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Die Berufsausbildung im Rahmen des dualen Systems ist eines der wichtigsten Instrumente zur Ausbildung von Fachkräften. Zur Personalentwicklung leistet die berufliche Fortbildung einen entscheidenden Beitrag. Berufsbildung erfasst zudem die Berufsausbildungsvorbereitung und berufliche Umschulung, um erste oder neue Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu schaffen. Damit die Berufsbildung in einem geordneten Rahmen durchgeführt werden kann, sind Rechtsvorschriften erforderlich. Maßgeblich sind neben dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) eine Reihe weiterer Rechtsvorschriften des privaten und des öffentlichen Rechts. Deren Zusammenspiel ist jedoch nicht einfach zu erfassen. Das vorliegende Buch soll dazu beitragen, die wesentlichen für die Berufsbildung relevanten Rechtsvorschriften praxisgerecht anwenden zu können. Es stellt die wichtigsten Rechtsgrundlagen in kompakter Form anhand zahlreicher Beispiele dar. Zielgruppen sind vorrangig Ausbilder und Personalverantwortliche, die berufliche Bildung in Betrieben und außerbetrieblichen Ausbildungsstätten durchführen und organisieren. Nach einer Darstellung der Grundlagen der Berufsbildung wird das Berufsausbildungsverhältnis von seiner Begründung bis zur Beendigung betrachtet. Danach werden Aspekte des Prüfungswesens, besondere Bereiche der Berufsbildung, die Institutionen der Berufsbildung, der Mutterschutz sowie die Rechte der Arbeitnehmervertretungen vorgestellt. Ein kurzer Überblick zeigt die finanziellen Förderungsmöglichkeiten nach dem SGB III und dem AFBG. Um den Zugriff auf die wichtigsten Gesetze zu vereinfachen, sind die Texte des Berufsbildungsgesetzes und des Jugendarbeitsschutzgesetzes als Anhang enthalten.
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Die Berufsausbildung im Rahmen des dualen Systems ist eines der wichtigsten Instrumente zur Ausbildung von Fachkräften. Zur Personalentwicklung leistet die berufliche Fortbildung einen entscheidenden Beitrag. Berufsbildung erfasst zudem die Berufausbildungsvorbereitung und berufliche Umschulung, um erste oder neue Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu schaffen.
Damit die Berufsbildung in einem geordneten Rahmen durchgeführt werden kann, sind Rechtsvorschriften erforderlich. Maßgeblich sind neben dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) eine Reihe weiterer Rechtsvorschriften des privaten und des öffentlichen Rechts. Deren Zusammenspiel ist jedoch nicht einfach zu erfassen.
Das vorliegende Buch soll dazu beitragen, die wesentlichen für die Berufsbildung relevanten Rechtsvorschriften praxisgerecht anwenden zu können. Es stellt die wichtigsten Rechtsgrundlagen in kompakter Form anhand zahlreicher Beispiele dar. Zielgruppen sind vorrangig angehende oder aktive Ausbilder sowie Personalverantwortliche, die berufliche Bildung in Betrieben und außerbetrieblichen Ausbildungsstätten durchführen und organisieren.
Nach einer Darstellung der Grundlagen der Berufsbildung wird das Berufsausbildungsverhältnis von seiner Begründung bis zur Beendigung betrachtet. Danach werden Aspekte des Prüfungswesens, besondere Bereiche der Berufsbildung, die Institutionen der Berufsbildung, der Mutterschutz sowie die Rechte der Arbeitnehmervertretungen vorgestellt. Ein kurzer Überblick zeigt die finanziellen Förderungsmöglichkeiten nach dem SGB III und dem AFBG.
Um den Zugriff auf die wichtigsten Gesetze zu vereinfachen, sind die Texte des Berufsbildungsgesetzes und des Jugendarbeitsschutzgesetzes als Anhang enthalten.
Die Neuauflage berücksichtigt u.a. die Änderungen durch die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152, die ab dem 1.8.2022 in Kraft getreten sind.
Für die Übernahme des aufwendigen Korrekturlesens bedanke ich mich bei Evelyn Atzler.
Mai 2023
Lutz Völker
Abkürzungsverzeichnis
Literatur
1. Grundlagen
1.1. Begriff Berufsbildung
1.2. Geltungsbereich des Berufsbildungsgesetzes
1.3. Duales System
1.4. Rechtsquellen des Berufsbildungsrechts
1.4.1. Öffentliches Recht und Privatrecht
1.4.2. Überblick über die wichtigsten Rechtsnormen
2. Ausbildungsvoraussetzungen
2.1. Ausbildungsordnung und Ausbildungsberuf
2.2. Eignung der Ausbildungsstätte und der beteiligten Personen
3. Berufsausbildungsverhältnis
3.1. Anbahnung und Abschluss des Berufsausbildungsvertrags
3.2. Inhalt des Berufsausbildungsvertrags
3.2.1. Überblick
3.2.2. Ausbildungsinhalt und -dauer
3.2.3. Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte
3.2.4. Ausbildungszeit
3.2.5. Ausbildungsvergütung
3.2.6. Urlaub
3.3. Pflichten der Vertragsparteien
3.3.1. Pflichten des Auszubildenden
3.3.2. Pflichten des Ausbildenden
3.4. Folgen von Pflichtverletzungen
3.4.1. Pflichtverletzungen des Auszubildenden
3.4.2. Pflichtverletzungen des Ausbildenden
3.5. Beendigung des Berufsausbildungsvertrags
3.5.1. Überblick
3.5.2. Kündigung des Berufsausbildungsvertrags
3.5.3. Fristablauf und Zweckerreichung
3.5.4. Sonstige Beendigungsgründe
3.6. Weiterbeschäftigung nach der Beendigung
4. Prüfungswesen
4.1. Allgemeines
4.2. Zwischenprüfung
4.3. Abschlussprüfung
4.4. Prüfungsausschuss und Prüferdelegation
4.5. Prüfungsdurchführung
4.6. Rechtsmittel gegen eine Prüfung
4.6.1. Umfang der Überprüfbarkeit der Prüfungsentscheidung
4.6.2. Maßgebliche Fehler einer Prüfung
4.6.3. Widerspruchs- und Klageverfahren
5. Besondere Bereiche der Berufsbildung
5.1. Berufliche Fortbildung
5.2. Berufliche Umschulung
5.3. Berufsbildung behinderter Menschen
5.3.1. Regelungen des Berufsbildungsgesetzes
5.3.2. Regelungen im SGB IX
5.4. Berufsausbildungsvorbereitung
5.5. Andere Vertragsverhältnisse
6. Institutionen der Berufsbildung
7. Mutterschutz und Elternzeit
8. Berufbildung und Betriebsverfassung
8.1. Beteiligungsrechte des Betriebsrats
8.2. Jugend- und Auszubildendenvertretung
9. Finanzielle Förderung der Berufsbildung
Anhang Berufsbildungsgesetz
Jugendarbeitsschutzgesetz
a.A.
anderer Ansicht
AAG
Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlungen (Aufwendungsausgleichsgesetz)
AEVO
Ausbilder-Eignungsverordnung
AFBG
Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz
AGG
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
ArbGG
Arbeitsgerichtsgesetz
ArbSchG
Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz)
ArbZG
Arbeitszeitgesetz
Art.
