Before This Ends - Aurora Rose Reynolds - E-Book

Before This Ends E-Book

Aurora Rose Reynolds

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Liebe folgt keinem Plan ... Emma Abate ist seit kurzem Single. Sich von einem Mann den Kopf verdrehen zu lassen, steht nicht zur Debatte. Schon gar nicht von einem alleinerziehenden Vater, der mehr in ihr weckt, als den Wunsch nach einer Affäre. Frauen sind für Miles Madden im Moment tabu. Emma lässt ihn jedoch vergessen, warum er diese Regel aufgestellt hat. Sie füllt eine Lücke in seinem und im Leben seiner Tochter, von der er bisher nicht wusste, dass sie existierte. Als die Umstände schwierig werden, müssen beide eine Entscheidung treffen: Ist es das Risiko wert, sich ein weiteres Mal auf die Liebe einzulassen?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 399

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Aurora Rose Reynolds

© Die Originalausgabe wurde 2024 unter dem

Titel Before this Ends von Aurora Rose Reynolds veröffentlicht.

Deutsche Erstausgabe © 2024 Romance Edition Verlagsgesellschaft mbH, 8700 Leoben, Austria

Aus dem Amerikanischen von Mirjam Neuber

Covergestaltung: © Sturmmöwen

Redaktion & Korrektorat: Romance Edition

ISBN-Taschenbuch: 978-3-903519-10-7

ISBN-EPUB: 978-3-903519-09-1

www.romance-edition.com

Manchmal musst du im Leben etwas Gutes verlieren,damit du Platz für etwas noch Besseres hast.

1. Kapitel

Emma

Mit vollen Einkaufstüten in beiden Händen versuche ich innerlich fluchend, den Knopf für den Aufzug zu erreichen. Natürlich hätte ich nicht alle Tüten auf einmal nehmen müssen, aber dann hätte ich den Weg zweimal gehen müssen. Und das wollte ich auf keinen Fall. Die Aufzugstüren öffnen sich. Ich steige ein und drücke die Taste für den dritten Stock. Seufzend stelle ich die Einkäufe für einen Moment ab, bis ich in der richtigen Etage angekommen bin und nur noch den kurzen Weg durch den Flur bewältigen muss. Vor unserer Tür angekommen, trete ich leicht mit dem Fuß dagegen. Vielleicht hört mich Eli und hilft mir, obwohl er nicht mal ans Telefon gegangen ist, als ich ihn während der Einfahrt ins Parkhaus angerufen habe. Wieder keine Reaktion. Daher stelle ich die Tüten ab, krame meinen Schlüssel aus der Tasche und schließe die Tür auf. Sofort kommt mir Dolly, Elis weißer Mini-Pudel, entgegen und begrüßt mich mit einem freudigen Gebell.

»Hey, Dolly.« An meine Brust gedrückt, trage ich sie in unser Apartment und begebe mich auf die Suche nach Eli. Er ist nicht im Wohnzimmer, aber ich höre seine Stimme aus dem Schlafzimmer. Bestimmt hat er Kopfhörer auf und spielt mit seiner Xbox. Deshalb hat er weder das Klingeln seines Telefons noch meine Geräusche an der Tür mitbekommen.

Ich ignoriere meinen Ärger und setze Dolly in ihren Laufstall. Immerhin wird sie mir so nicht entwischen können, während ich die Tüten aus dem Flur hole. Das geht recht schnell. Viel länger dauert es, die Einkäufe an die gewohnten Plätze zu verteilen und die durchsichtigen Behälter für Kekse und Chips nachzufüllen. Sämtliche Dosen muss ich so einsortieren, dass man die Etiketten lesen kann. Eli ist sehr genau, wenn es darum geht, wo etwas hingehört.

Während ich sein Bier in den Kühlschrank stelle, höre ich, wie sich die Schlafzimmertür öffnet. Ich drehe mich um und sehe Eli in einer Jogginghose und einem T-Shirt. Das hatte er auch heute Morgen an, bevor ich zur Arbeit ging.

»Ich wusste nicht, dass du zu Hause bist.« Er kommt um die Kücheninsel herum und nimmt mir eine der Bierflaschen ab. Dass er mich nicht mit einem Kuss begrüßt, ist keine Überraschung. Er war nie sehr liebevoll, was mich nie gestört hat. Er zeigt mir auf seine Weise, dass ich ihm wichtig bin.

»Ich habe versucht, dich anzurufen, und wollte dich bitten, mir beim Rauftragen der Lebensmittel zu helfen.« Nachdem ich das letzte Bier eingeräumt habe, schließe ich die Kühlschranktür.

»Tut mir leid, ich habe mein Telefon nicht gehört.« Er lehnt sich mit dem Rücken an den Tresen gegenüber und öffnet die Flasche. »Ist noch etwas unten im Auto?«

»Nein, ich habe alles hochgebracht.« Ich lehne mich ebenfalls gegen den Küchenschrank und verschränke die Arme vor der Brust. »Hast du mein Paket abgeholt?«

»Shit.« Er sieht mich entschuldigend an. »Das habe ich total vergessen. Tut mir leid, Emma.«

»Schon in Ordnung. Das kann ich auch morgen vor der Arbeit erledigen.«

»Bist du sicher?«

»Ja«, erwidere ich knapp, ohne ihm Vorhaltungen zu machen. Es ist bereits nach sechs Uhr, und die Postfiliale hat längst geschlossen.

»Was gibt es zum Abendessen?« Er kommt auf mich zu und streicht mir eine Locke hinters Ohr, bevor er seine Hand sinken lässt.

»Weißt du nicht mehr, dass wir heute Abend mit Mica und Lynn zum Essen verabredet sind?«

»Oh, richtig«, murmelt er, und ich presse die Lippen aufeinander.

»Du hast das Abendessen mit unseren Freunden vergessen, das du geplant hast?«

»Nein, das habe ich nicht vergessen.«

»Klar, hast du.« Ich rolle mit den Augen, und er lächelt.

»Wo treffen wir sie noch mal?«

»Im Ernst?«, frage ich lachend. »Wir treffen uns mit ihnen in dem mexikanischen Restaurant, das vergangene Woche eröffnet hat.« Ich schaue auf die Uhr an der Wand. »In dreißig Minuten. Du hast also gerade genug Zeit, um dich umzuziehen.«

»Willst du damit andeuten, dass mein Outfit nicht passend ist?«

»Das habe ich nicht gesagt.«

»Nicht mit Worten.«

Ich lächle und beobachte, wie er mit dem Bier in der Hand im Schlafzimmer verschwindet.

Ich folge ihm, nehme Dolly aus ihrem Laufstall und setze sie aufs Bett. Dann ziehe ich mein Oberteil aus, das ich zur Arbeit getragen habe. Es riecht nach Friseur, was zwar nicht schlecht, aber auch nicht toll ist, und entscheide mich stattdessen für einen Pullover.

»Was hältst du davon?« Eli kommt in einem Hemd und Jeans aus unserem begehbaren Kleiderschrank. Weil er wie ein Footballspieler gebaut ist, hatte er schon immer Probleme, Kleidung zu finden, die zu seiner muskulösen, hünenhaften Figur passt. Als Shopperin aus Leidenschaft habe ich seine Garderobe um einiges verbessert, seit wir zusammen sind.

»Perfekt.« Ich schaue auf Dolly hinab, die ihre kalte Nase an meinen Knöchel stupst, und lächle, als ich die rosa Leine in ihrem Maul entdecke.

