schwert würde die magische Energie eines Kampfmagiers nicht überstehen«, erklärte Aurelian. »Aber da du nicht mal eine Schale Suppe erhitzen kannst, sollte das kein Problem sein. Davon abgesehen«, fügte er hinzu, »ist es eine Trainingskampagne. Ich bin mir nicht mal ganz sicher, warum du überhaupt ein Schwert brauchst.«

»Vielen Dank«, sagte Falco, der seinen Bewegungsreichtum in der Rüstung ausprobierte. Der Helm war eine Barbuta, die das Gesicht frei ließ, und Aurelian hatte ein Paar gepanzerter Reiterstiefel in Falcos Größe aufgetrieben. Alles war gut verarbeitet, aber nach der maßgeschneiderten Rüstung, an der Meister Missaglias arbeitete, fühlte es sich grob und unbequem an.

»Denk daran«, sagte Aurelian, als Falco sich zur Abreise fertigmachte, »die Soldaten einer Armee könnten sich in deiner Gegenwart nicht behaglich fühlen. Nimm es nicht persönlich. Menschen haben immer gefürchtet, was sie nicht verstehen. Sie werden hinter deinem Rücken flüstern und reden. Ihr Lachen und ihr Singen werden aber wieder aufhören, wenn du an ihnen vorbeigehst. Doch täusch dich nicht. Wenn ihr auf die Besessenen trefft, dann werden sich jeder Mann und jede Frau im Heer von dir Führung erhoffen. Begreifst du das?«

Einen Moment lang starrte Falco dem alten Kampfmagier mit dem grimmigen Gesicht nur entgegen, und die Rüstung fühlte sich auf seinen Schultern mit einem Mal schwer an. Schließlich aber nickte er.

»Dann viel Glück«, sagte Aurelian. »Und versuch, dich nicht zum Affen zu machen.«

An einem kalten Frühlingsmorgen, an dem eine dünne Nebelschicht über dem mit Tau beladenen Gras hing, reiste die Kadettenarmee ab. Im Gegensatz zur Abreise der Vierten machten sie sich fast ohne Pauken und Trompeten auf. Als die Kadetten ihre Einheiten das Plateau hinabführten, blies ein einsames Horn den traditionellen Salut. Sie marschierten nicht durch die Stadt. Stattdessen folgten sie einer breiten Straße, die von der flachen Anhöhe hinunterführte, bevor sie sich dem Landesinneren öffnete und der Furt von Garr zuwandte.

Als sie an der Stadt vorbeikamen, konnten sie gerade noch eine entfernte Gestalt ausmachen, die auf der östlichen Terrasse des Palastes stand. Der Abstand war zwar zu groß, um ganz sicher sein zu können, aber sie wussten dennoch, dass es die Königin war. Viele der Kadetten hoben ihre Arme oder Waffen zum Salut, während Falco nur zu ihr hinstarrte. Er erinnerte sich an die Sorge der Königin während ihres letzten Treffens. Er wusste noch, dass sie von Ungewissheit und Fragen heimgesucht wurde, auf die sie keine Antworten besaß.

Konnte Beltane gegen die Armeen des Marchio Dolor bestehen?

Würde Valentia aushalten oder den Weg für den verteidigungslosen Staat Navaria offenlassen?

Gab es etwas, das sie in Illicia übersehen hatten?

Und falls ja … hatte sie den Abgesandten in den Tod geschickt?

Schließlich wandte Falco seinen Blick von der fernen Gestalt ab. Sie machten sich zu einem Übungsmanöver auf, das sie bis auf ein paar Meilen an die Front bringen würde. Dabei rechneten sie zwar nicht damit, auf den Feind zu treffen, aber Falco war dazu entschlossen, seinen Verstand allem zu öffnen, was der Königin helfen konnte. Wenn es irgendeinen Weg gab, die Denkweise des Feindes zumindest ein wenig zu durchschauen, dann würde er dies auch erreichen.

Da er keine Einheit besaß, die er befehligte, ritt Falco mit Malaki und den anderen angehenden Rittern, von denen jeder ein Kettenhemd trug und – zusätzlich zu dem Langschwert, das ihm vom Gürtel hing – eine Lanze mit sich führte. Der Rest ihrer Rüstung war in ihren Satteltaschen verstaut. In dieser Armee stellten sie nun eine eigenständige Einheit dar, eine Einheit, die zurzeit unter dem Kommando eines Malaki de Vane stand.

Man hätte erwarten können, dass die anderen jungen Ritter auf Malakis Berufung eifersüchtig gewesen wären, aber es schien, als wüchsen die Kadetten, was die Reife betraf, ebenso wie in der Kriegskunst. Nicht zum ersten Mal ertappte sich Falco dabei, wie er dachte, dass Angeberei und Getue aus Angst und Unsicherheit geboren wurden. Während die jungen Krieger der Akademie an Befähigung zunahmen, schien es, dass sie kaum noch dazu neigten, zu raufen oder zu prahlen. Sogar Jarek war weniger unausstehlich geworden. Er mochte Falco noch immer nicht, das war deutlich zu erkennen, aber er hatte damit aufgehört, so ekelhaft oder unangenehm wie möglich zu sein.

Als er die Reihe entlang blickte, konnte Falco den jungen Adligen an der Spitze seiner Kompanie der Königlichen Husaren sehen, makellos in eine leichte Plattenrüstung und einen türkisfarbenen Umhang gekleidet. Auf Jareks Reiterei folgte die düster gekleidete Einheit der Exilanten. Die gut disziplinierte Einheit marschierte im gleichen Rhythmus. Ihr junger Anführer jedoch wechselte ständig den Schritt und warf sie damit aus dem Takt. Er ließ es wie zufällig aussehen, aber Falco und die anderen wussten, dass dem nicht so war.

»Es sind nur die Nerven«, erklärte Falco und lachte, als sich die Ränge hinter Alex abmühten, wieder in einen Takt zu geraten.

»Wenn es das nur wäre«, stieß Quirren missbilligend aus.

Alex wiederholte seinen zwischenzeitlichen Witz, bis er sich vom dienstältesten Mitglied der Exilanten einen stahlharten, finsteren Blick einfing. Alex senkte seinen Kopf, und die Exilanten marschierten unauffällig weiter.

»Er zeigt einfach keinen Respekt«, sagte Quirren, aber Falco bemerkte, dass der Dienstälteste einem seiner Kameraden einen Seitenblick zuwarf. Dies waren ausgehöhlte Männer, die schwere Verluste erlitten hatten. Wie Quirren brachte Alex’ Leichtfertigkeit sie zur Verzweiflung, aber Falco war sich sicher, dass sie gleichzeitig ein Lächeln austauschten. Und als die Exilanten ein paar Hundert Meter später erneut ins Stolpern gerieten, weil Alex einen weiteren Schritt ausließ, ging eine Welle von verhaltenem Lachen durch die Reihen der Verbannten.

»Hoffnungslos«, sagte Quirren, aber Falco und Malaki lächelten nur.

Hinter ihnen war noch mehr Gelächter zu hören, doch es wirkte alles andere als verhalten, und als sie sich umblickten, bemerkten sie die unordentlichen Reihen der Dalwhinnies.

»Wenigstens marschieren wir nicht hinter denen!«, sagte Malaki.

Falco lachte, ebenso wie mehrere der Ritter in ihrer Nähe. Der scharfe Geruch der Dalwhinnies, besonders nach einer Nacht voll schwerem Besäufnis, war bereits im ganzen Heer berühmt. Falco konnte gerade noch Brynas unverwechselbares rotes Haar erkennen, als sie ihrer Einheit voranritt. Die Dalwhinnies, die nun mit leichter Rüstung, blauen gepolsterten Rüstwämsern und türkisen Reiseumhängen ausgestattet waren, glichen einer richtigen Kampfeinheit, aber wie Dedric Sayer gern sagte:

»Aus dem Arsch einer Sau macht man kein Seidenhemd!«

Die Kadettenarmee war zu einer Reihe von zweitausend Mann auseinandergezogen worden, dazu kamen noch Wagen und Karren, die mit Vorräten für die Stadt Le Matres beladen waren. Die in silbergraue Roben gekleideten Beisitzer und zeitweiligen Befehlshaber, aus denen die Befehlskette gebildet war, eskortierten das Heer. Mit dem Verlauf des Feldzugs würden sie den Kadetten mehr und mehr Verantwortung übergeben, bis sich die Armee schließlich vollständig unter ihrem Kommando befände.

