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Ein Hotelzimmer in Amsterdam: Ben wartet auf die Urne mit der Asche seiner Mutter Marlene. In einem Brief an seinen vierjährigen Sohn versucht er zu erklären, wie es dazu kam, dass sich sein Leben plötzlich verändert hat. Vor vierzig Jahren erfuhr Ben, dass sein eigener Vater entführt und ermordet wurde, im kolumbianischen Rebellengebiet, wo er im Auftrag eines deutschen Magazins unterwegs war. Danach änderte sich für Bens Mutter alles. Doch erst nach Marlenes Tod erkennt Ben, in welchem Ausmaß seine Mutter sich in Lebenslügen verstrickt hatte und dass die Geschichte seiner Familie eine große Illusion ist.
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Seitenzahl: 252
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Ein Hotelzimmer in Amsterdam: Ben wartet auf die Urne mit der Asche seiner Mutter Marlene. Er ist alleine. In einem Brief an seinen Sohn versucht er zu erklären, wie es dazu kam, dass sich sein Leben plötzlich verändert hat. Vor vierzig Jahren erfuhr Ben, dass sein eigener Vater entführt und ermordet wurde, im kolumbianischen Rebellengebiet, wo er im Auftrag eines deutschen Nachrichtenmagazins unterwegs war. Marlene und Henk – in Hamburg standen sie im Mittelpunkt, waren Teil der linken Szene. Nach der Entführung änderte sich für Bens Mutter alles. Doch erst durch das Auftauchen einer unbekannten Frau erkennt Ben, in welchem Ausmaß sich Marlene in Lebenslügen verstrickt hatte.
Schon lange wurde nicht mehr so raffiniert von gespaltenem Leben erzählt wie in Philipp Bloms Roman.
Zsolnay E-Book
PHILIPP BLOM
BEI STURM AM MEER
Roman
Paul Zsolnay Verlag
Mit freundlicher Unterstützung
der Kulturabteilung der Stadt Wien
ISBN 978-3-552-05810-1
Alle Rechte vorbehalten
© Paul Zsolnay Verlag Wien 2016
Umschlag: Lübbeke Naumann Thoben, Köln
Gemälde: »Wave Returning« © Maggi Hambling
Satz: Eva Kaltenbrunner-Dorfinger, Wien
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Kreutzfeldt digital, Hamburg
Für Arnd und Christina
Marlene, meine Mutter, deine Großmutter, ist in der Post verlorengegangen. Nicht, weil sie sich in einem riesigen Bürogebäude verlaufen hätte, nicht, weil sie alt und verwirrt war. Sie wurde nicht alt, und sie war ganz klar bis kurz vor ihrem Ende, als das Morphium ihr waches Bewusstsein trübte. Nein, als ordentliche und versicherte Paketsendung ging sie verloren, ging die Urne mit der Asche verloren, die von ihr übrig geblieben war.
Deine Großmutter hätte diese Geschichte sicherlich komisch gefunden. Ich kann ihre Stimme hören, wie sie solche Sachen erzählte, alte, immer wieder aufpolierte Geschichten aus der Familie oder irgendwas, was sie im Radio gehört oder beim Friseur gelesen hatte, wo sie die Illustrierten nach Neuigkeiten über königliche Paare und ihre Familien durchkämmte (bis zu ihrem Tod war sie eine sentimentale holländische Monarchistin, sie liebte die Monarchie als etwas Schönes, so wie sie Hortensien liebte). Ich kann sie lachen hören, ein entferntes Echo des trompetenden Familienlachens. Sie liebte absurde Geschichten, und es hätte sie amüsiert, durch ihr Verschwinden im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu bleiben. Sie ist buchstäblich nicht zu ihrem eigenen Begräbnis erschienen.
Erst vor zwei Stunden wurde ich angerufen. Die Friedhofsdirektion bedauerte, die Urne meiner Mutter sei nicht wie erwartet angekommen; da könne man nichts machen, meine Anwesenheit sei demnach nicht notwendig. Ich habe dann noch mit der niederländischen Post telefoniert, mit der deutschen Post, mit dem Begräbnisinstitut, das die Kremation vorgenommen und das Paket hochoffiziell abgeschickt hat. Nichts. Niemand weiß etwas. Meine Mutter bleibt verschwunden, irgendwo auf dem Weg zwischen Sterbebett und Grab.
So sitze ich hier, in einem Hotelzimmer in Amsterdam, wohin ich gekommen bin, um als einziger Trauernder an der Bestattung teilzunehmen. Ich versuche meine Gedanken zu ordnen. Schriftlich. Damit es zählt, damit du mir glaubst, damit alles dokumentiert ist, was schon passiert ist und was in den nächsten Tagen noch passieren wird.
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