Artikel
BAG
Bundesarbeitsgericht
BAnz
Bundesanzeiger
BArbBl.
Bundesarbeitsblatt
BAVB-VO
Verordnung über die Bescheinigung von Grundlagen beruflicher Handlungsfähigkeit im Rahmen der Berufsausbildungsvorbereitung
BBIB
Bundesinstitut für Berufsbildung
BBiG
Berufsbildungsgesetz
BDSG
Bundesdatenschutzgesetz
BEEG
Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz)
BetrVG
Betriebsverfassungsgesetz
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BtMG
Betäubungsmittelgesetz
BUrlG
Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz)
BverfG
Bundesverfassungsgericht
BVerwG
Bundesverwaltungsgericht
bzw.
beziehungsweise
CNC
Computerized Numerical Control
d.h.
das heißt
DQR
Deutscher Qualifikationsrahmen
EFZG
Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz)
EuGH
Europäischer Gerichtshof
ff.
fortfolgende
FG
Finanzgericht
GewO
Gewerbeordnung
GG
Grundgesetz
ggf.
gegebenenfalls
h.M.
herrschende Meinung
HwK
Handwerkskammer
HwO
Handwerksordnung
i.d.R.
in der Regel
IHK
Industrie- und Handelskammer
i.V.m.
in Verbindung mit
JArbSchG
Gesetz zum Schutz der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz)
KSchG
Kündigungsschutzgesetz
LAG
Landesarbeitsgericht
MiLoG
Mindestlohngesetz
MPO
Musterprüfungsordnung
MuSchG
Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz)
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
NachwG
Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz)
Nr.
Nummer
o.ä.
oder ähnliche(s)
o.g.
oben genannt(e)
OVG
Oberverwaltungsgericht
OWiG
Ordnungswidrigkeitengesetz
PflBG
Pflegeberufegesetz
Rn.
Randnummer
s.
siehe
S.
Satz
SGB
Sozialgesetzbuch
TVG
Tarifvertragsgesetz
TVAöD
Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes
TzBfG
Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz)
u.a.
und andere(s)
u.ä.
und ähnliche(s)
usw.
und so weiter
u.U.
unter Umständen
VG
Verwaltungsgericht
VGH
Verwaltungsgerichtshof
vgl.
vergleiche
VwVfG
Verwaltungsverfahrensgesetz
VwGO
Verwaltungsgerichtsordnung
z.B.
zum Beispiel
z.T.
zum Teil
Benecke, Martina/Hergenröder, Carmen Silvia: Berufsbildungsgesetz, 1. Auflage, München 2009.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Übersicht über das Arbeitsrecht/Arbeitsschutzrecht, 13. Auflage, Nürnberg 2019.
Hergenröder, Carmen Silvia: Berufsausbildung im Betrieb, 1. Auflage, Münster 2016
Herkert, Josef/Töltl, Harald: Berufsbildungsgesetz – Kommentar mit Nebenbestimmungen, 116. Aktualisierung, Regensburg 2020.
Knopp, Anton/Kraegeloh, Wolfgang: Berufsbildungsgesetz, 5. Auflage, Köln 2005.
Lakies, Thomas: Rechte und Pflichten in der Berufsausbildung, 2. Auflage, Berlin 2013.
Lakies, Thomas/Malottke, Anette: Berufsbildungsgesetz, 6. Auflage, Frankfurt/Main 2018.
Leinemann, Wolfgang/Taubert, Thomas: Berufsbildungsgesetz, 2. Auflage, München 2008.
Müller-Glöge, Rudi/Preis, Ulrich/Schmidt, Ingrid: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage, München 2019.
Stolpmann, Frank/Teufer, Andreas: Prüfungsrecht für Auszubildende und ihre Prüfer, 1. Auflage, Baden-Baden 2009.
Völker, Lutz: Arbeits- und Sozialversicherungsrecht kompakt, 10. Auflage, Norderstedt 2020.
Wohlgemuth, Hans Hermann/Pepping, Georg (Hrsg.): Berufsbildungsgesetz, 2. Auflage, Baden-Baden 2020.
1.1. Begriff Berufsbildung
Der Begriff der Berufsbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes wird in § 1 Abs. 1 BBiG definiert. Berufsbildung als Oberbegriff umfasst vier Bereiche:
Berufsausbildungsvorbereitung dient dem Ziel, durch die Vermittlung von Grundlagen an eine Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf heranzuführen (§ 1 Abs. 2 BBiG). Zielgruppe sind Personen, für die aufgrund persönlicher oder sozialer Defizite eine Berufsausbildung im dualen System noch nicht in möglich ist. In Betracht kommen z.B. Personen ohne Schulabschluss oder mit Sprachdefiziten. Die besonderen Vorschriften zur Berufsausbildungsvorbereitung werden in den §§ 68 ff. BBiG geregelt.
Die Berufsausbildung stellt den Kernregelungsbereich des Berufsbildungsgesetzes dar. Berufsausbildung ist im Sinne einer beruflichen Erstausbildung zu verstehen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, unmittelbar im Anschluss an einer erste Berufsausbildung eine Zweitausbildung in einem anderen Beruf zu absolvieren. Berufsausbildung dient dazu, die berufliche Handlungsfähigkeit in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln (§ 1 Abs. 3 BBiG). Die berufliche Handlungsfähigkeit umfasst die notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung einer qualifizierten Tätigkeit. Zudem soll die Berufsausbildung den Erwerb von Berufserfahrungen ermöglichen, was den Einsatz der Auszubildenden in den realen betrieblichen Arbeitssituationen erfordert. Hauptzielgruppe sind die Absolventen der allgemeinbildenden Schulen. Allerdings ist der Schulabschluss keine notwendige Voraussetzung für eine Berufsausbildung.
Berufliche Fortbildung baut i.d.R. auf einem bereits vorhandenen Berufsabschluss auf. Sie dient nach § 1 Abs. 4 BBiG zum einen dazu, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erhalten und anzupassen (Anpassungsfortbildung), zum anderen die berufliche Handlungsfähigkeit zu erweitern und beruflich aufzusteigen (höherqualifizierende Berufsbildung).
Die berufliche Umschulung dient dem Zweck, zu einer anderen, bisher nicht erlernten Berufstätigkeit zu befähigen. Damit richtet sich die berufliche Umschulung an Personen, die bereits eine Berufsausbildung absolviert und in ihrem Beruf gearbeitet haben, aber z.B. aus gesundheitlichen oder arbeitsmarktbedingten Gründen ihrer bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können.
Keine Umschulung sondern eine Berufsausbildung als Zweitausbildung liegt vor, wenn ein Auszubildender unmittelbar im Anschluss an einer erste Berufsausbildung eine Ausbildung in einem anderen Beruf absolviert.1 Die zwischenzeitliche, nicht nur unerhebliche praktische Tätigkeit im zunächst erlernten Beruf ist somit unverzichtbare Voraussetzung für eine Umschulung.