Am Ende der Kolonne ritten drei Gestalten in den purpurnen Roben der Magier. Als der Tag voranschritt, ließ sich Falco zurückfallen, um mit Meredith zu reiten, der seine Anwesenheit mit einem Nicken quittierte, während die anderen Magier ihn gar nicht zu bemerken schienen. Der eine döste anscheinend im Sattel, während der andere vor sich hinstarrte, als befinde er sich in einer Art Trance.

»Er konzentriert sich«, erklärte Meredith, als er sah, wie Falco den Mann betrachtete. »Sein Geist steht mit einem Magier in Grimm in Verbindung, mit einem von dreien, die mir bei diesem Experiment helfen.«

»Ich könnte also von hier aus mit jemandem im Turm sprechen?«

»Nicht direkt«, erwiderte Meredith. »Aber deine Worte könnten ihm durchaus übermittelt werden.«

Falco nickte. »Wenn er also seine Konzentration verliert, geht die Verbindung verloren?«

»Stimmt.« Merediths Ausdruck gab den Schwierigkeitsgrad der Herausforderung wieder, die er sich selbst gestellt hatte.

»Und was passiert, wenn er einschläft?«, fragte Falco.

»Wenn er müde wird, übernimmt einer von uns«, sagte Meredith. »Er wird uns die Verbindung übertragen.«

Wieder nickte Falco, der von der Fähigkeit der Magier, einen so fordernden Geisteszustand aufrechtzuerhalten, beeindruckt war. Eine Weile ritten sie schweigend weiter, und Falco war überrascht, wie wohl er sich mittlerweile in Merediths Gegenwart fühlte. Es war ein großer Unterschied im Kontrast zu der Angst und der Besorgnis, die er in der Gegenwart von Merediths Vater verspürte.

»Machst du bei den Übungen, die ich dir gegeben habe, irgendeinen Fortschritt?«, fragte Meredith. Er hatte versucht, Falco beizubringen, wie man Hitze hervorbrachte und sie durch ein Objekt wie ein Schwert lenkte.

»Ich kann fühlen, wie sich die Energie aufbaut, aber sie ebbt sofort wieder ab, sobald ich auch nur versuche, sie zu lenken«, sagte Falco. »Die Wahrheit ist: Sie macht mir Angst. Es ist, als wäre ein Ungeheuer in mir, das nicht freigesetzt werden darf.«

Meredith sah auf, bis sich ihre Blicke trafen.

»Wir mögen die Söhne unserer Väter sein, Falco. Aber wir sind nicht sie.«

Falco erwiderte seinen Blick. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, dass Meredith Angst davor haben könnte, wie sein Vater zu werden – so, wie er selbst Angst davor hatte, wie sein eigener Vater dem Wahnsinn zu verfallen. Er nickte dem Magierlehrling zu, und dann ritten sie in geselligem Schweigen weiter, bis es für Meredith Zeit war, die Nachrichtenverbindung zu übernehmen.

»Ich halte heute Abend nach dir Ausschau«, sagte er. »Wir werden etwas daran arbeiten, Gegenstände auf Distanz zu bewegen.«

Falco nickte. Inzwischen konnte er Gegenstände auf kurze Entfernung bewegen und sie zu sich heranziehen. Selbst wenn er sich zwanzig Fuß weit entfernt befand, vermochte er ein Schwert dazu zu bringen, sich über den Boden zu zerren, bis er in der Lage war, sich zu bücken und es aufzuheben. Aurelian selbst brachte eine solche Leistung zwar nicht fertig, aber Meredith war davon überzeugt, dass Falco zu mehr imstande war.

»Bis später dann«, sagte Falco.

Meredith verneigte sich, aber sein Ausdruck erschien bereits abwesend, während er seinen Geist auf einen Mann ausrichtete, der sich zu diesem Zeitpunkt mehr als zehn Meilen weit hinter ihnen im Magierturm von Grimm befand.

Die Armee bewegte sich in gleichbleibendem Tempo weiter. Die windumtosten Hügel der Küste wichen Waldgebieten, und Falco erinnerte sich an die Reise, die sie nach Grimm gebracht hatte. Die Bäume schlugen gerade aus, und die untergehende Sonne ließ sie hellgrün erstrahlen, als die Armee auf dem weiten Boden eines Flusstals anhielt, um das Nachtlager aufzuschlagen. Dies schien heute viel länger zu dauern, als notwendig war, und die Beisitzer wirkten alles andere als beeindruckt. Die erfahreneren Krieger verfielen noch gewohnt leicht in ihre Routinen, aber zu jedermanns Überraschung waren es die Dalwhinnies, die als Erste aßen und tranken.

»Ich hab sie einfach machen lassen«, sagte Bryna, als Alex sie fragte, wie sie es hinbekommen hatte.

Während der Tage, die nun folgten, kamen sie gut voran. Sie passten sich den neuen Routinen schnell an, und das Aufschlagen wie auch Abbrechen ihrer Lager hatte bald die ruhige Effizienz von erfahrenen Veteranen.

Meredith fand weiterhin Zeit dafür, an Falcos magischen Fähigkeiten zu arbeiten, aber dieser schaffte es immer noch nicht, irgendwelche Anzeichen für den Durchbruch aufzuweisen, den sie sich erhofften. Am zehnten Tag der Kampagne saßen Falco und seine Freunde zusammen, als einer der Boten des Lagers mit einem Bündel Briefe aus Grimm auftauchte. Falco sah zunächst mit an, wie mehreren der Kadetten Briefe ausgehändigt wurden, und dann erst trat der Bote an ihn heran – zu seiner Überraschung.

»Dieser hier kam ein paar Tage, nachdem du fort warst, in der Akademie an«, sagte er und reichte Falco einen Brief.

Falco erkannte sofort die Handschrift. »Der ist von Fossetta«, sagte er mit einem Wort des Danks an den Boten.

»Was steht drin?«, fragte Bryna.

Sie und Malaki rückten näher zueinander, während Falco zu lesen begann, und sogar Alex lehnte sich über Falcos Schulter, um zu schauen. Briefe von zu Hause waren eine seltene und kostbare Sache, und alle Kadetten zogen Stärke aus der Erinnerung, warum sie sich überhaupt auf der Akademie aufhielten.

Mein liebster Falco,

wenn dich mein letzter Brief erreicht hat, dann wird dieser das hoffentlich ebenfalls tun. Ich schreibe dir, um dir zu erzählen, dass wir uns gerade in die Provinz Tourienne aufmachen und mehrere Wochen in der Region bleiben werden. Damit haben wir endlich die Chance, einen Brief von dir zu erhalten (wenn du die Lust verspürst, einen zu schreiben). Es ist eine Anzahl von Kindern in der Gegend, die wir sehen müssen, daher werden wir Daston als Ausgangspunkt benutzen. Der Bürgermeister der Stadt hat uns freundlicherweise angeboten, Nachrichten für uns entgegenzunehmen, du kannst also alle Briefe an folgende Adresse schicken:

Fossetta Pieroni

Wohnhaft bei Maire Philippe Decazes

Daston

Tourienne

Der Winter ist mittlerweile vorüber, und wir bewegen uns immer weiter nach Osten. Da wir uns der Grenze nähern, müssen wir besonders wachsam sein. Zweimal sind wir in der Nacht schon den Besessenen begegnet. Einmal tauchte ein einzelner Scirita am Rand unseres Lagers auf. Er tat nichts, starrte uns nur auf die verstörendste Weise an und schwand dann – als Hauptmann de Roche ausrückte, um ihn anzugreifen – wieder ins Nichts davon. Und dann noch einmal, als etwa ein Dutzend Sciritae und ein großes Tier das Dorf angriffen, in dem wir uns aufhielten.

Die Dorfbewohner schafften es zwar, sich zu verteidigen, aber es waren acht Männer mit Saufedern nötig, um die Kreatur (oder Bestiarum, wie die Leute im Dorf sie nannten) zu erlegen. Mehrere Männer wurden verletzt, und einer wäre ohne Heçamedes schnelles Eingreifen gestorben.

Anscheinend war dies nicht der erste Angriff dieser Art, und die Leute leben in beständiger Angst. Trotz der Gefahr ist Tobias jedoch fest entschlossen weiterzureisen, aber wenn diese Angriffe häufiger werden, könnten wir dazu gezwungen sein, unsere Suche auf Gebiete zu begrenzen, die noch außerhalb der Reichweite des Feindes liegen.

Doch genug von unseren Sorgen. Wie geht es euch? Ich möchte unbedingt hören, dass ihr alle sicher und wohlbehalten seid, darum schreib bitte zurück, wenn du kannst.

