Benkos Luftschloss - Margret Hucko - E-Book

Benkos Luftschloss E-Book

Margret Hucko

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Beschreibung

Wirtschaftsgeschichte hautnah – eine Fallstudie Die Spuren René Benkos sind unübersehbar: Paläste wie das KaDeWe in Berlin oder das Goldene Quartier in Wien, Bauruinen wie der Elbtower in Hamburg oder die Alte Akademie in München, geschlossene Filialen der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof. Keiner stieg so schnell auf wie der österreichische Unternehmer, und selbst sein Untergang wurde zum Superlativ: Die Pleite seiner Signa-Unternehmensgruppe ist die größte, die Österreich je erlebte. Margret Hucko und Martin Noé kennen René Benko von vielen Treffen. Sie schilderten seinen Expansionsdrang, sie beschrieben früh die Risiken, und sie waren die ersten Journalisten im Oktober 2023, die die Pleite voraussagten. In diesem Buch entschlüsseln sie seine Methoden und die Gründe für den Zusammenbruch der Signa. Es ist die Geschichte eines ungemein erfolgreichen Blenders. Wer sie gelesen hat, weiß, warum sich Milliardäre, Pensionskassen und Politiker so gerne von ihm überzeugen ließen, wer von ihm profitierte und was nun auf Benko zukommt.

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Seitenzahl: 280

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Margret Hucko | Martin Noé

BenkosLuftschloss

Margret Hucko | Martin Noé

BenkosLuftschloss

Warum René Benkos Immobilienimperium zusammenbrach und was dem Pleitier nun droht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

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Wichtiger Hinweis

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Originalausgabe

2. Auflage 2024

© 2024 by Finanzbuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Redaktion: Dr. Daniel Bussenius, Susanne Beinvogl

Umschlaggestaltung: Pamela Machleidt

Umschlagabbildung: Peter Rigaud/laif

Satz: Daniel Förster

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95972-800-3

ISBN E-Book (PDF) 978-3-98609-561-1

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-98609-562-8

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

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Inhalt

Einleitung Wirtschaftsgeschichte hautnah – unsere Treffen mit René Benko

Kapitel 1 Aufstieg aus dem Nichts – der junge Mann wird zum Schillingmillionär

Kapitel 2 René Benko gibt sich seriös – der Immobilienmann dringt in die höchsten politischen Kreise und die Wirtschaftselite vor

Kapitel 3 Das Geschäftsmodell der Signa – womit der Jungstar Investoren ködert

Kapitel 4 Luxus auf Kosten der anderen – das pralle Leben René Benkos

Kapitel 5 Signa wächst gleichzeitig in die Höhe und Breite – die Immobilienfirma wuchert zu einem Konzernkonglomerat

Kapitel 6 Die riskante Finanzmechanik der Signa – warum sich hohe Gewinne so rasant in satte Verluste verwandelten

Kapitel 7 Der Einzelhandelskaufrausch – das Duo René Benko und Dieter Berninghaus baut die Signa zur Handelsmacht auf

Kapitel 8 KaDeWe und Selfridges werden zur Luxusfalle – René Benko verscherzt es sich mit seinen Geschäftspartnern

Kapitel 9 Der Handelstrick – wie die Signa mit überteuerten Mieten Fantasiebewertungen für ihre Immobilien erzielt

Kapitel 10 Der Coronatest – das kranke Geschäftsmodell wird offenbar

Kapitel 11 Nur die Fassade steht noch – wie René Benko die Zinswende verschläft und Investoren unruhig werden

Kapitel 12 Drama um den Elbtower – ein Musterbeispiel für das fatale Zusammenspiel von Geldgebern und Politik

Kapitel 13 Die Gesellschafter begehren auf – René Benko kippt seine Wachstumspläne

Kapitel 14 Die letzten Tage der Signa – dem Herrscher entgleitet die Macht

Kapitel 15 René Benko allein zu Haus – seine Art der Unternehmensführung wendet sich gegen ihn

Kapitel 16 Opfer und Täter zugleich – die Banken, Versicherer und reichen Investoren

Kapitel 17 Die Komplizen – das erneute Versagen der Wirtschaftsprüfer nach Wirecar

Kapitel 18 René Benko im Klagegewitter – Politiker, Staatsanwälte und Investoren stoßen auf merkwürdige Vorgänge

Kapitel 19 Untergang in mehreren Akten – die Warenhauskette Galeria als Spielball

Kapitel 20 »A schöne Leich« – die Verlierer und die Gewinner der Insolvenz

Kapitel 21 René Benko, der Familienunternehmer – was von den gehorteten Schätzen noch da sein könnte

Kapitel 22 Fünf Lehren aus der Pleite und ein spekulativer Blick in die Zukunft René Benkos

Über die Autoren

Einleitung

Wirtschaftsgeschichte hautnah – unsere Treffen mit René Benko

Unser erstes Treffen hat gleich alles, was René Benko und sein Unternehmen Signa ausmachen: den Wunsch, sich zu verstecken und gleichzeitig zu gefallen, Ambition bis zur Großmannssucht und Gier, über die sich österreichischer Charme wie eine Kaschmirdecke legt.

Der Eingang zur Schweizer Signa-Dependance in der Bärengasse 29 liegt unauffällig am Rande der Züricher Altstadt. Ein kleiner Privatlift fährt uns ferngesteuert nach oben, nachdem wir uns an der Klingel zu erkennen gegeben haben. Wir treten ein in eine andere Welt, mit tiefschwarzen, glänzenden Oberflächen, spektakulären Blumengestecken und einem Blick, der über den Zürichsee bis zu den Glarner Alpen reicht, die im November 2019 den ersten Schnee tragen.