Als Lernorte der Berufsbildung kommen vorrangig Betriebe der Wirtschaft sowie des öffentlichen Dienstes (z.B. Behörden) und der freien Berufe (z.B. Arztpraxen oder Anwaltskanzleien) sowie Haushalte in Betracht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 BBiG).
Ergänzt wird die Berufsbildung in Betrieben durch die Ausbildung in beruflichen Schulen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 BBiG). Daraus ergibt sich die Durchführung der Berufsausbildung im dualen System. Zudem kommen als Lernorte sonstige außerbetriebliche Berufsbildungseinrichtungen in Betracht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 BBiG). Dazu zählen insbesondere Berufsbildungszentren, Ausbildungseinrichtungen der Kammern oder Verbände und Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation (§ 51 SGB IX). Nach § 2 Abs. 2 BBiG besteht bei verschiedenen Lernorten das Gebot der Lernortkooperation.
Ein Teil der Ausbildung von bis zu einem Viertel kann auch im Ausland absolviert werden (§ 2 Abs. 3 BBiG). Der Auslandsaufenthalt gilt als Teil der Berufsausbildung, sofern er dem Ausbildungsziel dient. Davon ist auszugehen, wenn die im Ausland vermittelten Ausbildungsinhalte im Wesentlichen dem entsprechen, was Gegenstand der heimischen Ausbildung ist oder wenn Sprachkenntnisse vermittelt werden, die für den Beruf bedeutsam sind.
1.2. Geltungsbereich des Berufsbildungsgesetzes
Das Berufsbildungsgesetz regelt im § 3 BBiG seinen Anwendungsbereich. Dabei gilt der Grundsatz, dass das Berufsbildungsgesetz für die Berufsbildung gilt, soweit diese nicht in berufsbildenden Schulen stattfindet, welche den Schulgesetzen der Länder unterliegen (§ 3 Abs. 1 BBiG). Diese Abgrenzung ist verfassungsrechtlich geboten (Artt. 30, 70 GG). Erfasst wird daher nur die betriebliche Berufsbildung und die Berufsbildung in sonstigen außerbetrieblichen Berufsbildungseinrichtungen.
Ausdrücklich vom Geltungsbereich ausgenommen sind nach § 3 Abs. 2 BBiG:
Wird im Rahmen eines dualen Studiums eine Berufsausbildung mit einem Studium kombiniert (ausbildungsintegrierendes duales Studium), findet das Berufsbildungsgesetz nur auf den betrieblichen Teil Anwendung. Ist hingegen der praktische Teil integrierter Bestandteil des dualen Studiums in Form eines Praktikums (praxisintegrierendes duales Studium), ist das Berufsbildungsgesetz nicht anzuwenden.
Für die Berufsbildung in Berufen der Handwerksordnung werden nach § 3 Abs. 3 BBiG einige Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes durch entsprechende Vorschriften der Handwerksordnung ersetzt. Erfasst werden vorrangig die ordnungsrechtlichen Vorschriften. Demgegenüber gelten die vertragsrechtlichen Bestimmungen des Berufsbildungsgesetzes auch für die Berufe der Handwerksordnung. Diese Regelung findet sowohl auf die zulassungspflichtigen Handwerke als auch auf zulassungsfreie Handwerke sowie handwerksähnliche Gewerbe Anwendung.
Die inhaltlichen Unterschiede zwischen den Regelungen des Berufsbildungsgesetzes und denen der Handwerksordnung sind allerdings gering. Bei den folgenden Ausführungen wird daher vorrangig auf die Regelungen des Berufsbildungsgesetzes eingegangen. Regelungen der Handwerksordnung werden nur dann betrachtet, wenn diese substantielle Unterschiede aufweisen.
Das BBiG findet zudem keine Anwendung für die in Spezialgesetzen geregelten Berufsausbildungen, soweit diese vom BBiG abweichende Vorschriften enthalten.2 Das betrifft vor allem Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen. Im Pflegeberufegesetz3 wird die Ausbildung zum Pflegefachmann bzw. zur Pflegefachfrau geregelt, für die das BBiG ausdrücklich keine Anwendung findet (§ 63 PflBG). Auch die Ausbildung z.B. von Ergotherapeuten4, Physiotherapeuten5 usw. fällt nicht unter das BBiG.
1.3. Duales System
Für die Berufsausbildung in Deutschland ist das duale System prägend. Mit dem Begriff des dualen Systems wird die Ausbildung an den zwei Lernorten Betrieb und Berufsschule (§ 2 Abs. 1 BBiG) bezeichnet. Die beiden Lernorte sind durch unterschiedliche Zuständigkeiten, Rechtsgrundlagen, die Finanzierung und inhaltliche Schwerpunkte gekennzeichnet.
Ausbildungsbetrieb
Lernort
Berufsschule
Bund Zuständige Stelle, z.B. IHK, HwK
Zuständigkeit
Bundesländer Schulaufsichtsbehörden
Privatrecht Bundesrecht
Rechtsebene
Öffentl. Recht Landesrecht
BBiG Ausbildungsvertrag
Rechtliche Grundlage
Schulgesetze Berufsschulpflicht
privat
Finanzierung
staatlich
Ausbildungsordnung
inhaltliche Grundlage
Rahmenlehrplan
Praxis
inhaltlicher Schwerpunkt
Theorie
Zuständig für die betriebliche Berufsausbildung ist als Gesetzgeber der Bund, für die Überwachung die zuständigen Stellen, insbesondere die Kammern. Für die Schulgesetzgebung liegt die Zuständigkeit bei den Bundesländern, bezüglich der Überwachung sind die Schulaufsichtsbehörden, i.d.R. die Schulämter, zuständig.
Die betriebliche Berufsausbildung basiert auf dem Berufsausbildungsvertrag, welcher privatrechtlicher Natur ist. Gesetzliche Grundlage ist das BBiG. Die Finanzierung der betrieblichen Ausbildung erfolgt durch die Betriebe selbst. Demgegenüber unterliegt die Berufsschulausbildung dem öffentlichen Recht mit den Schulgesetzen der Länder als gesetzlicher Grundlage. Für die Finanzierung ist der Staat zuständig.
Inhaltlicher Schwerpunkt der betrieblichen Ausbildung ist die berufspraktische Ausbildung auf Basis der Ausbildungsordnung. In der Ausbildungsordnung ist u.a. der Ausbildungsrahmenplan enthalten, welcher die sachliche und zeitliche Gliederung der zu vermittelnden Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten enthält. Der inhaltliche Schwerpunkt der Berufsschulausbildung liegt auf fachtheoretischen Inhalten. Daneben werden durch die Berufsschulen auch allgemeinbildende Inhalte vermittelt. Grundlage der zu vermittelnden Inhalte ist der jeweilige Rahmenlehrplan.