Immer in Liebe

Fossetta

»Daston«, sagte Alex, der sich über Falcos Schulter gelehnt hatte. »Das ist nur ein paar Meilen von Le Matres entfernt, nicht wahr?«

»Vielleicht ergibt sich eine Möglichkeit, sie zu sehen«, sagte Malaki, und Falco fühlte, wie ihm bei dem Gedanken das Herz leicht wurde.

»Lieber nicht zu begeistert werden«, sagte er.

»Aber wir könnten«, sagte Bryna.

»Wer hat das geschrieben?«, fragte Huthgarl, denn nun waren sie alle begierig darauf, es zu erfahren.

»Es ist die Frau, die mich aufgezogen hat«, sagte Falco, der fühlte, wie es ihm die Kehle zuschnürte.

»Dann musst du gehen und sie treffen, wenn du kannst«, sagte der große Beltone.

Alle Kadetten nickten, sie nahmen Anteil an dieser Verbindung zu den Dingen, die sie hinter sich gelassen hatten, als das Leben einfacher gewesen und die Welt ihnen noch viel kleiner vorgekommen war.

»Ja«, sagte Falco. »Das werde ich.«

Später in der Nacht ertappte sich Falco dabei, wie er wach lag und über den seltsamen Zufall des Schicksals nachdachte, der sie alle dabei vorfand, wie sie an denselben Ort reisten. Aber dann begriff er, dass es nicht Schicksal oder Zufall war, sondern – es waren die Besessenen. Tobias und Fossetta, Nathalie und der Abgesandte, und jetzt er selbst, zusammen mit den Kadetten, alle waren sie unterwegs in das Gebiet, wo die Besessenen sie am dichtesten bedrängten, wo sie am meisten gebraucht wurden.

Weiter im Süden würde es andere Konvergenzen geben, die sich auf die gefährdeten Städte von Illicia und Beltane bezogen, da die Einwohner von Grimm taten, was immer sie konnten, um das unermüdliche Vorankommen des Feindes zu verlangsamen. Es war leicht, sich überwältigt und hilflos vorzukommen, aber dann pressten sich Falcos Kiefer zusammen, und seine grünen Augen leuchteten in der Dunkelheit. Wenn diese anderen Konvergenzen etwa so waren wie diejenigen, die auf Le Matres zusammenlief, dann gab es gewiss noch Hoffnung.

Getröstet von diesem Gedanken und aufgerichtet von der geringen Möglichkeit, Fossetta, Tobias und Heçamede wiederzusehen, glitt Falco in den Schlaf.

2

Die Geschichte von Joergen Focke

Hundert Meilen weiter östlich schrak der Abgesandte aus dem Schlaf. Er hob den Kopf und wunderte sich, was es gewesen war, was ihn geweckt hatte.

Nichts …

Nur die üblichen Geräusche eines rastenden Lagers, vereinzeltes Schnarchen, das Flattern von Zelttuch, die leisen Stimmen von denjenigen, die Wache hielten, und das Geräusch von Pferden, die in ihren Futtersäcken kauten.

Alles schien ruhig, aber der Abgesandte konnte nicht zu vorsichtig sein. Die Vierte Armee befand sich jetzt an der illicischen Front, und er sah zu, nie zu tief in den Schlaf zu fallen. Außerhalb des Zelts gab Tapfer ein leises Schnauben von sich, und der Abgesandte legte sich wieder zum Schlafen hin. Der rauchgraue Percheron war nicht alarmiert. Zurzeit gab es nichts zu fürchten.

Er griff nach dem Pferdekopfanhänger, der um seinen Hals hing, und bettete seinen Kopf auf das Schaffell, das ihm an den Sattel gelehnt als Kissen diente. Sie waren alle wachsamer als gewöhnlich. Zweimal waren sie in den letzten paar Tagen von harmloseren Streitkräften der Besessenen angegriffen worden. Kleine Gruppen von Sciritae, die aus der Dunkelheit auftauchten, zusammen mit dem gelegentlichen Bestiarum und Toxitae, die – mit Augenbinden versehen – schwarze Pfeile in ihre Mitte abfeuerten. Keine Bedrohung für die Armee selbst, aber genug, um Furcht zu säen und ihren Schlaf zu stören.

Nur bei einer Gelegenheit hatten sie einen tatsächlichen Kampf geführt, doch es war eine kleine Streitmacht der Besessenen gewesen, und sie hatten sie schnell besiegt. Tatsächlich so schnell, dass die Kriegermagier gar nicht für den Kampf nötig gewesen waren, etwas, das ihrem Befehlshaber, Dagoran Sorn überhaupt nicht gepasst hatte. Der Kommandeur des Magierheers wollte sich unbedingt beweisen, wollte unbedingt Galen Thrall die Rückmeldung geben können, dass das Magierheer Erfolg gehabt hatte.

Der Mann schien beinahe Angst vor einem Misserfolg zu haben, wohingegen die größte Angst des Abgesandten darin bestand, auf dem Schlachtfeld einen Dämon anzutreffen. Veteranen des Krieges mochten der Furcht eine Zeit lang widerstehen können, aber niemand vermochte lange in der Gegenwart eines Dämons zu kämpfen, nicht ohne einen Kampfmagier.

Er schloss die Augen, wobei er seine Furcht zu beruhigen versuchte. Nathalie hatte sie auf ihrer Reise zweimal getroffen. Offenbar befand sich nur ein Dämon in der Gegend, und sie hatte versprochen zurückzukommen, bevor er eine Bedrohung für die Vierte Armee darstellte. Der Abgesandte war für ihre Zusicherung dankbar, aber er wusste auch, dass sie besorgt war. Sie war noch nicht in der Lage gewesen, die illicischen Kampfmagier Wildegraf und Joergen aufzufinden. Allerdings hatte sie Berichte gehört, denen zufolge Wildegraf Gerüchten im Süden nachging. Gerade jetzt war sie in dieser Richtung unterwegs, um ihn zu finden, danach würde sie den Abgesandten südlich von Hoffen treffen und sich darauf vorbereiten, dem Dämon entgegenzutreten, der sich diesem Gebiet näherte.

Von dem Umstand beruhigt, dass sie bald zurückkehren würde, erlaubte es der Abgesandte seinen Grübeleien nachzulassen, dann fiel er, immer noch den Pferdekopfanhänger an seine Brust gedrückt, in einen leichten und wachsamen Schlaf.

Fünfzig Meilen südöstlich vom Standort des Abgesandten blickte Nathalie auf die mitternächtliche Welt hinab, als Ciel auf einem zerklüfteten Felskamm landete. Es war zu dunkel, um viel sehen zu können, aber sie konnte spüren, dass etwas nicht stimmte. Wildegraf war nicht dort, wo er sein sollte, und jetzt hatte sie gehört, dass Joergen Focke vermisst wurde.

Doch es war zu spät, um heute Nacht mit der Suche fortzufahren. Sie wollten bis zum Sonnenaufgang warten, bevor sie weitermachten. Sie hatte versprochen, den Abgesandten südlich von Hoffen zu treffen, aber sie wollte die Suche nicht aufgeben, ehe sie mit Wildegraf gesprochen und die Bestätigung hatte, dass nichts hinter den Verdachtsmomenten steckte, die Falco in der Ratskammer geäußert hatte.

Nathalie hoffte, dass Falco sich irrte, aber etwas sagte ihr, dass dem nicht so war. Die Königin teilte ihre Bedenken, doch so oder so, sie mussten es wissen. Im Augenblick allerdings war es Zeit, sich auszuruhen, und so machten sie sich zu einem überdachten Felsvorsprung auf, wo sich Nathalie unter der umarmenden Beschirmung von Ciels Schwinge mit den Drachenschuppen warm an ihrem Rücken zusammenrollte.

Im Magierturm von Grimm blickte Galen Thrall in die Vortragskammer hinab, wo sich die drei Magier, die Meredith halfen, jetzt niedergelassen hatten. Einer, der auf einem steinernen Sitz in der Mitte der Kammer saß, schien tief in Meditation versunken. Ein anderer lag schlafend auf einer einfachen Liege, während der dritte an einem hölzernen Tisch saß, um ein spätes Abendessen zu sich zu nehmen. Keiner von ihnen hatte während der letzten elf Tage die Kammer verlassen, und dies würden sie auch nicht tun, bis das Experiment abgeschlossen war oder als Fehlschlag geendet hatte.

»Stehen sie noch immer in Verbindung?«, fragte Thrall mit leiser Stimme, die nicht weit trug.

»Ja«, sagte Morgan Saker, der neben ihm stand. »Die Verbindung ist weiterhin ungebrochen.«

Die Pupillen von Thralls wächsernen grünen Augen verengten sich.