»Ich gehe mit dir nach draußen, wenn wir zurückkommen«, flüstere ich und küsse ihren Kopf, während ich sie zurück ins Wohnzimmer trage und in ihrem Laufstall absetze.

Wir erreichen das Restaurant pünktlich um sieben Uhr. Lynn und Mica sitzen bereits an einem Tisch und erwarten uns.

Sobald uns Lynn sieht, erhellt sich ihr Gesicht, und sie winkt uns zu.

»Hey.« Lachend umarme ich sie.

»Ich bin so froh, dass wir Zeit für dieses Treffen gefunden haben.« Sie wiegt mich von einer Seite zur anderen, während Mica und Eli diesen typisch männlichen, einarmigen Schulterklopfer austauschen.

»Ich auch.« Ich umarme Mica und setze mich den beiden gegenüber. Eli nimmt neben mir Platz.

»Seht mal.« Lynn streckt grinsend eine Hand in die Höhe. Mir bleibt der Mund offen stehen, als ich den glitzernden Diamantring an ihrem Finger entdecke.

»Ist es das, wonach es aussieht?« Ich greife nach ihrer Hand. »Wann ist das passiert?«

»Gestern.« Mit einem süffisanten Lächeln schaut sie zu Mica. »Er hat mir einen Antrag gemacht, als wir am Abend im Zoo beim Bier- und Weinfest waren.«

»Wie schön. Herzlichen Glückwunsch, euch beiden.« Eli gratuliert ebenfalls. »Darauf sollten wir mit einem Glas Champagner anstoßen.«

»Auf jeden Fall«, stimmt Lynn zu.

»Mir reicht ein Bier«, murmelt Eli, und ich stoße ihn mit dem Ellenbogen in die Seite. Er schaut mich seufzend an. »Oder zuerst Champagner.« Mica kann sich ein Lachen nicht verkneifen.

Die Kellnerin, die kurz darauf erscheint, schüttelt mit dem Kopf, als wir vier Gläser Champagner bestellen. Deshalb entscheiden wir uns für Tequila, um wenigstens anstoßen zu können.

Nach einigen Gläsern und einer Margarita fühle ich mich, trotz der Portion Fajitas, etwas beschwipst.

»Wann wirst du Emma einen Antrag machen?«, fragt Mica, und ich schaue zu Eli auf.

Natürlich haben wir darüber gesprochen, zu heiraten und Kinder zu bekommen, als wir ein Jahr zusammen waren und ich bei ihm einzog. Seitdem ist dieses Thema nicht mehr aufgekommen, und ich wollte ihn auch nicht damit bedrängen. Vor allem, weil ich dachte, dass er mich fragen würde, wenn er so weit ist. Inzwischen sind wir seit fast drei Jahren ein Paar. Daher bin ich neugierig, was er antwortet.

»Emma und ich sind zufrieden, wie die Dinge im Moment sind.«

Meine Augen weiten sich. »Sind wir das?«

»Ja.«

»Ähm ... Aber wenn die Zeit gekommen ist, möchte ich gern heiraten«, erwiderte ich diplomatisch. Im Moment geht es mir wirklich gut, aber ich will den Ring, den Mann und Kinder. Nicht heute, aber auf jeden Fall in den nächsten Jahren. Auch ich werde nicht jünger, und mit fast dreißig höre ich meine biologische Uhr jeden Tag ein bisschen lauter ticken. Außerdem möchte ich verheiratet sein und das Leben mit meinem Mann noch ein wenig genießen, bevor ich Kinder bekomme.

»Die Ehe ist ja nur reine Formsache. Ein Stück Papier.« Die Aussage, sein Tonfall und der Ausdruck in seinen Augen, der keinen Funken Humor enthält, überraschen mich. Er hat recht, ja. Aber die Ehe hat für mich eine größere Bedeutung als das Stück Papier, auf dem sie besiegelt wird. Zumindest für mich.

»Okay, aber ich möchte auch den gleichen Nachnamen wie meine Kinder haben.«

»Und wenn wir keine Kinder bekommen? Warum sollten wir dann heiraten?«

Ich schaue ihn an und frage mich, ob er das ernst meint. Leider habe ich ein Glas zu viel getrunken, um einschätzen zu können, was er denkt.

»Ich will aber Kinder«, erinnere ich ihn leise und wünschte, wir würden dieses Gespräch allein führen.

»Was ist, wenn ich keine Kinder will?«

»Aber du wolltest doch auch welche. Oder etwa nicht?«

»Keine Ahnung.« Er zuckt mit den Schultern und wendet seinen Blick von mir ab. »Kinder verändern alles.«

Meine Kehle zieht sich zusammen. »Aber wir haben darüber gesprochen, zu heiraten und Kinder zu bekommen, bevor ich bei dir eingezogen bin.«

»Ich weiß. Aber die Dinge ändern sich.«

»Was hat sich denn geändert?«

»Kann ich nicht sagen.« Er zuckt wieder mit den Schultern. Ich verstehe nicht, warum er seine Meinung geändert hat und nicht schon früher mit mir darüber geredet hat. Wenn wir allein gewesen wären und nicht in einem Restaurant mit unseren frisch verlobten Freunden, hätte ich ihn vermutlich angeschrien.

»Wir sollten jetzt gehen«, bemerkt Lynn und reißt mich aus meinen Gedanken. Ihr mitfühlender Blick weckt in mir den Wunsch, im Boden zu versinken.

»Natürlich.« Ich kämpfe mit den Tränen und zwinge mich zu lächeln. »Wir sollten auch nach Hause gehen. Ich habe morgen einen vollen Terminkalender.« Eli erhebt sich, und ich stehe ebenfalls auf.

»Lass uns demnächst telefonieren«, flüstert mir meine Freundin ins Ohr und umarmt mich. Den Kampf gegen die Tränen scheine ich zu verlieren, obwohl ich es hasse, in Gegenwart anderer zu weinen.

Ich löse mich aus ihren Armen und nicke nur, bevor ich mich von Mica verabschiede, ohne ihn anzusehen. Keiner der beiden soll sehen, wie aufgewühlt ich bin.

Wie verlassen zu viert das Restaurant. Lynn und Mica verschwinden in die eine Richtung, Eli und ich in die andere. Wir gehen schweigend nebeneinander her, sodass ich die Gelegenheit habe, über das Geschehene nachzudenken. Immer wieder gehe ich Elis Worte in meinem Kopf durch und versuche mir einzureden, dass ich ihn falsch verstanden habe. Vielleicht war auch der Alkohol schuld daran.

Als wir unserer Wohnung betreten, ist der leichte Schwips verflogen, und ich bin völlig nüchtern. Er schließt die Tür hinter uns, und ich drehe mich zu dem Mann um, in den ich mich vor drei Jahren verliebt habe.