Es riecht nach Blumen, einem sanften Parfum und, vor allem, nach Geld.

Der Herbst 2019 wird sich später als der Höhepunkt von René Benkos Aufstieg zum Eigentümer des größten privat geführten europäischen Immobilienkonzerns entpuppen, eines prächtig wachsenden Konglomerats aus herausragenden Gebäuden wie dem Chrysler Building, dem Berliner KaDeWe und bald auch dem Elbtower nebst Handelsgeschäften, die vom deutschen Karstadt und Kaufhof über die Schweizer Kette Globus bis hin zum Luxusgeschäft à la Oberpollinger oder Alsterhaus reichen. Von da an geht es erst unmerklich und am Ende ganz rasant bergab, bis zur Pleite und zu staatsanwaltlichen Ermittlungen, die durchaus in Gefängnisstrafen münden könnten.

Aber davon wissen weder wir noch René Benko zu diesem Zeitpunkt. Stattdessen herrscht bei der Signa allergrößte Zuversicht. Gerade hat Benko dem kanadischen Unternehmen Hudson’s Bay die Kaufhof-Kette geschickt abgeluchst und damit einen seit Jahrzehnten herumgeisternden Traum aller Händler real werden lassen: eine einzige konkurrenzlose deutsche Warenhauskette, die Fusion von Karstadt und Kaufhof.

Benko überlässt seinem Handelsexperten Dieter Berninghaus weitgehend die Präsentation, mit der die beiden Geschichte schreiben wollen. Ja, klar, in den Häusern werde weiter Ware verkauft, von Kleidung bis zu Töpfen. Aber genauso Reisen und Finanzgeschäfte, das sei schließlich »keine Rocket Science«, sagt Benko. Natürlich werde es alles auch online geben. Und ja, die Parkhäuser in deutschen Innenstädten seien noch unterentwickelt, darum werde man sich auch kümmern. Außerdem, keine Frage, die Warenhäuser würden zu Logistikzentren für viele Lieferdienste.

»Man traut sich«, schrieben wir 2019 im manager magazin, »nicht weniger zu als das Comeback der Innenstädte.«

René Benko, ein rundlicher, kleiner Mann mit wachen braunen Augen, sitzt derweil auf der Ledercouch, ergänzt hin und wieder und wirkt seinen Gästen ganz zugewandt. Ein freundlicher Mensch, ein Mensch, dem andere Menschen schnell vertrauen: vor allem sehr reiche.

Als wir uns verabschieden, stellt Benko uns noch schnell Ernst Tanner vor, der gerade aus dem Fahrstuhl kommt: Einer der vermögendsten Schweizer, lange der hoch erfolgreiche Boss der Schokoladenmarke Lindt & Sprüngli und einer der prominentesten Akteure der Schweizer Wirtschaft. Auch Ernst Tanner vertraut Benko, er hat knapp 200 Millionen Franken in die Signa investiert. So wie viele andere reiche Unternehmer, von der Beraterlegende Roland Berger über den Spediteur Klaus-Michael Kühne bis hin zu Robert Peugeot, dem Autodynasten. So wie Versicherungen und Stiftungen und Pensionskassen ihre Millionen und Milliarden den scheinbar goldenen Händen des Gründers anvertrauen.

Nach diesem Spätnovembertag werden wir René Benko noch mehrmals treffen. Kaum ein Unternehmer bietet so viel Stoff für Geschichten wie er, spektakuläres Wachstum genauso wie später den Fall ins Bodenlose. Für das manager magazin, für das wir nach Stationen beim Spiegel und Handelsblatt seit vielen Jahren arbeiten, ist das heiße Ware – zumal sich sehr bald die Krisenfälle in seinem Reich häufen. Einmal ging ein Feueralarm während des Gesprächs los, ganz passend zur kritischen Situation im von Corona geprägten Jahr 2020, wie wir fanden. Ein andermal erklärte er uns im Interview, es sei »viel Inkompetenz, Polemik und Neid unterwegs«, als wir ihn mit den Risiken seines Geschäftsmodells im Oktober 2021 konfrontierten. Und bei unserem bisher letzten Treffen im Mai 2023 in seinem Heimatort Innsbruck, als die Banken schon kein Geld mehr gaben, erklärte er uns, wie er sein Geschäft wieder auf eine solide Basis stellen wolle.

Es kam anders. Die Pleite der Signa hat Geld ihrer Investoren vernichtet, auch das von Ernst Tanner, genauso wie Steuergelder von bald 1 Milliarde Euro. Gläubiger bleiben auf ihren Forderungen sitzen. Benko hat einige Kaufhausruinen in den Innenstädten hinterlassen und vor sich hin bröckelnde Rohbauten. Mit der Pleite wurden Tausende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeitslos, und die deutsche Immobilienkrise vertiefte die Signa zu einem Abgrund.

René Benko hat Großes erschaffen und dann vieles davon wieder vernichtet. Auf der Strecke blieben solides Wirtschaften und Vertrauen in die Solidität des Immobiliengeschäfts. Auch wenn die betriebswirtschaftliche und juristische Aufarbeitung noch Jahre dauern wird und es als wahrscheinlich gilt, dass Benko sich vor Gericht wird verantworten müssen, so hat er das Luftschloss namens Signa doch nicht allein errichtet. Er fand bereitwillig Geldgeber, darunter vermögende Privatleute, Bankmanager und Versicherungsleute, Stiftungsmanager und arabische Scheichs. Benko lud auf seine Yacht »Roma« oder sein Anwesen hoch über dem Gardasee ein oder er flog schnell mit seinem Privatflugzeug nach Dubai oder Abu Dhabi, nach Hamburg oder Wien. Und all die Wirtschaftsexperten gaben ihm bereitwillig Kapital, anscheinend ohne dass sie sein Geschäftsmodell wirklich überprüften. Genauso wie Wirtschaftsprüfer und Immobiliengutachter ihre Rollen im Illusionstheater des österreichischen Unternehmers spielten. Auch die Gesetzgeber in Deutschland und Österreich, die Lücken ließen, durch die der findige Aufsteiger durchschlüpfte, tragen eine Teilschuld.