»Beeindruckend«, sagte er. »Die Idee Eures Sohnes könnte tatsächlich funktionieren.«

Morgan Saker verneigte sich ernst.

»Und Ihr seid Euch sicher, dass er uns von allen Entwicklungen berichten wird?«

»Er kennt seine Pflicht«, sagte Saker. »Wenn Danté irgendeinen Fortschritt mit Angriffsfähigkeiten macht, wird er es uns erzählen.«

»Und die Magierarmee?«

»Seid versichert, wenn Meredith etwas über den Erfolg der Magierarmee erfährt, werden wir es sofort erfahren.«

»Gut«, sagte Thrall, und die Pupillen seiner Augen schimmerten wie kleine Kügelchen aus Kohle. »Es kann keine Verzögerung geben. Sobald wir die Bestätigung vom Erfolg der Magierarmee erhalten haben, können wir etwas gegen die Königin unternehmen. Mit Ludovico auf dem Thron sind wir einen Schritt näher daran, die Macht zu übernehmen.«

Die Königin stand am Fenster ihrer Gemächer, wobei sie nicht zum Meer hinausblickte, sondern ins Landesinnere nach Osten. Irgendwo dort draußen marschierten ihre Untertanen in eine tödliche Gefahr hinein, und doch beneidete sie sie. Lieber war es ihr, sich tausend schwarzen Schwertern zu stellen als den schattenhaften Taktierereien derer, die danach strebten, sie abzusetzen.

Sie wusste, dass Thrall nur darauf wartete, vom Erfolg der Magierarmee zu hören, bevor er seinen Staatsstreich inszenieren würde. Er würde seinem Bedauern Ausdruck verleihen und seine Loyalität erklären, aber er würde das Druckmittel besitzen, das er brauchte, und sie würde keine andere Möglichkeit haben, als Prinz Ludovicos Heiratsantrag anzunehmen. Um ihres Volkes willen würde sie einwilligen, und es würde niemals von der Tiefe ihres Kummers erfahren. Sie würde ihre Gefühle begraben und sich der Vereinigung widmen, die sie retten konnte.

Die Nachtluft fühlte sich mit einem Mal kalt und unversöhnlich an, und die Königin fröstelte. Einen kurzen, bitteren Augenblick lang ertappte sie sich dabei, dass sie hoffte, die Magierarmee möge scheitern. Aber dann erfüllte sie der Gedanke mit Scham, und eine Träne rollte ihre Wange hinab. Sie würde alles tun, um ihr Volk zu retten. Auch wenn das bedeutete, sich Thrall zu unterwerfen und ihr persönliches Glück aufzugeben, war sie damit einverstanden.

Mit aller Willenskraft, die sie aufbringen konnte, sandte sie ihre Liebe in die Welt hinaus, dem Abgesandten und den Armeen von Clemoncé zu, den Kadetten in all ihrer jugendlichen Entschlossenheit, den Kampfmagiern und den Drachen in ihrem unvorstellbaren Kampf, und schließlich auch den Kriegermagiern, die im Namen des Großen Veneratu marschierten.

Waren sie nicht ebenfalls Menschen?

Gehörten sie nicht auch zu ihren Untertanen?

Schließlich kamen ihre Gedanken beim jungen Meister Danté zur Ruhe. Er würde sich mittlerweile sehr viel näher an der Front befinden, und sie war gespannt, ob er mehr wahrgenommen hatte. Es gab noch immer keine Nachricht von Nathalie, und die Königin fragte sich, ob sie es geschafft hatte, Wildegraf oder Joergen zu finden. Die illicischen Kampfmagier hatten in diesem Gebiet seit Jahren gekämpft – wenn irgendetwas nicht in Ordnung war, dann würden sie gewiss etwas darüber wissen.

Die Königin hob ihren letzten Gedanken für ihren geliebten Chevalier auf, dann wandte sie sich vom Balkon ab, um die kurze Erholung zu erlangen, die wenige Stunden Schlaf bieten konnten. Vielleicht würde der morgige Tag die Nachricht bringen, dass alles in Ordnung war und es nichts Neues zu fürchten gab.

Aus der Nacht wurde Morgen, und die Sonne ging auf. In den Verlassenen Landen von Illicia hörte der Kampfmagier Wildegraf Feuerson geduldig den Reitern zu, als sie ihre Geschichte erzählten. Sie sprachen in abgehackten Bruchstücken über Angst und Schock und Scham. Wie sie losgezogen waren, um Familienmitglieder zu suchen, die in den Verlassenen Landen gefangen waren. Wie sie die Wälder durchstreift hatten, als ein Schatten über sie gekommen war, ein Schatten aus alles verzehrender Furcht, die einen Dämon von tödlicher Stärke und Stahl ausspie. Ihre Pferde warfen sie ab, und sie wären gestorben, wäre nicht eine weitere Gestalt zwischen den Bäumen herausgebrochen, ein Krieger auf einem Pferd … ein Kampfmagier.

»Er hat ihn angegriffen, aber der Dämon hat das Pferd unter ihm weggehauen«, erzählte einer der traumatisierten Männer Wildegraf. »Er hat ihn mit Feuer und Schwert angegriffen, aber es reichte nicht aus. Der Dämon war unverletzt.«

»Er hat uns zugeschrien, dass wir wegrennen sollten.«

»Wir sind gerannt.«

Wir sind auf die Pferde gestiegen und haben uns davongemacht.

»Es gab nichts, das wir tun konnten.«

»Er hat uns gesagt, wir sollten rennen.«

»Es gab nichts, was wir machen konnten.«

Angesichts ihres stammelnden Berichts runzelte Wildegraf die Stirn. Es traf zu, dass es nichts gab, das sie hätten tun können, aber dennoch würden sie die Scham ihr ganzes Leben lang mit sich herumtragen.

»Wo war das?«, fragte er sie.

»Im Keilertal«, sagten sie. »Gut vier Tage südlich von hier.«

Wildegraf dankte ihnen und wies ihnen den Weg nach Hoffen, wo er wusste, dass sie in Sicherheit sein würden. Dann stieg er, während die Männer es mitansahen, auf seinen Drachen Berylian, der gerade noch zwischen den Bäumen zu sehen war. Die smaragdgrünen Schuppen des Drachen schimmerten im trüben Licht des Waldes, und die Soldaten beobachteten ihn vorsichtig, als sie erneut ihre Pferde bestiegen. Der Drache war ohne Zweifel mächtig, aber er jagte ihnen nicht solche Angst ein wie der Dämon. Vielmehr rief er ein Gefühl von Ehrfurcht und Respekt hervor.

Wildegraf war tief in Gedanken versunken, als Berylian zu der Lichtung zurückkehrte, von wo aus sie den Himmel erreichen konnten. Der kurzen Beschreibung der Soldaten nach hatten sie von Joergen Focke gesprochen, dem einzigen anderen Kampfmagier in der Gegend. Joergens Drachenbeschwörung war ohne Antwort geblieben, aber das hatte ihn nicht davon abgehalten, einen erstaunlich großen Beitrag zum Krieg zu leisten. Die Chancen, dass er die Soldaten zufällig gefunden hatte, waren gering, viel wahrscheinlicher war es, dass er nach dem Dämon gesucht hatte, der sie angegriffen hatte.

Aber Wildegraf war besorgt. Der Bericht der Soldaten beinhaltete beunruhigende Hinweise auf die Natur dieses Dämons. Es war nicht ungewöhnlich für sie, sich in Schatten zu hüllen, aber er war überrascht gewesen zu hören, dass dieser Dämon einen Kampfmagier ohne einen körperlichen Schaden abgeschüttelt hatte. Joergen mochte nicht mit einem Drachen gesegnet sein, aber er war alles andere als schwach. Als sich Berylian für den Flug fertig machte, fürchtete Wildegraf schon das Schlimmste. Warum war Joergen nach seinem Kampf mit dem Dämon nicht zurückgekehrt, um den Soldaten zu helfen?

Berylian wandte ihm seinen Kopf zu, und die Bilder, die in seinem Geist herumwirbelten, erschienen grässlich.

»Ja, mein Freund«, sagte Wildegraf. »Ich fürchte, du hast recht.«

Er ergriff das Reitgeschirr, als Berylian sich in die Luft erhob. Wenn dieser Dämon Joergen eigenhändig getötet hatte, dann war er gefährlicher als alles, was sie bisher getroffen hatten. Er legte eine beruhigende Hand auf Berylians mächtigen Hals. Sie würden nach diesem Dämon Ausschau halten, doch sie konnten es sich nicht leisten, zu lange wegzubleiben. Die Armeen um Hoffen herum brauchten ihren Schutz. Aber wenn dieser Dämon etwas Neues war, dann musste Wildegraf ihn finden. Und zwar schnell.