»Du willst keine Kinder?«, stelle ich ihn zu Rede, bevor ich meinen Mantel ausziehe und achtlos über die Couch werfe, um ja nicht Elis Reaktion zu verpassen. Er schüttelt nur den Kopf. »Seit wann?«

»Seit einer Weile.«

»Seit einer Weile«, wiederhole ich und starre ihn an. Was soll das denn bedeuten? Eine Woche, ein Jahr, ein paar Monate? »Du hast nie etwas gesagt.«

»Wir sind glücklich.«

»Du bist glücklich«, entgegne ich ihm leise und bemerke, wie er zusammenzuckt, als hätte ich ihn geschlagen. »Ich will mehr.«

»Emma.«

»Ich will heiraten, auch wenn das nur eine reine Formalität ist, die auf einem Stück Papier vermerkt wird. Ich will ein weißes Kleid tragen. Und alle Menschen, die ich liebe, sollen dabei sein, wenn ich dem Mann, der für mich bestimmt ist, das Eheversprechen gebe. Und ich will unbedingt Kinder haben.« Ich presse meine Hand gegen meine Brust und spüre, wie schnell mein Herz schlägt. Es fühlt sich an, als würde es versuchen, sich zu befreien. »Ich möchte all die Liebe, die ich in mir spüre, weitergeben können. An jemanden, der mir nahesteht und sie mit mir teilt. Ich will allen zeigen, dass es mehr Gutes als Schlechtes in dieser Welt gibt.« Ich atme tief ein, während mir die Tränen über die Wangen laufen. » Du bist also glücklich. Aber ich bin es nicht. Obwohl ich dich liebe, weiß ich nicht, ob ich meinen Traum aufgeben kann. Ich wollte heiraten und eine Familie haben, solange ich denken kann.«

»Ich liebe dich«, sagt er leise.

Gott, diese drei Worte wollte ich so gerne hören, als ich mich schon längst in ihn verliebt hatte. Nach jedem Date bin ich nach Hause gegangen und habe gebetet, dass er auch nur ein bisschen von dem empfindet, was ich fühle.

»Ich weiß.« Ich schlucke und wünschte, das wäre genug. Dass mir das, was wir haben, reichen würde. Doch ich bin mir nicht sicher, weil ich so viel mehr vom Leben wollte.

»Emma.« Er legt seine Arme um mich. »Sei nicht sauer.«

Das bin ich nicht. Ich bin im Moment gar nichts und fühle mich nur leer.

»Ich brauche etwas Zeit zum Nachdenken«, flüstere ich, befreie mich aus seinem Griff und wische meine Tränen weg.

»Du kannst dir so viel Zeit nehmen, wie du brauchst«, erwidert er. Ich nicke und gehe in unser Schlafzimmer. Nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen habe, ziehe ich mich aus und gehe sofort ins Bett. Insgeheim hoffe ich, dass er zu mir kommt und mir erklärt, er hätte es nicht so gemeint. Dass ich ihm nur etwas Zeit lassen müsse.

Aber er kommt nicht. 

2. Kapitel

Emma

Mir war vollkommen klar, wie schmerzhaft es sein muss, wenn einem das Herz gebrochen wird. Ich hatte nur keine Ahnung, dass alles noch schlimmer wird, wenn sich der Mann, wegen dem du Liebeskummer hast, um dich sorgt.

Mit zitterndem Kinn blinzle ich die Tränen zurück und lese Elis Nachricht noch einmal.

Eli

:

Ich will nicht, dass du bei Miranda wohnst. Ich werde heute Abend den Großteil meiner Sachen packen und ab morgen bei Ben übernachten. Ich überlasse dir die Wohnung und zahle die Hälfte der Miete, bis wir eine Lösung gefunden haben.

Nachdem ich mit Männern ausgegangen bin, die mich gelogen und betrogen haben oder einfach nur Arschlöcher waren, frage ich mich, ob ich zu viel von Eli erwartet hatte. Ist es mir wirklich so wichtig, zu heiraten und eine Familie zu gründen?

Tief im Inneren kenne ich die Antwort, aber es fällt mir schwer, die Wahrheit zu akzeptieren.

Ich antworte mit einem knappen Danke, lege das Telefon weg und starre an die Decke.

Gestern Morgen, nach einer schlaflosen Nacht, haben Eli und ich noch kurz miteinander geredet, bevor er zur Arbeit musste. Das Gespräch verlief nicht besonders gut. Er sagte mir, dass er mich heiraten würde, wenn mir das so viel bedeutet. Aber auf keinen Fall wolle er Kinder. Daran würde sich auch nichts ändern.

Wir haben nicht gestritten, und ich konnte ihm ansehen, dass ihn das alles nicht kaltließ. Trotzdem verletzte es mich, dass er mir als Trostpreis die Ehe anbot. Vor allem, nachdem er am Abend zuvor deutlich gemacht hatte, was er von einer Hochzeit hielt. Ich konnte nicht anders, als ihm zu sagen, dass ich ausziehen würde. Zumindest vorübergehend, um herauszufinden, was ich von einem Partner und generell vom Leben erwarte.

Als er die Wohnung verließ, war ich so durcheinander, dass ich Mirandas Anrufe ignorierte. Ich wusste, dass sie sich Sorgen machte, weil ich zu spät zur Arbeit kam – obwohl ich sonst nie zu spät komme. Aber ich brauchte Zeit, um mich zu sammeln. Und um meinen Schlafmangel und meine geröteten Augen mit Make-up zu überdecken. Was mir nicht gut gelang. Denn kaum hatte ich den Salon betreten, kam Miranda auf mich zu, betrachtete mich prüfend und zerrte mich in das Büro unserer Chefin.

Obwohl ich keine Lust verspürte, über den vergangenen Abend zu reden, brauchte es nicht viel, bis ich zusammenbrach und meiner besten Freundin alles erzählte. Sie war geradezu verblüfft über Elis Sinneswandel und wütend auf ihn. Aber vor allem machte sie sich Sorgen um mich.

Ich konnte nicht aufhören zu weinen. Daher bot sie an, alle meine Termine selbst zu übernehmen oder zu verschieben. Die Vorstellung, allein zu sein, war schrecklich. Doch ich musste ihr recht geben. Ich konnte nicht den ganzen Tag so tun, als wäre ich gut gelaunt. Polly tat ich in diesem Zustand auch keinen Gefallen. Unsere Chefin hatte nicht die Befürchtung, dass ich ihre Kundinnen vergraulen konnte, sondern sorgte sich ebenfalls um mich. Sie riet mir, ein paar Tage freizunehmen, um zu trauern und zur Ruhe zu kommen. Schließlich stimmte ich zu und fuhr nach Hause. Ich packte eine Tasche mit genug Kleidung für den Rest der Woche und verkroch mich in Mirandas Wohnung.

Dort lag ich den ganzen Tag auf der Couch und bemitleidete mich selbst, bis Miranda mit ihrem Sohn Kingston nach Hause kam. Es war gut, in ihrer Nähe zu sein. Aber es tat auch weh, Kingston um mich zu haben. Er erinnert mich daran, dass ich so gern eine Familie gründen wollte. Wenn ich bei Eli bliebe, würde ich vermutlich nie ein Kind bekommen.

»Tante Emma!«, höre ich seine fröhliche Stimme.

Im nächsten Moment stürzt er auf mich zu und wirft sich auf mich. Ich schaffe es gerade noch, mich etwas aufzusetzen, bevor er mich stürmisch umarmt.

»Du bist immer noch hier!«

Ich drücke ihn fest an mich und schlucke, so gut ich kann, die Tränen hinunter. »Das habe ich dir doch versprochen.« Ich küsse ihn auf den Kopf, und er zieht sich zurück, um mich anzusehen. Dabei legt er seine Hand an meine Wange.

»Hast du auf der Couch geschlafen?«

»Ja, habe ich.« Seine Mutter betritt mit einem sanften Lächeln das Wohnzimmer.

»Hast du gut geschlafen?«, will sie von mir wissen.

»Ja.« Kingston an mich gedrückt, setze ich mich auf. Er legt den Kopf auf meine Schulter, wie er es schon als Baby getan hat.