Letztlich könnte René Benko eine Roman- oder Filmfigur darstellen. Moderner als Thomas Manns Felix Krull, raffinierter und fleißiger auch. Ein Wolf of Wien, anders als ihn Leonardo DiCaprio als Banker an der Wall Street verkörperte, aber genauso hungrig. Einer, der mit seinem Charme und seinem Talent die Menschen becircte. Und sich dabei deren Gier und deren Angst vor einer verpassten Geschäftschance zunutze machte.

Dieses Buch handelt von Europas größter Immobilienpleite. Es erzählt, wie René Benko einen Palast aus Träumen erbaute, warum er wirklich einstürzte und was nun aus den Trümmern werden wird. Wer mag, kann es als Lehrstück lesen: Er lernt dabei viel über das Wesen des Kapitalismus und das seiner reichsten Vertreter.

Kapitel 1

Aufstieg aus dem Nichts – der junge Mann wird zum Schillingmillionär

Immer wenn René nach Hause kam, sei es vom Klettern oder aus der Schule, hatte er, ohne es zu wissen, einen Meister vor Augen. Bog er ein in seine Straße im Innsbrucker Arbeiterviertel Pradl, dann stand da in großen Lettern der Name Gumpp. Nicht Forrest Gump, der freundliche Autist aus dem Kino, sondern Christoph Gumpp. Gumpp der Jüngere, das wissen vielleicht Historiker, war einer der Großen seiner Zunft, und das bereits in jungen Jahren. 1633 von Erzherzogin Claudia zum Hofbaumeister ernannt, errichtete er für das Land Tirol etwa die Mariahilfkirche am linken Ufer des Inn.

Vom barocken Prunk des Namensgebers seiner Wohnstraße bekam Benko wenig zu spüren. Pradl, der Stadtteil seiner Kindheit, war bekannt für pragmatischen Wohnungsbau. Viele Unterkünfte kamen selbst Ende der 1970er Jahre noch ohne eigene Toilette oder Badewanne aus. In diesem kleinbürgerlichen, bescheidenen Milieu wuchs René Benko auf, zusammen mit seiner vier Jahre jüngeren Schwester, als Sohn einer Kindergärtnerin und eines Angestellten bei den städtischen Gaswerken, der sein Gehalt mit Fahrradreparaturen aufbesserte.

Sein Sohn hingegen hegte größere Pläne: Schon in jungen Jahren hielt es René nicht am Boden. Als Jugendlicher trainierte er Sportklettern, sein damaliger Trainingsfreund Reini Scherer beschrieb ihn in der Bild als »Freigeist, ein Hippie, der jeden kannte. Er hat Rastalocken bis zum Popo gehabt.« Alte Schulbilder zeigen Benko mit langen Haaren, die Mädels standen auf ihn. Mit 14 Jahren schaffte es René zum Jugendstaatsmeister im Hallenklettern. Erstmalig ging es für ihn nach oben.

Benko, das war offensichtlich, wollte raus aus der Enge des Kleinbürgertums. Vier Jahre nach seinem sportlichen Erfolg zog er zu Hause aus. Die realen Kreisläufe des Geldes interessierten den Burschen mehr als John Maynard Keynes oder sonstiger Unterrichtsstoff, der in der Schule gelehrt wurde. Er glänzte durch Abwesenheit. Wenn er da war, bestach er durch Charme: »Er konnte was, hatte einen Schalk im Nacken, war aber nie frech, sondern charismatisch«, erinnerte sich seine Italienisch-Lehrerin in der Bild.

»Das ist wahrlich so, ich war im letzten Schuljahr, im Maturajahr, so wenig in der Schule, dass ich dann aufgrund der vielen Fehlstunden nicht mehr zur Matura zugelassen wurde«, erzählte er vor etlichen Jahren in einem Interview im Österreichischen Rundfunk. Zum Leidwesen seiner Eltern, insbesondere sein Vater hoffte immer, der Bub würde es einmal besser haben als er.

Benko wird den Kontakt zu seinen Eltern nie abreißen lassen, seine Schwester übernimmt zeitweise sein Vorzimmer. Bei späteren Treffen, etwa im Chalet N in Lech, einem luxuriösen Hideaway, benannt nach Benkos zweiter Ehefrau Nathalie, sitzen die Eltern zusammen mit Geschäftspartnern an einer langen Tafel, »ganz normale Leute«, wie ein langjähriger Signa-Vorstand erzählt. Die Mutter wird vom Sohn geherzt, der Vater fällt als großer Schweiger auf. Man habe mit Renés Vater nicht ins Gespräch kommen können, sagt einer, der bei den Abendessen dabei war. Er hätte fast den Eindruck gehabt, dass der Vater seinem Sohn misstraue.

Früh schon ist Benko vor allem am Geldverdienen interessiert. Statt sich mit gleichaltrigen Halbstarken in Diskotheken oder beim Fußball zu vergnügen, sucht Benko Arbeit und den Kontakt zu einflussreichen, älteren Herren.