Der smaragdgrüne Drache stieg zum Himmel empor und verschwand in den Wolken. Das Keilertal war nicht so weit entfernt für einen Drachen, aber die schroffen Hügel waren von uralten Wäldern bedeckt. Wenn dieser Dämon seine Gegenwart verbarg, dann würde er nicht leicht zu finden sein, doch sie wären in der Lage, ihn zu finden. Und wenn Joergen tatsächlich gefallen war, dann war das Mindeste, was sie tun konnten, ihn zu rächen.

3

Die Prüfungen der Anführer

Das Wetter blieb größtenteils schön, und die Kadettenarmee kam gut durch das waldige Kerngebiet von Clemoncé voran. Die Kampagne stellte die Kadetten vor zahllose Probleme, mit denen sie umgehen mussten, aber kurz nachdem sie durch eine kleine Stadt gekommen waren, stand Bryna vor einer disziplinarischen Maßnahme ernsthafterer Art. Einer ihrer Männer war dabei erwischt worden, wie er vor Ort etwas aus einem Haus gestohlen hatte. Die meisten im Lager hatten die Angelegenheit gar nicht bemerkt, aber als der schuldige Mann vor ihre Frau Hauptmann gebracht wurde, waren die Dalwhinnies deutlich gedämpfter Stimmung.

»Was denkst du, was sie tun wird?«, fragte Falco, als er und Malaki, die etwas abseits standen, sich das Verfahren ansahen.

»Keine Ahnung«, sagte Malaki. »Aber sie ist richtig am Kochen. Würde mich nicht wundern, wenn sie die Peitsche selbst schwingt.«

Bryna war sich bewusst, dass jeder zusah, doch sie konnte den Mann, der in der Mitte der Lichtung stand, kaum anblicken. Neben ihr hielt Patrick Feckler eine Lederpeitsche mit einer Vielzahl Riemen, die als Starter bekannt war.

»Was soll ich machen?«, murmelte Bryna, und Paddy zuckte mit den Achseln.

»Du könntest zweihundert Hiebe oder mehr anordnen«, sagte er, während der entmutigte Mann mit gesenktem Kopf dastand. »Wenn es weniger als hundert sind, denken die Männer, dass du nicht den Mumm für ordentliche Disziplin hast.«

»Ordentliche Disziplin«, sagte Bryna und warf Paddy einen angewiderten Blick zu.

»Männer wie der da brauchen eine feste Hand«, sagte Paddy. »Die fühlen sich wohler, wenn sie wissen, wo sie stehen.«

Bryna gab ein spöttisches Schnauben von sich. Sie blickte zu Falco und Malaki hinüber, aber dann glitt ihr Blick zu einem der Beisitzer, der ebenfalls aus diskreter Entfernung zusah. Schließlich winkte Bryna den Mann zu sich.

»Warum?«, wollte sie wissen.

Der Mann, der offensichtlich beschämt darüber war, sich im Mittelpunkt einer so nachteiligen Aufmerksamkeit zu befinden, blickte auf. »Das Haus war leer. Ich hab nicht gedacht, dass es jemandem auffallen würde, Herrin.«

»Frau Hauptmann«, korrigierte Paddy ihn.

»Frau Hauptmann«, wiederholte der Mann und schlug sich im Anflug eines Saluts die Faust gegen die Stirn.

Wütend darüber, dass sie in eine solche Position gebracht wurde, starrte Bryna den Mann an. Sie hatte bereits mitangesehen, wie Männer ausgepeitscht worden waren, darum hatte sie nicht den Wunsch, dieses Erlebnis zu wiederholen. In Gedanken versunken hielt sie inne, bevor sie weitersprach.

»Wo kommst du her?«, fragte sie schließlich.

»Aus Verinae«, sagte der Mann. »Eine kleine Stadt nahe der Grenze zu Valentia.«

»Dann sollst du nach Verinae zurückkehren«, sagte Bryna.

Der Mann sah sie verwirrt an. »Ich versteh nicht.«

»Das hier ist eine Bogenschützeneinheit der Irregulären unserer Königin«, sagte Bryna, deren Gesicht jetzt eine leere, unbewegte Maske war. »Ich habe keine Verwendung für Diebe.«

»Aber Herrin, ich meine, Frau Hauptmann …«, sagte der Mann.

Er machte einen Schritt vorwärts, aber Paddy legte ihm eine Hand auf die Brust und hielt ihn damit an. Bryna ignorierte ihn völlig.

»Gib ihm genügend Essen und Vorräte für die Reise«, sagte sie, und damit drehte sie dem Mann ihren Rücken zu und schritt aus dem Lager.

Der Mann sah sie mit etwas wie Verzweiflung in seinen Augen gehen, und sogar die Dalwhinnies blickten geschockt. Brynas kalte Entlassung hatte sie brutaler getroffen als jeder Riemen der Peitsche. Auf der anderen Seite des Weges hob der Beisitzer anerkennend eine Augenbraue, während Falco und Malaki sahen, wie Bryna in die Dunkelheit der sie umgebenden Bäume verschwand.

»Das wird sie tief getroffen haben«, sagte Malaki.

Falco nickte, aber der schuldige Mann tat ihm ebenfalls leid. Er wusste aus Erfahrung, dass nur wenige Dinge tiefer schmerzten als Scham.

Am folgenden Tag zog Bryna es vor, mit Falco und Malaki zu reiten. Sie war ungewöhnlich verhalten und ritt so lange schweigend, bis sie bemerkte, dass sich Patrick Feckler nicht mehr an der Spitze der Dalwhinnies befand, wo sie ihn verlassen hatte. Mit einem gemurmelten Fluch ritt sie zurück, um zu sehen, wo er war. Falco und Malaki warfen sich beide einen Blick zu, bevor sie ihr folgten. Sie fanden Paddy am Ende der Kolonne, wo er mit einem der Dalwhinnies sprach. Dieser lief neben einem anderen Mann her, dem es offenbar Mühe machte, Schritt zu halten. Paddy machte dem Dalwhinnie Vorhaltungen, und als sie näher kamen, konnten sie hören, was gesprochen wurde.

»Ich hab dir gesagt, schaff ihn in den Wagen und halt ihn versteckt!«, grollte Paddy.

»Der sture Bastard besteht darauf, zu gehen«, sagte der Mann.

»Was ist hier los?«, wollte Bryna wissen, als sie neben Paddy gleichzog.

Paddy warf dem Mann einen »jetzt siehst du, was du angerichtet hast«-Blick zu, als Bryna den Mann erspähte, der hinter dem Wagen herging – oder vielmehr stolperte. Sein Kopf war gesenkt, und sein Hemdrücken war dunkel von Blut in unterschiedlichen Stadien des Trocknens. Falco erkannte den Mann sofort wieder, aber Bryna brauchte eine Weile, um zu begreifen, was hier vor sich ging. Endlich dämmerte es ihr.

»Ich dachte, ich hätte dir gesagt, du solltest ihn nach Hause schicken«, sagte sie zu Paddy in einem harten, anklagenden Ton.

»Ganz recht, Frau Hauptmann«, sagte Paddy, der dem anderen Dalwhinnie einen Blick zuwarf, er solle sein Maul halten. »Das war Jean Bonnot, der Dieb. Ich hab ihn mit einem Tritt in den Arsch weggeschickt. Dagegen ist der da Jean Bonnot, ein Bogenschütze, der zu den Irregulären der Königin gehört.«

Der fragliche Mann strauchelte, als Paddy ihm auf die Schulter schlug, sein Gesicht war kalkweiß und tropfte vor Schweiß. Sie konnten alle sehen, dass er kurz davor war, das Bewusstsein zu verlieren.

Vor Zorn lief Bryna rot an, aber Paddy zuckte nicht zurück. Sie schien etwas sagen zu wollen, aber dann kam ihr Blick auf der jämmerlichen Gestalt von Jean Bonnot zur Ruhe. Der Rücken des Mannes war zu einer Masse aus rohem und blutigem Fleisch gepeitscht worden. Eine derartige Züchtigung hätte einen Mann normalerweise für eine Woche in ein Krankenzelt gesteckt, aber hier war er nun und weigerte sich sogar, im Wagen zu fahren. Er hatte es vorgezogen, die Peitsche zu bekommen, anstatt in Schande von den Dalwhinnies davongejagt zu werden.