Die beiden Lernorte sind nach § 2 Abs. 2 BBiG zur Kooperation verpflichtet. Die Kooperation zeigt sich z.B. darin, dass Lehrer berufsbildender Schulen in den Prüfungsausschüssen vertreten sind (§ 40 Abs. 2 BBiG) und dass der wesentliche Berufsschulstoff Gegenstand der Abschlussprüfung ist (§ 38 S. 2 BBiG).
1.4.1. Öffentliches Recht und Privatrecht
Das Berufsbildungsrecht ist durch das Zusammenspiel von Privatrecht und öffentlichem Recht gekennzeichnet. Die beiden Gebiete sind durch unterschiedliche Merkmale gekennzeichnet:
Privatrecht
Öffentliches Recht
Regelung der rechtlichen
Regelung der rechtlichen
Beziehungen zwischen
Beziehungen zwischen
Personen untereinander
Bürger und Staat
Gleichstellung
Über-/Unterordnung
Überwiegend dispositives Recht,
Zwingendes Recht
d.h. Abreden haben Vorrang vor
gesetzlichen Regelungen
In der Berufsausbildung haben vor allem der Berufsausbildungsvertrag sowie die dazu geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere die §§ 10 bis 26 BBiG, privatrechtlichen Charakter. Demgegenüber sind die Fragen der Ordnung der Berufsausbildung dem öffentlichen Recht zuzuordnen.
Infolge dessen sind die Vertragspartner des Berufsausbildungsvertrags selbst gehalten, Ansprüche aus diesem geltend zu machen und ggf. bei Pflichtverletzungen ihre Rechte gerichtlich durchzusetzen. Verstöße gegen öffentlichrechtliche Vorschriften werden demgegenüber staatlich überwacht und ggf. sanktioniert.
Beispiele: Ausbildender und Auszubildender können ihren Vertragspartner frei wählen und den Ausbildungsvertrag im Rahmen der geltenden gesetzlichen Vorschriften frei ausgestalten. So kann z.B. die Ausbildungsvergütung im Rahmen der Angemessenheit (§ 17 Abs. 1 S. 1 BBiG) frei vereinbart werden, wenn keine Tarifbindung besteht und soweit die Mindestausbildungsvergütung nicht unterschritten wird. Wird dem Auszubildenden keine angemessene Vergütung gezahlt, muss er seinen Anspruch gegenüber dem Ausbildenden einfordern und ggf. gerichtlich geltend machen.
Demgegenüber sind die Eignungsvoraussetzungen für die Ausbildung zwingend, Verstöße können staatlich sanktioniert werden, z.B. durch Untersagung der Ausbildung (§ 33 BBiG) oder Bußgelder bis zu 5.000 € (§ 101 Abs. 1 Nr. 6 BBiG).
Auch die gerichtliche Zuständigkeit im Berufsbildungsrecht hängt davon ab, ob die öffentlich-rechtliche oder die privatrechtliche Seite Gegenstand ist.
Rechtsstreitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden aus dem Berufsausbildungsverhältnis unterliegen der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG). Im Berufsbildungsrecht gilt die Besonderheit, dass nach § 111 Abs. 2 ArbGG von den zuständigen Stellen Schlichtungsausschüsse zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten gebildet werden können. Besteht ein solcher Schlichtungsausschuss, ist das Schlichtungsverfahren Voraussetzung für die Klage vor dem Arbeitsgericht (§ 111 Abs. 2 S. 5 ArbGG). Allerdings kommt das Schlichtungsverfahren nur zur Anwendung, wenn es um Rechtsstreitigkeiten aus einem bestehenden Ausbildungsverhältnis geht, nicht aber wenn dieses bereits beendet ist.
Der Schlichtungsausschuss ist aus einer gleichen Zahl von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu bilden. Im Verfahren vor dem Schlichtungsausschuss sind die Parteien zunächst mündlich anzuhören. Einigen sich die Parteien nicht auf einen Vergleich, entscheidet der Ausschuss durch einen Schlichterspruch. Der Spruch wird rechtskräftig, wenn er von beiden Parteien binnen einer Woche anerkannt wird. Scheitert die Schlichtung durch Nichtanerkennung des Spruchs, kann binnen zwei Wochen ab ergangenen Spruch Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben werden.
Entscheidungen der zuständigen Stellen sind i.d.R. Verwaltungsakte (§ 35 VwVfG). Gegen Verwaltungsakte kann binnen eines Monats schriftlich Widerspruch erhoben werden. Erst nach vorheriger Durchführung des Widerspruchsverfahrens bei der erlassenden Behörde ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet (§§ 68 ff. VwGO).
Werden Bußgelder verhängt, kann gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt werden (§ 67 OWiG), über den das Amtsgericht entscheidet (§ 68 OWiG).
1.4.2. Überblick über die wichtigsten Rechtsnormen
Die Rechte und Pflichten der Institutionen und Personen, die an der Berufsausbildung beteiligt sind, werden durch unterschiedliche Gesetze, Verordnungen und sonstige Rechtsvorschriften bestimmt. Für das Berufsbildungsrecht sind insbesondere von Bedeutung:
Das Grundgesetz stellt die Basis der Rechtsordnung dar. Dazu gehören zum einen die Grundrechte. Staatliche oder tarifvertragliche6 Rechtsnormen, die gegen Grundrechte verstoßen, sind grundsätzlich nichtig. Das für die Berufsbildung wichtigste Grundrecht ist die Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG. Danach haben alle Deutschen u.a. das Recht, Beruf und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Demgegenüber kann die Berufsausübung per Gesetz reglementiert werden.
Das Grundgesetz regelt zum anderen das Staatorganisationsrecht. Hierzu gehört z.B. die für das Berufsbildungsrecht bedeutsame Gesetzgebungszuständigkeit von Bund und Ländern (Art. 70 ff. GG), aus der sich u.a. die unterschiedlichen Zuständigkeiten im dualen System ergeben.
Das für die Berufsbildung wichtigste Gesetz ist das Berufsbildungsgesetz.
Durch das Berufsbildungsgesetz vom 14. August 1969 wurde das Berufsbildungsrecht erstmals umfassend und bundeseinheitlich geregelt.7 Das Berufsbildungsreformgesetz hat mit Wirkung zum 1. April 2005 das BBiG grundlegend reformiert.8 Mit dem Berufsbildungsmodernisierungsgesetz, welches zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, erfolgte eine erneute Novellierung.9
Der aktuelle Text des Berufsbildungsgesetzes ist im Anhang abgedruckt.
Die folgende Übersicht zeigt die wesentlichen Inhalte des Berufsbildungsgesetzes.