Er startet eine Ausbildung beim Finanzvertrieb AWD, da ist er gerade mal 17 Jahre alt. Der AWD des deutschen Aufsteigers Carsten Maschmeyer ist damals eines jener Unternehmen, das jungen Leuten schnelles Geld verspricht, wenn sie Lebensversicherungen an ihr Umfeld verticken. Und eines, bei dem die oberen Chargen stark von den Abschlüssen der Berater unten in der Hierarchie profitieren. Talent hat er. Benko gilt bis heute als Zahlengenie, detailverliebt und arbeitsversessen. Erste Mails verschickte er noch vor 6 Uhr in der Früh, die letzten um Mitternacht. »Freunde«, sagt einer, der ihn lange begleitete, kenne Benko nicht, nur Geschäftspartner.

Als AWD-Mitarbeiter lernt er den lokalen Innsbrucker Immobilienfürsten Johann Zittera kennen, der mit dem Ausbau von Dachböden in zentraler Lage zu Geld gekommen war. Benko überzeugt Zittera mit seinem gewinnenden, souveränen Auftreten. Benko versteht es schon damals, mit seiner bloßen Anwesenheit den Raum zu füllen. Eine Gabe, die ihm auch später beim Akquirieren seiner Investoren helfen wird.

Zittera und der junge Mann kommen ins Geschäft. Benko treibt die Liquidität auf, die Zittera für seine Projekte benötigt. Dafür soll dieser ihm im Gegenzug hin und wieder seinen Ferrari für Geschäftstermine geliehen haben.

Benko, das Kind bodenständiger Eltern, dringt nun in neue Sphären vor. Und lernt, wie viel Marge im Kauf und Verkauf von Immobilien steckt, wenn man es richtig angeht.

Als Zittera um das Jahr 2000 herum sein Business einstellt, startet Benko durch – er macht sich selbstständig. Das erlernte Geschäftsmodell behält er bei – billig kaufen, sanieren, teuer verkaufen. Doch er verfeinert es und erweitert den Ausbau von Dachgeschosswohnungen zu teuren Penthouse-Immobilien um Ärzte- und Gesundheitszentren. So erwirbt Benko früh eine Kaufoption auf die bekannte Tiroler Wellness-Oase »Lanserhof«, als die Besitzer Geld benötigten. Gewinnbringend reicht er diese weiter. Damit schafft er es früh zum Schillingmillionär.

Einer, der für Benkos Karriere wie ein Katalysator wirkt, ist Karl Kovarik, ein schwerreicher Erbe eines Tankstellenimperiums, der den jungen Innsbrucker Geschäftsmann finanziert, nachdem Benko zuvor dem Schwager Kovariks eine Dachgeschosswohnung verkauft hat. Rund 25 Millionen Euro investiert der Tankstellen-König in Benkos erste Firma, die Immofina, 2006 in Signa umbenannt. Benko und Kovarik halten je die Hälfte.

Vielleicht noch wichtiger als sein Geld sind die Kontakte, mit denen der öffentlichkeitsscheue Kovarik Benko versorgt. Er öffnet ihm die Türen bei Banken.

Teure Kleidung, der erste Ferrari, viel Bling-Bling – Benko war angekommen im Club der Neureichen. Da ist es fast eine Fügung des Schicksals, dass er dem ehemaligen Tiroler Volksbankdirektor Helmut Holzmann auffällt.

Holzmann, ein Kümmerer, organisiert Benko ein Gremium älterer Herren, das dem Jüngling beratend zur Seite steht, darunter der frühere Chef der Bremer Landesbank, Peter Haßkamp, der Immobilienexperte Rainer de Backere oder auch der Tiroler Skiweltmeister Harti Weirather, der eine erfolgreiche Sportmarketingagentur betreibt. Sie alle wirken, wie es Haßkamp im manager magazin einmal formulierte, »dämpfend« auf Benkos Lebensstil ein – jedoch wie sich später herausstellen sollte, allenfalls vorübergehend.

Auf das Geschäft hingegen, das ist unbestritten, wirkt sein Netzwerk wie ein Beschleuniger. So sollte es Benko auch in späteren Jahren beibehalten. Benko ist ein Meister darin, sich einflussreiche Freunde zu machen, ist schnell per Du mit allen und blitzgescheit. Bis zum Untergang der Signa liest sich die Liste der Berater und Beiräte wie das Who is Who der österreichischen Polit-Szene und auch der deutschen Unternehmer.

Mit Kovariks Geld kann Benko dann auch die Projekte angehen, für die er später berühmt werden sollte – das erste davon liegt in der Maria-Theresien-Straße seiner Heimatstadt Innsbruck. In ihr reihen sich die Geschäfte internationaler Marken aneinander, hübsche Barockbauten erfreuen das Auge und am Ende schweift der Blick der Passanten auf Alpengipfel.

Inmitten der umtriebigen Fußgängerzone steht das, was René Benko selbst sein »Gesellenstück« nennt: das Kaufhaus Tyrol. Benko, der als Kind die Spielzeugabteilung regelmäßig an der Hand seines Großvaters besuchte, hatte es 2004 überraschend erworben, später gegen Widerstände abreißen und dann neu bauen lassen.

Das Tyrol ist heute ein Shoppingcenter mit mehr als 50 Geschäften, gestaltet durch den Star-Architekten David Chipperfield, in dem Modemarken wie Benetton oder COS, diverse Cafés, Feinkostläden oder Friseure ihren Geschäften nachgehen. Auch Benkos Signa Holding residiert dort, der Eingang befindet sich dezent am Rande des Kaufrausch-Palasts.

Beinahe wäre Benko damals am Tyrol gescheitert, als der Landeshauptmann von Tirol die gesamte Maria-Theresien-Straße unter Denkmalschutz stellen ließ. Zum wichtigsten Helfer und Lobbyisten für das Projekt sei damals Alfred Gusenbauer geworden, erzählte Benko bei einem Treffen der Immobilienwirtschaft 2019 in Berlin. Den SPÖ-Politiker, der 2007 zum Bundeskanzler aufsteigen wird und noch später als Berater und Aufsichtsratschef der Signa mit Millionen überschüttet wird, zählt Benko zu seinen »engen Freunden«.