Brynas Augen füllten sich mit Tränen.

»Nun, es sieht ganz so aus, als hätte sich Monsieur Bonnot den Rücken verletzt«, sagte sie mit etwas belegter und heiserer Stimme. »Du wirst dich darum kümmern, dass sich die Wunden nicht infizieren.«

»Aye, Frau Hauptmann«, sagte Paddy, der einen Finger an die Stirn legte.

»Und wirf ihn in den Wagen, bis er mit den anderen Männern mithalten kann.«

»Aye, Frau Hauptmann.«

Bryna nickte ihrem Stellvertreter bestätigend zu, dass die Angelegenheit erledigt war, und dann, da es nichts mehr zu sagen gab, wandte sie sich Falco und Malaki zu.

»Wir sehen uns später«, sagte sie, und damit führte sie ihr Pferd wieder an die Spitze der Kolonne.

Während sie die Dalwhinnies überholte, beobachteten diese sie vorsichtig. Alle wussten genau, was passiert war, und sie fragten sich, wie ihre Frau Hauptmann auf eine derartig unverhohlene Missachtung ihrer Befehle reagieren würde. Aber schließlich zügelte Bryna ihr Pferd und nahm ihre Position an der Spitze ihrer Einheit ein. Die Dalwhinnies atmeten erleichtert auf und erlaubten sich ein befriedigtes Lächeln.

Falco und Malaki atmeten ebenfalls erleichtert auf. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Kontrolle über eine so wilde Einheit wie die der Dalwhinnies zu verlieren, aber es schien, dass der Zauber, den Bryna über diese ungehobelten Männer gewirkt hatte, stärker war denn je.

Später am Tag ritt Falco mit Malaki und den anderen Rittern, als er drei Reiter bemerkte, die sich der Hauptstraße von einem Seitenweg aus näherten. Die beiden hinteren schienen Jungen von ungefähr fünfzehn Jahren zu sein, während der Reiter, der die Gruppe führte, ein großer Mann auf einem Schlachtross ähnlich dem von Malakis Destrier war, und tatsächlich, sein Waffenrock wies einen schwarzen Pferdekopf auf einem silberblauen Hintergrund auf. Dies waren die Farben der Ritter von Grimm.

Falco, der Malakis Aufmerksamkeit auf sich zog, nickte zu dem näher kommenden Ritter hinüber. Sie sahen mit an, wie er zur Hauptkolonne des Heers stieß und sich einem der zeitweiligen Befehlshaber näherte. Ein kurzer Wortwechsel fand statt, und der Kommandeur drehte sich im Sattel um und deutete auf die Ritter im Training. Der Ritter und seine Knappen bewegten sich zur Seite, bis Malaki und die anderen zu ihnen aufgeschlossen waren, dann bestellte er die Knappen mit einem Nicken an den Schluss der Gruppe und lenkte sein Pferd neben Malaki.

Der Mann war groß und breitschultrig, aber Falco bemerkte eine frisch verheilte Narbe, die von der Nase des Mannes zu seinem linken Ohr verlief. Er bemerkte auch den hageren Schatten auf dem Gesicht des Mannes, und die Art und Weise, wie seine Wangenknochen unter der bleichen Haut hervorstanden. Hier war ein Mann, der sich von Krankheit und Verletzung erholte.

»La force, l’honneur et la foi«, sagte der Ritter.

»Stärke, Ehre und Glaube«, gab Malaki zurück, der sich geehrt fühlte, dass der Mann das Motto des Ordens nutzte, als grüße er einen Kameraden vom Ritterstand.

Als der Ritter sich zu ihnen gesellte, ließ sich Falco ein wenig zurückfallen, um Malaki etwas Raum zu geben, und eine Weile ritten sie schweigend weiter.

»Du bist also der Grund für die Beratschlagung des Lord Kommandeurs?«

Malaki, erstaunt, dass jemand außerhalb der Kriegsakademie ihn kannte, wandte sich ihm mit einer scharfen Bewegung zu. »Es ist niemals meine Absicht gewesen«, fing er an, aber der Ritter hob eine Hand, um jede weitere Erklärung aufzuhalten.

»Sir Garnier, aus Ledorne«, sagte der Ritter, wobei er sich herüberlehnte, um seine Hand auszustrecken und einen Blick auf das leuchtend rote Feuermal auf Malakis Gesicht zu werfen.

»Malaki de Vane, aus Caer Dour.«

Der Ritter nickte, als kenne er den Namen bereits. »Und dies ist deine Trainingskampagne von der Akademie?«

»Ja«, sagte Malaki. »Auf dem Weg nach Le Matres.«

»Und von dort aus?«

Malaki sah ihn verwirrt an.

»Wirst du nach Grimm zurückkehren oder mit dem Orden nach Süden reisen?«

»Ich werde nach Grimm zurückkehren«, sagte Malaki, der überrascht war, wie der Ritter überhaupt andeuten konnte, die Akademie zu verlassen, bevor seine Ausbildung beendet war. »Ich habe immer noch viel zu lernen.«

»Wir brauchen jedes verfügbare Schwert«, sagte der Ritter. In seiner Stimme schwang ein leichter Ton von Missbilligung mit, als könne er nicht verstehen, warum ein Ritter einer solchen Möglichkeit – sich dem Kampf anzuschließen – den Rücken zukehren könnte. »Der Lord Kommandeur ruft den dritten Verband südlich von Le Matres zusammen. Ich würde mich freuen, wenn du mit mir reiten würdest.«

»Aber der Lord Kommandeur nimmt mich vielleicht nicht an«, sagte Malaki, der von der Aussicht, tatsächlich in den Krieg zu ziehen, aus der Fassung gebracht worden war.

»Mit meiner Befürwortung schon«, sagte der Ritter.

Malaki warf dem Mann einen Blick zu, während ihn die volle Wucht des Angebots traf. War er dazu bereit, seine Freunde zu verlassen und mit den Rittern von Grimm zu reiten? Und würden sie ihn als Feigling betrachten, wenn er es nicht tat?

Falco hatte das Wesentliche der Unterhaltung mitbekommen, und er war ebenfalls von der Vorstellung erschüttert, dass sie getrennte Wege gingen, aber er beschloss, nichts zu sagen. Es lag an Malaki, eine solche Entscheidung selbst zu treffen.

Während sich der Nachmittag hinzog, arbeitete sich ein Kundschafter die Truppenreihe entlang und informierte die Befehlshaber, dass sie noch ein wenig länger gehen mussten, ehe sie für die Nacht anhalten konnten.

»Zwei Meilen jenseits des nächsten Dorfes gibt es eine Reihe Wiesen«, erzählte der Kundschafter Malaki. »Da schlagen wir das Lager auf.«

Malaki nickte, und der Kundschafter machte sich zur nächsten Einheit auf.

Als sie das Dorf vor sich erblickten, etwa fünfzig verstreute Häuser, die in eine Flussbiegung eingebettet waren, nahm das Tageslicht gerade ab.

»Sieht ganz so aus, als bliebe es heute Nacht trocken«, sagte Malaki, als das Heer das Dorf entlangzog. Falco nickte, aber er hörte kaum zu. Das kalte Prickeln einer Vorahnung ließ ihm die Haare im Nacken zu Berge stehen, und sein Blick schweifte zum Rand der Rodung, wo die Schatten unter den Bäumen stetig zunahmen. Er konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass sich zwischen ihnen etwas Bösartiges bewegte. Malaki wurde nervös, da er die innere Anspannung in Falcos Blick bemerkte, aber dann entspannte er sich, als eine Prozession von etwa hundert Dorfbewohnern zwischen den Bäumen auftauchte und in einem ruhigen Tempo zurück in Richtung Dorf zog.

»Sieht wie eine Hochzeitsgesellschaft aus«, bemerkte Malaki.

Unter Anstrengung richtete Falco seinen Geist auf die Reihe von Dörflern aus, die sich auf den Weg zu ihren Häusern zurückmachten, bevor es ganz und gar Nacht geworden war. Nah an der Spitze befand sich eine junge Frau in einem langen, cremefarbenen und gelben Kleid und mit Frühlingsblumen im Haar. Um sie herum schwatzten und lachten Leute, und Kinder jagten einander um die Erwachsenen herum. Die Soldaten der Kadettenarmee lächelten darüber, ein so fröhliches Ereignis zu sehen, und blickten sehnsüchtig auf die einladenden Häuser des Dorfes, aber für sie würde es heute Nacht kein weiches Bett und auch keinen warmen Herd geben. Sie würden eine weitere feuchte Nacht unter dem Dach des Himmels verbringen.