Berufsbildungsgesetz
§§
Regelungsbereiche
Inhalte
1-3
Definitionen Geltungsbereich
Ziel und Begriff der Berufsbildung Lernorte Geltungsbereich
4-9
Ausbildungsberuf, Ausbildungsordnung
Regelungsbereich u. Inhalt der Ausbildungsordnung, Anrechnung Vorbildung, Abkürzung/Verlängerung Ausbildungszeit
10-26
Berufsausbildungsver- hältnis
Begründung, Inhalt, Pflichten, Vergütung, Probezeit, Beendigung
27-33
Voraussetzungen zum Ausbilden
Persönliche u. fachliche Eignung, Eignung der Ausbildungsstätte
34-36
Verzeichnis der BAV
Zuständigkeit, Eintragungen
37-50a
Prüfungswesen
Abschlussprüfung, Prüfungsausschuss, Prüferdelegation, Zulassung, Prüfungsordnung, Zwischenprüfung
51-52
Interessenvertretung
Interessensvertretung außerbetrieblicher Azubi
53-70
Besondere Bereiche
berufl. Fortbildung, berufl. Umschulung berufl. Bildung Behinderter, BA-Vorbereitung
71-83
Organisation der Berufsausbildung
Zuständige Stellen, Ausbildungsberater, BB-Ausschuss, Landesausschüsse
84-100
Berufsbildungsforschung, Planung und Statistik
Forschung, Ziele der Planung, Berufsbildungsbericht und -statistik, BIBB
101
Bußgeldvorschriften
Ordnungswidrigkeiten
103-106
Schlussvorschriften
Fortgeltungs- und Übergangsregelungen
Für die Ausbildung in Handwerksberufen werden nach § 3 Abs. 3 BBiG einige Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes durch entsprechende Vorschriften der Handwerksordnung ersetzt. Die übrigen Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes gelten auch im Handwerk. Erfasst wird von § 3 Abs. 3 BBiG die Ausbildung in allen Handwerksberufen, d.h. in zulassungspflichtigen und zulassungsfreien Handwerken sowie handwerksähnlichen Gewerben.
Die Regelungen der Handwerksordnung betreffen im Wesentlichen die ordnungsrechtlichen Vorschriften, während die vertragsrechtlichen Regelungen des BBiG auch im Handwerk gelten. Die inhaltlichen Unterschiede sind gering.
Eine Gegenüberstellung der Regelungen der Handwerksordnung zur Berufsbildung und der analogen Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes nach § 3 Abs. 3 BBiG zeigt die folgende Übersicht.
Vergleich der Vorschriften der HwO und des BBiG
HwO
BBiG
Bemerkung
§ 21
§ 27
Eignung der Ausbildungsstätte
§ 22
§ 28
Eignung Ausbildungspersonal
§ 22a
§ 29
persönliche Eignung
§ 22b
§ 30
fachliche Eignung
§ 22c
§ 31
Europaklausel
§ 23
§ 32
Überwachung der Eignung
§ 24
§ 33
Untersagung des Ausbildens
§ 25
§ 4
Anerkennung von Ausbildungsberufen
§ 26
§ 5
Ausbildungsordnung
§ 27
§ 6
Erprobung neuer Ausbildungsberufe
§ 27a
§ 7
Anrechnung Vorbildung
§ 27b
§ 7a
Teilzeitberufsausbildung
§ 27c
§ 8
Verkürzung, Verlängerung
§ 27d
Ausbildung in zwei Handwerken
§ 28
§ 34
Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse
§ 29
§ 35
Eintragung
§ 30
§ 36
Antrag auf Eintragung
§ 31
§ 37
Abschlussprüfung
§ 32
§ 38
Prüfungsgegenstand
§ 33
§ 39
Prüfungsausschüsse
§ 34
§ 40
Zusammensetzung, Berufung
§ 35
§ 41
Vorsitz, Beschlussfähigkeit
§ 35a
§ 42
Prüfungsbewertung
§ 36
§ 43
Zulassung zur Abschlussprüfung
§ 36a
§ 44
Zulassung zur gestreckten Abschlussprüfung
§ 37
§ 45
Zulassung in besonderen Fällen
§ 37a
§ 46
Entscheidung über die Zulassung
§ 38
§ 47
Prüfungsordnung
§ 39
§ 48
Zwischenprüfung
§ 39a
§ 49
Zusatzqualifikation
§ 40
§ 50
Gleichstellung von Prüfungszeugnissen
HwO
BBiG
Bemerkung
§ 40a
§ 50a
Ausländische Berufsqualifikationen
§ 41
§ 9
Regelungsbefugnis
§ 41a
§ 76
Überwachung, Beratung
§ 42
§ 53
Fortbildungsordnung
§ 42a
§ 53a
Fortbildungsstufen
§ 42b
§ 53b
Geprüfter Berufsspezialist
§ 42c
§ 53c
Bachelor Professional
§ 42d
§ 53d
Master Professional
§ 42e
§ 53e
Anpassungsfortbildungsordnung
§ 42f
§ 54
Fortbildungsordnung
§ 42g
§ 55
Ausländische Vorqualifikation
§ 42h
§ 56
Fortbildungsprüfung
§ 42i
§ 57
Gleichstellung von Prüfungszeugnissen
§ 42j
§ 58
Umschulungsordnung
§ 42k
§ 59
Erlass durch zuständige Stelle
§ 42l
§ 60
Umschulung für anerkannte Ausbildungsberufe
§ 42m
§ 61
Ausländische Vorqualifikation
§ 42n
§ 62
Umschulungsmaßnahmen, -prüfungen
§ 42o
§ 63
Gleichstellung von Prüfungszeugnissen
§ 42p
§ 64
Berufsausbildung behinderter Menschen
§ 42q
§ 65
Berufsausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen
§ 42r
§ 66
Ausbildungsregelungen der zuständigen Stellen
§ 42s
§ 67
Berufliche Fortbildung, berufliche Umschulung
§ 42t
§ 68
Personenkreis Berufsausbildungsvorbereitung
§ 42u
§ 69
Qualifizierungsbausteine
§ 42v
§ 70
Überwachung, Beratung
§ 43
§ 77
Errichtung Berufsbildungsausschuss
§ 44
§ 79
Aufgaben
§ 44a
§ 78
Beschlussfähigkeit, Abstimmung
§ 44b
§ 80
Geschäftsordnung
§§ 45 ff.
Meisterprüfung
§ 118
§ 101
Bußgeldvorschriften
Ist der Auszubildende noch minderjährig, ist neben dem Berufsbildungsgesetz insbesondere das Jugendarbeitsschutzgesetz zu beachten.
Der Text des Jugendarbeitsschutzgesetzes ist im Anhang abgedruckt.
Das Jugendarbeitsschutzgesetz regelt die Bestimmungen, die bei der Beschäftigung von Personen unter 18 Jahren als Arbeitnehmer oder in der Berufsausbildung zu beachten sind (§ 1 Abs. 1 JArbSchG). Das Jugendarbeitsschutzgesetz unterscheidet dabei Kinder und Jugendliche.
Minderjährige, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gelten als Kinder (§ 2 Abs. 1 JArbSchG). Als Jugendliche zählen Personen unter 18 Jahren, die mindestens 15 Jahre alt sind. (§ 2 Abs. 2 JArbSchG). Für vollzeitschulpflichtige Jugendliche sind die für Kinder geltenden Vorschriften anzuwenden (§ 2 Abs. 3 JArbSchG).