»Geht’s dir heute besser?«

»Eli hat mir eine Nachricht geschickt.«

»Was hat er geschrieben?«, fragt Miranda und bedeutet mir, ihr in die Küche zu folgen. Ich erhebe mich mit Kingston im Arm, der sich an mich klammert, und setze ihn auf einen der Hocker an der Kücheninsel. Seine Mutter reicht ihm sein iPad und Kopfhörer, um ungestört mit mir reden zu können.

»Dass er mir die Wohnung überlässt und bei Ben bleibt, bis wir alles geklärt haben.«

»Das ist großzügig von ihm«, bemerkt sie vorsichtig. Den besorgten Unterton in ihrer Stimme habe ich trotzdem gehört. Ich weiß, dass sie Eli mag. Und dass sie, wenn ich ihn heiraten würde, ohne Bedenken an meiner Seite stünde. Zumindest hätte sie das bisher getan. Inzwischen fragt sie sich bestimmt, ob ich dann nicht zu viel von dem aufgeben würde, was mir wichtig ist.

»So habe ich etwas Zeit, mir über alles klar zu werden. Außerdem komme ich dir nicht in die Quere, wenn du ...«

»Wage es nicht, diesen Satz zu beenden«, unterbricht sie mich mit einem gespielt vorwurfsvollen Blick, schält eine Banane und reicht sie Kingston.

»Du weißt gar nicht, was ich sagen wollte.«

»Dass du mir dann nicht im Weg bist, wenn ich mich mit Tucker treffe.«

»Ich will dir nur nicht zur Last fallen«, sage ich, und sie verengt die Augen. »Du kannst deine neue Beziehung nicht genießen, wenn ich auf deiner Couch schlafe.« Ich halte eine Hand hoch, als sie zum Sprechen ansetzt. »Es wird schon gut gehen. Eigentlich bin ich erleichtert, dass ich mir jetzt keine Wohnung suchen muss, und kann mir in Ruhe überlegen, was ich machen will.« Ich hatte darüber nachgedacht, für ein paar Tage zu meiner Schwester nach Florida zu fahren, um den Kopf freizubekommen. Allerdings muss ich arbeiten. Daher ist es perfekt, dass Eli für ein paar Tage bei seinem Freund übernachtet.

»Was willst du denn tun?«

Seufzend zucke ich mit den Schultern. »Keine Ahnung.«

»Du musst dich ja nicht sofort entscheiden.« Sie nimmt die Haferflocken aus der Mikrowelle und gibt Milch, Butter und etwas Honig dazu.

»Ich weiß.« Ich beiße mir auf die Unterlippe. »Es wäre so viel einfacher, wenn er ein Idiot wäre.«

Miranda wirft mir einen warmherzigen Blick zu. »Eli ist ein guter Kerl. Ich weiß, dass du ihn liebst und er dich. Du musst nur überlegen, ob dir das reicht.« Sie geht um den Tresen herum zu Kingston und stellt ihm seinen Haferbrei vor die Nase.

»Ja«, stimme ich leise zu und beobachte, wie sie ihrem Sohn einen Kuss auf die Schläfe gibt. Ein Zeichen der Zuneigung, das ihn zum Lächeln bringt und mein Herz berührt. 

3. Kapitel

Emma

Ich sitze neben Miranda auf dem Beifahrersitz und betrachte die schwach beleuchtete Umgebung. Auf einer Seite hinter einem hohen Maschendrahtzaun mit Stacheldraht sind Bahngleise zu erkennen. Diese Gegend wirkt unheimlich, und ich frage mich, wo zum Teufel wir hinfahren.

»Wollten wir nicht zu Tuckers Wohnung?«, frage ich leise, während wir drei schrottreife Autos passieren und dann abbiegen. Ich sehe zwei gruselig aussehende Männer und bin mir sicher, dass ich soeben einen Drogendeal beobachtet habe.

»Wir sind gleich da.« Sie wirft mir einen kurzen Blick zu. »Er wohnt gleich die Straße hoch.«

»Dieses Gebiet ist superdubios, M.«

»Ist es nicht.«

»Doch, ich bin mir ziemlich sicher, dass genau hier eine Folge von Dateline gedreht wurde. Du weißt schon, eine mit ungeklärten Vermisstenfällen.«

Sie grinst nur und schaut weiterhin auf die Straße. »Als ich das erste Mal mit Tucker hier war, dachte ich darüber nach, ob er vielleicht ein Serienmörder sein könnte.«

»Und du bist nicht geflüchtet?«

»Nein. Ich bin ihm sogar blindlings in ein Haus gefolgt, das völlig unbewohnbar aussah.« Wir lachen beide, während sie vor einem Gebäude parkt, das tatsächlich komplett verlassen wirkt. Ich drehe mich zu Kingston um und stoße einen leisen Schrei aus, als Mirandas Tür von außen geöffnet wird. Kurz darauf erkenne ich Tucker im Schein der Innenraumbeleuchtung.

»Hey, Babe«, sagt er leise und löst ihren Sicherheitsgurt.

»Hey«, antwortet sie sanft. Er schenkt ihr ein Lächeln, bevor er mich ansieht.

»Hey, Emma. Geht es dir gut?«

»Ja, danke.« Ich versuche, fröhlich zu wirken, was mir nicht ganz gelingt. Seiner Reaktion nach zu urteilen, hat er mich ertappt.

»Tucker!«, ruft Kingston. Miranda und ihr Freund schauen sich grinsend an, bevor er die hintere Tür öffnet und Kingston aus seinem Kindersitz befreit. Der Kleine bombardiert ihn sofort mit Tausend Fragen und hört auch nicht auf, als wir uns zu ihnen gesellen.

Ich nutze die Gelegenheit und betrachte das nicht sehr einladend wirkende Wohnhaus. Nirgends ist ein Licht zu sehen, nicht einmal durch die offenstehende Haustür. Wenn ich einen Typen gerade erst kennengelernt hätte, würde ich ihm definitiv nicht in so ein unheimliches Haus folgen. Eher würde ich die Flucht ergreifen.

»Miles und Winter werden mit uns zu Abend essen«, kündigt Tucker an. Ich sehe fragend zu meiner besten Freundin, die sich bei mir einhakt.

»Miles ist Tuckers Bruder, und Winter ist Miles’ Tochter«, erklärt sie mir, als wir Tucker und Kingston ins Haus folgen.

»Oh.« Normalerweise hätte ich so etwas wie toll hinzugefügt und würde mich freuen, Tuckers Familie kennenzulernen. Doch danach ist mir heute gar nicht zumute.

»Sie werden dir gefallen«, versichert mir Miranda und lotst mich in den Aufzug. Für mich überraschend, wirkt er beinahe neu und ist erstaunlich sauber. Ganz im Gegenteil zum staubigen Treppenhaus, in dem überall Farbeimer und Rigipsplatten vor halb fertigen Wänden stehen.

Ich beobachte die wechselnde Anzeige für die einzelnen Stockwerke und überlege, ob es in den oberen Etagen ähnlich desolat aussieht wie im Eingangsbereich. Stattdessen empfängt uns helles, warmes Licht. Sobald sich meine Augen daran gewöhnt haben, sehe ich einen Mann mit dunkelbraunem Haar, einem herrlich kantigen Kiefer und ungewöhnlich schönen blaugrünen Augen, die von dunklen Wimpern umrahmt sind.

»Daddy? Sind sie schon da?«, ertönt eine zarte Stimme aus der offenen Tür hinter ihm. Er wendet den Blick von mir ab und zeigt mir sein starkes und männliches Gesicht im Profil.