Beim Anblick der Dorfbewohner begann sich Falco zu entspannen, aber dann fiel ihm auf, wie einige der Männer am Ende der Gruppe nervös zu den Bäumen zurücksahen. Einer oder zwei hielten Schwerter oder Speere, aber alle sahen sie besorgt und ängstlich aus.

Ohne es überhaupt zu bemerken, ritt Falco aus der Kolonne heraus und auf die Dörfler zu, während die Armee weitermarschierte.

»Was ist los?«, fragte Malaki, der zu ihm hinüberritt.

»Halt die Kolonne an«, sagte Falco.

Einen Moment lang dachte Malaki, dass Falco es nicht ernst meinte, aber dann erkannte er diesen ganz bestimmten Tonfall. Den Ton, der zeitlos und stark war und von Dingen sprach, die gewöhnliche Menschen unmöglich verstehen konnten. Er blickte die Reihe von Feiernden an, dann fielen auch ihm die Männer auf, die zu den Bäumen zurückblickten.

Er drehte sich im Sattel um und gab den Befehl zum Halten. Diejenigen in Hörweite stoppten dem Kommando entsprechend, während jene, die sich weiter entfernt befanden, einfach weiter die Straße entlanggingen und außer Sichtweite verschwanden. Alex’ Exilanten und Jareks Einheit der Königlichen Husaren waren nahe genug, um zu stoppen, aber Jarek wirkte gereizt darüber, dass er auf Malakis Befehl hin aufgehalten wurde. Er trieb sein Pferd auf sie zu, um zu sehen, was dort vor sich ging. Alex folgte ihm im Schlepptau, während Sir Garnier zu ihnen hinüberritt, um sich ihnen anzuschließen.

»Was ist los? Warum haben wir angehalten?«, fragte der Ritter. Aber Falco sagte kein Wort. Das Gefühl in seinem Geist hatte einen kritischen Anstieg erreicht, als wenn ein Stück Stoff bis zum Zerreißen gespannt wurde.

»Dort«, sagte Falco und deutete auf den Randbereich der Bäume, aus dem die Hochzeitsprozession aufgetaucht war. Die Schatten unterhalb der Bäume wirkten dunkler, als dass man es allein mit dem schwindenden Tageslicht hätte erklären können.

»Ich sehe nichts«, sagte Jarek, aber sie konnten jetzt alle die Spannung fühlen.

Plötzlich schwirrte ein Geschoss aus den Bäumen hervor, und einer der Feiernden fiel mit einem schwarzen Pfeil im Rücken zu Boden.

»La possède!«, schrie einer der Dorfbewohner, und Chaos stellte sich ein, als eine Gruppe von etwa sechzig Sciritae zwischen den Bäumen hervorbrach und den Dörflern hinterherstürmte, die in heller Panik auf ihre Häuser zuflohen. Hinter den Sciritae kamen Dutzende von dunklen Bogenschützen, die in schwarze Fetzen gehüllt waren und ihre Augen mit dunklen Tüchern verbunden hatten.

»Toxitae«, flüsterte Sir Garnier.

»Ritter, zu mir!«, schrie Malaki, und die Ritter im Training setzten sich in Bewegung, wobei nun alle ihre Speere eingelegt hielten, die sie zuvor in Ruheposition gehalten hatten.

»Nein«, sagte Falco, der sah, wie schnell die Besessenen sich den Dorfbewohnern näherten. »Bis ihr sie erreicht, sind sie längst zwischen den Häusern.« Er wandte sich Jarek zu. »Auf dem engen Raum sind die Husaren besser.«

Malaki sah verärgert aus, und Sir Garnier warf Falco einen scharfen, kritischen Blick zu. Eine Sekunde lang starrte Jarek Falco an, hin und her gerissen zwischen der Befriedigung, die Fähigkeiten seiner Einheit anerkannt zu bekommen, und der Verbitterung, eine Anweisung von Falco anzunehmen. Aber dann …

»Husaren!«, schrie er. »Die erste Formation kommt mit mir. Die zweite schwingt nach links und greift die Bogenschützen an.«

Jarek ließ sein Pferd vorantrotten, während sich fünfzig Husaren hinter ihm aufstellten.

»Angriff!«, schrie er, und die leicht gerüsteten Pferde sprangen vorwärts, während die andere Hälfte seiner Einheit in einer bogenförmigen Angriffslinie auf die Toxitae zuritt, um sie weniger anfällig für die Treffer von Pfeilen zu machen.

Die Sciritae kamen schnell näher, und zwei weitere Dorfbewohner fielen den schwarzen Pfeilen zum Opfer, bevor sie die Deckung der Gebäude erreichten.

»Bryna!«, schrie Falco, aber Bryna hatte bereits die Dalwhinnies vorwärtsgebracht.

Sie rannten los, formierten sich zu Reihen und begannen, auf die in Schwarz gehüllten Gestalten der Toxitae zu schießen. Die Entfernung war ziemlich groß, aber die Treffsicherheit der Dalwhinnies war hoch, und sobald die Toxitae zu fallen begannen, kam Bryna voran.

»Bleib bei ihnen«, wies Falco Malaki an. »Diese Nacht ist noch etwas anderes unterwegs, nicht nur Fußsoldaten.«

Malaki nickte ihm grimmig zu, und mit einer Reihe kurzer Befehle teilte er seine Ritter in zwei Gruppen, um die Flanken der Bogenschützen zu beschützen. Falco konnte ihm ansehen, wie sehr es ihn schmerzte, dass er zugunsten von Jarek übergangen wurde, aber jetzt war nicht die Zeit für Beschwerden oder Schuldzuweisungen.

Falco zog sein Schwert und ritt mit den Rittern voran, während im Dorf Kampflärm losbrach. Die Schreie der Dorfbewohner mischten sich mit dem Zusammenprallen von Stahl und dem Wiehern der Pferde im Gemenge, aber Falco hatte recht gehabt, Jarek auszusenden. In den engen Begrenzungen des Dorfs bewiesen die leichter gerüsteten Pferde der Husaren und ihre außergewöhnliche Reitkunst ihren Wert, wichen verängstigten Dörflern aus und hieben die Sciritae nieder, die knurrend gegen die schnellen und mächtigen Reitersoldaten antobten.

Die Kampfgeräusche verklangen, während die Husaren die letzten Besessenen aus dem Dorf vertrieben, aber die Dalwhinnies verblieben weiterhin auf dem offenen Gebiet zwischen den Häusern und dem Waldrand in Formation. Alex hatte seine Fußsoldaten zu einer Verteidigungslinie geformt, die bereit war, vorzurücken oder jedem weiteren Angriff standzuhalten.

Jareks zweite Formation von Husaren erledigte den letzten der Toxitae, bevor sie zu den Dalwhinnies zurückkehrten. Einer der Männer hatte einen Pfeil im Arm stecken und schwankte im Sattel, während ein anderer abgeworfen worden war, als sein Pferd einen Pfeil in die Schulter abbekommen hatte. Aber sie waren die einzigen Verletzten. Der abgeworfene Mann war inzwischen wieder zurück im Sattel und versuchte, sein verletztes Pferd zu beruhigen, als die Husaren sich zurückzogen.

Als der Kampf endete, machten sich die Dorfbewohner zu der sicheren Position auf, die von den Exilanten und den Dalwhinnies errichtet worden war, während Jareks Husaren das Dorf nach etwaigen übrig gebliebenen Sciritae absuchten. Die Spannung löste sich allmählich, aber Falco starrte weiter zu den Bäumen hinüber, wo die Schatten noch immer seltsam dunkel wirkten, und plötzlich erkannte er, dass es gar kein Schatten war, sondern ein Riss im Gefüge der Welt. Und dann fühlte er sie kommen … groß und mächtig und ausgesprochen schnell.

»Bestiarum!«, schrie er. »Macht euch bereit!«

Er hatte noch nicht ausgesprochen, als zwei riesige Gestalten mit einer dritten dicht hinter ihnen aus der Dunkelheit hervorbrachen.

Sie sahen wie große schwarze Stiere aus, die aus der Glut eines Feuers erschaffen worden waren, nur dass ihre Gliedmaßen muskulös waren und Klauen statt Hufe besaßen, und ihre Köpfe mehr denen von Bären oder etwas wie höllischen Affen glichen. Zähne wurden gefletscht, Augen flammten, und alles geschah so schnell.