Gusenbauer verschafft Benko einige Kontakte und wird bis zum Scheitern der Signa deren eifrigster Lobbyist bleiben, Geld jedoch kann er ihm keines geben. Benko braucht neue Finanziers für seinen ständigen Drang nach Wachstum. Nicht immer besitzen die Geldgeber einen tadellosen Ruf. 2009 steigt der griechische Reeder George Economou bei Benko ein, den er auf einer Veranstaltung der HSH Nordbank in Athen kennenlernt. »Real Estate meets Shipping« heißt das Treffen, zu dem neben dem US-Immobiliengiganten Hines auch Benko geladen wird.

Economou und Benko verstehen sich sofort. Es folgen gegenseitige Einladungen. Am Ende gewinnt Benko Economou für seine Interessen, der griechische Reeder investiert in einzelne Signa-Immobilien. Kurz vor seinem Tod hatte Tankstellen-König Kovarik seine Anteile an Benko zurückgegeben. An seine Stelle rückt Economou auf, mit 50 Prozent der Anteile an der Signa Holding bringt er das Immobiliengeschäft auf ein neues Niveau.

Allerdings kommt mit dem Wachstum der Firma nun die Zeit, in der sich die Öffentlichkeit, aber auch die Staatsanwaltschaft zunehmend für Benkos spezielle Art des Wirtschaftens interessiert. Der Jungunternehmer und sein Steuerberater sehen sich mit Korruptionsvorwürfen in einer italienischen Steuerangelegenheit konfrontiert. 2012 führen diese für beide zu einer Verurteilung mit Haft auf Bewährung durch das Straflandgericht in Wien. Benko gesteht seine Schuld nie ein, er persönlich verstehe das Urteil nicht, sagte er danach gegenüber Gesprächspartnern. Im August des Folgejahres bestätigt die Berufungsinstanz den Spruch.

Generell erschwert eine Vorstrafe die Kreditaufnahme bei Banken.

Als Konsequenz zieht sich Benko als Chef der Signa zurück und übernimmt den Beirat der Dachgesellschaft. Benko selbst bestreitet, aufgrund des Korruptionsurteils den Chefposten geräumt zu haben, aber die zeitliche Koinzidenz ist auffällig. Für die Organisation der Signa ändert sich nichts, alle Fäden laufen weiterhin bei René Benko zusammen.

Nach der Verurteilung werden private Investoren für ihn umso wichtiger. Als der Reeder Economou 2015 aussteigen will, holt Benko zwei weitere Investoren in die Holding: zum einen den damaligen Lindt & Sprüngli-CEO Ernst Tanner, der als untadeliger Geschäftsmann gilt, zum anderen aber auch die Schweizer Falcon Private Bank. Sie ist über mehrere Ecken im Staatsbesitz von Abu Dhabi, genießt nicht den besten Ruf und wird sich wenig später wegen Geldwäsche verantworten müssen.

Benkos Expansionsdrang, seinen unbedingten Willen, aus sich und der Signa etwas ganz Großes zu machen, bremsen die Schwierigkeiten mit einzelnen Geldgebern nicht. Österreich ist ihm längst zu klein geworden. Er strebt nach Deutschland und dort in die Innenstädte.

Unter dem Projektnamen K2 plant er die Fusion von Karstadt und Kaufhof. Auch dabei scheint ihn der Leumund seiner Geldgeber wenig zu interessieren. In einem ersten Schritt gelingt es ihm, einen Teil des Premium- und Sportgeschäfts von Karstadt zu kaufen. Das Geld dafür bringt er zusammen mit dem israelischen Diamantenhändler Beny Steinmetz auf, den er 2012 als Finanzier gewinnen kann.

Benko hat Steinmetz beim Hahnenkammrennen in Kitzbühel kennengelernt, traditionell eine große Party für die »Snowciety« und ausgerichtet von Benkos altem Berater und Kumpel Harti Weirather.

Steinmetz ist laut Forbes-Liste damals der reichste Israeli. Dass seine Geschäfte anrüchig sind, wird in den kommenden Jahren offenbar werden. Von Genf aus ist er im Rohstoff- und Diamantenhandel aktiv, was Schmiergeld- und Geldwäscheermittlungen nach sich ziehen wird.

Doch das wissen die deutschen Bürgermeister und Politiker nicht, mit denen Benko nach seinem Einstieg ins deutsche Warenhausgeschäft häufiger zu tun haben wird. René Benko wird ihnen bald als der Mann gelten, der frisches Geld in deutsche Innenstädte bringt. Der Junge aus dem Arbeiterviertel ist binnen eines Jahrzehnts zu einem der größten Immobilienhändler Europas aufgestiegen. Der Anfang ist gemacht.

Kapitel 2

René Benko gibt sich seriös – der Immobilienmann dringt in die höchsten politischen Kreise und die Wirtschaftselite vor

Roland Berger ist ein bekannter Mann in Berlin. Der Gründer der gleichnamigen Beratung hat schon Bundeskanzler Helmut Kohl geholfen (und zur Zeit der Wiedervereinigung die Treuhandanstalt mit erfunden), war eng mit dessen Nachfolger Gerhard Schröder, und selbst Angela Merkel, die Anfang der 2010er Jahre die Regierung anführt und von selbstbewussten Alphamännern wenig hält, hört gelegentlich auf seinen Rat. Wer sich mit Roland Berger in Berlins Politpromi-Lokal »Borchardt« am Gendarmenmarkt sehen lässt, der will gesehen werden.