Die Beschäftigung von Kindern ist grundsätzlich verboten (§ 5 Abs. 1 JArbSchG). Ausnahmen sind in den §§ 5 bis 7 JArbSchG geregelt, z.B. im Rahmen eines Praktikums während der Vollzeitschulpflicht, ab 13 Jahre bis zu 2 Stunden mit leichten, für Kinder geeigneten Tätigkeiten und ab 15 Jahre in den Ferien für 4 Wochen. Kinder, die nicht mehr der Vollzeitschulpflicht unterliegen, dürfen im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses nach Maßgabe der für Jugendliche geltenden Vorschriften beschäftigt werden (§ 7 Nr. 1 BBiG).
Hauptschwerpunkt des Jugendarbeitsschutzgesetzes ist die Beschäftigung von Jugendlichen. Dazu werden insbesondere
Auf diese Regelungen im Einzelnen wird nachfolgend im jeweiligen Kontext des Berufsausbildungsverhältnisses eingegangen.
Das Jugendarbeitsschutzgesetz ist aushangpflichtig, wenn regelmäßig mindestens ein Jugendlicher beschäftigt wird (§ 47 JArbSchG). Werden mindestens drei Jugendliche beschäftigt, so ist zusätzlich ein Aushang über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen erforderlich (§ 48 JArbSchG).
Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz werden als Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeldern bis zu 30.000 € (§§ 58, 59 JArbSchG) und als Straftaten mit bis zu einem Jahr Freiheitsentzug geahndet (§ 58 JArbSchG).
Neben dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung und dem Jugendarbeitsschutzgesetz sind nach § 10 Abs. 2 BBiG die arbeitsrechtlichen Rechtsvorschriften und Grundsätze auf Auszubildende anzuwenden, soweit sich aus dem Wesen des Berufsausbildungsvertrags oder dem Berufsbildungsgesetz nichts Abweichendes ergibt.
In vielen Gesetzen des Arbeitsrechts werden zudem Auszubildende ausdrücklich in den Geltungsbereich aufgenommen, so dass § 10 Abs. 2 BBiG diesbezüglich nur deklaratorische Bedeutung hat. Somit spielen zahlreiche arbeitsrechtliche Gesetze auch im Bereich der Berufsausbildung eine Rolle.
Wichtige, auch für das Berufsausbildungsverhältnis bedeutsame Gesetze sind insbesondere:
Zu den Gesetzen im materiellen Sinne sind auch Verordnungen zu zählen, die im Gegensatz zu den Gesetzen im formellen Sinne vom legitimierten Regierungsorgan auf Basis eines Gesetzes erlassen werden (Art. 80 GG). Für die Berufsbildung sind vor allem von Bedeutung:
Ausbildungsordnungen stellen die Grundlage für eine bundeseinheitliche Berufsausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen dar. Sie werden durch das zuständige Ministerium per Rechtsverordnung erlassen (§ 4 Abs. 1 BBiG).
Durch die Ausbildereignungsverordnung werden auf Basis des § 30 Abs. 5 BBiG die Voraussetzungen für die berufs- und arbeitspädagogische Eignung der Ausbilder geregelt.
Körperschaften des öffentlichen Rechts, z.B. die Kammern, können im Rahmen ihrer Zuständigkeit zur Durchführung der Berufsbildung Rechtsvorschriften erlassen (§ 9 BBiG). Dazu zählen z.B.:
die auf Basis des § 47 Abs. 1 BBiG zu erlassenden Prüfungsordnungen,
Fortbildungsprüfungsregelungen nach § 54 BBiG,
Umschulungsprüfungsregelungen nach § 59 BBiG sowie
Ausbildungsregelungen für behinderte Menschen nach § 66 BBiG.
Zuständig für den Erlass der Rechtsvorschriften der zuständigen Stelle ist der Berufsbildungsausschuss (§ 79 Abs. 4 BBiG).
Kollektivrechtliche Vereinbarungen sind Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. Sie können den Inhalt von Berufsausbildungsverhältnissen mitbestimmen. Im Berufsausbildungsvertrag ist auf geltende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen hinzuweisen (§ 11 Abs. 1 Nr. 9 BBiG).
Tarifverträge, die bei der Regelung von Arbeitsbedingungen eine bedeutsame Rolle spielen, werden im Regelfall zwischen Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften geschlossen (§ 2 Abs. 1 TVG).
Tarifverträge bestimmen den Inhalt eines unter seinen Geltungsbereich fallenden Berufsausbildungsverhältnisses als zwingendes Recht bei beiderseitiger Tarifbindung (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG) oder Allgemeinverbindlichkeit (§ 5 TVG). Die Tarifgeltung kann auch einzelvertraglich vereinbart werden.
Betriebsvereinbarungen werden zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbart und stellen für die Mitarbeiter des Betriebs, somit auch für die Auszubildenden, unmittelbar zwingendes Recht dar (§ 77 Abs. 4 BetrVG).
Der Ausbildungsvertrag regelt die konkreten Rechte und Pflichten der Vertragspartner.
Bei der Anwendung der Rechtsquellen des Berufsbildungsrechts sind verschiedene Prinzipien zu beachten, die das Verhältnis der Rechtsquellen untereinander bestimmen:
a) Rangprinzip
Nach dem Rangprinzip haben (zwingende) gesetzliche Regelungen Vorrang vor Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen und diese Vorrang vor vertraglichen Einzelvereinbarungen.
b) Günstigkeitsprinzip
Das Günstigkeitsprinzip sagt aus, dass vom Rangprinzip zugunsten des Auszubildenden abgewichen werden darf. Eine Ausnahme gilt jedoch für das Verhältnis Tarifvertrag – Betriebsvereinbarung. Nach § 77 Abs. 3 BetrVG können Arbeitsbedingungen, die üblicherweise Gegenstand eines Tarifvertrags sind, nicht per Betriebsvereinbarung geregelt werden. Insofern wäre auch eine gegenüber dem Tarifvertrag günstigere, gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung nichtig.10
c) Spezialitäts- und Ordnungsprinzip
Bestehen zwei Regelungen auf der gleichen Rangstufe, so geht die speziellere Regelung der allgemeinen bzw. die neuere der älteren Regelung vor.
Beispiel: Im Ausbildungsvertrag des 19-jährigen Anton, der in der 5-Tage-Woche ausgebildet wird, sind 28 Arbeitstage Urlaub vereinbart, der allgemeinverbindliche Tarifvertrag sieht für Auszubildende 26 Arbeitstage vor, in einer Betriebsvereinbarung sind 30 Arbeitstage vorgesehen. Welchen Urlaubsanspruch hat Anton?
Nach dem Rangprinzip geordnet kommen als relevante Rechtsquellen in Betracht:
Da § 3 BUrlG nur den Mindesturlaubsanspruch regelt, darf zugunsten des Auszubildenden davon abgewichen werden. Die nach dem Günstigkeitsprinzip an sich zugrundezulegenden 30 Arbeitstage nach der Betriebsvereinbarung sind aufgrund der Nichtigkeit der Betriebsvereinbarung wegen des Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG nicht maßgeblich. Wenn ein Tarifvertrag den Urlaub regelt, kann der Urlaub nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Gegenüber dem Tarifvertrag ist die günstigere ausbildungsvertragliche Regelung vorrangig (§ 4 Abs. 3 TVG).