»Ja, sie sind da«, sagt er. Das Geräusch von kleinen Füßen ist zu hören, bevor ein kleines Mädchen mit den gleichen dunklen Haaren auftaucht. Er bückt sich und nimmt die Kleine auf den Arm.

»Miles, Winter, das ist meine beste Freundin Emma. Emma, das sind Miles und seine Tochter Winter«, stellt uns Miranda vor und schiebt mich aus dem Aufzug in den Flur.

»Hey.« Winter lächelt kaum merklich und legt ihren Kopf in bewundernswerter Schüchternheit an die Schulter ihres Vaters.

»Schön, euch beide kennenzulernen.« Ich zwinge mich zu einem Lächeln und bin erstaunt, dass es weniger gezwungen wirkt als eben bei Tuckers Begrüßung. Andererseits ist Miles’ Tochter auch wirklich bezaubernd.

»Finde ich auch.« Miles lächelt mich ungezwungen an und schaut dann zu Miranda, die Kingston und Winter miteinander bekannt macht. Etwas abseitsstehend beobachte ich die fünf und fühle mich völlig fehl am Platz.

Als etwas Kaltes meine Fingerspitzen berührt, schaue ich instinktiv zu meiner Hand. Kristallblaue Augen fixieren mich, und ich erstarre innerlich. Ein riesiger Hund steht vor mir, der eher wie ein Wolf aussieht. Mein Herz rast vor Angst. Obwohl ich mich nicht daran erinnern kann, jemals von einem Hund angegriffen worden zu sein, weiche ich instinktiv Millimeter für Millimeter zurück. Hunde, die ich nicht einfach hochheben kann, fand ich schon immer angsteinflößend. Nein, nicht nur die. Es gibt auch kleine Hunde, vor denen ich mich fürchte.

»M«, flüstere ich und gehe noch einen Schritt rückwärts, bis ich mit jemandem hinter mir zusammenstoße. Ich löse für einen Moment meinen Blick von dem Tier und stelle fest, dass ich gegen Winter gestoßen sein muss, die inzwischen ihre Arme um den Hals des Hundes schlingt.

»Hab keine Angst. Das ist Skye. Sie gehört Clay«, sagt Miranda, und ich beobachte, wie sich das kleine Mädchen an den riesigen Hund kuschelt.

»Du hast Angst vor Hunden?«, will Miles wissen. Ich kann meinen Blick nicht von Skye losreißen, die mich ebenso aufmerksam beobachtet wie ich sie. Deshalb nicke ich nur. »Das brauchst du nicht.« Plötzlich spüre ich seine Hand an meinem Handgelenk. Er lässt mich auch nicht los, als ich mich aus seinem Griff befreien will. »Sie tut dir nichts. Du bist in Sicherheit.«

Ich schaue bittend zu Miranda. Statt mich aus der Situation zu retten, schenkt sie mir ein aufmunterndes Lächeln. Verräterin.

Widerwillig lasse ich mich von Miles zu Skye ziehen. Er geht vor ihr in die Hocke. Als sie sich erhebt, weiche ich instinktiv zurück. Mein Herz klopft so stark, dass ich das Blut in meinen Ohren rauschen höre.

»Ich ...«

»Schon okay«, beruhigt mich Miles. Er sieht mich aus seinen blaugrünen Augen verständnisvoll an, lässt aber nach wie vor mein Handgelenk nicht los. »Ich garantiere dir, dass sie dir nichts tun wird. Und jetzt öffne deine Hand.«

Ich schlucke. Weil ich nicht als hysterisch gelten will, komme ich seiner Bitte nach und öffne meine Faust. Skye beugt sich vor und schnuppert an meinen Fingern.

»Sie mag dich.« Winter kichert und will offensichtlich den Hund nie wieder loslassen. Ehe ich mich versehe, kuschelt sich auch Kingston an das riesige Tier. Es ist zwar verdammt groß, scheint aber wirklich lieb zu sein. Daher drehe ich langsam meine Hand und berühre ihren Kopf mit den Fingerspitzen. Skye streckt sich mir entgegen und zwingt mich so, sie hinter den Ohren zu kraulen. Ihr Fell ist weich, aber gleichzeitig rau und so dick, dass ich mich frage, ob sie sich im Sommer gern draußen aufhält.

»Siehst du?«, fragt Miles leise, und ich schaue zu ihm auf. »Sie ist nicht so furchterregend, wie sie aussieht.«

Ich bekomme ein schiefes Lächeln zustande, obwohl mein Herz immer noch heftig klopft. Er lächelt zurück und erhebt sich. Dann lässt er mein Handgelenk los, das sich nach seinem Griff seltsam prickelnd anfühlt.

»Ich muss noch ein paar Anrufe tätigen und hatte vor, danach für uns alle Pizza zu bestellen. Sobald der Lieferdienst da war, gebe ich euch Bescheid«, sagt Miles.

»Ja, Pizza!«, ruft Winter vor Freude. Kingston stimmt in ihren Jubel ein. Er lässt nur selten eine Gelegenheit aus, laut zu sein.

»Hört sich gut an.« Tucker legt seinen Arm um Mirandas Taille und schaut sie liebevoll an.

Okay, ich habe mich geirrt. Liebeskummer fühlt sich nicht nur schlimmer an, wenn sich der Mann, der ihn verursacht hat, um dich sorgt. Noch schmerzvoller ist es, dann ein frisch verliebtes Paar zu erleben. Vor allem, wenn er sie ansieht, als hätte sie die Sonne gedreht und nur auf sie beide ausgerichtet.

Hat mich Eli jemals so angeschaut?

Ich glaube nicht.

Und es ist verdammt blöd, genau jetzt darüber nachzudenken. Doch ich frage mich, ob er jemals wirklich in mich verliebt war.

Dass er mich auf seine Art liebt oder vielleicht geliebt hat, weiß ich. Aber in jemanden verliebt zu sein und Liebe für ihn zu empfinden, sind zwei völlig verschiedene Dinge. 

4. Kapitel

Emma

Eli

:

Können wir uns treffen, um zu reden?

Als ich diese Nachricht auf meinem Handy sehe, lasse ich mich auf den Stuhl vor meinem Arbeitsplatz fallen und öffne unseren Chat.

Es ist fast zwei Monate her, dass er aus unserer Wohnung ausgezogen ist, und seitdem haben wir uns nur ein paar Nachrichten geschickt. Allerdings nur dann, wenn ich meinen Kummer verdrängt und mich bei ihm gemeldet habe.

Das erste Mal habe ich ihm geschrieben, um mich nach seiner Mutter zu erkundigen, die vor Kurzem online gepostet hatte, dass sie ihren Job verloren hatte. Natürlich habe ich sie auch selbst angerufen, um zu fragen, ob sie etwas braucht. Aber sie meinte, dass es ihr gut ginge. Das kam mir seltsam vor. Deshalb wollte ich von Eli wissen, ob das stimmt. Er schrieb mir, dass sie noch keine neue Stelle gefunden habe. Um sie zu unterstützen, ließ ich ihr einige Male Lebensmittel aus dem Supermarkt liefern. Ich hatte die Hoffnung, ihr damit zumindest ein wenig helfen zu können.

Meine zweite Nachricht an Eli schrieb ich, als ich aus dem Internet erfuhr, dass die Frau seines Bruders ein weiteres Kind bekommen hatte und er noch einmal Onkel geworden war. Er antwortete nur mit Danke.