Im Jahr 2013 setzen sich René Benko und Roland Berger an einen der weißgedeckten Tische. Man isst teuer-bürgerlich im Borchardt, ein den ganzen Teller ausfüllendes Wiener Schnitzel gehört zu den beliebtesten Gerichten. Gelegentlich kommt einer der anderen Gäste um die Mittagszeit an den Tisch und begrüßt Berger, der dann den jungen Mann und erfolgreichen Unternehmer an seiner Seite vorstellt. Gerade ist Benkos Signa bei der Warenhauskette Karstadt eingestiegen und sollte bald alle Anteile vom gescheiterten US-Unternehmer Nicolas Berggruen übernehmen. So wird Benko auf einen Schlag zu einem hoch relevanten Immobilieninvestor in deutschen Innenstädten.

Roland Berger, der damals ein Vermögen von etwa 500 Millionen Euro besitzt, hat Benko selbst erst vor Kurzem kennengelernt und ist eingestiegen in dessen Immobiliensparte Signa Prime Selection.

Der ehemalige Bild-Chef Hans-Hermann Tiedje hatte Berger den aufstrebenden Unternehmer empfohlen. Der gelernte Boulevardjournalist Tiedje, ein Liebhaber dicker Zigarren und breitbeinigen Auftretens, leitete damals die Berliner PR-Agentur WMP Eurocom, die viele Reiche und Mächtige beriet. Genauso wie Berger war auch der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking Teilhaber bei WMP Eurocom, und Wiedeking geriet ins Schwärmen über den findigen Österreicher; steil seien die Wachstumsraten und satt die jährlichen Dividenden aufs eingesetzte Kapital.

Berger investiert erst 5 Millionen Euro, verdoppelt dann bald auf 10 Millionen bei der nächsten Kapitalerhöhung, später steigt er mit weiteren Millionen ins Retail-Geschäft ein und auch in die Signa Development, die im Projektgeschäft unterwegs ist. Eine mittlere zweistellige Millionensumme kommt so bald zusammen. Jedes Jahr gibt es 6 Prozent Rendite aufs eingesetzte Kapital, gleichzeitig erhöht sich der Wert der Anteilsscheine drastisch. Kosten sie Berger am Anfang etwa 20 Euro das Stück, sind sie knapp zehn Jahre später über 80 Euro wert, jedenfalls auf dem Papier.

Beide, Wiedeking wie Berger, mögen riskante Investments mit hohen Renditen, und sie trauen sich zu, mit selbstbewussten Unternehmern umzugehen. Sie sind genau das Investorenmaterial, das Benko nun braucht, nachdem er sich, zumindest nach außen, notgedrungen von Investoren wie dem Diamantenhändler und Minenbesitzer Beny Steinmetz trennen muss. Der hat zwar Geld, aber auch ständig Probleme mit der Justiz – und etliche Banken haben Benko klargemacht, dass sie der Signa kein Geld mehr geben würden, sollte Steinmetz dort weiter eine Rolle spielen. Der Israeli sollte Jahre später in Genf denn auch zu einer Haftstrafe wegen Bestechung verurteilt werden.

Berger und der ehemalige Porsche-Chef Wiedeking sind da als Investoren von ganz anderer Qualität. Wiedeking ist zwar mit dem Versuch der VW-Übernahme gescheitert und daraufhin gefeuert worden, aber er hat nun sehr viel Zeit und auch Geld. Spätestens seit dem erzwungenen Ausscheiden bei Porsche 2009 ist er ein wohlhabender Mann. 50 Millionen Euro Abfindung nahm er mit.

Das sind in den Dimensionen, in denen Benko schon damals denkt, zwar keine riesigen Summen. Aber für Wiedeking gilt das Gleiche wie für Berger, dem schnell klar war, »dass das Wertvollste, was Benko von mir wollte, nicht mein Geld war, sondern mein Name«. Zwar habe er selbst keine Werbung für Benko gemacht, aber dem Österreicher zugleich gesagt, er könne ja nicht verhindern, wenn der mit ihm renommiere.

Benko spricht von Wiedeking schon mal als »engen Freund«. Der Manager hat sich nicht nur mit 3 Prozent an Benkos Immobiliengesellschaft Signa Prime Selection beteiligt, er beaufsichtigt sie sogar als Aufsichtsrat. Roland Berger sichert sich ebenfalls 3 Prozent, geht aber nur in den haftungsrechtlich unbedenklicheren Beirat.

Berger hat viel Erfahrung mit unternehmerischen Grenzgängern. So hat er damals etliche Millionen Euro in einen anderen Jungunternehmer investiert, der oft am Rande der Legalität und der Pleite arbeitet: Lars Windhorst und dessen Sapinda-Gruppe, die später als Investor beim Fußballverein Hertha BSC einer breiteren Öffentlichkeit bekannt werden würde.

Berger ist schnell zu begeistern, wenn innovative Geschäftsmodelle hohe Renditen versprechen, Risiken nimmt er in Kauf. So ging er zu der Zeit auch mit zwei Kompagnons eine Geschäftsbeziehung ein, die sich als verlustreich erwies. Mit dem Investmentbanker Florian Lahnstein und dem Ex-Bertelsmann- und zwischenzeitlichem Karstadt-Boss Thomas Middelhoff brachte Berger den ersten Spac nach Europa; der Name steht für »Special Purpose Acquisition Company«. Dabei platzieren Unternehmer zunächst eine Firma an der Börse, die aber noch kein Geschäft hat, sondern nur eine leere Hülle darstellt. Mit dem Erlös des Börsengangs suchen die Initiatoren dann erst eine attraktive Unternehmensbeteiligung, die schließlich in den Börsenmantel schlüpft. Investoren in den Spac müssen also großes Vertrauen in das Können der Initiatoren haben. Allerdings scheiterte das Engagement, die Aktie geriet zum Pennystock. Und Middelhoff wurde später wegen Untreue während seiner Zeit bei Karstadt zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die er auch tatsächlich absitzen musste, bis er wegen guter Führung vorzeitig entlassen wurde.