Anton hat somit Anspruch auf 28 Arbeitstage Urlaub.
1BAG, Urteil vom 03. Juni 1987 – 5 AZR 285/86.
2BAG, Urteil vom 7. März 1990 – 5 AZR 217/89.
3 Pflegeberufegesetz vom 17. Juli 2017, BGBl I, S. 2581; dieses ersetzt seit 2020 das Kranken- und Altenpflegegesetz.
4 Ergotherapeutengesetz vom 25. Mai 1976, BGBl. I, S. 1246.
5 Masseur- und Physiotherapeutengesetz vom 26. Mai 1994, BGBl. I, S. 1084.
6BAG, Urteil vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 140/01.
7 Berufsbildungsgesetz vom 14. August 1969, BGBl. I S. 1112.
8 Gesetz zur Reform der beruflichen Bildung vom 23. März 2005, BGBl. I S. 931.
9 Gesetz zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung vom 12. Dezember 2019, BGBl. I S. 2522.
10BAG, Urteil vom 30. Mai 2006 – 1 AZR 111/05.
2.1. Ausbildungsordnung und Ausbildungsberuf
Die Grundlage für eine bundeseinheitliche Berufsausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen stellt die Ausbildungsordnung dar, welche als Rechtsverordnung des Bundes erlassen wird (§ 4 Abs. 1 BBiG). Für anerkannte Ausbildungsberufe darf ausschließlich nach der Ausbildungsordnung ausgebildet werden (§ 4 Abs. 2 BBiG).11 Minderjährige dürfen nur in anerkannten Ausbildungsberufen ausgebildet werden, es sei denn, die Ausbildung bereitet auf weiterführende Bildungsgänge vor (§ 4 Abs. 3 BBiG).
Wird eine Ausbildungsordnung aufgehoben, so gelten für bereits bestehende Ausbildungsverhältnisse die bisherigen Vorschriften fort (§ 4 Abs. 4 BBiG), so dass die Ausbildung ordnungsgemäß beendet werden kann. Die neue Ausbildungsordnung kann aber vorsehen, dass die Ausbildung unter Anrechnung der bereits zurückgelegten Ausbildungszeit nach der neuen Ausbildungsordnung fortgesetzt werden kann, wenn die Vertragsparteien dies vereinbaren (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 BBiG).
Beispiel: Mit Wirkung vom 1. August 2014 wurde die Ausbildungsordnung für den Beruf „Kaufmann/-frau für Büromanagement“ erlassen und u.a. die Ausbildungsordnung für den Beruf „Bürokaufmann/-frau“ aufgehoben. Hatte ein Auszubildender 2013 seine Ausbildung zu Bürokaufmann begonnen, konnte er sie nach der seinerzeit geltenden Verordnung fortsetzen und beenden.
Eine Ausbildungsordnung regelt mindestens (§ 5 Abs. 1 BBiG):
die Berufsbezeichnung,
die Ausbildungsdauer,
das Ausbildungsberufsbild,
den Ausbildungsrahmenplan und
die Prüfungsanforderungen.
Nach § 5 Abs. 2 BBiG kann die Ausbildungsordnung zusätzlich regeln:
die Ausbildung als Stufenausbildung,
eine gestreckte Abschlussprüfung,
Anrechnungsregeln,
Zusatzqualifikationen und
verpflichtende überbetriebliche Ausbildung.
2.2. Eignung der Ausbildungsstätte und der beteiligten Personen
Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit im Rahmen der Berufsausbildung ausgebildet werden darf:
Um ausbilden zu dürfen, muss die Ausbildungsstätte für die Berufsausbildung geeignet sein. Das setzt zunächst voraus, dass sie nach Art und Einrichtung die Vermittlung der erforderlichen Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten des auszubildenden Berufs ermöglicht (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 BBiG). Dazu gehören neben den erforderlichen Räumlichkeiten insbesondere die Grundausstattungen an Werkzeugen, Maschinen und Geräten, Prüfmitteln, Pflege- und Wartungseinrichtungen, bürotechnischen Einrichtungen und Hilfsmitteln sowie anderen notwendigen Ausbildungsmitteln. Art und Umfang der Produktion bzw. das Sortiment oder die angebotenen Dienstleistungen müssen gewährleisten, dass die in der Ausbildungsordnung vorgesehenen Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten vermittelt werden können.
Beispiel: Der Betreiber eines Imbiss-Wagens kann in seinem Betrieb keinen Auszubildenden zum Koch ausbilden, da der Imbiss-Wagen nach Art und Einrichtung zur Vermittlung der erforderlichen Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten nicht geeignet ist.
Können einzelne Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten in der Ausbildungsstätte nicht vermittelt werden, so kann dieser Mangel durch eine Ausbildungsmaßnahme außerhalb der Ausbildungsstätte behoben werden (§ 27 Abs. 2 BBiG).
Beispiel: Ein kleinerer metallverarbeitender Betrieb möchte einen Zerspanungsmechaniker ausbilden. Im Ausbildungsrahmenplan ist u.a. ein Abschnitt „Programmieren von numerisch gesteuerten Werkzeugmaschinen oder Fertigungssystemen“ enthalten. Da das Unternehmen selbst keine CNC-Maschinen hat, können diese Kenntnisse und Fertigkeiten in der Ausbildungsstätte nicht vermittelt werden. Schließt man einen Vertrag mit einem anderen Unternehmen oder einer außerbetrieblichen Ausbildungsstätte ab, welche dem Auszubildenden die Inhalte der CNC-Ausbildung vermittelt, gilt der Mangel als behoben.
Das Verhältnis der Auszubildenden zu der Zahl der Ausbildungsplätze bzw. Fachkräfte muss zudem angemessen sein. Die Angemessenheit gilt als gegeben, wenn folgende Verhältnisse Auszubildende zu Fachkräfte bestehen:12
Anzahl der Auszubildenden
Anzahl der Fachkräfte
1
1 - 2
2
3 - 5
3
6 - 8
je weiterer
3 weitere
Als Fachkräfte gelten neben dem Ausbilder alle Facharbeiter mit entsprechendem Ausbildungsberuf und Personen, welche die anderthalbfache Zeit der Ausbildungsdauer in diesem Beruf gearbeitet haben.
Ein nebenberuflicher Ausbilder soll i.d.R. nicht mehr als 3, ein hauptberuflicher i.d.R. nicht mehr als 16 Auszubildende ausbilden.13
Bezüglich der an der Ausbildung beteiligten Personen ist zwischen dem Ausbildenden, dem Ausbilder und den Ausbildungsbeauftragten zu unterscheiden.