Zwei der Untiere stürmten gezielt auf die Dalwhinnies zu, die angefangen hatten, ihre Formation aufzulösen. Ein paar eilige Schüsse wurden abgefeuert, aber sie reichten nicht aus, um so wuchtige Gegner aufzuhalten. Falco fühlte, wie eine Welle an Energie in ihm aufstieg, aber ihre Gewalt war erschreckend, und sie verschwand wie der Geist von etwas Dunklem, das tief in ihm lauerte. Es schien, als würden die Bestiarien über die Dalwhinnies herfallen, aber Malaki und seine Ritter waren gut positioniert, um einem solchen Angriff zu begegnen. Ihre Schlachtrösser waren für ihre Stärke gezüchtet worden, und sie konnten aus dem Stand mit einem explosiven Kraftausbruch in den vollen Angriff übergehen. Mit einem Aufschrei stürmten die Ritter vorwärts, um die Bestien anzugreifen.

Huthgarl erwischte die erste Kreatur mit einem Lanzenstoß, der in ihren Nacken eintrat und tief in ihre Brust fuhr, während Malakis Speer die zweite in die Schulter traf, was die hässliche Kreatur dazu brachte, vorwärts zu kippen, wobei sie ihre Rippen Quirren Klingemanns Lanze offenlegte.

Die ersten beiden Bestien wurden, da ihre Wucht aufgehalten worden war, schnell erledigt. Das dritte Untier allerdings ging nicht auf die Dalwhinnies, sondern direkt auf die Gruppe der Dörfler los, die sich auf die Exilanten zubewegt hatten. Einige von ihnen rannten los, aber andere drängten sich nur wie gelähmt vor Entsetzen zusammen, während die Kreatur auf sie zuhielt. Die mächtige Bestie war gerade dabei, über die Dorfbewohner herzufallen, als ein Schrei von der rechten Flanke der Dalwhinnies her ertönte.

»Suivez dix!«

Dedric Sayer schoss seinen Pfeil ab, und nicht zehn, sondern zwölf andere folgten seiner Richtung nach. Die Entfernung war kurz, und die Pfeile trafen die Bestie in den Hinterleib. Der gemeinsame Aufprall ließ sie seitwärts straucheln. Mit einem Knurren kam sie wieder ins Gleichgewicht, aber nun zog sie ihr Hinterbein nach, und bevor sie einen weiteren Angriff ausführen konnte, traf Sir Garnier sie mit seinem Schwert ins Gesicht, während er schnell an ihr vorbeigaloppierte.

Die entsetzten Dorfbewohner hielten sich aneinander fest, als das Untier keine zwanzig Fuß von ihnen um sich schlug, aber ein paar weitere Pfeile von den Dalwhinnies und ein letzter Speerstoß vonseiten eines der Ritter beendeten bald den Todeskampf der tobenden Bestie. Die drei riesigen Leichname lagen wie Haufen glühender Asche am Boden, ihre Körper brachen langsam auf und wurden vom Wind davongetragen, sodass nur noch geschwärzte Skelette mit massigen Zähnen und Klauen zurückblieben.

Die Nacht wurde ganz plötzlich ruhig, und die Stille wurde nur vom keuchenden Atem der Pferde und so gedämpften wie bekümmerten Geräuschen unterbrochen, als die Dorfbewohner versuchten, ihre Kinder zu beruhigen. Der eigenartige Vorhang aus Dunkelheit unterhalb der Bäume verblich, und das Gefühl von Gefahr in Falcos Geist schwand.

Heute Nacht würde es keine weiteren Besuche der Besessenen geben.

Von der Straße her kam lauter werdender Lärm, als diejenigen, die in der Kolonne weiter vorn oder weiter hinten gewesen waren, herbeistürmten, um zu sehen, was geschehen war. Erst jetzt begriff Falco, dass das gesamte Gefecht nicht mehr als ein paar kurze Minuten angedauert hatte. Vier der Dorfbewohner waren tot und mindestens ein Dutzend mehr verletzt. Mehrere von Jareks Husaren waren verwundet und eine ganze Anzahl Dalwhinnies war von Pfeilen der Toxitae getroffen worden. Aber der Lautstärke ihrer Flüche nach zu schließen hatte sich niemand ernsthaft verletzt.

Jetzt übernahmen die Befehlshaber die Kontrolle, stellten einen Verteidigungsperimeter auf und organisierten eine gründliche Untersuchung der Umgebung. Nach einigen Diskussionen wurde vereinbart, dass die Dorfbewohner heute Nacht bei der Armee schlafen würden, und nachdem sie ein paar Habseligkeiten zusammengepackt hatten, wurden sie zur Nachhut der Kolonne eskortiert, wo man für sie in den Wagen Platz schaffte.

Eine gedämpfte Stille legte sich auf die Rodung herab, und es war beinahe unwirklich zu hören, wie die gewöhnlichen Nachtgeräusche allmählich in die Welt zurückkehrten: Wind in Bäumen, das ferne Murmeln des Flusses und der klagende Ruf einer Eule. Kinder weinten, und die Verletzten stöhnten, während Falco und die Mediziner des Heers taten, was sie konnten, um ihre Leiden zu mildern. Falco hatte gerade die Eintrittswunde eines Pfeils der Toxitae ›gereinigt‹, als einer der Beisitzer das Wort an ihn richtete.

»Falco Danté«, sagte der Mann in einem strengen Tonfall. »Du wirst mir folgen.«

Falco wollte bleiben und den Verletzten helfen, aber dann bemerkte er, dass Bryna, Malaki, Jarek und Alex ebenfalls bereitstanden, um mit dem Beisitzer zu gehen. Sir Garnier stand beiseite und beobachtete sie mit einem unlesbaren Ausdruck in den Augen, wobei sein Blick von Malaki zu Falco und wieder zurück schweifte. Falco wusch sich schnell die Hände, dann folgte er dem Beisitzer. Dieser führte sie zum Kommandozelt, wo sie über den Vorfall befragt wurden, der eben stattgefunden hatte.

»Und was war es, das dich dazu gebracht hat, die Kolonne anhalten zu lassen?«, fragte einer der Beisitzer.

»Nur ein Gefühl«, sagte Falco. »Ich konnte etwas zwischen den Bäumen fühlen.«

»Die Kundschafter haben aber nichts gesehen, als sie den Wald durchquerten«, beharrte einer der Befehlshaber.

»Es war auch nichts vorhanden, als die Kundschafter ihn durchquerten«, sagte Falco.

»Woher sind die Besessenen dann gekommen? Haben sie den Fluss überquert?«

Falco schüttelte den Kopf. »Sie sind einfach aufgetaucht«, sagte er. »Sie kamen aus den Schatten, als hätte die Dunkelheit sie zu einem anderen Ort geführt.«

Unruhig blickten die Beisitzer einander an. Sie hatten schon alle Geschichten davon gehört, wie Besessene aus dem Nichts aufgetaucht waren.

»Dann haben wir offenbar Glück gehabt«, sagte der Wortführer schließlich. »Denn wäre die Armee nur ein klein wenig weitermarschiert, dann wären die Dorfbewohner tot gewesen, bis wir zu ihrer Hilfe hätten eintreffen können.«

Falco akzeptierte diese Anerkennung, aber in seinem Herzen fühlte er sich schuldig, dass er die Warnzeichen nicht schneller gelesen hatte. Hätte er es nämlich getan, dann wären die vier verstorbenen Dörfler vielleicht noch am Leben gewesen. Aber zumindest erkannte er jetzt die seltsame Dunkelheit, aus der die Besessenen auftauchen konnten. Noch einmal würde er nicht den gleichen Fehler machen.

Nach einer gründlichen Auswertung der Ereignisse wurde entschieden, dass die Kadetten mit beispielhafter Geschwindigkeit und Urteilskraft gehandelt hatten. Besonders die Husaren wurden für die Fertigkeit und die Tüchtigkeit herausgehoben, mit der sie die Gefahr für das Dorf beseitigt hatten.

Jarek verbeugte sich einfach in einer seltenen Zurschaustellung von Bescheidenheit, aber als die Beisitzer sie entließen, warf er Falco einen Blick zu, und der Ausdruck in seinen Augen war voll von einer komplexen Abfolge von Gefühlen. Da waren die Nachwirkungen von Furcht und Aufgeregtheit zu erkennen, voller Stolz und Befriedigung über das Lob, das er erhalten hatte, aber da gab es auch eine merkwürdige Hin-und Hergerissenheit. Es war Falco gewesen, der seiner Einheit gegenüber den Rittern den Vorzug gegeben hatte, und es war ebenfalls Falco gewesen, der instinktiv das Kommando über die Situation übernommen hatte. Etwas sagte Jarek, dass dies Respekt verdiente, aber irgendwie konnte er es nicht über sich bringen, es anzuerkennen.