Berger, der bei allem Spaß am Risiko ein realistischer Mensch ist, weiß seinen Nutzen für Benko solide einzuschätzen. Auch dank des nahezu unerschöpflichen Netzwerks des Beraters kann Benko Verbindungen in die Politik gewinnen und neue Investoren. So fasst Robert Peugeot aus der gleichnamigen Autodynastie wohl auch deshalb Vertrauen und investiert in Benkos Unternehmen, weil sein guter alter Bekannter Roland Berger mit unter den Anteilseignern ist. Und für Klaus-Michael Kühne, Mehrheitseigentümer der Spedition Kühne & Nagel, zählt der Name Robert Peugeot, als er Jahre später zum Investorenkreis stößt.

Auch unter den ganz Reichen gibt es ein Gruppenverhalten, Herdentrieb genannt. Keiner will abseitsstehen, wenn es Geld zu verdienen gibt. Benko macht sich das zunutze – und verdient dabei als größter Anteilseigner selbst am meisten. Benko habe »sich jahrelang 30, 50 Millionen Euro an Dividende ausbezahlt«, sagt der österreichische Sanierer Erhard Grossnigg dem Nachrichtenmagazin Profil im März 2024. Grossnigg rückte im Dezember 2023 in den Vorstand der Signa Immobiliengesellschaften ein, scheiterte aber beim Versuch, die Insolvenzen zu verhindern.

Das Modell Wiedeking und Berger wird typisch werden für Benko. Ein Investor erzählt dem anderen von hohen Renditen und dem so zupackenden wie charmanten jungen Mann, der so fleißig sei wie kompetent. In der Schweiz gewinnt Benko früh Ernst Tanner, der Lindt & Sprüngli zu einer weltbekannten Schokoladenmarke gemacht hat. Auch die Schweizer Familie Eugster, die mit Kaffeemaschinen und anderen Haushaltsgeräten viel Geld verdient, wird schließlich mit einem Anteil von 10 Prozent an der Signa Holding zu Benkos wichtigsten Investoren gehören.

In Österreich kommt er mit dem Miteigentümer des Bauunternehmens Strabag, Hans Peter Haselsteiner, ins Geschäft. 2013 kauft sich Haselsteiner in die Prime ein. Damit hat Benko seinen vielleicht wichtigsten Anteilseigner überhaupt gewonnen. Denn Haselsteiner, der auch in Deutschland mit Übernahmen wie Züblin zu einem der größten Bauunternehmer geworden ist, hat viel Geld und ein Netzwerk, das tief in die Politik reicht. Er war selbst Abgeordneter für die Liberalen im Nationalrat, dem österreichischen Parlament. Und politische Kontakte sind für einen Bauherrn wie Benko so wichtig wie anderen das täglich Brot.

2014 stößt ein weiterer deutscher Investor dazu, der als Unternehmer außergewöhnlich erfolgreich ist: Torsten Toeller, Gründer und Eigentümer der Tierfutterkette »Fressnapf«, hatte kurz zuvor seine Trinkgut-Märkte an den Handelsriesen Edeka verkauft und war auf der Suche nach gewinnbringenden Investitionen. Beim Formel-1-Rennen in Monaco treffen sich Benko und Toeller – und der deutsche Unternehmer ist schwer beeindruckt. Wenige Monate später investiert Toeller in die Immobiliensparte Prime der Signa.

»Mir ist es wichtig, dass die Firmen, in die ich investiere, über einen starken Unternehmergeist verfügen und dass ich noch von ihnen lernen kann«, sagte Toeller rückblickend im Oktober 2020 in einem Interview mit dem manager magazin. Dass Benko sich für die Formel 1 gar nicht interessierte, ist dem Händler egal. Auch Niki Lauda, als Rennfahrer wie als Unternehmer erfolgreich, stört sich nicht an Benkos gnadenloser Ausrichtung aufs Geschäft. Im Gegenteil: Er investiert ebenfalls in die Signa.

2013 und 2014 können als die Jahre gelten, in denen Benko geschäftlich einen großen Sprung nach vorn macht. Er steigt ein bei Karstadt und wird damit zur relevanten Größe in Deutschland. Seine Einkaufs- und Büromeile in Wien, werbeträchtig »Goldenes Quartier« getauft, öffnet nach und nach ihre Läden und Büroetagen. Und ein solider Investor nach dem anderen kauft ihm Anteile an der Signa ab, die fast gesetzmäßig Jahr für Jahr im Wert steigen – bis sie nach den diversen Pleiten Ende 2023 nahezu oder gänzlich wertlos sind. Benko jedenfalls wird in den nächsten Jahren auch persönlich zunehmend vermögend und das Rad, das er geschäftlich drehen kann, wird dank der gewachsenen Kapitalbasis immer größer.