Ausbildender ist, wer andere Personen zur Berufsausbildung einstellt (§ 10 Abs. 1 BBiG). Ausbilder ist, wer die wesentlichen Ausbildungsinhalte unmittelbar vermittelt (§ 28 Abs. 2 BBiG). Unter der Verantwortung des Ausbilders können Personen tätig werden, die nicht selbst Ausbilder sind (Ausbildungsbeauftragte, § 28 Abs. 3 BBiG).
Auszubildende einstellen darf nur, wer persönlich geeignet ist (§ 28 Abs. 1 S. 1 BBiG). Bei einer juristischen Person setzt dies die persönliche Eignung der vertretungsberechtigten Personen voraus. Auch Ausbildungsbeauftragte müssen persönlich geeignet sein (§ 28 Abs. 3 BBiG). Ausbilder müssen persönlich und fachlich geeignet sein (§ 28 Abs. 1 S. 2 BBiG). Ist der Ausbildende nicht zugleich Ausbilder, muss er persönlich und fachlich geeignete Ausbilder bestellen (§ 28 Abs. 2 BBiG).
Die persönliche Eignung gilt grundsätzlich für Jedermann als gegeben. Ausgenommen werden Personen, bei denen die Gefahr einer charakterlichen, sittlichen oder körperlichen Gefährdung der Auszubildenden besteht.
Persönlich nicht geeignet ist daher insbesondere, wer Kinder und Jugendliche nicht beschäftigen darf (§ 29 Nr. 1 BBiG i.V.m. § 25 JArbSchG) oder wer schwer oder wiederholt gegen das BBiG verstoßen hat (§ 29 Nr. 2 BBiG).
Kinder und Jugendliche darf nach § 25 JArbSchG für mindestens 5 Jahre nicht beschäftigen, wer
wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 2 Jahren,
wegen einer vorsätzlichen Straftat in der Funktion als Ausbilder oder Arbeitgeber zulasten Kinder oder Jugendlicher zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 3 Monaten,
wegen Sexualstraftaten, Misshandlung Schutzbefohlener, Menschenhandel, • wegen einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz oder
zweimal wegen einer Straftat nach dem Jugendschutzgesetz und dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften
rechtskräftig verurteilt wurde. Gleiches gilt bei einer dreimaligen Festsetzung eines Bußgeldes wegen Verstößen gegen das JArbSchG.
Wer schwer oder wiederholt gegen das BBiG verstoßen hat, ist persönlich nicht geeignet. Von einem schweren Verstoß ist insbesondere auszugehen, wenn dem Auszubildenden hierdurch nicht nur unerheblicher Schaden entsteht. Dabei kommen insbesondere die Ordnungswidrigkeiten nach § 101 BBiG in Betracht. Auch mehrfache weniger schwere Verstöße können die persönliche Eignung in Frage stellen.14
Neben den in § 29 Nr. 1 und 2 BBiG ausdrücklich genannten Fallgruppen, welche die persönliche Eignung fehlen lassen, sind auch andere Konstellationen denkbar. Das ergibt sich aus der Formulierung „insbesondere“.
Persönlich nicht geeignet sind daher auch Personen, die aus anderen Gründen eine sittliche, charakterliche oder körperliche Gefährdung Auszubildender befürchten lassen. Das kommt z.B. in Betracht, wenn die Stellung als Ausbildender dazu ausgenutzt wird, den Auszubildenden weltanschaulich im Sinne der Scientology-Organisation zu beeinflussen.15 Eine große Anzahl über mehrere Jahre begangene Straftaten kann auch dann die fehlende persönliche Eignung begründen, wenn sie nicht unter die in § 25 JArbSchG genannten Straftaten fallen.16
Die fachliche Eignung (§ 30 Abs. 1 BBiG) hat, wer
die beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten und
die berufs- und arbeitspädagogischen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, die zur Vermittlung der Ausbildungsinhalte erforderlich sind.
Die erforderlichen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt nach § 30 Abs. 2 BBiG, wer
die Abschlussprüfung in einer dem Ausbildungsberuf entsprechenden Fachrichtung bestanden hat oder
eine staatlich anerkannte Prüfung in einer dem Ausbildungsberuf entsprechenden Fachrichtung bestanden hat oder
einen Hochschulabschluss in einer dem Ausbildungsberuf entsprechenden Fachrichtung oder
einen gleichgestellten ausländischen Berufsabschluss hat
und
eine angemessene Zeit praktischer Tätigkeit nachweist.
Als berufs- und arbeitspädagogisch geeignet gilt, wer die Ausbildereignungsprüfung nach § 4 AEVO bestanden hat oder nach den §§ 6, 7 AEVO von der Prüfung befreit ist.
Beispiel: In einer GmbH sollen erstmals Auszubildende zu Kaufleuten für Büromanagement ausgebildet werden. Als potentielle Ausbilder werden vorgesehen:
Herr Müller hat vor einem Vierteljahr sein Studium zum Bachelor in Betriebswirtschaftslehre abgeschlossen. Im Rahmen seines Studiums hat er die AEVO-Prüfung absolviert.
Frau Meier hat vor 10 Jahren ihre Ausbildung zur Bürokauffrau erfolgreich abgeschlossen. Sie arbeitet seitdem im Rechnungswesen. Sie hat vor 8 Jahren die AEVO-Prüfung bestanden.
Herr Schulze hat vor 8 Jahren eine Ausbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt erfolgreich absolviert und ist seitdem im Vertrieb beschäftigt. Er hat in seiner Ausbildung auch die AEVO-Prüfung abgelegt. Vor zwei Jahren wurde er wegen Cannabis-Einfuhr zu einer Geldstrafe i.H.v. 120 Tagessätzen verurteilt.
Herr Müller ist persönlich geeignet. Die fachliche Eignung ist aber wegen der zu geringen Berufspraxis nicht gegeben (§ 30 Abs. 2 BBiG).
Frau Meier ist persönlich geeignet. Sie hat aufgrund ihrer Berufsausbildung und -praxis die erforderlichen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten und ist aufgrund der bestandenen AEVO-Prüfung berufs- und arbeitspädagogisch geeignet.
Herr Schulze hat zwar die fachliche Eignung, ist aber aufgrund seiner Vorstrafe nach dem BtMG persönlich nicht geeignet (§ 29 Nr. 1 BBiG i.V.m. § 25 Abs. 1 Nr. 4 JArbSchG).
Somit kommt nur Frau Meier als Ausbilderin in Betracht.
In besonderen Fällen kann die fachliche Eignung von der landesrechtlich zuständigen Behörde widerruflich zuerkannt werden (§ 30 Abs. 6 BBiG). Die Zuerkennung ermöglicht, dass Personen, die zwar die Formalvoraussetzungen des § 30 Abs. 2 BBiG nicht erfüllen, aber trotzdem die erforderlichen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, als Ausbilder tätig werden können. In Betracht kommen z.B. Berufsquereinsteiger mit langjähriger Berufserfahrung im nicht erlernten Beruf.
In einigen Bereichen gelten besondere Voraussetzungen für die fachliche Eignung.
Im Bereich der beruflichen Rehabilitation