Danach dachte ich mir, dass ich es ihm überlassen würde, sich zu melden. Das tat er auch, aber nur, um zu fragen, ob er vorbeikommen und noch ein paar Klamotten abholen könnte.

Bei dem Treffen fühlte ich mich unbehaglich und hatte das Gefühl, mein Herz würde in Tausend Stücke brechen. Offenbar war es für Eli kein Problem, mich zu sehen. Er machte nicht mal den Versuch, über uns zu reden. Er hat mir nicht gesagt, dass er mich vermisst oder mich zurückhaben will. Er machte nicht einmal Anstalten, mich zu umarmen, als er ankam oder bevor er ging. Es war, als wären wir nichts weiter als ehemalige Mitbewohner, und er war nur da, um seine restlichen Sachen abzuholen.

Ich beiße mir auf die Unterlippe und entschließe mich, meine Antwort zu senden.

Ich

:

Klar. Sag mir Bescheid, wann und wo. Ich sollte um sechs mit meinem letzten Kunden fertig sein.

Mit den Gedanken bin ich ganz woanders, während ich Miranda und ihrem Kunden, mit dem sie gerade fertig geworden ist, beim Gespräch an der Rezeption zuhöre.

Eli

:

Geht auch um sieben? Wir können uns in der Wohnung treffen.

Die Wohnung. Nicht unsere Wohnung. Ich atme erleichtert auf.

Ich

:

Wie wäre es um sieben im

Lincoln’s

?

Ich beobachte, wie drei Punkte auftauchen, dann stoppen, bevor sie wieder erscheinen und eine Sekunde später eine neue Nachricht von ihm aufpoppt.

Eli

:

Bis nachher

.

Ich sende ihm zur Bestätigung einen Daumen, der nach oben zeigt, und schaue auf. Miranda hat ihren Kunden verabschiedet und kommt auf mich zu.

»Ist alles in Ordnung?«, will sie wissen.

»Ja.« Ich stelle mein Handy auf lautlos. »Das war Eli. Er will mit mir reden.« Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück und verschränke die Arme.

»Worüber?« Sie runzelt die Stirn, während sie nach dem Besen greift, der an der Wand zwischen unseren Stationen lehnt.

»Ich weiß nicht.« Ich zucke mit den Schultern. »Wahrscheinlich über uns.«

»Ich will nicht hart klingen, Emma, aber gibt es noch ein uns? Er ist vor zwei Monate ausgezogen.« Sie weiß, dass wir seitdem wenig bis gar keinen Kontakt hatten. Und als meine beste Freundin ist sie deswegen stinksauer auf Eli. Mit ihrem Ex-Mann war das etwas anderes. Er hatte absolut keine Chance, sie zurückzugewinnen, und ist trotzdem hier im Salon mit Kaffee und Blumen aufgetaucht, um sie wenigstens zu einem Gespräch überreden. Eli dagegen sah offenbar keine Notwendigkeit dafür.

»Keine Ahnung«, flüstere ich, und sie sieht mich mitfühlend an.

»Du verdienst so viel mehr.«

»Mi...«

»Ich hab dich lieb«, unterbricht sie mich. »Versprich mir einfach, dass du dich auf nichts einlässt, was du nicht auch mir empfehlen würdest.«

Meine Brust wird eng. Ich weiß, was sie damit sagen will. Wenn sie oder eine meiner anderen Freundinnen in so einer Situation wären, würde ich ihnen raten, nach vorn zu schauen, statt sich mit dem zufriedenzugeben, was Eli sich unter einem gemeinsamen Leben vorstellt. Ich würde ihnen abraten, mit jemandem zusammenzubleiben, der völlig andere Erwartungen hat. Man sollte sich nicht zufriedengeben, wenn man so viel mehr will als der Partner.

»Versprochen«, sage ich unter Tränen. Miranda stellt den Besen weg und nimmt mich in den Arm.

»Ich hab dich so lieb.«

»Ich dich auch.« Ich wische mir die Tränen weg, sobald sie mich loslässt und mich aufmunternd ansieht.

»Du schaffst das schon.«

»Ich weiß.« Im nächsten Moment ertönt die Türglocke. Es ist mein letzter Kunde für heute, der mich vor einem weiteren Gespräch mit Miranda über meine nicht mehr vorhandene Beziehung bewahrt. Gott sei Dank, denn ich bin es leid, deswegen in Tränen auszubrechen. »Ist mein Make-up verschmiert?«

»Nein, du siehst so perfekt aus wie immer.« Sie tritt zurück, und ich rutsche von meinem Stuhl.

Nachdem ich mein Aussehen im Spiegel überprüft habe, begrüße ich meinen Kunden und versuche, nicht darüber nachzudenken, was ich heute Abend tun oder sagen werde. Doch es gelingt mir nicht. Wie fast nie, seit ich nicht mehr mit Eli zusammenwohne.

Als ich um Viertel vor sieben im Lincoln’s ankomme, ziehe ich meinen Mantel aus und gehe zur Bar, um mir ein Glas Wein zu bestellen. Hoffentlich kann ich damit meine strapazierten Nerven etwas beruhigen. Wegen der vielen Baustellen in der Stadt hatte ich keine Zeit mehr, nach Hause zu fahren und mich umzuziehen. Deshalb trage ich noch immer meinen dunkelgrünen Rollkragenpullover, schwarze Jeans und hochhackige Schuhe, die ich tagsüber auf der Arbeit anhatte.

Während ich darauf warte, dass der Barkeeper mir einen Merlot einschenkt, suche ich das Restaurant nach einem freien Tisch ab. Ich würde gern etwas weiter weg von der Bar sitzen und zugleich in der Nähe der Tür, um notfalls schnell von hier verschwinden zu können. Leider sind die meisten Tische besetzt. Es ist Freitag, und die Leute gönnen sich nach der Arbeitswoche ein paar schöne Stunden mit Freunden oder verfolgen eines der Spiele, die auf den sporadisch verteilten Fernsehern laufen.

Mit meinem Glas Wein mache ich mich auf den Weg zu einem der wenigen freien Tische. Plötzlich sehe ich ein bekanntes Gesicht.

Ich war schon öfter Tuckers Bruder Miles begegnet, wenn ich Kingston und Miranda besucht habe, die im Grunde schon bei Tucker eingezogen sind. Aber ich habe ihn noch nie woanders getroffen. Schon gar nicht in Begleitung einer Frau. Die hübsche Blondine, die sehr zierlich ist, passt perfekt zu ihm, auch wenn sie optisch das genaue Gegenteil ist.

Ich weiß von Miranda, dass sich Miles das Sorgerecht mit Winters Mutter teilt, aber nicht mehr mit ihr zusammen ist. Wie ich darauf kam, dass er sich mit niemand anderem trifft, ist mir schleierhaft. Deshalb bin ich wohl so überrascht, ihn hier zu sehen. Natürlich ist mir nicht entgangen, dass er sehr attraktiv ist und charmant. Es ist ganz leicht, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Ein Mann, zu dem man sich hingezogen fühlt, ohne es zu merken.

Wir sind nicht gerade Freunde, aber mehr als nur Bekannte. Wenn ich nicht mit Eli verabredet wäre, würde ich rübergehen, Miles begrüßen und mich seiner Begleitung vorzustellen, die vermutlich sein Date ist. Aber nicht unter diesen Umständen.

Er hat mich nicht bemerkt, und ich kann ihn ja später noch begrüßen. Deshalb gehe ich weiter an den Tisch, der gerade frei geworden ist. Ich lasse mich in die Sitzecke fallen und lege meine Tasche und meine Jacke neben mich.