Die Menschen fressen Benko aus der Hand und die Milliardäre füttern ihn mit frischem Geld. Seine Erzählung von der Signa als dem Immobilienunternehmen, das dank des unternehmerischen Genies seines Gründers besser sei als alle anderen, passt perfekt zu seiner Klientel. Einer seiner frühen Fans, der Unternehmer Torsten Toeller, zählt mit dem Wissen von heute noch einmal die Stärken Benkos auf, mit denen der blenden konnte: »Ich habe die Tatkraft und das strategische Verständnis eines jungen vermeintlichen Ausnahme-Unternehmers leider zu lange überschätzt und die Geschichte hinter der Geschichte, die René Benko immer so eloquent erzählt hat, nicht erkannt.«

Wobei: Nicht alles läuft gut für ihn in diesen Jahren. 2013 verurteilt ihn das Oberlandesgericht Wien in zweiter Instanz zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr, ein Urteil, das der Oberste Gerichtshof ein Jahr später bestätigt. Benko wollte nach Ansicht des Gerichts einen Signa-Steuerfall in Italien schnell und zu seinen Gunsten beenden. Er hatte dazu einem ehemaligen kroatischen Premier 150.000 Euro versprochen, auf dass der auf den italienischen Premier Silvio Berlusconi einwirke. Die Wiener Richterin spricht von einem »Musterfall für Korruption«.

Benko hielt dem zwar immer entgegen, dass nie Geld geflossen sei. Und seinen Investoren erzählt er, der gesamte Prozess sei politisch inszeniert, was die nur zu gerne glauben wollen, und sie lassen ihn so weiter mit ihrem Geld arbeiten. Die Unternehmer haben großes Verständnis, Ärger mit der Steuer hat schließlich fast jeder mal, offensichtlich gilt den Geldgebern derlei als lässliche Sünde. Benko selbst reagiert konsequenter. Er zieht sich aus allen operativen Funktionen als Geschäftsführer und auch als Aufsichtsrat bei der Signa zurück und wechselt in den Beirat. Damit bringt er sich für etwaige künftige Vergehen der Signa aus der Schusslinie. Und er macht es Banken leichter, der Signa weiter Kredite zu geben, wenn ihre Regeln Vorbestrafte ausschließen. Auch ohne Amt allerdings wird Benko in den kommenden Jahren viele Entscheidungen von Gewicht fällen. Viele Signa-Insider sehen ihn als den faktischen Geschäftsführer, was Benko nach der Insolvenz abstreiten wird.

Auch die meisten aktiven Politiker stören sich nicht an der Verurteilung. Das zeigt sich Jahr für Jahr bei Benkos begehrten Einladungen zum Törggelen im November, einem Südtiroler Brauch, den der findige Unternehmer nach Wien ins pompöse Palais Harrach importierte, seine Unternehmenszentrale. Dort trifft man sich zum Verkosten des Jungen Weins unter hohen Decken, trinkt und isst und lässt sich bereitwillig fotografieren, so dass die Bedeutung des Hausherrn auch in österreichischen Medien sichtbar wird. Der damalige Kanzler Sebastian Kurz von der ÖVP ist ebenso bei der Verkostung des neuen Weins zugegen wie der zeitweilige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der später europaweit mit seinem Ibiza-Video Aufsehen erregen sollte.

Benko denkt immer ans Geschäft – und das parteiübergreifend. Die frühere FPÖ-Vize Susanne Riess dient Benko als Aufsichtsrätin. Sie hatte sich als Gehilfin von FPÖ-Boss Jörg Haider den Spitznamen »Königskobra« verdient, weil sie Haiders Konkurrenten wegbiss. Benkos wichtigster Mann jedoch ist von den Sozialdemokraten: Alfred Gusenbauer, ein kräftig gebauter Kunst- und Weinkenner, der sich nach seiner Zeit als SPÖ-Parteivorsitzender und Kurzzeit-Kanzler dem Geldverdienen widmet. Er darf sich Aufsichtsratschef bei der Signa Prime nennen und sollte im Laufe der kommenden Jahre zweistellige Millionenbeträge für sogenannte Beratungsleistungen kassieren.

Gusenbauer hat zweifelsfrei einen großen Wert für Benko. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass ihm gelegentlich ein ganz besonderer Rotwein aus dem Weinkeller kredenzt wird. Während die anderen Manager, Aufsichts- und Beiräte am Tisch einen guten Italiener trinken, hat Gusenbauer eine Flasche feinsten Bordeaux für sich, erinnert sich Berger an einen gemeinsamen Abend hoch über dem Gardasee.

Aber Benko zahlt nicht nur in Naturalien. So stellt Gusenbauer Rechnungen aus für die Beratung von Galeria Karstadt Kaufhof, als das Unternehmen mal wieder insolvent geht. Er ist so weit entfernt von seinem Beratungsgegenstand, dass er den Namen der Firma und den des deutschen staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds, bei dem er sich um Geld bemüht haben will, mehrfach falsch schreibt – wie seine Rechnungen zeigen. Allerdings gelang es ihm wohl, einen guten Kontakt zu den mitregierenden Sozialdemokraten herzustellen, so dass am Ende der deutsche Steuerzahler mit 680 Millionen Euro für Galeria einspringt. Allein im Zeitraum von Anfang 2020 bis März 2022 stellte die Projektgesellschaft des Ex-Kanzlers der Signa Holding mehr als 7 Millionen Euro in Rechnung.

Seinen Signa-Investor Haselsteiner darf Benko natürlich auch beim Törggelen begrüßen. Inzwischen hat sich Benko, der gebürtige Innsbrucker, in Wien richtiggehend breitgemacht. Beim Wiener Promi-Italiener »Fabios«, an dem Benko Anteile hält, wird er häufiger mit Geschäftsfreunden gesehen. Oder man speist in Signas Park Hyatt Hotel, wo 2016 das dazugehörige Restaurant »The Bank« eröffnet. Man trifft sich und man hilft sich. So sponsorte die Signa mit einem Millionenbetrag Haselsteiners Festspiele Erl, ein jährlich stattfindendes Opern- und Konzertfestival in Tirol.