Immer nervöser werdend, warte ich auf Eli und versuche, nicht zu Miles hinüberzusehen. Es fällt mir schwer, wie auch einigen anderen Frauen, die ihm ständig sehr interessierte Blicke zuwerfen. Sehr zum Leidwesen seiner Begleiterin, die jedes Mal versucht, seine Aufmerksamkeit ganz auf sie zu lenken, und auch immer dichter an ihn heranrutscht. Es ist offensichtlich, was sie damit zum Ausdruck bringen möchte. Lächelnd nippe ich an meinem Wein und schaue zufällig zur Tür, als Eli das Restaurant betritt.

Ich warte auf die Schmetterlinge oder den vertrauten Funken der Aufregung, den ich jedes Mal verspürte, wenn ich ihn sah. Doch wo diese Gefühle einst waren, ist nichts als Leere.

Er lässt seinen Blick durch das Restaurant schweifen. Sobald er mich entdeckt, hebt er seine Hand und geht zur Bar. Während ich darauf warte, dass er sich zu mir setzt, spüre ich körperlich, dass mich jemand ansieht. Ich drehe mich in die entsprechende Richtung und begegne Miles’ Blick aus seinen blaugrünen Augen. Ich deute ein Lächeln an. Er nickt mir zu und runzelt dann die Stirn. Ich frage mich, was diese Reaktion ausgelöst hat, und entdecke Eli, der mit einem Bier in der Hand auf mich zukommt.

»Hey.« Er setzt sich mir gegenüber. Sofort verschwindet jeder Gedanke an Miles. Ich fühle mich so wie in den vergangenen Wochen. Ängstlich und etwas unsicher, was meine Zukunft betrifft.

»Hey«, begrüße ich ihn ebenso knapp und distanziert und warte darauf, dass er mir sagt, warum er mich zu diesem Gespräch gebeten hat. Innerlich angespannt halte ich mich an meinem Weinglas fest, während er weiterhin schweigt und das Spiel verfolgt, das auf dem Monitor hinter mir übertragen wird. »Du wolltest mit mir reden?«, erinnere ich ihn.

»Ja.« Er senkt den Blick und konzentriert sich auf mich. »Wir hatten ja noch keine Gelegenheit dazu.« Ich blinzle.

Wir hatten noch keine Gelegenheit dazu? Ich war weder im Ausland noch außerhalb der Zivilisation. Er hat meine Nummer und hätte mich jederzeit erreichen können.

»Okay«, sage ich gedehnt.

»Was denkst du?«

»Was ich denke?«

»Ja. Weißt du schon, wann ich wieder bei dir einziehen kann?«

»Wir haben uns zweimal Nachrichten geschrieben und uns nur einmal kurz gesehen, als du ein paar Sachen abgeholt hast.«

»Ich weiß«, erwidert er sanft, ohne seinen Blick von mir abzuwenden. »Ich wollte dir genug Abstand und Zeit zum Nachdenken geben.«

Eigentlich überraschte mich seine Aussage nicht. Unsere Beziehung begann, weil ich Interesse an ihm zeigte. Ich habe ihn nach seiner Nummer gefragt und ihm meine gegeben. Und ich habe ihn angerufen und um ein Date gebeten, weil er sich nicht gemeldet hatte. Ich habe sogar bei unserem ersten Kuss die Initiative ergriffen. Natürlich begann ich irgendwann, mit ihm über eine gemeinsame Zukunft zu sprechen, und habe ihm nie verschwiegen, was ich mir erträume. Deshalb bin ich auch so sauer auf ihn, dass er mir lange verschwiegen hatte, dass sich seine Wünsche nicht mehr mit meinen decken. Wie konnte er einfach so davon ausgehen, dass ich mich darauf einlasse, weder zu heiraten noch Kinder zu bekommen? Wenn ich ihn richtig verstanden habe, geht er davon aus, dass er wieder bei mir einzieht und wir da weitermachen, wo wir einige Wochen vorher aufgehört haben.

Das kann er vergessen.

»Du hast mir wirklich viel Zeit zum Nachdenken gegeben«, beginne ich. Er nickt und sieht mich aufmerksam an. »Und ich glaube, wenn wir beide ehrlich sind, wissen wir, dass das mit uns nicht funktionieren wird.«

»Was?« Er setzt sich aufrechter hin und wirkt überrascht. Ich bin es auch, allerdings über seine Reaktion.

»Ich denke, es ist das Beste, wenn wir getrennte Wege gehen.«

Er starrt mich an, ohne zu blinzeln. »Ist das dein Ernst?«

Ich nicke.

»Aber du liebst mich doch«, bemerkt er.

»Ja, und das fühlt sich nicht gut an«, flüstere ich. »Weil es sich anfühlt, als wäre ich in eine Sackgasse geraten. Als gäbe es kein Vor und kein Zurück.«

»Was soll das heißen?«, will er leicht verärgert wissen.

»Warum willst du mit mir zusammen sein?«, frage ich, statt zu antworten, und er runzelt die Stirn.

»Ich liebe dich.«

»Bist du dir sicher?«

»Natürlich.«

»Warum?«

»Was?« Sein Stirnrunzeln wird ausgeprägter.

»Warum liebst du mich?«

Ich kann mir gut vorstellen, wie sich die Räder in seinem Kopf drehen, während ich warte ... und warte und warte, in der Hoffnung, dass er etwas sagt, was überzeugend klingt. Ich will nicht feststellen müssen, dass ich fast drei Jahre meines Lebens mit jemandem zusammen war, weil alles so einfach und unkompliziert mit mir war. Ich habe gemeinsame Entscheidungen allein getroffen, bin in die Rolle der Ehefrau und vielleicht sogar der Mutter geschlüpft, habe mich um den Haushalt und die Wäsche gekümmert, für ihn gekocht und geputzt. Das alles, ohne je zu murren oder eine Gegenleistung zu verlangen. Ihn um Hilfe zu bitten, hatte ich längst aufgegeben.

»Es ist einfach so.«

»Klar.« Seufzend löse ich meinen Blick von ihm und stelle fest, dass ich immer noch mein Weinglas umklammere.

»Hey.« Er streckt seine Hand aus, um mit seinen Fingerspitzen meine zu berühren, und ich sehe zu ihm auf. »Ich liebe dich.«

Natürlich, aber auf seine Weise. Ich muss lernen zu akzeptieren, dass mir das nicht mehr reicht. So schwer es auch ist.

»Ich weiß«, erwidere ich und bemühe mich nicht, meine Trauer und Enttäuschung zu verbergen. Als ich bei ihm einzog, war das für mich der Beginn einer wunderbaren Zukunft. Ich war mir sicher, dass wir bald heiraten, ein hübsches kleines Haus kaufen und Kinder bekommen würden.

Und jetzt?

Inzwischen ist mir klar geworden, wie naiv ich gewesen war. Wie konnte ich meine Zukunft mit einem Mann planen, der mir nicht ehrlich sagen konnte, was er wirklich wollte oder für mich empfand?

»Wir können das schaffen, Emma«, flüstert er.

»Können wir nicht«, entgegne ich leise. »Wir wollen nicht dasselbe. Ich will keine Kompromisse eingehen, wenn es um das geht, was ich mir vom Leben erträumt habe. Ich möchte nicht alt werden und enttäuscht zurückblicken müssen.« Ich greife nach meiner Jacke, während ich fortfahre. »Du hast mir die Wohnung überlassen. Das ist sehr großzügig von dir. Wenn du sie doch lieber selbst nutzen willst, gib mir Bescheid. Ich finde schon eine andere Bleibe.«

»Emma.«

Ich schüttle den Kopf. »Kein Problem. Bis dahin kann ich bei Miranda oder jemand anderem wohnen.«

»Du gibst uns einfach auf?«

Ich begegne seinem Blick. »Gibt es denn etwas, was ich aufgeben könnte?«

»Ja, uns.« Seine Hand verkrampft sich um sein Bier.

»Wir wollen nicht dieselben Dinge, Eli.«

»Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich dich heiraten werde, Emma.«

Ohne es verhindern zu können, muss ich lachen. Ein Lachen ohne jede Emotion. »Ich erinnere mich. Und wenn ich dich lange genug damit nerven würde, könnte ich dich vielleicht sogar überreden, mir irgendwann ein Kind zu schenken. Aber das will ich nicht.« Ich seufze und versuche, mir meinen Ärger nicht anmerken zu lassen. »Ich will nicht, dass du irgendwann bereust, dein Leben mit mir verbracht zu haben.« Ich erhebe mich von meinem Platz, hänge mir meine Tasche über die Schulter und sehe ihn an. »Lass mich wissen, was du mit der Wohnung machen willst.«

Er nickt und presst den Kiefer zusammen. Ich betrachte ihn noch einen Moment, bevor ich mich umwende, um zu verschwinden.

Sobald ich das Restaurant verlassen habe, fühle ich mich erleichtert, als wäre mir eine große Last von den Schultern genommen worden. Natürlich fühlt sich mein Herz noch wund an, aber anders als in den vergangenen Wochen und erträglicher als noch heute Nachmittag. Vielleicht liegt es daran, dass ich nach so vielen Wochen, in denen mein Leben in der Schwebe zu sein schien, eine Entscheidung getroffen habe. Vielleicht konnte ich mir bisher auch nicht eingestehen, dass das mit Eli vorbei ist.

Ich ziehe mir meine Jacke an und gehe mehrmals tief durchatmend auf den Zebrastreifen am Ende des Blocks zu. Plötzlich höre ich jemanden nach mir rufen. Ich bleibe stehen, drehe mich um und sehe Miles, der direkt auf mich zugelaufen kommt.

»Hey.« Ich zwinge mich zu einem Lächeln, als er nur noch einen Meter entfernt ist. »Entschuldige, dass ich dich vorhin nicht begrüßt habe. Ich wollte euch nicht ...«

»Kein Problem«, unterbricht er mich. »Geht’s dir gut?«

»Oh, ja.« Diesmal ist mein Lächeln echt. »Wie geht es Winter?«

»Alles gut.« Bei der Erwähnung seiner Tochter wird sein Gesichtsausdruck sofort sanft. Mein Herz zieht sich zusammen, weil er so liebevoll mit ihr umgeht. Nach allem, was ich gesehen und gehört habe, ist er ein toller Vater.

»Wie schön.« Er neigt den Kopf zur Seite und betrachtet mich prüfend.

»Bist du auf dem Weg nach Hause?«

»Ja, es war ein langer Tag.« Das war er, und ich bin erschöpft, sowohl geistig als auch körperlich.

»Brauchst du eine Mitfahrgelegenheit?«

»Ich wohne direkt gegenüber.« Ich deute zum Wohnblock schräg gegenüber.

»Miles«, ruft eine Frau. Wir drehen uns beide in die Richtung, aus der die Stimme kam. Ich blinzle und erkenne dann seine Begleitung von heute Abend. Sie steht nicht weit vom Restaurant entfernt, hat die Arme vor der Brust verschränkt und einen finsteren Ausdruck auf ihrem ansonst hübschen Gesicht.

»Gib mir eine Minute, Brit«, ruft Miles ihr zu. Statt zu antworten, zeigt sie durch ihre Körpersprache, wie verärgert sie ist. Doch er lässt sich davon nicht abhalten, sich wieder mir zuzuwenden.

»Du solltest zu deinem Date zurückkehren«, bemerke ich leise und werfe ihr einen entschuldigenden Blick zu.

»Bist du sicher, dass es dir gut geht?«, fragt er und ignoriert meine Bemerkung.

Gott, er ist wirklich ein netter Kerl. Ich bin mir sicher, dass er von Miranda oder von Tucker weiß, dass ich mich mit Eli getroffen habe. Vermutlich sogar, worum es bei unserem Treffen ging.

»Ja, danke«, versichere ich ihm und schließe fröstelnd meine Jacke, um mich vor dem kalten Wind zu schützen.

Miles betrachtet jede meiner Bewegungen, bevor er kurz zu dem Block sieht, in dem ich wohne, und sich dann wieder ganz auf mich konzentriert. »Ich sollte dich nicht länger aufhalten. Es ist ganz schön kalt.« Doch statt sich zu verabschieden, sieht er mich nur weiterhin an.

»Wir sehen uns. Gibst du Winter einen Kuss von mir?«

»Werde ich machen«, erwidert er und versenkt seine Hände in den Taschen. Als er sich nicht rührt, schenke ich ihm noch ein Lächeln und gehe auf den Zebrastreifen zu. Ich kann seine Blicke förmlich spüren, als ich die Straße überquere. Vor meiner Haustür drehe ich mich noch einmal um. Er steht immer noch an der gleichen Stelle. Allerdings nicht mehr allein, sondern mit dieser Brit an seiner Seite, die sich an ihn schmiegt. 

5. Kapitel

Miles

»Jesus«, brumme ich vor mich hin, als Winter aus ihrem Zimmer kommt. Sie trägt ein gelbes Prinzessinnenkostüm, das sie zu Weihnachten bekommen hat. Der Ausschnitt hängt schief – wahrscheinlich, weil sie den Klettverschluss auf der Rückseite nicht allein schließen konnte. Ihre kleinen Füße stecken in pinkfarbenen Pumps aus Plastik, die eindeutig zu groß sind. Die Krone auf ihrem Kopf ist nicht die billige Plastikattrappe, die eigentlich zum Kleid dazugehört. Ihre Mutter bestand darauf, ihr in einer schicken Boutique in Colorado eine schönere Krone zu kaufen.

Zu jeder anderen Zeit würde ich ihr Outfit vielleicht ganz niedlich finden. Doch nicht heute. Ich muss sie zur Schule bringen, und wir sind schon spät dran.

»Du musst dir etwas anderes anziehen, Win«, sage ich, als sie sich zu mir an die Kücheninsel stellt, während ich ihren Bagel mit Frischkäse bestreiche.

»Heute ist Verkleidungstag in der Schule«, erklärt sie mir. Sie wirkt nicht so, als würde ich sie umstimmen können. Ich drehe mich zum Kühlschrank und schaue auf ihren Monatsplaner. Den drucke ich mir immer aus, damit ich so tun kann, als wüsste ich, was los ist.

»Heute ist der Tag, an dem du dich so anziehen sollst, wie du es in deinem zukünftigen Beruf machen würdest.« Ich schaue sie wieder an.

»Ich weiß, und ich werde eine Prinzessin sein, wenn ich groß bin.« Sie zieht einen der Stühle unter der Insel heraus und klettert ungeschickt darauf. Dem Geräusch nach zu urteilen, das dabei entsteht, verliert sie beide Schuhe, bevor sie mit ihrem Hintern auf dem Kissen sitzt.